Broschüre Fazialisrekonstruktion - Fazialis-Nerv

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Behandlung der bleibenden Gesichtsnervenlähmung
(chronische Fazialisparese) Prof. Guntinas-Lichius
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Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient,
sehr geehrte Damen und Herren!
Mit dieser Broschüre möchten wir Sie über die Behandlungsmöglichkeiten einer
bleibenden Gesichtsnervenlähmung (medizinischer Fachbegriff: chronische Fazialisparese, irreversible Fazialisparese) informieren. Wir arbeiten seit vielen Jahren an
Verfahren zur Linderung dieser Erkrankungen mit ihren vielfältigen Folgen im Alltag
des Patienten. Aus diesem Grund haben wir in Jena auch ein Zentrum gegründet, das
Fazialis-Nerv-Zentrum. Hier versammeln sich Spezialisten der verschiedenen medizinischen Fachgebiete berufsgruppenübergreifend zur Behandlung von Patienten mit
Fazialisparese. Der Schwerpunkt dieser Broschüre liegt in der Darstellung der derzeitigen modernen chirurgischen Möglichkeiten.
Einleitung
Die Behandlung von bleibenden Gesichtsnervenlähmungen (irreversible Fazialisparese), also von Gesichtsnervenlähmungen, die keine Erholung zeigen, stellt einen
Schwerpunkt der Jenaer Universitäts-HNO-Klinik dar. Begleitet wird unsere klinische
Tätigkeit auf diesem Gebiet durch eine rege Forschungstätigkeit zur Verbesserung
der Methoden zur Behandlung der bleibenden Gesichtsnervenlähmung. Die Behandlung von bleibenden Gesichtnervenlähmungen erfordert große Erfahrung, da die Behandlung oft sehr schwierig ist und viele verschiedene Aspekte individuell bei der
Therapieplanung berücksichtigt werden müssen. In der nachfolgenden Übersicht soll
betroffenen Patienten und ihren Angehörigen erklärt werden, wie eine bleibende
Gesichtsnervenlähmung entsteht und welche Beschwerden auftreten. Die bleibenden
Folgen einer solchen Lähmung werden erklärt und die wichtigsten Therapiemöglichkeiten werden aus der Sicht eines HNO-Arztes erläutert.
Das Gesicht gilt als Spiegel der Persönlichkeit. Ein unversehrtes Gesicht und die Mimik sind in unserer Gesellschaft von entscheidender Bedeutung für die verbale und
non-verbale Kommunikation. Patienten mit bleibender Fazialislähmung fühlen sich
daher oftmals diskriminiert und von der Öffentlichkeit stigmatisiert. Anders als andere Behinderungen lässt sich eine Gesichtsnervenlähmung nicht verstecken. Daher
stellt die Behandlung solcher Lähmungen eine große Herausforderung für die HNOChirurgie und verwandte Fachdisziplinen dar. Heute steht eine Vielzahl von etablierten, chirurgischen und nicht-chirurgischen Therapieverfahren zur Wiederherstellung
der Gesichtsfunktionen zur Verfügung, die im Einzelnen vorgestellt werden sollen.
Die Behandlung einer bleibenden Gesichtsnervenlähmung kann nicht nach einem
einfachen Schema erfolgen. Die Beschwerden des einzelnen Patienten müssen genau
analysiert werden und ein Therapiekonzept individuell für jeden einzelnen Patienten
neu erarbeitet werden.
Die Entstehung einer bleibenden Gesichtsnervenlähmung
Ist der Gesichtsnerv (medizinischer Fachbegriff: Nervus fazialis) selbst erkrankt,
spricht man von einer peripheren Gesichtsnervenlähmung. Ist dagegen ein Teil des
Gehirns erkrankt, das den Gesichtsnerv ansteuert, wie dies zum Beispiel durch einen
Schlaganfall passieren kann, so spricht man von einer zentralen Fazialisparese. Die
Ursachen für eine peripheren Lähmung des Gesichtsnervs sind vielfältig: Durch eine
Nervenentzündung, eine Ohrentzündung, gutartige oder bösartige Tumoren des Ohres oder der Ohrspeicheldrüse (Glandula parotis) kann eine Gesichtsnervenlähmung
entstehen. Da in unserer HNO-Klinik viele Patienten mit bösartigen Speicheldrüsentumoren operiert werden und weil wir auf die Behandlung dieser Erkrankung spezialisiert sind, sind wir häufig mit dieser Situation konfrontiert. Weitere Ursachen sind
Unfälle und Verletzungen im Verlauf des Nervs sowie Operationen am Gesichtsnerv.
So kann es bei einer Akustikusneurinom-Operation (Vestibularis-Schwannom-Operation) zu einer Verletzung des Gesichtsnervs kommen, weil der Gesichtsnerv sich in
unmittelbarer Nähe des Hörgleichgewichtsnervs befindet und dem Akustikusneurinoms anliegen kann. Für das Ausmaß der Gesichtsnervenlähmung ist jedoch nicht
die Ursache entscheidend, sondern die Schwere der Schädigung: Jeder Nerv ist - vereinfacht dargestellt - aufgebaut wie ein Kabel; der Nerv besteht aus den leitenden
Fasern (Axone) und einer Isolierung (Myelinscheide). Wird ausschließlich die Isolierung geschädigt, so erholt sich der Nerv in der Regel binnen 2 bis 4 Monaten von der
Lähmung. Werden jedoch die leitenden Fasern geschädigt, oder im schlimmsten Fall
sogar die Fasern und die Isolierung, wie dies bei einer kompletten Durchtrennung des
Nervs der Falls ist, so kommt es immer zu einer bleibenden Schädigung des Gesichtsnervs. Die Ursache der Lähmung, die Untersuchung des Patienten und insbesondere eine elektrische Untersuchung des Nervs, eine Elektromyographie, helfen bei der
Beurteilung der Schwere der Schädigung. Eine elektromyographische Untersuchung
des Gesichtsnervs ist in neurologischen Abteilungen und in wenigen spezialisierten
HNO-ärztlichen Kliniken, so auch in unserem Fazialis-Nerv-Zentrum, möglich.
Die Beschwerden von Patienten mit bleibenden Gesichtsnervenlähmungen
Die Folge einer Verletzung des Gesichtsnervs ist eine Störung der natürlichen Funktionen des Nervs: Nachdem der Gesichtsnerv den Kopf verlassen hat, verzweigt er
sich in viele Äste und versorgt alle mimischen Muskeln des Gesichts. Die wichtigste
Aufgabe ist die Bewegung der Gesichtsmuskeln. Eine Lähmung des Gesichtsnervs
führt also zu einer Lähmung der Gesichtsmuskeln (Abb. 1). Daher wird im Schrifttum
eine Gesichtsnervenlähmung oft mit einer Gesichtslähmung gleichgesetzt. Der Gesichtsnerv führt auch Nervenfasern für das Schmecken der zugehörigen Zungenseite,
Fasern zur Tränendrüse und Fasern zu einem Mittelohrmuskel. Daher kann eine Gesichtsnervenlähmung auch zu Schmeckstörungen, Störung der Tränenbildung und zu
Hörstörungen führen. Die schwerwiegendste Folge ist die Gesichtsmuskellähmung.
Die verschiedenen Ausprägungen der Schädigung und der weitere Verlauf
Liegt bei einer peripheren Lähmung nur eine geringgradige Schädigung des Nervs
vor, so verliert das Gesicht oftmals nicht so ausgeprägt und schnell seine Spannung
in Ruhe, und die Beweglichkeit des Gesichts erholt sich im oben beschriebenen
Zeitraum. Bei einer schwerwiegenden und dauerhaften Schädigung des Gesichtsnervs sind theoretisch zwei Verlaufsformen möglich, wobei es praktisch oft zu einer
Mischung beider Verlaufsformen kommt. Selbst in einem komplett durchtrennten
Nerv ist ein Wiederaussprossen von Nervenfasern zu beobachten. Im schlimmsten
Fall ist der durch die Schädigung entstandene Defekt jedoch so groß, das der Nerv
nicht wieder bis zur Gesichtsmuskulatur auswachsen kann. In diesem Fall kommt es
zu keiner Erholung der Ruhespannung der Muskulatur, das Gesicht bleibt schlaff,
und es kommt natürlich auch zu keiner Erholung der Beweglichkeit der betroffenen
Gesichtshälfte. Häufiger ist jedoch zu beobachten, dass wieder Nervenfasern auswachsen und auch Kontakt zu mimischen Muskeln des Gesichts aufnehmen. Daher
beobachtet man auch bei schweren Verletzungen des Gesichtsnervs 4 – 12 Monaten
nach Auftreten der Lähmung Erholungszeichen wie einer verbesserte Spannung der
Gesichtsmuskulatur oder sogar Bewegung im Gesicht. Es wird jedoch nie wieder auch nicht annähernd – die ursprüngliche normale Funktion erreicht. Warum?
Abb. 1. Zwei Patienten mit Gesichtsnervenlähmung : Die Patientin links kann den Mundwinkel rechtsseitig nicht anheben. Der Patient rechts kann die linke Stirn nicht in Falten legen.
Hierdurch ist nicht nur die Mimik gestört; durch den fehlenden Augenschluss kommt
es zum Austrocknen und zu Entzündungen des Auges; durch die Lähmung der Mundmuskulatur wird das Essen und Sprechen erschwert. Die Lähmung tritt jedoch nicht
nur beim Versuch in Erscheinung, die betroffene Gesichtshälfte zu bewegen, sondern
ist auch in Ruhe sichtbar. Aufgrund der fehlenden Ansteuerung durch den Gesichtsnerv verliert die Gesichtsmuskulatur ihre Ruhespannung und wird schlaff.
Bei einer zentralen Gesichtsnervenlähmung ist der Nerv selbst nicht geschädigt,
sondern eben die Ansteuerung durch das Gehirn. Daher steht hier die Störung der
Gesichtsmuskelbewegung ganz im Vordergrund. Die Folgen für das Gesicht können
dieselben sein wie bei der peripheren Nervenlähmung, wenn auch bei der zentralen
Lähmung mehr das untere Gesicht als das obere Gesicht betroffen ist.
Das fehlgeleitete Aussprossen und die Entwicklung von Synkinesien
Zum einen wachsen nie wieder so viele Nervenfasern aus wie ursprünglich vorhanden waren. Daher erreicht die Beweglichkeit des einzelnen Muskels nicht wieder
die alte Stärke. Zum anderen, und das ist weitaus entscheidender, teilen sich die
auswachsenden Nervenfasern mehrfach und sprossen rein zufällig, ohne dass man
es medizinisch beeinflussen könnte, zu irgendeinem Gesichtsmuskel. Es unterliegt
dem reinen Zufall, ob eine Nervenfaser wieder den Gesichtsmuskel erreicht, den sie
zuvor im Normalzustand versorgt hat. Dieses Verhaltensmuster wiederholt sich natürlich vielfach für viele verschiedene Nervenfasern. Möchte der Patient nun zum
Beispiel das Auge schließen, so wird er alle Nervenfasern über sein Gehirn aktivieren,
die ursprünglich für den Augenschluss zuständig waren. Einige dieser Fasern sind
aber rein zufällig in Mundmuskeln ausgewachsen. Dies führt dazu, dass der Patient
geschwächt das Auge schließt und gleichzeitig ungewollt den Mund bewegt. Eine
solche ungewollte Mitbewegung nennt man Synkinesien. Besonders unangenehm
ist der ungewollte Augenschluss bei Mundbewegungen, zum Beispiel beim Essen.
Diese Synkinesien können noch eine weitere Folge haben: Werden gleichzeitig zwei
Muskeln aktiviert, die eine gegenläufige Wirkung entfalten wie zum Beispiel der Augenschließmuskel und der Stirnmuskel (ähnlich Beugern und Streckern am Bein), so
heben sich die Bewegungen auf, und es ist keine oder nur sehr schwache Bewegung
zu sehen. Sprossen Nervenfasern des Auges, die ursprünglich den Lidschlussreflex
auslösten, zum Beispiel zum Mund aus, so kann dies zu einer rhythmischen Zuckung
am Mund führen. Fehlaussprossungen in die Tränendrüse führen zum Augentränen
(sogenannte Krokodilstränen). Allgemein spricht man bei allen möglichen Folgen einer Fehlaussprossung von einer Defektheilung. Nach Auftreten von Defektheilungszeichen frühesten 4 – 6 Monate nach Lähmungsbeginn können sich die Zeichen noch
für etwa weitere 12 Monate verändern.
Die beschriebenen Grundregeln gelten im Prinzip auch für die zentrale Fazialisparese.
Die Wahrscheinlichkeit der Erholung hängt von der Schwere der Schädigung oder
Erkrankung des Gehirns ab.
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Chirurgische Behandlungsmöglichkeiten
Wird der Gesichtsnerv bei einer Operation oder bei einem Unfall offensichtlich komplett durchtrennt, so ist natürlich eine sofortige Behandlung anzustreben. Diese Situation besteht zum Beispiel manchmal bei der Operation eines bösartigen Tumors.
Dieser sehr eindeutige Fall ist jedoch nicht der häufigste Fall. Oft ist es zunächst nicht
sicher zu beurteilen wie schwer der Gesichtsnerv verletzt wurde. Eine typische Situation zum Beispiel nach der Entfernung eines Akustikusneurinoms ist es, dass nach
der Operation eine Gesichtslähmung vorliegt, der Nerv aber bei der Operation nicht
wissentlich verletzt wurde. Erst im weiteren Verlauf, wenn keine Besserung der Lähmung auftritt, kommt der Verdacht auf, dass eine schwerwiegendere Lähmung, möglicherweise dauerhaft vorliegen könnte. Erst nachdem weitere Untersuchungen zur
Klärung vorgenommen wurden bzw. der weitere Spontanverlauf abgewartet wurde
und festgestellt wurde, dass es sich um eine dauerhafte Lähmung handelt, wird nun
die Frage aufgeworfen, welche chirurgischen Maßnahmen sinnvoll sind, um dem Patienten mit bleibender Lähmung zu helfen. Typischerweise sind dann 6 – 18 Monate
seit der Operation vergangen.
Die schnelle Nervenrekonstruktion und Nerventransplantation
Ist sofort oder binnen weniger Tage eine Wiederherstellung des Gesichtsnervs möglich, so ist eine direkte Naht des Nervs die Behandlung der Wahl. Generell erfolgen
alle Nervenrekonstruktionen unter dem Operationsmikroskop, da der Nerv nur einen
Durchmesser von 0,5 – 1,0 mm hat. Besteht durch die Schädigung eine Lücke im
Verlauf des Nervs, so verwendet man ein Nerventransplantat, das man in die Lücke einnäht. Als Spendernerv (vergleiche Abb. 2) verwendet man entweder einen
Gefühlsnerv vom Hals oder vom Bein. Die Entnahme dieser Spendernerven ist mit
keinem wichtigen Funktionsverlust für den Patienten verbunden. Der Patient erleidet
einen geringen Gefühlsverlust in der Entnahmeregion. Mit einer frühen Rekonstruktion durch eine direkte Naht oder ein Nerventransplantat erreicht man die besten
Ergebnisse. Daher sollten die Patienten im Zweifel frühzeitig und wiederholt sorgfältig untersucht werden. Die Regeneration verläuft langsam. Die Nervenregeneration
dauert 6 bis 12 Monate, selten auch bis 18 Monate. Das bedeutet, dass der Patient
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Abb. 2. Mikroskopische Aufnahme während der Operation einer Hypoglossus-Fazialis-Jump-Nervennaht.
Über ein verpflanztes Stück Nerve (=Interponat, i) wird der Zungennerv (z) an den Gesichtsnerv (f) angeschlossen. Die Dreiecke zeigen die Nahtstellen. Teilweise sind auch die Fäden sichtbar. Der Pfeil zeigt auf
die Nadel des Fadens beim Platzieren einer Naht. Der Faden hat die Stärke 10-0, das entspricht 0,2 mm.
solange mit Änderungen der Gesichtsfunktion rechnen darf. Mit einer direkten Nervenrekonstruktion oder einer Nerventransplantation erreicht man in der Regel wieder eine gute Ruhespannung der Gesichtsmuskulatur. Somit ist nach Abschluss der
Regeneration in Ruhe bei den Patienten kein wesentlicher Unterschied mehr zur gesunden Gegenseite zu erkennen. In Bewegung wird ein ausreichender Augenschluss
und Mundschluss erreicht. Mit der Wiederherstellung emotionaler mimischer Möglichkeiten ist zu rechnen.
Die verzögerte spätere Wiederherstellung des Gesichtsnervs
Häufig ist keine unmittelbare Wiederherstellung möglich. Nach einigen Monaten bis
18 Monate (in Einzelfällen bis 24 Monate nach Auftreten der Lähmung) wird nur selten eine Wiederherstellung durch eine direkte Naht oder eine Nerventransplantation
möglich sein. Das Verfahren der Wahl ist eine Rekonstruktion durch den gleichseitigen Zungennerv (Nervus hypoglossus). Bei dieser so genannten Hypoglossus-FazialisNervenanastomose wird der gleichseitige Zungennerv durchtrennt und der Nerv an
den Gesichtsnerv jenseits der Schädigungsstelle angenäht. Dieses Verfahren wird auch
zu einer sofortigen Rekonstruktion angewandt, wenn der Gesichtsnerv über eine so
lange Strecke zerstört ist, dass eine Nerventransplantation nicht mehr möglich ist.
Die Hypoglossus-Fazialis-Nervenanastomose ist ein sehr sicheres Verfahren. Binnen
12 Monaten kommt es zu einer Erholung der Ruhespannung des Gesichtes und zu
einer deutlichen Besserung der Beweglichkeit. Die kräftige Wiederherstellung der
Gesichtsbeweglichkeit hat aber auch Nachteile. Die Patienten klagen möglicherweise
über starke Synkinesien. Zwangsläufig tritt zudem eine leichte bis im schlimmsten
Fall deutliche Lähmung der gleichseitigen Zungenhälfte auf. Daher wir heutzutage
die klassische Hypoglossus-Fazialis-Nervenanastomose dahingehend verändert, dass
der Zungennerv nicht ganz durchtrennt wird, sondern nur gespalten wird, und so
nur ein Teil des Nervs für die Wiederherstellung der Gesichtsbeweglichkeit genutzt
wird (sogenannte Hypoglossus-Fazialis-Jump-Nervenanastomose, Abb. 2). In diesem Fall ist nur selten eine wesentliche Zungenlähmung zu beobachten. Da weniger
Nervenfasern zur Rekonstruktion zur Verfügung stehen, läuft die Erholung der Gesichtsbewegung langsamer ab – Veränderungen stellen sich bis 18 – 24 Monate nach
Operation ein. Insgesamt ist die Gesichtsbeweglichkeit geringer als nach einer klassischen Hypoglossus-Fazialis-Nervenanastomose mit dem Vorteil, dass möglicherweise
die Synkinesien geringer ausgeprägt sind. Nach einer Hypoglossus-Fazialis-Nervenanastomose muss der Patient durch eine intensive Übungsbehandlung lernen, durch
(gedachte) Bewegungen der Zunge das Gesicht zu bewegen. Zunächst müssen sehr
bewusst Zungenbewegungen vollführt werden, um eine Gesichtsbewegung zu erzeugen. Mit zunehmender Übung werden im besten Fall die Gesichtsbewegungen ohne
bewussten Einsatz der Zunge vollbracht (Abb. 3).
Eine solche Übungsbehandlung, dies gilt auch für die anderen Maßnahmen zur Rekonstruktion des Nervs, ergeben erst dann Sinn, wenn nach frühestens 6 Monaten
wieder ausreichend Nervenfasern in die Gesichtsmuskulatur ausgewachsen sind. Zuvor ist es natürlich unmöglich, durch gezielte Zungenbewegungen das Gesicht zu
bewegen. In dieser ersten Phase sollte ein spezialisierter Arzt den Patienten begleiten,
um den Zeitpunkt der Aufnahme der Übungsbehandlung gut abschätzen zu können.
Abb. 3. Ein Patient zwei Jahre nach Entfernung eines bösartigen Ohrspeicheldrüsentumors mit Gesichtsnervenlähmung rechts. Nervenrekonstruktion mit einer Hypoglossus-Fazialis-Jump-Nervenanastomose
rechts. Der Ruhetonus (links zu sehen) ist wieder gut hergestellt, genauso der Augenschluss. Beim
Mundspitzen (rechts) ist die linke kranke Seite fast wieder so gut beteiligt wie die gesunde rechte Seite.
Dadurch entsteht ein fast symmetrisches Aussehen.
Wiederherstellung der Gesichtsbewegung durch eine dynamische Muskelplastik
oder statische Maßnahmen
Dynamische Muskelplastik mit einem Kaumuskel
Alle oben dargestellten Wiederherstellungsmaßnahmen am Nerv haben den Nachteil, dass der Patient in etwa weitere 12 –18 Monate warten muss, bis sich wieder
eine Bewegung im Gesicht einstellt. Eine sofortige Wiederherstellung ist durch eine
Muskelplastik möglich. Diese Operationsverfahren sind zudem anzuwenden, wenn
die Lähmung über 2 bis 3 Jahre her ist, so dass eine Nerven-Wiederherstellung nicht
mehr sinnvoll ist. Nach einem so langen Zeitraum ist der Gesichtsnerv narbig umgewandelt und auch die Gesichtsmuskulatur unwiederbringlich verkümmert, so dass
eine Nervenrekonstruktion nicht mehr sinnvoll ist. Es sind für diesen Fall dynamische
Maßnahmen, bei denen wieder eine Beweglichkeit erzielt werden soll, von statischen
Maßnahmen abzugrenzen, die ausschließlich zum Ziel haben wieder eine Ruhespannung im Gesicht zu erzeugen.
Hierbei wird einer der gleichseitigen Kaumuskeln von seiner normalen Position verlagert und im Mundwinkel aufgehängt. Dies sorgt sofort wieder für eine gute Spannung im Mundbereich. Am Auge sind die Ergebnisse nicht so gut, sodass zumeist auf
eine Aufhängung am Auge verzichtet wird. Hier bietet sich zusätzlich ein anderes,
besseres Verfahren an. Nach einer solchen Muskelplastik muss der Patient lernen
durch Kaubewegungen das Gesicht zu bewegen. Da bei dieser Operation nur Muskeln versetzt werden, kann unmittelbar nach Abschluss der Wundheilung mit der
Übungsbehandlung begonnen werden. Die Ergebnisse sind nicht so gut wie nach
einer Nervenrekonstruktion. Die Bewegung des Mundes bleibt im Vergleich zur normalen Funktion wesentlich gröber. Auf jeden Fall kann mit einer solchen Maßnahme
verhindert werden, dass dem Patienten zum Beispiel weiter beim Essen unkontrolliert
Flüssigkeit aus dem Mund läuft.
Statische Maßnahmen
Botulinum-Toxin A
Anstatt einer Muskelverlagerung kann auch kräftige Muskelhaut von OberschenkelBeinmuskeln oder eine Sehne eines Unterarmmuskels wie ein Zügel zwischen Mundwinkel und Wangenknochen aufgespannt werden. Hiermit erzielt man sofort eine
gute Ruhespannung des unteren Gesichts. Eine verbesserte Bewegung des Gesichtes
tritt nicht ein.
Ein unterstützend anzuwendendes medikamentöses Verfahren ist von Bedeutung:
Wie berichtet sind nach Nervenrekonstruktionen, ob durch eine direkte Naht, Nerventransplantat oder Hypoglossus-Fazialis-Nervennaht, fast immer störende Synkinesien zu beobachten. Insbesondere die Mitbewegung der Augenschluss-Muskulatur
kann für den Patienten sehr störend sein. In diesem Fall kann man das Medikament
Botulinum-Toxin A in die Augenschluss-Muskulatur einspritzen, um die überschießende Aktivierung des Muskels zu schwächen und die Synkinesien zu mildern. Die
Wirkung des Medikaments hält etwa vier Monate an und muss dann wiederholt werden. Klagt der Patient über Krokodilstränen, so kann Botulinum-Toxin A auch in die
betroffene Tränendrüse gespritzt werden. Durch diese Maßnahme wird die Tränenproduktion für etwa ein Jahr verringert.
Die Sonderstellung des Auges: Statische Maßnahmen am Auge
Die einfachste Möglichkeit das Auge zu schützen, besteht im Tragen eines Uhrglasverbands. Dies wird von vielen Patienten auf Dauer als sehr störend empfunden. Zudem
kann hiermit eine Augenentzündung nicht sicher verhindert werden. Das operative
Verfahren der Wahl zur Wiederherstellung des Augenschlusses ist in Deutschland das
Einsetzen eines Goldgewichts (neuerdings auch mit Platingewichten möglich). Dieses
Goldgewicht wird in einer lokalen Betäubung in das Oberlid eingenäht. Durch das
Gewicht wird das Auge passiv geschlossen. Das Öffnen des Auges bleibt weiter möglich, da es einen Augenöffnungs-Muskel gibt, der nicht vom Gesichtsnerv gesteuert
wird und regelrecht funktioniert. Die Operation ist kurz und risikoarm. Ein Gewicht
kann auch im Rahmen der anderen oben genannten Operationen eingesetzt werden;
kommt es dann zum Beispiel nach einer Nervenrekonstruktion zu einer Erholung der
Augenschluss-Muskulatur, so kann das Gewicht problemlos wieder entfernt werden.
Die genannten chirurgischen Behandlungsmöglichkeiten sind die am häufigsten eingesetzten Verfahren. Daneben gibt es noch eine Vielzahl kleinerer operativer Eingriffe, die im Einzelfall ergänzend eingesetzt werden.
Nicht-chirurgische Behandlungsmöglichkeiten
Die Krankengymnastik und andere physikalisch Übungsbehandlung haben eine große
Bedeutung sobald die ersten Bewegungen nach einer Nervenrekonstruktion eintreten. Eine intensive Übungsbehandlung verbessert das endgültige Ergebnis dauerhaft.
Werden ausschließlich Muskelplastiken vorgenommen, so kann mit der Übungsbehandlung unmittelbar nach Abschluss der Wundheilung begonnen werden. Das entscheidet das Behandlungsteam gemeinsam mit dem Patienten. Von einer ReizstromBehandlung raten wir bei vielen Patienten ab: Zum einen fehlt der Beweis, dass eine
ungezielte Reizstrom-Behandlung zu einer Besserung der Gesichtsnervenlähmung
führt. Zum anderen ist für mehrere Monate nach einer Reizstrombehandlung eine
elektromyographische Untersuchung, die für die Untersuchung des Patienten wichtig
ist, erheblich erschwert.
Fazit
Die chronische Gesichtsnervenlähmung ist eine schwere Erkrankung. Nichtsdestotrotz können spezialisierte Kliniken wie die Jenaer Universitäts-HNO-Klinik heute
eine große Auswahl von erprobten Operationsmaßnahmen zur Wiederherstellung
des Gesichtsnervs und der mimischen Gesichtsmuskulatur anbieten. Wichtig ist
die Integration des chirurgischen Konzepts in ein Gesamtpaket mit konservativen
Behandlungsmaßnahmen. So etwas lässt sich optimal in einem Zentrum wie dem
Fazialis-Nerv-Zentrum Jena koordinieren. Aus der in der Broschüre vorgestellten
Auswahl an Möglichkeiten müssen individuell nach den Voraussetzungen und Wünschen des Patienten das optimale Verfahren oder eine Kombination mehrerer Verfahren auswählt werden, um für den Patienten wieder eine befriedigende Gesichtsbewegung herzustellen.
Haben Sie weitere Fragen oder suchen Sie eine Behandlungsmöglichkeit?
Stellen Sie sich oder Ihren betroffenen Angehörigen gerne in der HNO-Klinik und im
Fazialis-Nerv-Zentrum Jena vor.
Klinik und Poliklinik für HNO-Heilkunde
Fazialis-Nerv-Zentrum
Lessingstraße 2
07743 Jena
Fon: 03641-935108Fon: 03641-945140
Fax: 03641-936057und 03641-945150
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E-Mail: [email protected]
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Weitere Informationen finden Sie im Internet:
http://www.hno.uniklinikum-jena.de/Fazialis_Nerv_Zentrum.html
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