Häufige Augenerkrankungen im Alter

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Achtung: Erblindungsgefahr
Häufige Augenerkrankungen im
Alter
80 % unserer Sinneseindrücke
werden über unsere Augen
wahrgenommen. Neben dieser Sinnesleistung dienen
unsere Augen auch als
wichtiges Kommunikationsmittel – so können manche Blicke
„verführen“, während
andere „beinahe töten“. Darüber hinaus
tragen Farbe und Aussehen
unserer Augen einen großen Teil
zur persönlichen Identität bei. Der
Vergleich, etwas „wie seinen eigenen
Augapfel zu hüten“, zeigt sprichwörtlich auf, wie wertvoll und schützenswert unsere Augen sind. Unsere
Augen leisten Tag für Tag Enormes
und sind, wie auch andere Organsysteme, nicht vor altersbedingten
Veränderungen oder Erkrankungen
gefeit. Im Folgenden wird auf die
häufigsten Augenerkrankungen
im Alter und deren Relevanz in der
hausärztlichen Praxis eingegangen.
Der graue Star – Katarakt
Als Katarakt wird eine Trübung der
Linse bezeichnet. Dies ist die häufigste
Erblindungsursache weltweit (30 Mio.
Betroffene) [24]. Ein mikrochirurgischer
Eingriff kann die Sehkraft wiederherstellen. Da vor allem in Entwicklungsländern diese Operation begrenzt verfügbar
ist, stellt diese Erblindungsursache ein
großes Problem eben dieser Länder dar
[3]. Die Zehn-Jahresinzidenz einer al26
Der Allgemeinarzt 11/2014
Mauritius
Christoph Schwab, Andreas Wedrich
tersbedingten Linsentrübung in einer
Population (USA) im Alter von 43 bis
86 Jahren beträgt 54 % [12]. Die Sehverschlechterung entwickelt sich schmerzlos und langsam progredient.
Diagnose: Neben der Anamnese kann
auch ohne Spaltlampe eine Untersuchung mit einem direkten Ophthalmoskop Hinweis auf das Vorhandensein
einer Katarakt geben.
Typische Symptome sind:
•• Blendempfindlichkeit
•• zunehmende Kurzsichtigkeit
•• trübe, nebelartige Sehverschlechterung (Abb. 1)
Therapie: Die einzige Therapie einer
Katarakt besteht in einer mikrochirurgischen Operation. Das Auge wird
durch einen 2,5 mm breiten Hornhautschnitt eröffnet. Da die Hornhaut avaskulär ist, besteht nur ein sehr geringes
Blutungsrisiko. Die getrübte Linse wird
durch diesen Schnitt aus dem Kapselsack entfernt und eine Kunstlinse
implantiert. Diese verbleibt ein Leben
lang im Auge. Bei 20 % der Patienten
entwickelt sich im weiteren Verlauf
eine Trübung der Linsenkapsel – ein
sogenannter „Nachstar“. Der zentrale
Teil der getrübten Linsenkapsel kann
relativ einfach mit einem Lasereingriff
entfernt und der Visus wiederhergestellt werden [4].
Pathogenese und Risikofaktoren: Die
Ursache der altersbedingten Katarakt
ist bis heute noch nicht vollständig geklärt – möglicherweise sind oxidative
Schäden der Linsenproteine ursächlich
beteiligt [25]. Die wichtigsten Risikofaktoren sind Alter, Genetik, Rauchen,
Sonnenlichtexposition, Diabetes und
Kortisontherapien. Abgesehen von der
Meidung änderbarer Risikofaktoren gibt
es keine bekannten Präventivmaßnahmen [27].
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Abb. 1: Stadtpark Graz, Orangerie im Burggarten, links normaler, rechts durch Katarakt veränderter Seheindruck
Altersbedingte Makuladegeneration
Die altersbedingte Makuladegeneration
(AMD) ist die häufigste Erblindungsursache bei über 50-Jährigen in der Indus­
triewelt [11]. Man versteht darunter eine
chronisch degenerative Erkrankung der
zentralen Netzhaut. Unterschieden wird
eine trockene von einer feuchten Form.
Bei der trockenen AMD atrophiert die
zentrale Netzhaut langsam progredient
(über Monate bis Jahre). Als Folge des
Verlustes zentraler Fotorezeptoren nehmen die Patienten einen dunklen Fleck
in der Mitte des Gesichtsfeldes wahr
(Zentralskotom). Objekte o. Ä. werden
erst wahrgenommen, wenn die Patienten daran „vorbeischauen“ anstatt direkt
daraufzublicken (Abb. 3).
Bei der feuchten AMD kommt es zum
Einwachsen neuer Gefäße (Neovaskularisation). Diese Gefäße sind jedoch von
minderer Qualität: Flüssigkeit und Blut
treten aus – es kommt relativ rasch zu
einer Verwerfung der Netzhaut. Typischerweise nehmen Patienten dadurch
gerade Linien als verzogen wahr (Metamorphopsien – Abb. 2). Unbehandelt
ist eine irreversible Schädigung der
Netzhaut durch eine Narbenbildung
die Folge [10].
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Der Allgemeinarzt 11/2014
Pathogenese und Risikofaktoren: Die
genaue Pathogenese der AMD ist noch
nicht vollständig geklärt. In Diskussion
sind eine Änderung der Stoffwechsellage, Zellapoptose durch Entzündungen
oder Alterungsprozesse bzw. genetische
Alterationen [7, 29, 28]. Bei der feuchten
Form ist zumindest die molekulare Pathogenese bekannt: Ein Überhang von
Gefäßwachstumsfaktoren (v. a. Vascular
Endothelial Growth Factor, VEGF) führt
zu einer Neovaskularisation.
Neben Alter und genetischen Faktoren
ist das Rauchen als wichtigster änderbarer Risikofaktor identifiziert worden [9].
Diagnose: Meist ist die Anamnese bereits hinweisend. Die endgültige Dia­
gnose kann durch eine genaue Fundusuntersuchung, ggf. in Verbindung mit
einer Angiographie und einer Schichtaufnahme der Netzhaut (optische
Kohärenztomographie, OCT), gestellt
werden [10].
Therapie der feuchten AMD: Eine in­
travitreale (= in den hinteren Augenabschnitt) Injektion von Anti-VEGF dichtet die Neovaskularisationen ab. Da die
Makuladegeneration eine chronische
Erkrankung ist, sind häufig lebenslang
Injektionen notwendig [5].
Therapie der trockenen AMD: Die AgeRelated Eye Disease Study (AREDS) untersuchte die Wirkung von antioxidativen
Vitaminen und Zink (500 mg Vitamin C,
400 IE Vitamin E, 15 mg Betacarotin,
80 mg Zink und 2 mg Kupfer) auf den Verlauf einer AMD. Bei Patienten mit einer
fortgeschrittenen trockenen AMD konnte
das Risiko, eine feuchte Form zu entwickeln, durch Einnahme dieser Sub­stanzen
reduziert werden [2, 23]. Aufgrund der
statistischen Auswertung sind diese
Ergebnisse jedoch nicht unumstritten.
CAVE: Raucher und ehemalige Raucher
müssen bedenken, dass Betacarotin ihr
Risiko, ein Lungenkarzinom zu entwickeln, vermutlich erhöht [1].
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Merke: Aufgrund des geringen Blutungsrisikos braucht
eine etwaig bestehende
Antikoagulation bei der
präoperativen Katarakt-Untersuchung nicht abgesetzt
werden.
Abb. 2: Amslernetz: links normaler, rechts durch feuchte AMD veränderter Seheindruck
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Abb. 3: Kunsthaus Graz: links normaler, rechts durch trockene AMD veränderter Seheindruck
Allgemeinmaßnahmen: Einige Patienten mit fortgeschrittener AMD profitieren von vergrößernden Sehhilfen
[10, 11]. Das sogenannte Amslernetz
kann auch dazu dienen, Patienten
eine Selbstkontrolle zu ermöglichen.
Es besteht aus einem Netz mit einem
mittig gelegenen Fixierpunkt. Werden
bei Blick auf dieses Netz neue oder vermehrte Verwerfungen der Linien wahrgenommen, ist dies ein Hinweis auf eine
Krankheitsprogression (Abb. 2) – eine
augenärztliche Vorstellung sollte baldig
erfolgen [16].
Merke: Rauchen ist der wichtigste beeinflussbare Risikofaktor bei der Makuladegeneration.
Der grüne Star – Glaukom
Der Begriff Glaukom bezeichnet eine
Gruppe von Erkrankungen, welchen ein
progredienter Verlust retinaler Nervenfasern gemeinsam ist – am häufigsten
ist das sogenannte Primäre Offenwinkel-Glaukom (POWG). Im Erkrankungsverlauf entwickeln sich charakteristische Gesichtsfeldausfälle, welche bis
zur Erblindung führen können [26].
Es ist die zweithäufigste Erblindungsursache weltweit – 2010 waren 44,7
Mio. Menschen am POWG erkrankt,
Schätzungen zufolge soll diese Zahl
im Jahr 2020 auf 58,6 Mio. Menschen
ansteigen [22]. Die Prävalenz ist stark
altersabhängig. Im Alter von < 55 Jahren
beträgt diese 1 % und steigt von 2 % bei
< 65-Jährigen auf 4 % bei < 80-Jährigen
an [6].
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Der Allgemeinarzt 11/2014
Patienten mit einem Glaukom bemerken Symptome erst in fortgeschrittenen
Stadien. Das Gehirn ergänzt in frühen
Stadien fehlende Gesichtsfeldanteile.
Im Gegensatz zum akuten Glaukomanfall bestehen keine Schmerzen.
Pathogenese und Risikofaktoren: Die
Pathogenese des Nervenfaserverlustes ist noch nicht vollständig geklärt.
Vermutet wird eine Störung der Mikrozirkulation am Sehnervenkopf [13].
Bekannte Risikofaktoren sind erhöhter
Augendruck, ein niedriger Blutdruck,
genetische Faktoren, ein RaynaudSyndrom, hohe Kurzsichtigkeit und
ein hohes Lebensalter [13, 26].
Diagnose: Da Patienten Symptome dieser Erkrankung erst sehr spät bemerken, wird ein Glaukom-Screening ab
dem 40. Lebensjahr empfohlen. Weitere
Untersuchungen sollten in einem Intervall von ein bis drei Jahren (abhängig
von Risikofaktoren) stattfinden [20].
Obwohl der Augendruck einen wichtigen Risikofaktor für das Glaukom
darstellt, kann eine alleinige Augendruckmessung ein Glaukom weder
ausschließen noch den Verlauf beurteilen. Würde man nur den Augendruck
messen, könnte man 50 % aller Glaukome nicht diagnostizieren [14]. Um die
Diagnose zu stellen bzw. den Verlauf
zu beurteilen, sind neben einer Augendruckmessung eine Funduskopie und
gegebenenfalls eine Gesichtsfelduntersuchung notwendig. Weitere Risikofaktoren sind nächtliche Hypotonien und
ein Schlafapnoe-Syndrom [10, 13, 19].
Therapie: Die Therapie eines Glaukoms
besteht in der Augendrucksenkung.
Die Therapieoptionen umfassen eine
medikamentöse Drucksenkung, eine
Laserbehandlung im Kammerwinkel
oder einen mikrochirurgischen Eingriff.
Auch eine Optimierung der Blutdruckmedikation (abendliche Einnahme
könnte zu nächtlichen Hypotonien
führen) oder die Behandlung eines
Schlafapnoe-Syndroms wirken sich
bei einigen Patienten positiv auf den
Krankheitsverlauf aus.
Ziel der Therapie ist es, den Fortschritt
dieser Erkrankung zu verhindern, denn
ein glaukomatöser Schaden ist irreversibel [10, 13].
Der weitere Krankheitsverlauf wird
durch …
•• dreimonatliche Augendruckmessungen mit Fundusuntersuchung,
•• halbjährliche Gesichtsfelduntersuchungen und
•• jährliche apparative Vermessung der
Papille
kontrolliert [20].
Merke: Ab dem 40. Lebensjahr
sollten selbst beschwerdefreie
Personen einem Glaukomscreening unterzogen werden.
Das trockene Auge – Konjunktivitis
sicca
Eine der häufigsten Augenbeschwerden
sind trockene Augen: Bis zu 30 % der
über 50-Jährigen [17, 21] leiden unter
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dadurch bedingten Beschwerden. Patienten klagen häufig über Brennen,
Kratzen, Fremdkörpergefühl, Tränen
oder Rötung der Augen [8]. Oftmals
werden auch Sehbeschwerden angegeben, welche sich in ihrer Ausprägung
durch wiederholten Lidschluss ändern.
Pathogenese: Trockene Augen haben
eine multifaktorielle Ätiologie. Risikofaktoren sind v. a. Alter, weibliches Geschlecht und hormonelle Umstellungsphasen. Beim trockenen Auge kommt
es zu einer ungenügenden Tränenbenetzung des Auges. Ursächlich reicht
entweder die Produktion der Tränenflüssigkeit nicht aus oder aber eine veränderte Tränenfilmzusammensetzung
führt zu einer vermehrten Evaporation
bzw. Tränenfilminstabilität. Ist Letzteres der Fall, kann die Tränenflüssigkeit
nicht mehr am Auge gehalten werden
– paradoxerweise hat der Patient tro-
ckene Augen, obwohl er über Tränen
der Augen klagt.
Therapie: Zur Behandlung des trockenen Auges steht mittlerweile eine breite Palette an Tränenersatzmitteln zur
Verfügung. Eine Therapie könnte beispielsweise mit dreimal täglich einem
Tropfen begonnen werden. Bemerkt
der/die PatientIn in den folgenden Tagen keine Besserung, kann die Tropffrequenz auf bis zu stündlich gesteigert
werden [17, 18]. Bei Tropffrequenzen
von über sechsmal pro Tag ist wegen
der dosisabhängigen zytotoxischen
Wirkung von Konservierungsmitteln
auf eine konservierungsmittelfreie Rezeptur zurückzugreifen [15].
Differentialdiagnosen: Vor Therapiebeginn sollten Erkrankungen wie Lidfehlstellungen, okuläre Infektionen oder
Fremdkörper ausgeschlossen werden.
Stellt sich trotz Therapie keine ausreichende Besserung ein, empfiehlt sich
die Weiterleitung an den Augenarzt
zum Ausschluss anderer Ursachen. ▪
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Interessenkonflikte: keine deklariert
Dr. med. Univ.
Christoph Schwab (Foto)
Univ.-Prof. Dr. med. univ.
Andreas Wedrich
Universitäts-Augenklinik
Graz
A – 8036 Graz
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