VIN VerordnungsInfo Nordrhein | Oktober 2012

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VerordnungsInfo Nordrhein
Impressum
Redaktion: Pharmakotherapieberatung der
Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein
Dr. Holger Neye (V.i.S.d.P)
Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf
Tel.: (0211) 5970- 8111
Arzneimittelinteraktionen – Antibiotika im Fokus
Fax: (0211) 5970- 8136
E-Mail: [email protected]
Interaktionen von Arzneimitteln mit anderen Arzneimitteln oder Nahrungs- und Genussmitteln
(z.B. Grapefruitsaft, Johanniskraut, Coffein, Zigarettenkonsum) können zu einer Wirkverstärkung oder Abschwächung oder zu einer veränderten Wirkdauer der beteiligten Arzneimittel
führen. Hierbei können die Resorption oder der Metabolismus der Arzneimittel verändert sein,
oder es kommt zu direkten (Rezeptorbindung) oder indirekten (funktionellen) pharmakodynamischen Wechselwirkungen. Arzneimittelwechselwirkungen spielen besonders bei akuten Therapieänderungen, beispielsweise durch Antibiotika eine Rolle, da das Gleichgewicht der Einzelwirkstoffe gestört wird. Klinisch relevante Wechselwirkungen treten besonders dann auf,
wenn das wechselwirkende Arzneimittel ein enges therapeutisches Fenster hat. Makrolide und
Fluorchinolone (Gyasehemmer) sind die Antibiotika mit den häufigsten Interaktionen, da sie
metabolisierende Enzyme des Cytochrom P450 System (CYP) hemmen.
Makrolide Das Potential für derartige Interaktionen über CYP3A4 ist bei Erythromycin und
Clarithromycin am höchsten, bei Roxithromycin und Azithromycin ist es geringer ausgeprägt
aber dennoch sind schwere Interaktionszwischenfälle beispielsweise von Azithromycin und Statinen publiziert. Neben den Makroliden können weitere Arzneistoffe, die auch CYP3A4-Hemmstoffe darstellen, zu klinisch relevanten Interaktionen führen. Hierzu gehören zum Beispiel
Azolantimykotika, Fibrate und Verapamil. Die meisten Statine werden ebenfalls über CYP3A4
verstoffwechselt, ohne jedoch das Enzym zu hemmen. Wenn klinisch relevante Interaktionen
und die richtige Dosierung beachtet werden, wird diese Arzneistoffgruppe im Allgemeinen gut
vertragen.
Fluorchinolone Die Fluorchinolone Ciprofloxacin und Norfloxacin hemmen neben CYP3A4
zusätzlich das Isoenzym CYP1A2, auch hier wurden klinisch relevante Interaktionen beschrieben.
Literaturhinweise
Sonderheft und Patienteninfo Antibiotika | www.kvno.de
Wirkstoff aktuell Harnwegsinfektionen | Infektionen der oberen Atemwege | www.kbv.de
Strandell J et al., Rhabdomyolysis a result of azithromycin and statins. BJCP 2009
Cozza, Armstrong, Osterheld. Concise Guide To Drug Interaction (Washington, London 2007)
Zeitschrift für Chemotherapie Interaktionspotential der Makrolide | www.zct-berlin.de
Stahlmann, R. Antiinfektiva erhöhen das Hypoglykämierisiko unter antidiabetischer Therapie mit
Sulfonylharnstoffen, AVP 38:5, 117 (2011)
www.kvno.de
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Beispiele für klinisch relevante Wechselwirkungen von Makroliden und Fluorchinolonen
mit Arzneistoffen, die gleichzeitig über die Isoenzyme CYP3A4 bzw. CYP1A2 verstoffwechselt und in ihrer Wirkung verstärkt werden
Antibiotikum
Arzneistoff
Effekt der Wechselwirkung
Makrolide Clarithromycin,
Erythromycin
Statine Simvastatin, Atorvastatin,
Lovastatin, Pravastatin, Simvastatin
Wirkverstärkung, Muskelschmerzen
bis Rhabdomyelose
Psychopharmaka Sertindol,
Quetiapin, Reboxetin
Verstärkte Wirkung,
Herzrhythmusstörungen (Sertindol)
Ca-Kanalblocker (Verapamil)
Wirkverstärkung, orthostatische
Dysfunktion, Stürze, Arrhythmien
Antidiabetika Sulfonylharnstoffe
Hypoglykämie
Ciclosporin Tacrolimus
Erhöhte Toxizität der
Immunsuppressiva
Antiarrhythmika Amiodaron,
Dronedaron, andere
Ventrikuläre Tachykardien
Carbamazepin
Nystagmus, Übelkeit, Ataxie
Rifamycin
Neutropenie, Uveitis
Midazolam, Triazolam
Sedative Wirkung verstärkt
Antiarrhythmika
QT-Intervall verlängert
SSRI, Duloxetin, Citalopram
QT- Intervall verlängert
Theophyllin, Coffein
Wirkverstärkung
H-1 Blocker (2. und 3. Gen.)
QT-Intervall verlängert (Einzelfälle)
Coumarine
Theoretische Interaktion
Fluorchinolone
Ciprofloxacin, Norfloxacin
Hinweise für die Praxis
ƒƒ Bei Einsatz der Makrolidantibiotika und der Fluorchinolone Cipro- und Norfloxacin ist insbesondere bei älteren Patienten an die Möglichkeit pharmakokinetischer Wechselwirkungen zu denken.
ƒƒ Makrolide sind selten Mittel der Wahl, sie gelten als Alternative zu Penicillinen, die in den
jeweiligen Indikationen bevorzugt eingesetzt werden sollten.
ƒƒ Eine Kombination von Makroliden mit Statinen sollte möglichst vermieden werden (Aussetzen der Statingaben).
ƒƒ Patienten, die Statine einnehmen, sollten grundsätzlich informiert werden, bei Beschwerden wie Muskelschmerzen oder Muskelschwäche sowie dunklem Urin umgehend mit ihrem
Arzt Rücksprache zu halten. Patienten, die Muskelbeschwerden zeigen, sollten die Statintherapie unterbrechen, bis die Symptome abgeklärt sind. Dies kann bis zu acht Wochen
dauern.
ƒƒ Die Kombination von zentralwirksamen Substanzen wie Antidepressiva, Xanthinderivaten,
H1-Blockern mit Fluorchinolonen ist kritisch zu hinterfragen. EKG Kontrollen sind indiziert.
Fazit: Die Interaktionen von Antibiotika mit gängigen Medikamenten insbesondere bei älteren
Patienten sind häufiger als gedacht und bedürfen einer besonderen Sorgfalt.
www.kvno.de
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