VIN VerordnungsInfo Nordrhein Impressum Redaktion: Pharmakotherapieberatung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein Dr. Holger Neye (V.i.S.d.P) Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf Tel.: (0211) 5970- 8111 Arzneimittelinteraktionen – Antibiotika im Fokus Fax: (0211) 5970- 8136 E-Mail: [email protected] Interaktionen von Arzneimitteln mit anderen Arzneimitteln oder Nahrungs- und Genussmitteln (z.B. Grapefruitsaft, Johanniskraut, Coffein, Zigarettenkonsum) können zu einer Wirkverstärkung oder Abschwächung oder zu einer veränderten Wirkdauer der beteiligten Arzneimittel führen. Hierbei können die Resorption oder der Metabolismus der Arzneimittel verändert sein, oder es kommt zu direkten (Rezeptorbindung) oder indirekten (funktionellen) pharmakodynamischen Wechselwirkungen. Arzneimittelwechselwirkungen spielen besonders bei akuten Therapieänderungen, beispielsweise durch Antibiotika eine Rolle, da das Gleichgewicht der Einzelwirkstoffe gestört wird. Klinisch relevante Wechselwirkungen treten besonders dann auf, wenn das wechselwirkende Arzneimittel ein enges therapeutisches Fenster hat. Makrolide und Fluorchinolone (Gyasehemmer) sind die Antibiotika mit den häufigsten Interaktionen, da sie metabolisierende Enzyme des Cytochrom P450 System (CYP) hemmen. Makrolide Das Potential für derartige Interaktionen über CYP3A4 ist bei Erythromycin und Clarithromycin am höchsten, bei Roxithromycin und Azithromycin ist es geringer ausgeprägt aber dennoch sind schwere Interaktionszwischenfälle beispielsweise von Azithromycin und Statinen publiziert. Neben den Makroliden können weitere Arzneistoffe, die auch CYP3A4-Hemmstoffe darstellen, zu klinisch relevanten Interaktionen führen. Hierzu gehören zum Beispiel Azolantimykotika, Fibrate und Verapamil. Die meisten Statine werden ebenfalls über CYP3A4 verstoffwechselt, ohne jedoch das Enzym zu hemmen. Wenn klinisch relevante Interaktionen und die richtige Dosierung beachtet werden, wird diese Arzneistoffgruppe im Allgemeinen gut vertragen. Fluorchinolone Die Fluorchinolone Ciprofloxacin und Norfloxacin hemmen neben CYP3A4 zusätzlich das Isoenzym CYP1A2, auch hier wurden klinisch relevante Interaktionen beschrieben. Literaturhinweise Sonderheft und Patienteninfo Antibiotika | www.kvno.de Wirkstoff aktuell Harnwegsinfektionen | Infektionen der oberen Atemwege | www.kbv.de Strandell J et al., Rhabdomyolysis a result of azithromycin and statins. BJCP 2009 Cozza, Armstrong, Osterheld. Concise Guide To Drug Interaction (Washington, London 2007) Zeitschrift für Chemotherapie Interaktionspotential der Makrolide | www.zct-berlin.de Stahlmann, R. Antiinfektiva erhöhen das Hypoglykämierisiko unter antidiabetischer Therapie mit Sulfonylharnstoffen, AVP 38:5, 117 (2011) www.kvno.de VIN VerordnungsInfo Nordrhein | Oktober 2012 1 Beispiele für klinisch relevante Wechselwirkungen von Makroliden und Fluorchinolonen mit Arzneistoffen, die gleichzeitig über die Isoenzyme CYP3A4 bzw. CYP1A2 verstoffwechselt und in ihrer Wirkung verstärkt werden Antibiotikum Arzneistoff Effekt der Wechselwirkung Makrolide Clarithromycin, Erythromycin Statine Simvastatin, Atorvastatin, Lovastatin, Pravastatin, Simvastatin Wirkverstärkung, Muskelschmerzen bis Rhabdomyelose Psychopharmaka Sertindol, Quetiapin, Reboxetin Verstärkte Wirkung, Herzrhythmusstörungen (Sertindol) Ca-Kanalblocker (Verapamil) Wirkverstärkung, orthostatische Dysfunktion, Stürze, Arrhythmien Antidiabetika Sulfonylharnstoffe Hypoglykämie Ciclosporin Tacrolimus Erhöhte Toxizität der Immunsuppressiva Antiarrhythmika Amiodaron, Dronedaron, andere Ventrikuläre Tachykardien Carbamazepin Nystagmus, Übelkeit, Ataxie Rifamycin Neutropenie, Uveitis Midazolam, Triazolam Sedative Wirkung verstärkt Antiarrhythmika QT-Intervall verlängert SSRI, Duloxetin, Citalopram QT- Intervall verlängert Theophyllin, Coffein Wirkverstärkung H-1 Blocker (2. und 3. Gen.) QT-Intervall verlängert (Einzelfälle) Coumarine Theoretische Interaktion Fluorchinolone Ciprofloxacin, Norfloxacin Hinweise für die Praxis Bei Einsatz der Makrolidantibiotika und der Fluorchinolone Cipro- und Norfloxacin ist insbesondere bei älteren Patienten an die Möglichkeit pharmakokinetischer Wechselwirkungen zu denken. Makrolide sind selten Mittel der Wahl, sie gelten als Alternative zu Penicillinen, die in den jeweiligen Indikationen bevorzugt eingesetzt werden sollten. Eine Kombination von Makroliden mit Statinen sollte möglichst vermieden werden (Aussetzen der Statingaben). Patienten, die Statine einnehmen, sollten grundsätzlich informiert werden, bei Beschwerden wie Muskelschmerzen oder Muskelschwäche sowie dunklem Urin umgehend mit ihrem Arzt Rücksprache zu halten. Patienten, die Muskelbeschwerden zeigen, sollten die Statintherapie unterbrechen, bis die Symptome abgeklärt sind. Dies kann bis zu acht Wochen dauern. Die Kombination von zentralwirksamen Substanzen wie Antidepressiva, Xanthinderivaten, H1-Blockern mit Fluorchinolonen ist kritisch zu hinterfragen. EKG Kontrollen sind indiziert. Fazit: Die Interaktionen von Antibiotika mit gängigen Medikamenten insbesondere bei älteren Patienten sind häufiger als gedacht und bedürfen einer besonderen Sorgfalt. www.kvno.de VIN VerordnungsInfo Nordrhein | Oktober 2012 2