Bachelorarbeit Medizinische Universität Graz Gesundheits- und Pflegewissenschaften Barbara Holl-Macheroux Schilddrüsenerkrankungen und ihre Therapien Begutachterin Ao. Univ.-Prof. Dr. med. univ. Ulrike Holzer Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie Titel der Lehrveranstaltung Pharmakologie Vorlage November 2016 Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz, am 15.11.2016 Barbara Holl-Macheroux eh Zusammenfassung Die Schilddrüse ist ein zentrales Organ des endokrinen Systems des Menschen. Sie nimmt über das Blut Iod auf und baut es in die beiden Hormone 3,3’,5,5’Tetraiodthyronin (Thyroxin, T4) und 3,3’,5-Triiodthyronin (T3) ein. Durch die Biosynthese dieser Hormone ergibt sich ein Bedarf von 180-220g Iod pro Tag. Im Gegensatz zur Synthese der Katecholamine, die direkt aus der Aminosäure Tyrosin hergestellt werden, findet die Biosynthese der Schilddrüsenhormone an einem Tyrosinrest des Proteins Thyreoglobulin statt. Die beiden Schilddrüsenhormone spielen eine weitreichende Rolle im gesamten Stoffwechsel und beeinflussen anabole und katabole Prozesse im gesamten Körper. Zahlreiche angeborene und erworbene Erkrankungen der Schilddrüse sind in der Literatur beschrieben. Angeborene Erkrankungen der Schilddrüse stellen mit ca. 0.03% der Neugeborenen die häufigste angeborene Erkrankung des endokrinen Systems dar. Generell unterscheidet man bei Schilddrüsenerkrankungen eine Über- bzw. Unterfunktion, je nachdem, ob die Produktion der Schilddrüsenhormone bzw. deren Serumkonzentration ober- oder unterhalb des Normbereichs liegt. Zur genaueren Diagnose von Schilddrüsenerkrankungen kommen im wesentlichen bildgebende Verfahren, wie die Sonographie und Szintigraphie, zum Einsatz. Zur weiteren Unterscheidung einer Über- bzw. Unterfunktionen (Hyper- bzw. Hypothyreose) der Schilddrüse wird zusätzlich die Bestimmung der Schilddrüsenhormone sowie des ThyreoideaStimulating-Hormons (TSH, Thyreotropin) im Serum notwendig. Die häufigsten Hyperthyreosen sind die immunogene Hyperthyreose, auch Morbus Basedow genannt, sowie Hyperthyreosen, die im Zuge autonomer Schilddrüsenknoten auftreten. Der Morbus Hashimoto, auch als Autoimmunthyreoiditis bezeichnet, ist die häufigste Hypothyreose. Die euthyreote Struma ist eine krankhafte Vergrößerung der Schilddrüse, die mit einer normalen (euthyreoten) Hormonproduktion einhergeht und besonders in Iodmangelgebieten auftritt. Die Behandlung von Hyperthyreosen erfolgt durch Einnahme von Thyreostatika, die entweder die Aufnahme von Iod in die Schilddrüse verhindern oder den Einbau in das Thyreoglobulin. Da bei einer Hypothyreose ein Mangel an Schilddrüsenhormonen vorliegt, erfolgt ihre Therapie durch die orale Zufuhr von Schilddrüsenhormonen. Hierfür wird in der Regel LThyroxin (T4) verabreicht, welches eine hohe orale Bioverfügbarkeit aufweist und im Organismus zum biologisch aktiveren T3 konvertiert wird. Summary The thyroid gland is a central organ of the human endocrine system. Iodine is taken up by the gland and used for the biosynthesis of the two hormones 3,3’,5,5’tetraiodothyronine (thyroxine, T4) and 3,3’,5-triiodothyronine (T3). Owing to this biosynthesis, the gland requires between 180 and 220g iodine per day. In contrast to catecholamines, which are generated directly from the amino acid tyrosine, the biosynthesis of thyroid hormones takes place at tyrosine residues of the protein thyreoglobulin. The thyroid hormones play a crucial role in the general metabolism and influence anabolic as well as catabolic processes in the entire human body. Numerous inherited as well as acquired diseases of the thyroid gland have been described in the literature. Inborn diseases of the thyroid gland affect approximately 1 in 4,000 newborn infants and thus account for the largest group of inherited diseases of the endocrine system. In general, diseases of the thyroid are classified according to the level of hormone production. The excessive hormone production leads to hyperthyroidism, whereas diminished activity of the thyroid results in hypothyroidism. In order to diagnose diseases of the thyroid modern image-based methods are employed, most notably ultrasonography and scintillography, which uses either iodine or technetium radioisotopes. In addition, determination of the thyroid hormones as well as of the thyroid-stimulating hormone in the serum are necessary for an exact differentiation of thyroid diseases. The most common hyperthyroidism is Graves’ disease, an autoimmune disease. On the other hand, Hashimoto’s thyroiditis constitutes the most common form of hypothyroidism. In the case of goiter, the thyroid is pathologically enlarged, although the production of the thyroid hormones is normal (“euthyroid”). This is typically the result of iodine deficiency and occurs mainly in areas of low iodine availability. The treatment of hyperthyroidism is based on anti-thyroid medication that either reduces the uptake of iodine by the thyroid or suppresses the incorporation into the hormone precursor thyreoglobulin. In the case of hypothyroidism, the lack of thyroid hormone production by the thyroid is compensated by oral supplementation of L-thyroxine (T4), which possesses high bioavailability in the organism and is converted into the biologically more active hormone T3. ! Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung...................................................................................................................6 1.1. Makroskopische und mikroskopische Anatomie der Schilddrüse......................... 7 1.2. Synthese der Schilddrüsenhormone....................................................................... 9 1.3. Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-System............................................. 12 1.4. Regulation der Schilddrüse.................................................................................. 13 1.5. Wirkung und physiologische Funktionen der Schilddrüsenhormone.................. 14 2. Diagnostik der Schilddrüsenerkrankungen............................................................. 15 3. Schilddrüsenerkrankungen...................................................................................... 24 3.1. Erkrankungsformen und Ätiologie.......................................................................24 3.2. Hypothyreosen..................................................................................................... 25 3.3. Hyperthyreosen.................................................................................................... 26 3.4. Euthyreote Struma……………………………………………………………... 29 4. Therapieansätze bei Schilddrüsenerkrankungen..................................................... 31 4.1. Medikamentöse Behandlungen............................................................................ 31 4.2. Operative Therapie der Schilddrüsenerkrankungen und Komplikationen...........33 4.3. Alternative Behandlung und Prävention von Schilddrüsenerkrankungen........... 35 4.4. Schlussbemerkungen und Ausblick..................................................................... 36 5. Literaturverzeichnis................................................................................................ 38 6. Abbildungsverzeichnis und Bildnachweise............................................................ 43 7. Abkürzungsverzeichnis........................................................................................... 44 8. Danksagung.............................................................................................................46 " 1. Einleitung In Deutschland hat jeder Dritte zwischen 18 und 65 Jahren eine sogenannte Struma oder Knoten in der Schilddrüse. Dabei sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Nur etwa 1% der Schilddrüsenerkrankungen werden durch Autoimmunkrankheiten, wie Morbus Basedow und Hashimoto-Thyreoiditis, verursacht [1]. Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 150.000 Menschen wegen Knoten in der Schilddrüse behandelt. Ist eine medikamentöse Behandlung nicht ausreichend, erfolgt meist eine komplette Schilddrüsenentfernung. In der Folge müssen die PatientInnen ein Leben lang Schilddrüsenhormone substituieren. Außerdem birgt eine Schilddrüsenoperation erhebliche Risiken. Es können beispielsweise die Nebenschilddrüsen, die an der Rückseite der Schilddrüsenlappen liegen und den Calciumspiegel im Blut regulieren, verletzt oder Gefäß- und Nervenstraßen beschädigt werden. Unterfunktionen der Schilddrüse können sowohl genetisch bedingt (angeboren) oder erworben sein. Wird eine Hypothyreose nicht erkannt, kommt es zum Bild des Kretinismus, d.h. Minderwuchs und geistige Retardierung. Auch Iodmangel oder Autoantikörper können zu einer Hypothyreose führen. Oftmals gelangt dabei die Hypothalamus-Hypophysen-Achse aus dem Gleichgewicht. Das Hormon TSH steigt durch fehlende Rückkoppelungsmechanismen an und führt darauffolgend zu einer Stimulation der Proliferation der Schilddrüse bis hin zur Strumabildung. Auch Überfunktionen der Schilddrüse bringen den Hormonspiegel aus dem Gleichgewicht. Bei der Erkrankung Morbus Basedow können beispielsweise Autoantikörper gegen den TSH-Rezeptor auf den Schilddrüsenepithelzellen nachgewiesen werden. Daher kommt es zu einer andauernden Stimulierung der Schilddrüse und zu einer gesteigerten Hormonproduktion [2]. Trotz Zugabe von Iod zu Speisesalz und anderen Grundnahrungsmitteln ist der Iodmangel in Deutschland die häufigste Ursache für eine Struma. Vielfältigste Therapiemaßnamen werden heute bei Schilddrüsenerkrankungen eingesetzt. Bei Hypothyreosen beispielsweise wird das fehlende Hormon Thyroxin durch die Gabe von L-Thyroxin ersetzt. Immer häufiger kommt es auch zur Autoimmunerkrankung Anwendung von alternativen Hashimoto-Thyreoiditis wird Therapien. Bei zusätzlich der zum Schilddrüsenhormon oft auch Selen supplementiert. Bei sämtlichen Überfunktionen # der Schilddrüse werden Thyreostatika wie beispielsweise Carbimazol verwendet. Carbimazol hemmt die Übertragung von Iod in das Thyreoglobulin, von dem die Produktion des Schilddrüsenhormons ausgeht. In den nachfolgenden Kapiteln wird die Anatomie, Funktion und Wirkung der Schilddrüse beschrieben sowie die Diagnostik und Therapie von einzelnen Schilddrüsenerkrankungen besprochen. Hierbei wird insbesondere auf die hyper-, hypo- und euthyreote Schilddrüsenerkrankung eingegangen. Außerdem soll ein Einblick in die Komplexität und Vielfalt des kleinen endokrinen Organs Schilddrüse gegeben werden [2]. 1.1. Makroskopische und mikroskopische Anatomie der Schilddrüse Die Schilddrüse (lat. Glandula thyroidea) liegt beim Menschen auf Höhe des 1. Thorakalwirbels vor der Luftröhre (lat. Trachea) und etwa zwei Finger breit unter dem Kehlkopf (lat. Larynx). Sie besteht aus einem rechten und einem linken Lappen, die über den Isthmus glandulae thyroideae verbunden sind. Die Länge eines Lappens beträgt in etwa 3-7 cm, die Breite und Dicke etwa 2-3 cm [3]. Nach kranial ist bei etwa 30% der Menschen ein Lobus pyramidalis zu erkennen, der ein Relikt aus der embryonalen Abwanderung vom Zungengrund darstellt. Die Schilddrüse ist von einer Capsula interna, in der die versorgenden Blutgefäße liegen, und einer ihr aufgelagerten Capsula externa umgeben. In Abbildung 1 ist die Lage der Schilddrüse gezeigt [4]. Innerhalb der Capsula externa liegen außerdem die Nebenschilddrüsen. Die Blutversorgung der Schilddrüse erfolgt einerseits über die A. thyroidea superior aus der A. carotis externa von kranial und andererseits über die A. thyroidea inferior aus dem Truncus thyrocervicalis von kaudal. Bei Schilddrüsenoperationen muss die arterielle Versorgung zunächst unterbunden werden, um größere Blutungen zu vermeiden. $ Abbildung 1: Lage der Schilddrüse [4]. Aufgrund der engen topographischen Lage zu Gefäß- und Nervenstraßen, kann es bei chirurgischen Eingriffen zu Komplikationen kommen. Der N. laryngeus recurrens, ein Ast aus dem N. vagus, versorgt beispielsweise Muskeln des inneren Kehlkopfes und kann bei Schädigung zu Heiserkeit oder sogar Atemnot führen. Bei einer Strumabildung kann die Schilddrüse außerdem die Luftröhre abdrücken und somit die Atmung behindern (siehe auch Kapitel 4.2.: Operative Behandlung und Komplikationen). Die Schilddrüse steht im Dienste der Hormonproduktion. Sie nimmt über das Blut Iodid auf und baut es in die Hormone Thyroxin (T4) und Triiodthyronin (T3) ein. Die Morphologie der Epithelzellen variiert je nach aktueller Funktion. Die Zellen liegen in der Speicherform im histologischen Präparat abgeplattet vor und in der Ausschwemmungsform isoprismatisch (Abb. 2, linkes Bild). Die Hormone T3 und T4 werden an Proteine gebunden extrazellulär in sogenannten Kolloiden gespeichert und bei Bedarf sezerniert [5]. % Abbildung 2: Histologisches Bild der Schilddrüse (linkes Bild) und Anti-CalcitoninAntiserum Schilddrüse (rechtes Bild). Zwischen den Schilddrüsenepithelzellen liegen außerdem C-Zellen, die Calcitonin herstellen. Diese lassen sich im histologischen Präparat, wie in Abbildung 2 (rechtes Bild) gezeigt, durch eine immunhistochemische Anti-Calcitonin-Antiserum Färbung darstellen. 1.2. Synthese der Schilddrüsenhormone Die Schilddrüsenhormone 3,3’,5,5’-Tetraiodthyronin (Thyroxin, T4) und 3,3’,5Triiodthyronin (T3) werden an den Epithelzellen der Schilddrüsenfollikel hergestellt. Anders als bei der Synthese von Katecholaminen, die direkt aus der Aminosäure Tyrosin hergestellt werden, findet die Biosynthese der Schilddrüsenhormone an einem Tyrosinrest des Proteins Thyreoglobulin statt. Dieses wird von den Epithelzellen der Schilddrüse an die Außenseite der Plasmamembran transportiert wo die Synthese der Hormone erfolgt [2]. Zunächst wird Iod über ein spezifisches Na+/I--SymporterSystem (NIS) aus der Blutbahn in die Epithelzellen aufgenommen. Das NIS ist sehr spezifisch für die Ionen Natrium und Iod, jedoch auch sättigbar und kompetitiv hemmbar. Somit können andere ionische Verbindungen wie Perchlorat und Thiocyanat den Transport von Iod über die Membran hemmen. Bei Mangel an Iod wird, wie im nächsten Kapitel beschrieben, die Zahl der NIS auf der basalen Membran (also der Blutseite zugewandten Seite) erhöht. Über den apikalen Transporter Pendrin wird Iod im Austausch mit Chlorid & ins Follikellumen transportiert. Dieser Anionenaustauscher kommt außerdem in den Nieren und im Innenohr vor. Beim sogenannten Pendred-Syndrom, bei dem die Expression des Pendrin gestört ist, kommt es folglich neben einer Schilddrüsenstruma auch zu einer Schwerhörigkeit und Nierenschäden. Für den weiteren Einbau in das Protein Thyreoglobin wird das Iodanion Izunächst durch die Thyreoperoxidase (TPO) zu I20 oxidiert. Für diese Reaktion benötigt das membranständige Enzym TPO Wasserstoffperoxid (H2O2), welches ' [6]. Da H2O2 ein Zellgift ist, erscheint es sinnvoll, dass die Synthese extrazellulär stattfindet. Anschließend wird der Tyrosylrest iodiert. Dabei entstehen zum einen monoiodinierte (MIT) als auch diiodinierte Tyrosylreste (DIT). In der Folge kondensieren zwei DIT-Reste zum T4 sowie (in geringerem Ausmaß) ein DIT-Rest und ein MIT-Rest zum T3. Beide Reaktionen werden ebenfalls von der Thyreoperoxidase katalysiert. Bei Bedarf an Schilddrüsenhormonen im Organismus wird das Thyreoglobin in die Zelle aufgenommen und dort in den Lysosomen in seine Aminosäuren aufgespalten. Dabei entsteht T3 und T4 wie auch die Zwischenprodukte der Schilddrüsenhormonproduktion DIT und MIT. T3 und T4 werden ins Blut abgegeben. Es ist bis heute noch nicht vollständig geklärt, wie die Hormone durch die Zellen transportiert werden. MIT und DIT werden durch Deiodasen bzw. Dehalogenasen deiodiert, das für die Hormonproduktion wertvolle Iod wird somit rezykliert [2]. In Abbildung 3 wird die Komplexität der Synthese und Regulation der Hormonbiosynthese verdeutlicht [6]. Nach TSH-Bindung an seinen Rezeptor auf der basalen Seite der Schilddrüsenepithelien kommt es zu einer Signalkaskade, die eine vermehrte Synthese von Schilddrüsenhormonen induziert. NIS und Pendrin sind die zentralen Transporter für Iod in den Epithelzellen. Abbildung 3: Physiologie der Schilddrüse [6]. Das Hauptprodukt der Hormonbiosynthese in der Schilddrüse ist das T4. T3 wird vermehrt extrathyreodal synthetisiert. Die Hormone werden im Verhältnis 1:10 ins Blut abgegeben. Im Blut ist T4 nicht löslich und wird daher an thyroxinbindendem Globulin, Transthyretin und Albumin in gebundener Form transportiert. Das aktive T3 entsteht hauptsächlich extrathyroidal durch Deiodierung von T4. T4 bindet stärker an Plasmaproteine und hat etwa eine Halbwertszeit von einer Woche im Blut. Dagegen hat T3 eine kürzere Halbwertszeit von nur einem Tag. Bei schweren Erkrankungen und Unterernährung kann es zu einer Verminderung der Hormonsynthese kommen. Die Drosselung der Hormonproduktion dient höchstwahrscheinlich der Energieersparnis. Meist normalisiert sich der Hormonhaushalt nach überstandener Krankheit. 1.3. Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-System Die Synthese und Ausschüttung der Schilddrüsenhormone wird unter anderem über das Hypothalamus-Hypophysen-System reguliert. TRH (Thyreotropin-ReleasingHormon, Thyreoliberin) wird von neurosekretorischen Zellen des Ncl. paraventricularis des Hypothalamus bei Bedarf an Schilddrüsenhormonen ins Blut freigesetzt. TRH ist ein Tripeptid (Glu-His-Pro-NH3), welches sowohl am Aminoterminus als auch am Carboxyterminus durch Aminogruppen vor dem Abbau durch Peptidasen geschützt wird. Dies sichert eine ausreichende Halbwertszeit im Blut bis zum Zielorgan. TRH bindet an einen G-Protein gekoppelten Rezeptor des Hypophysenvorderlappens (Adenohypophyse). Über die Bindung an den Rezeptor kommt es zur Ausschüttung von Calcium aus intrazellulären Vesikeln und in der Folge zur Sekretion von TSH (Thyreoidea-Stimulating-Hormon, Thyreotropin). Hierbei fördert TRH nicht nur die Herstellung und Sekretion von TSH, sondern auch von Prolactin. TRH soll außerdem an der Regeneration von Nervengewebe beteiligt sein, die Funktion der Retina regulieren und einen Einfluss auf die Regulation der Körpertemperatur haben. TSH ist ein Glykoproteinhormon, welches aus einer α- und einer βUntereinheit besteht. Beide Ketten werden getrennt voneinander synthetisiert und erst vor der Sekretion miteinander verknüpft. An der α-Kette sind außerdem Kohlenhydratseitenketten assoziiert. TSH wird in einem Rhythmus von etwa 2 Stunden sezerniert und erreicht sein Maximum in den frühen Morgenstunden zwischen 0 und 4 Uhr. Die β1-Untereinheit des TSH bindet an den Epithelzellen der Schilddrüse ebenfalls an einen G-Protein-gekoppelten Rezeptor. In der Folge steigt über die Aktivierung der Adenylatzyklase der cAMP-Spiegel. Weitere Second Messenger wie IP3 und DAG werden ebenfalls freigesetzt. In der Zelle wird die Transkription verschiedenster für die Hormonproduktion notwendiger Enzyme und Transporter gesteigert. Außerdem wird das Wachstum der Epithelzellen gefördert und die Blutversorgung wird erhöht. Über eine negative Rückkopplung wird die Ausschüttung von TSH von den Schilddrüsenhormonen gehemmt. Hierbei wird die T4-Konzentration im Blut über thyreotrope Zellen der Adenohypophyse detektiert. Somit hemmt T4 die weitere Ausschüttung von TSH. T3 dagegen hemmt weniger die TSH-Sekretion, sondern blockiert in den Thyreotropinzellen die Syntheserate von TSH [2,6]. 1.4. Regulation der Schilddrüse Weitere Regulationsmechanismen stellen die Deiodierung von T4 zum inaktiven rT3 (reverses T3) dar. T4 wird durch Deiodase-Isoenzyme entweder in das aktivere T3 oder in das inaktive rT3 umgesetzt. Der Unterschied zwischen T3 und rT3 ist die Position des Iodatoms, wie in Abbildung 4 ersichtlich. Die Deiodase D3 spaltet das Iodatom im inneren Ring des Tyrosins ab. Die Deiodasen 1 und 2 überführen das T4 in das weitaus aktivere T3 (100-fache Aktivität von T4). Alle Deiodasen sind Selenabhängige Enzyme, die in ihrem aktiven Zentrum ein Selenocystein tragen. I I H2N CH HO O I COOH CH2 I Thyroxin (T4) - schwach aktiv Deiodase 1, 2 (Aktivierung) Deiodase 3 (Inaktivierung) I I H2N I CH COOH CH COOH HO O CH2 HO O CH2 I I I H2N reverses T3 Triiodthyronin (T3) stark aktiv Biotransformationen und Abbau (Glucuronierung, Sulfatierung) Abbildung 4: Umbau von Thyroxin zu rT3 und/oder T3 Dabei ist die Iodkonzentration im Blut entscheidend für die Hormonaktivität. Bei geringer Iodkonzentration wird die Aufnahme von Iod im Magen-Darm-Trakt und in die Schilddrüse gesteigert. Auch die Schilddrüsen-Hormonproduktion steigt an. Dieser Effekt ist unabhängig von TSH und dient zur Autoregulation der Hormonhomoöstase. Dieser Effekt erklärt die Kropf- oder Strumabildung bei Iodmangel (siehe auch Kapitel 3.2.: Hypothyreosen). Gibt es ein Überangebot an Iod, kommt es zu einer regulatorischen Hemmung der Produktion und Freisetzung von T3 und T4. Die vielfältigen Regulationswege der Hormonproduktion und -sekretion stellen in letzter Konsequenz auch Risikofaktoren dar. Bei den meisten Schilddrüsenerkrankungen ist das Gleichgewicht des Schilddrüsen-Hormonspiegels gestört (siehe auch Kapitel 3.: Schilddrüsenerkrankungen) [2,6]. 1.5. Wirkung und physiologische Funktionen der Schilddrüsenhormone Die meisten Zellen des Menschen besitzen Rezeptoren für Schilddrüsenhormone. T4 wird von den Zellen über Transporter in die Zelle aufgenommen und durch die Deiodase 2 in das aktive T3 überführt. Schilddrüsenhormone haben sowohl genomische als auch nichtgenomische Wirkung auf den Organismus. Einige Proteine werden nur in Anwesenheit von Schilddrüsenhormonen synthetisiert. Dabei bindet T3 an den Thyroxinrezeptor, der mit dem Retinsäurerezeptor einen heterodimeren Komplex bildet. Dieser heterodimere Komplex fungiert nun als Transkriptionsfaktor, und in der Folge werden eine Vielzahl von Genen transkribiert. Bis heute ist der molekulare Mechanismus der metabolischen Wirkung von Schilddrüsenhormonen noch nicht vollständig geklärt. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass die Transkriptionsrate aller untersuchten Enzyme durch Schilddrüsenhormone beeinflussbar war. Eine der wichtigsten Aufgaben der Schilddrüsenhormone ist die Beteiligung an Wachstumsprozessen. Sie steigern die Synthese und Sekretion anderer Wachstumshormone und regulieren auch direkt einige Wachstumsprozesse wie das Knochenwachstum über die Aktivierung von Chondrozyten, Osteoblasten und Osteoklasten. Auch für die Entwicklung des Gehirns in der Embryonalzeit sind Schilddrüsenhormone unerlässlich. Sie fördern die Polymerisation von Aktin, das Axonwachstum und die Verzweigung von Dendriten. Kurzfristig steigern die Schilddrüsenhormone die Wirkung von Katecholaminen. Es kommt zu einem erhöhten Herzzeitvolumen (HZV = HFSV). Sowohl die Herzfrequenz (HF) als auch ! das Schlagvolumen (SV) können gesteigert werden. Es werden vermehrt β-adrenerge Rezeptoren exprimiert, während die Expression von α-Rezeptoren am Herzen gehemmt wird. Dies führt zu einer erhöhten Kontraktionskraft und daher zu einem erhöhten SV. Außerdem wird Ca2+-ATPase die in der Membran des sarkoplasmatischen Retikulums in Muskelzellen vermehrt eingebaut. Dadurch kommt es zu einer schnelleren Aufnahme von Ca2+ aus dem Intrazellulärraum in das sarkoplasmatische Retikulum und somit zu einer schnelleren Relaxation, wodurch in der Folge mehr Kontraktionsprozesse pro Zeiteinheit stattfinden können, d.h. die HF wird gesteigert. Auch für den Stoffwechsel spielen die Schilddrüsenhormone eine große Rolle. Sie regulieren Anabolismus, Katabolismus und Wärmeproduktion im menschlichen Körper. Schilddrüsenhormone induzieren beispielsweise die Expression von Enzymen der Lipogenese, wie der Acetyl-CoA-Carboxylase oder der Fettsäuresynthase. Außerdem werden auch Glukoneogenese, Glykogensynthese und Aufnahme von Glukose im Darm über den Einbau von GLUT 4-Transportern gesteigert. Interessant ist auch, dass Schilddrüsenhormone gleichzeitig die Lipolyse, Glykogenolyse und Glukoseverwertung steigern. Dies geschieht zum einen ebenfalls über die vermehrte Expression notwendiger Enzyme, zum anderen aber auch über den vermehrten Einbau von β-adrenergen Rezeptoren und somit durch Steigerung der Adrenalin- und Noradrenalinwirkung. Schilddrüsenhormone stimulieren außerdem den Proteinaufbau durch vermehrte Herstellung von Ribosomen und Translationsfaktoren. Gleichzeitig kommt es aber auch zu einer Aktivitätssteigerung der abbauenden Enzyme. Es erscheint zunächst widersprüchlich, dass Schilddrüsenhormone Anabolismus und Katabolismus in Gang setzen. Allerdings macht es durchaus Sinn, da für den Katabolismus verwendete Enzyme zunächst aufgebaut werden müssen und dafür anabole Reaktionen notwendig sind, wie z. B. die Biosynthese von Aminosäuren. Daraus folgt auch, dass der Grundumsatz in Ruhe durch die Ausschüttung von Schilddrüsenhormonen gesteigert wird [2,6]. 2. Diagnostik der Schilddrüsenerkrankungen Der erste diagnostische Schritt beinhaltet die ausführliche Anamnese sowie die körperliche Untersuchung. Da die Schilddrüsenhormone ihre Wirkung an diversen Organsystemen entfalten, ist die Bandbreite an Symptomen sehr vielfältig. Eine Hypothyreose kann sich durch einen körperlichen und geistigen Leistungsabfall " bemerkbar machen. Weitere Symptome sind eine Antriebsarmut, chronische Müdigkeit und Verlangsamung. Oftmals wird von den PatientInnen über eine gesteigerte Kälteempfindlichkeit berichtet. Weitere Symptome sind eine trockene, kalte Haut, eine raue Stimme, Obstipation und Gewichtszunahme. Die klinische Manifestation einer Hyperthyreose präsentiert sich dagegen oft mit einer gesteigerten Stuhlfrequenz, einem Gewichtsverlust, Wärmeintoleranz und einer Sinustachykardie. Die genannten Symptome sind zunächst wegweisend für die weitere Diagnostik und können klinisch entscheidend sein, um die Schwere der Über- oder Unterfunktion einzuschätzen. Die körperliche Untersuchung liefert im nächsten Schritt Hinweise zur Größe und Beschaffenheit der Schilddrüse. Hierbei kann z.B. eine bei Palpation schmerzhafte Schilddrüse Hinweise für eine Entzündung liefern. Sind Knoten oder Verhärtungen der Schilddrüse tastbar, bedarf es einer weiteren bildgebenden Diagnostik mittels Schilddrüsensonographie. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass zur Differenzierung einer Hypo- und Hyperthyreose die Palpation und Größenbestimmung der Schilddrüse keinen sicheren Aufschluss über die Funktion des Organs liefert. Zur Diagnosesicherung einer Hypo-/Hyperthyreose ist eine Hormondiagnostik im Serum zwingend erforderlich. Zur weiteren Unterscheidung in Schilddrüsenüber- und -unterfunktionen ist die Bestimmung der Schilddrüsenhormone sowie des TSH notwendig. Da wie oben bereits erwähnt ein negativer Feedbackmechanismus zwischen dem TSH und den Schilddrüsenhormonen besteht, ist der TSH-Wert ein guter Parameter zur Einschätzung einer Schilddrüsenfunktionsstörung. Ist der TSH- Wert über der Norm erhöht (Norm: 0,42,5 mU/l) ist dadurch eine Hypothyreose indiziert, umgekehrt weist eine Erniedrigung des TSH auf eine Hyperthyreose hin. Von einer manifesten Hypo- oder Hyperthyreose spricht man, wenn es neben der TSH-Veränderung auch zu einer Erniedrigung oder Erhöhung der Schilddrüsenhormone kommt. Die Grenzwerte liegen für das fT3 (freies T3) bei 2,2-5,5 pg/ml und für das fT4 bei 0,6-1,8 ng/ml im Serum. Ist nur das TSH außerhalb der physiologischen Bandbreite bei normwertigen peripheren Schilddrüsenhormonen, so spricht man von einer latenten Hypo- oder Hyperthyreose. # Serologie Latente Manifeste Latente Manifeste Überblick Hyperthyreose Hyperthyreose Hypothyreose Hypothyreose TSH fT3 Normal Normal fT4 Normal Normal Tabelle 1: Serologie TSH und Schilddrüsenhormone Zu beachten ist hierbei, dass die in Tabelle 1 dargestellten Laborkonstellationen nur bei primären Schilddrüsenfunktionsstörungen auftreten. Bei sekundären Schilddrüsenfehlfunktionen, d.h. bei Störungen der übergeordneten Hormonachse TRH/TSH (hypophysären Hyper- und Hypothyreosen) ist mit einer Erhöhung bzw. Erniedrigung des TSH zu rechnen. Auch Autoantikörper können bei Schilddrüsenerkrankungen eine Rolle spielen. Ein Autoantikörper bezeichnet einen Antikörper, welcher gegen körpereigene Antigene gerichtet ist. Als Antigen kann ein Protein dienen, aber auch Peptide oder Zuckerketten u.v.a.m. Folgende Autoantikörper spielen bei der Schilddrüsendiagnostik eine Rolle: • Thyreoglobulin-Antikörper (Tg-Antikörper oder Anti-Tg) wird vermehrt bei Morbus Hashimoto (70% d.F.), aber auch bei M. Basedow und seltener auch bei Gesunden gemessen. • Antikörper gegen die thyreoidale Peroxidase (Anti-TPO-Antikörper) werden zu ca. 90 % beim M. Hashimoto im Serum gefunden. • TSH-Rezeptorantikörper (=TRAK) findet sich beim M. Basedow Zu beachten ist, dass eine positive Antikörperdiagnostik alleine betrachtet nicht ausreicht, um eine Autoimmunthyreoiditis oder einen M. Basedow zu diagnostizieren. Die Diagnosekriterien einer Schilddrüsenerkrankung erfordern immer eine Hormondiagnostik. Autoantikörperdiagnostik nimmt dabei einen unterstützenden Charakter bei der Diagnosefindung ein. Die Sonographie der Schilddrüse ist ein wichtiger Baustein in der Diagnosekette der Schilddrüsenerkrankungen: sie ist eine $ zuverlässige Methode zur Bestimmung des Schilddrüsenvolumens und lässt Aussagen über eine Struma und die Vaskularisation des Gewebes zu. Eine sonographische Diagnostik wird vor allem durch die anatomische Lage der Schilddrüse begünstigt, da sie sich fast unmittelbar hinter den Muskeln Sternohyoideus und Sternothyroideus befindet, womit die Distanz zwischen Schallkopf und zu untersuchendem Gewebe sehr gering ist. In Abbildung 5 ist ein Transversalschnitt auf Höhe der Schilddrüse gezeigt. Man erkennt, dass die Schilddrüse sich um die Luftröhre (84) legt und nach ventral lediglich durch Muskeln (89 und 90) und Haut sowie Unterhautfett bedeckt ist. Abbildung 5: Transversalschnitt auf Höhe der Schilddrüse Zur Volumenbestimmung eines Schilddrüsenlappens ist die Bestimmung des Querdurchmessers, des Sagittaldurchmessers und des Längsdurchmessers notwendig (also Länge x Breite x Tiefe). Das Produkt dieser drei Werte multipliziert mit dem Faktor 0,5 ergibt das ungefähre Volumen eines Schilddrüsenlappens. Die Schilddrüsenvolumina sind alters- und geschlechtsabhängig. In Deutschland gilt ein Schilddrüsenvolumen von 25 ml bei Männern und 18 ml bei Frauen als normal. In Abbildung 6 ist das sonographische Bild einer normalen Schilddrüse dargestellt. % Abbildung 6: Sonographie einer normalen Schilddrüse Das Schilddrüsenvolumen kann beispielsweise bei einer euthyreoten Struma vergrößert sein. Die Schilddrüsenvaskularisation gibt Aufschluss über den Grad der Durchblutung des Gewebes. Hierfür eignet sich die farbkodierte Duplexsonographie. Hinter diesem Begriff verbirgt sich ein Verfahren um Bewegungen, z.B. fließendes Blut, im untersuchten Areal sichtbar zu machen. Bei autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen wie Morbus Basedow oder Hashimoto-Thyreoiditis findet sich eine Hypervaskularisation des Gewebes. Abbildung 7 zeigt eine diffuse Echoarmut des Schilddrüsenparenchyms (linkes Bild) sowie eine diffuse Hypervaskularisation bei Morbus Basedow (rechtes Bild). Abbildung 7: Diffuse Echoarmut bei Morbus Basedow (linkes Bild) sowie die diffuse Hypervaskularisation bei Morbus Basedow (rechtes Bild). Die Sensitivität und Spezifität dieser Untersuchung ist jedoch eher als gering einzustufen. Bei der Beurteilung des Schilddrüsenstromas spielt die Echostruktur eine & wichtige Rolle. Damit ist gemeint, dass in der Schilddrüse Gewebe unterschiedlicher Echogenität auftreten. Im technischen Sinne bedeutet die Echogenität eine unterschiedlich schnelle Schallausbreitung in einem Gewebe. Das gesamte Parenchym der Schilddrüse kann sich beispielsweise echoarm im Vergleich zu normalen Schilddrüsengewebe darstellen (bei der Hashimoto-Thyreoiditis oder dem M. Basedow). In Abbildung 8 ist ein sonographisches Bild eines echoarmen Knotens der Schilddrüse abgebildet. Der Knoten befindet sich oben rechts im Bild. Abbildung 8: Echoarmer Knoten in einer Schilddrüse In der Schilddrüsensonographie spricht man weiterhin von echofreien Zysten, welche im Rahmen einer euthyreoten Struma auftreten, sowie von Knoten, welche sich echonormal, echoarm oder echoreich darstellen können. Echoreiche Knoten, also solche, die viele Ultraschallwellen reflektieren, weisen auf eine maligne Entartung hin und sind relativ selten. Eine größere Beachtung finden die echoarmen Knoten, welche die Ultraschallwellen geringer reflektieren als das normale Gewebe. Ihnen kann erstens ein gutartiges Adenom, d.h. ein autonomes, von der Hypophyse unbeeinflusstes Schilddrüsenareal, zugrunde liegen. Zweitens ist ein echoarmer Knoten auch immer verdächtig für ein Schilddrüsenkarzinom. Zur genauen Unterscheidung ist die Sonographie nicht in der Lage, weshalb der nächste diagnostische Schritt eine Szintigraphie notwendig macht. Die Szintigraphie ist ein weiteres bildgebendes Verfahren und für bestimmte Fragestellungen in der Schilddrüsendiagnostik unverzichtbar. Sie ist indiziert beim Nachweis tastbarer Schilddrüsenknoten und echoarmer Knoten in der Sonographie, die einer weiteren Abklärung bedürfen [3,7,8]. Bei dieser Methode wird dem PatientInnen ein radioaktives Pharmakon (auch Tracer genannt, aus dem Englischen „to trace“ = verfolgen, aufzeichnen) verabreicht, welches in dem zu untersuchendem Organ aufgenommen wird und bei seinem Zerfall γ-Strahlung aussendet. Diese wird durch einen Detektor, eine sogenannte γ-Kamera, aufgezeichnet und liefert somit Informationen zu dem betreffenden Organ. Im Falle der Schilddrüse wird in der Regel 99m Technetium-Pertechnetat appliziert. Es hat eine Halbwertszeit von 6 h und stellt im Vergleich zu anderen Isotopen wie 123 I oder 131 I nur eine geringe Strahlenbelastung für den Körper dar. Radioaktives Iod hat eine fast 50-fach höhere Strahlenbelastung als 99m Tc und eine Halbwertszeit von 8 Tagen im Körper und wird heutzutage nicht mehr eingesetzt. Das Isotop 99m Tc wird von den Schilddrüsenzellen aufgenommen (man spricht auch von „Speichern“, obwohl das 99m Tc nicht in das Thyreoglobulin eingebaut wird) und liefert über seine Eigenschaft als γ-Strahler Informationen zu Lage, Größe und Form der Schilddrüse. In seltenen Fällen liefert diese Methode den Nachweis ektopen Schilddrüsengewebes. Dabei handelt es sich um funktionell wirksames Schilddrüsengewebe, welches sich nicht in der üblichen anatomisch-korrekten Lage befindet (z.B. im Zungengrund oder im Mediastinum wie in Abbildung 9). Abbildung 9: Schilddrüsenektopien Weiterhin liefert die Schilddrüsenszintigraphie bedeutende Hinweise zur Funktion der Schilddrüse, da Areale mit unterschiedlich hoher Stoffwechselaktivität in der Szintigraphie abgebildet werden. Hierbei spricht man von der quantitativen Szintigraphie der Schilddrüse. Bei einer normal funktionierenden Schilddrüse kommt es ebenfalls zu einer Anreicherung der radioaktiven Substanz. Allerdings ist die Verteilung des Materials gleichmäßig innerhalb des Gewebes vorzufinden. Abbildung 10 zeigt eine gesunde Schilddrüse in der Szintigraphie. Abbildung 10: Anreicherung von 99mTechnetium in einer gesunden Schilddrüse Ein Schilddrüsenareal, welches kaum Technetium aufnimmt, wird als kalter Knoten bezeichnet. In Abbildung 11 (linkes Bild) wird eine geringere Radioaktivität gemessen, da hier weniger 99m Tc eingelagert wird. Deutlich wird dies durch eine verminderte bzw. fehlende Rotfärbung in der Aufnahme. Abbildung 11: Kalter (linkes Bild) bzw. warmer (rechtes Bild) Knoten im rechten Schilddrüsenlappen Ein szintigraphisch kalter Knoten, welcher sich sonographisch als echofrei darstellt, ist mit einer Schilddrüsenzyste, z.B. bei einer euthyreoten Struma vereinbar. Szintigraphisch kalte Knoten in Kombination mit einem echoarmen sonographischen Korrelat sind karzinomverdächtig und erfordern eine weitere Abklärung mittels einer Gewebeentnahme durch Punktion. Ein Areal, welches ein wenig mehr als das übliche Schilddrüsengewebe speichert, wird weiter als warmer Knoten und ein vermehrt speicherndes Areal als heißer Knoten bezeichnet. Ein Beispiel für einen warmen Knoten ist in Abbildung 11 zu sehen. Ein szintigraphisch heißer Knoten ist suggestiv für ein Schilddrüsenadenom. Zu beachten ist dabei, dass die Aussagekraft einer quantitativen Schilddrüsenszintigraphie alleine betrachtet keinen diagnostischen Mehrgewinn liefert. Ein Vergleich der szintigraphischen Bilder mit den sonographischen Korrelaten ist erforderlich, um die Dignität der Areale einzuschätzen. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit der Szintigraphie bietet die Suppressionsszintigraphie. Dabei wird dem Patienten/ der Patientin eine suppressive Schilddrüsenhormontherapie verabreicht, wodurch die TSH-Werte im Blut über den negativen Feedback-Mechanismus wegfallen. Es wird somit eine iatrogene Hyperthyreosis factitia, also eine medikamenteninduzierte Hyperthyreose herbeigeführt. Durch eine anschließende erneute quantitative Szintigraphie werden diejenigen Schilddrüsenareale „entlarvt“, welche TSH unabhängig weiterhin eine hohe Stoffwechselaktivität aufweisen [3,8]. Die Feinnadelaspiration der Schilddrüse ist eine gängige Methode zur Gewinnung von Gewebe, um durch histopathologische Aufarbeitung dessen weitere Informationen über die Schilddrüsenerkrankung zu gewinnen. Sie ist die invasivste Methode der Diagnostik und birgt diverse Komplikationen wie etwa Blutungen, Infektionen durch Keimverschleppung und narbige Verwachsungen. Der Begriff Aspiration bedeutet dabei das „Ansaugen“ des punktierten Gewebes, um möglichst viel Material zu gewinnen. Bedenkt man dies, so wird deutlich, dass es sich bei dem Material „nur“ um eine Zytologie, also eine Anhäufung von Zellen handeln kann; eine Histologie, d.h. mikroskopische Darstellung des anatomisch intakten Schilddrüsengewebes ist mit dieser Methode nicht möglich. Daher ist es leider nicht möglich ein malignes Geschehen sicher auszuschließen, da etwaiges infiltratives Wachstum veränderter Zellen in der Zytologie nicht beurteilt werden kann. Die häufigste Fragestellung in Bezug auf die Schilddrüse bezieht sich dabei auf die Dignität des gewonnenen Materials, seltener auch zur weiteren Unterscheidung entzündlicher Schilddrüsenerkrankungen [3]. 3. Schilddrüsenerkrankungen 3.1. Erkrankungsformen und Ätiologie Um einen Überblick über die diversen Schilddrüsenerkrankungen zu erlangen, können verschiedene Kriterien angewendet werden. Da die Schilddrüse ein endokrines Organ ist, werden Schilddrüsenerkrankungen zunächst in Funktionsstörungen, also Hypound Hyperthyreosen, eingeteilt. Bei einer Hyperthyreose liegt eine Überfunktion der Schilddrüse vor. Damit ist eine Erhöhung der Schilddrüsenhormone T3 und T4 im Blut über die physiologische Norm gemeint. Eine Hypothyreose bedeutet umgekehrt eine pathologische Erniedrigung der peripheren Schilddrüsenhormone. Man unterscheidet weiterhin primäre von sekundären bzw. zentralen Schilddrüsenüberbzw. -unterfunktionen. Primäre Erkrankungen betreffen Fehlfunktionen der Schilddrüse, also dem Ort der Hormonproduktion. Sekundäre Schilddrüsenfehlfunktionen haben ihre Ursache in einer Regulationsstörung der Schilddrüse durch eine krankhafte Veränderung der TSH-Produktion. Eine sekundäre Hyperthyreose wird durch eine TSH-Mehrproduktion verursacht (TSH-om oder paraneoplastische TSH-Produktion beispielsweise beim Bronchialkarzinom). Eine sekundäre Hypothyreose ist durch einen Mangel von TSH, z.B. durch eine Hypophysenvorderlappeninsuffizienz begründet. Als Sonderform der Schilddrüsenerkrankungen kann die euthyreote Struma gesehen werden. Dabei handelt es sich um eine Vergrößerung der Schilddrüse ohne eine Veränderung der Schilddrüsenhormonkonzentration. Das von den C-Zellen der Schilddrüse gebildete Calcitonin hat lediglich eine Krankheitsbedeutung beim C-Zell-Karzinom (oder auch Medulläres Schilddrüsen-CA genannt) sowie im Rahmen eines iatrogenen CalcitoninMangels nach Schilddrüsenoperationen. Der Begriff der Schilddrüsenentzündung ist ein Sammelbegriff für diverse Erkrankungen, die sowohl eine Hypo- als auch eine Hyperthyreose bewirken Schilddrüsenentzündung können. sehr Anzumerken unspezifisch ist, dass verwendet der wird Begriff und der darauf zurückzuführen ist, dass histopathologische Entzündungszeichen gefunden werden. Eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen kommt dafür in Frage. Sowohl Autoimmunprozesse als auch Entzündungen durch Bakterien oder Viren oder Folgen einer Strahlenexposition oder Chemotherapie können ursächlich für eine Entzündung sein. Am häufigsten tritt die chronisch-lymphozytäre Thyreoiditis (= M. Hashimoto bzw. Autoimmunthyreoiditis) auf, welche im Verlauf zu einer Hypothyreose führt und die häufigste Ursache einer Unterfunktion ist [9]. Als die zweithäufigste Form der ! Schilddrüsenentzündung gilt die Thyreoiditis de Quervain. Die genaue Ätiologie ist unbekannt, es werden jedoch virale Infektionen sowie genetische Dispositionen vermutet. Hypo-, hyper- und euthyreote Zustände sind möglich [8]. Interessanterweise kann auch der Morbus Basedow als Thyreoiditis im Sinne einer Autoimmunthyreoiditis gesehen werden [3]. Von klinischer Bedeutung sind zudem Schilddrüsen-Neoplasien. Folgende Entitäten werden hier unterschieden: die differenzierten SD-CA (follikuläre SD-CA und papilläres SD-CA), undifferenzierte SD-CA (auch anaplastisches SD-CA genannt) sowie das medulläre SD-CA (C-ZellCA). Seltener sind maligne Neoplasien der Schilddrüse, die vom Binde- und Stützgewebe ausgehen, wie etwa Lymphome und Sarkome. Aufgrund der großen Anzahl an Literatur und Studien zu Schilddrüsen-CA wird in vorliegender Arbeit keine detaillierte Behandlung erfolgen. 3.2. Hypothyreosen Es kann zwischen erworbenen und angeborenen Hypothyreosen unterschieden werden. Die angeborenen Schilddrüsenunterfunktionen sind ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen. Dazu zählt die Athyreose, eine fehlende embryonale Anlage der Schilddrüse. Weiterhin zählen auch die Schilddrüsendysplasie und Schilddrüsenektopie. Hier kommt es zu einer Anlage von Schilddrüsengewebe welches jedoch nicht funktionstüchtig ist. Weitere Formen sind sehr seltene Defekte in der Hormonbiosynthese, die häufigste Variante stellt hier der Schilddrüsenperoxidase-Defekt dar. Insgesamt betreffen alle diese Erkrankungen ca. eines von 3500 Neugeborenen und stellen somit die häufigsten angeborenen Erkrankungen des endokrinen Systems dar [9]. Inzwischen werden die angeborenen Hypothyreosen durch ein Neugeborenenscreening erfasst, hierbei ist aber zu beachten, dass nur der TSH-Wert und nicht die peripheren Schilddrüsenwerte des Neugeborenen erfasst werden. Eine zentrale Hypothyreose, welche durch eine fehlende oder unzureichende TSH-Produktion in der Adenohypophyse verursacht wird, kann mit diesem Test nicht erfasst werden [11]. Der Morbus Hashimoto oder auch Autoimmunthyreoiditis ist die häufigste Form der Hypothyreose [12]. Namensgeber für diese Erkrankung war der japanische Arzt Hakaru Hashimoto, welcher die Erkrankung erstmals beschrieb [13]. Sie betrifft überwiegend Frauen mittleren Alters und führt im Verlauf zu einer progredienten hypothyreoten " Stoffwechsellage, welche durch autoimmuninduzierte, chronisch-lymphozytäre Destruktion der Schilddrüse zustande kommt [9]. Die Ätiologie der HashimotoThyreoiditis ist multifaktoriell und aufgrund der autoimmunologischen Prozesse komplex: sowohl zelluläre als auch humorale Bestandteile des Immunsystems sind an der Krankheitsentstehung beteiligt. Weiterhin wird eine genetische Komponente vermutet [14]. Als weitere Faktoren bei der Krankheitsentstehung gelten Alter und Exposition gegenüber Viren, hier insbesondere das Epstein-Barr Virus [15,16]. Klinisch äußert sich eine Vielzahl von Symptomen wie Kälteintoleranz, Obstipation, ungewollte Gewichtszunahme, Antriebsarmut und Zyklusstörungen bei Frauen [8]. Die Diagnostik beinhaltet die Bestimmung von TSH und der peripheren Schilddrüsenhormone T3 und T4, welche im Sinne einer Hypothyreose verändert sind. Sowohl latente als auch manifeste Hypothyreosen sind bei der HashimotoThyreoiditis nachzuweisen. Die Autoimmundiagnostik liefert weitere Hinweise: so ist in 96 % der Fälle der schilddrüsenspezifische Antikörper TPO (= thyreoidale Peroxidase) und in 70% der Fälle Thyreoglobulin-Antikörper nachweisbar. Ungeklärt ist dabei allerdings, ob die Anti-TPO-Antikörper Folge oder Ursache der immunologischen Prozesse der Schilddrüse sind [15,16]. Sonographisch präsentiert sich eine Hashimoto-Thyreoiditis meist mit einer diffusen Echoarmut und einer leichten Mehrperfusion [7]. 3.3. Hyperthyreosen Die häufigsten Hyperthyreoseformen sind die immunogene Hyperthyreose, auch Morbus Basedow genannt, sowie die Hyperthyreose, welche im Zuge autonomer Schilddrüsenknoten auftritt. Ein Mischbild dieser beiden Krankheitsätiologien wird Marine-Lenhart-Syndrom genannt und tritt bei ca. 10% der M. Basedow PatientInnen in Iodmangelgebieten auf. Weitere, seltenere Formen der Hyperthyreose sind die Gestationshyperthyreose (Schwangerschaftshyperthyreose), die Hyperthyreosis factitia, welche durch eine erhöhte Zufuhr von Schilddrüsenhormonen entsteht, und die iatrogene Hyperthyreose durch Zufuhr iodhaltiger Medikamente oder Kontrastmittel. Außerdem kommt es weitaus seltener zu hypophysären Hyperthyreose durch eine TSH-Überproduktion in der Hypophyse [8]. Der Morbus Basedow zählt zu den systemischen Autoimmunerkrankungen. Eine Autoimmunerkrankung zeichnet sich durch die Bildung von Antikörpern gegen körpereigenes Gewebe aus. Im Falle # des M. Basedow werden Autoantikörper gegen Schilddrüsengewebe gebildet. Da beim M. Basedow auch extrathyreoidale Gewebearten durch die Autoantikörper beeinflusst werden, spricht man von einer systemischen Autoimmunerkrankung. Extrathyreoidale Gewebemanifestationen sind beispielsweise das prätibiale Myxödem, die endokrine Orbitopathie und die Akropathie [17]. Namensgebend für die Erkrankung war der Merseburger Arzt Karl Adolf von Basedow, der 1840 die Symptomtrias aus Tachykardie (schnelle Herzfrequenz), Exophthalmus (hervorstehende Augäpfel) und Struma beschrieb. Diese drei Symptome sind pathognomonisch für den Morbus Basedow, treten jedoch nicht in allen Fällen gemeinsam auf: so tritt eine endokrine Orbitopathie nur etwa in 60 % der Fälle auf und die Struma in 70-90% aller Basedow-PatientInnen [8]. Außerhalb des deutschen Sprachraumes wird die Autoimmunhyperthyreose nach dem irischen Arzt Robert J. Graves benannt, der 1835 einen Zusammenhang zwischen Struma, Tachykardie und Exophthalmus beschrieb [3]. Die Pathogenese der Autoimmunerkrankungen im Allgemeinen und beim M. Basedow im Speziellen ist sehr komplex und nicht vollständig verstanden. Man vermutet, dass für den M. Basedow eine genetische Prädisposition krankheitsbegünstigend sein kann [18,19]. Weiterhin sind infektiöse Begleiterscheinungen und emotionale Stressfaktoren als pathogenetisch beschrieben worden [20-23]. Im Zusammenhang mit infektiösen Geschehnissen tritt seit einigen Jahren der Begriff des molecular mimicry immer mehr in den Vordergrund. Hierbei kommt es zunächst zur Bildung von Antikörpern gegen körperfremde Antigene wie z.B. Oberflächenmerkmale von Viren oder Bakterien. Der Begriff Mimikry (Englisch für „Nachahmung“) bezeichnet dabei den Effekt, durch den sich die gebildeten Antikörper gegen ähnliche beschaffene Oberflächenstrukturen körpereigenen Gewebes richten. Dieser Mechanismus wird von einigen Forschern ebenfalls für die Entstehung des M. Basedow in Erwägung gezogen, abschließende Beweise sind jedoch bisher ausstehend. Letztlich ist für die endgültige Krankheitsentstehung die Bildung sogenannter TRAKs (TSH-Rezeptor-Antikörper) verantwortlich. Diese haben eine hohe Affinität zum TSH-Rezeptor und lösen somit eine Stimulation der Schilddrüse aus. Dadurch kommt es zu einem erhöhten Stoffwechsel in der Schilddrüse mit einer konsekutiven Mehrbildung an peripheren Schilddrüsenhormonen. Die TRAKs können inter- und intraindividuell unterschiedlich sein, d.h. sie binden an unterschiedliche $ Regionen des TSH-Rezeptors. Dem liegt eine polyklonale Bildung zugrunde, womit die Bildung der Autoantikörper durch unterschiedliche Plasmazellen gemeint ist [26]. Neben den klassischen Symptomen einer Hyperthyreose (Tachykardie, Tremor, psychomotorische Unruhe, Gewichtsverlust, Durchfälle und Wärmeintoleranz) treten beim Morbus Basedow die oben bereits erwähnten extrathyreoidalen Symptome auf. Die häufigste ist die endokrine Orbithopathie, welche sich durch ein Hervortreten der Augäpfel in Folge einer retrobulbären Volumenzunahme äußert. Ursächlich dafür ist ein komplexer immunologischer Prozess infolge der TSH-Rezeptor Präsenz im Orbitabindegewebe. In Abbildung 12 ist das klassische Bild einer Patientin mit einem Exophthalamus zu sehen. Abbildung 12: Exophthalamus einer Morbus Basedow Patientin. Die endokrine Orbitopathie wird von den PatientInnen als störend empfunden, diverse Funktionseinschränkungen werden beobachtet und sind für die Diagnosestellung in Form klinischer Zeichen wegweisend. So bezeichnet das Stellwag-Zeichen beispielsweise den seltenen Lidschlag oder das Graefe-Zeichen das Zurückbleiben des Oberlids bei Blicksenkung [8]. Eine kausale Therapie der endokrinen Orbitopathie ist nicht bekannt, die Wiederherstellung einer euthyreoten Stoffwechsellage, Nikotinverzicht, Kortikosteroidanwendung oder eine retrobulbäre Bestrahlung können der endokrinen Orbitopathie entgegenwirken [8,27]. Eine weitere extrathyreoidale Manifestation des M. Basedow ist das prätibiale Myxödem. Prädilektionsort ist, wie aus dem Namen erkennbar, das subkutane Bindegewebe über dem Os tibiale (= Schienbein). Im Gegensatz zu einem Lymphödem oder einem kardialen Unterschenkelödem ist das Myxödem nicht eindrückbar. Ein weiteres Symptom ist die Akropachie. Sie bezeichnet eine Weichteilschwellung und Knochenauftreibungen der Finger und Zehenendglieder. Zusammen mit dem präsidialen Mxyödem kommt sie in ca. 1 % der Basedow % PatientInnen vor [28]. Neben dem M. Basedow sind Schilddrüsenautonomien die häufigste Ursache für eine Hyperthyreose. Der Begriff der Autonomie in diesem Zusammenhang bezieht sich auf die Unabhängigkeit einzelner Schilddrüsenareale von der hypophysären Regulation; die autonomen Areale arbeiten also unbeeinflusst von der Hypothalamus-Hypophysenachse [29]. Man geht davon aus, dass in jeder Schilddrüse solche Areale physiologisch bestehen. Kommt es zu einem Iodmangel, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sich aus einem autonomen Areal eine thyreoidale Autonomie mit hyperthyreoidaler Stoffwechsellage bildet. Verantwortlich dafür sind wachstumsfördernde Prozesse, welche durch Iodmangel induziert werden wie bereits im Kapitel 1.4 Regulation der Schilddrüse besprochen [30-32]. Umgekehrt sinkt das Vorkommen an thyreoidalen Autonomien in Gebieten ohne Iodmangel [33]. Eine hyperthyreote Stoffwechsellage entsteht dann, wenn bei bestehender Schilddrüsenautonomie eine unerwartet hohe Iodzufuhr zu Stande kommt, z.B. im Rahmen iodhaltiger Kontrastmittelgaben für Röntgenuntersuchungen oder Medikamentengaben wie Amiodaron (Antiarrhythmikum). Eine Iodzufuhr durch die Nahrung spielt bei der Pathogenese kaum eine Rolle [8]. 3.4. Euthyreote Struma Als euthyreote Struma wird eine krankhafte Vergrößerung der Schilddrüse beschrieben ohne ein Vorliegen einer Hypo- oder Hyperthyreose (daher auch der Name euthyreot = normale Hormonaktivität). Von einer Vergrößerung der Schilddrüse (= Struma) spricht man, wenn das Volumen der Drüse bei Männern größer 25 ml und bei Frauen größer als 18 ml beträgt. Die euthyreote Struma kommt besonders in Iodmangelgebieten vor und betrifft dort ca. 30 % der Erwachsenen [8]. Ab einem Schilddrüsenvolumen von ca. 40 ml wird dieses sichtbar, teilweise ist auch mit einer Beeinträchtigung der umliegenden Organe zu rechnen, wie z.B. einer Einengung der Trachea oder einer Kompression der Speiseröhre [34]. Die Struma kann nach einem Stufenschema der WHO in drei Grade eingeteilt werden: Grad 0 bezeichnet eine Struma, die weder tast- noch sichtbar ist, eine Struma kann also nur sonographisch ermittelt werden. Weiter wird eingeteilt in eine Struma des Grad I, welche tastbar, jedoch nicht sichtbar ist, und eine Struma Grad II, welche tast- und sichtbar ist [8]. Die euthyreote Struma kann weiter unterschieden werden in eine & Struma diffusa und in eine Struma nodosa. Das Struma diffusa bezeichnet dabei eine Vergrößerung der Schilddrüse ohne Vorliegen von Knoten, wobei bei der Struma nodosa die Schilddrüse vor allem durch Knotenbildung (uni- oder multinodosa) vergrößert ist. Die Struma nodosa ist oft mit einer Hyperthyreose vergesellschaftet, da sich aus den Knoten autonome Areale im Sinne von Adenomen bilden können. Um eine euthyreote Struma diagnostizieren zu können, ist der Ausschluss einer Hypooder Hyperthyreose mittels TSH-Bestimmung erforderlich. Außerdem muss sichergestellt werden, dass der Schilddrüsenvergrößerung kein malignes Geschehen zugrunde liegt. Hierfür eignet sich die Sonographie und die Szintigraphie (siehe vorangegangenes Kapitel 2. Diagnostik). Der Entstehung einer euthyreoten Struma liegen verschiedene Ursachen zugrunde. Die häufigste ist der Iodmangel, welcher in Iodmangelgebieten auftritt. Dieser liegt dann vor, wenn der tägliche Bedarf an Iod von 150-200 µg über die reguläre Nahrung nicht mehr gedeckt wird. Beispiele für (ehemalige) Iodmangelgebiete sind der alpine Raum, da dort eine natürliche Iodarmut der Böden und damit der Nahrungsmittel vorliegt. Da zur Synthese der peripheren Schilddrüsenhormone Iod ein unabdingbarer Bestandteil ist, führt ein Mangel an Iod zu einer Hochregulation der Wachstumsfaktoren der Schilddrüse, wodurch es zu einem Wachstum des Gewebes kommt. Daher treten in Gebieten ohne Iodmangel euthyreote Strumen sehr viel seltener auf (unter 3%) als in Iodmangelgebieten [3]. In den letzten Jahren hat sich die Situation allerdings entschärft. Ehemals von der WHO als Iodmangelgebiete eingestufte Länder (z.B. Deutschland) gelten aufgrund der zunehmenden Iodierung von Speisesalz nicht mehr als Iodmangelgebiete [8]. Eine weitere Ursache für die euthyreote Struma ist die sporadische Form. Aufgrund eines passiv erhöhten Bedarfes an Schilddrüsenhormonen (z.B. während der Schwangerschaft) kann es zu einer euthyreoten Struma kommen. Weiterhin muss davon ausgegangen werden, dass eine genetische Komponente der Entwicklung einer Struma zugrunde liegt. Anders wäre es sonst kaum zu erklären, dass in Iodmangelgebieten nur ein gewisser Prozentsatz an Menschen eine Struma entwickelt [35]. 4. Therapieansätze bei Schilddrüsenerkrankungen 4.1. Medikamentöse Behandlungen Da bei einer Hypothyreose ein Mangel an Schilddrüsenhormonen vorliegt, erfolgt die Therapie der Hypothyreosen durch die orale Zufuhr von Schilddrüsenhormonen. Hierfür wird in der Regel L-Thyroxin (T4) verabreicht, welches eine hohe orale Bioverfügbarkeit aufweist und im Organismus zum biologisch aktiveren T3 konvertiert wird. Novothyral, welches ein Kombinationspräparat aus T3 und T4 ist, wird dagegen seltener eingesetzt [36]. Je nach Ursache der zugrundeliegenden Erkrankung, die zu einer Hypothyreose geführt hat, liegen unterschiedliche Empfehlung zu Beginn, Dosierung und Behandlungsdauer vor. Grundsätzlich sollte bei angeborenen Hypothyreosen der unmittelbare Beginn einer Schilddrüsensubstitutionstherapie eingeleitet werden. Im weiteren Verlauf ist eine konsequente und regelmäßige Einnahme der Schilddrüsenhormone dringend indiziert, da bei unzureichender Behandlung schwere geistige und körperliche Behinderungen für die PatientInnen drohen. Es konnte gezeigt werden, dass bei Kindern mit angeborenen Hypothyreosen durch eine Substitutionstherapie eine nahezu normale Entwicklung gewährleistet werden konnte [37]. Die Hashimoto-Thyreoiditis erfordert in den meisten Fällen die Hormonsubstitution. In wenigen Fällen wurde zu Anfang einer Hashimoto-Thyreoiditis eine vorübergehende Hyperthyreose durch Zelluntergang im Schilddrüsengewebe beschrieben. Diese Situation tritt selten und wenn nur a- bis subklinsch auf und erfordert in der Regel keine thyreostatische Therapie [9]. Die Indikation sowie die Anfangsdosierung und „Strenge“ der Hormonsubstitution richtet sich nach diversen Kriterien: Ausprägung der Hypothyreose, Alter, Geschlecht und die Unterscheidung zwischen latenter und manifester Hypothyreose spielen dabei eine Rolle. Bei manifesten Hypothyreosen gilt generell, je ausgeprägter sich die Hypothyreose bei Stellung der Diagnose präsentiert (Klinik + Serologie), desto vorsichtiger, d.h. langsamer und niedriger dosiert sollte die Substitution eingeleitet werden, da andernfalls das Risiko für Herzrhythmusstörungen oder kardiovaskuläre Ereignisse ansteigt [8]. Schwangere Patientinnen sowie ältere PatientInnen (>70 Jahren) benötigen eine „strengere“, d.h. höhere Dosierung der Hormonsubstitution. Umgekehrt sollte bei latenten Hypothyreosen nur bei PatientInnen unter 70 Jahren eine Hormonsubstitution erfolgen, da andernfalls das Risiko für Früharteriosklerose steigt. Zudem profitieren PatientInnen über 70 Jahren meist nicht von einer Schilddrüsenhormonsubstitution [8]. Weitere Indikationen für eine Substitution bei latenter Hypothyreose sind Schwangerschaft und Kinderwunsch. Die Behandlung einer Hyperthyreose erfolgt durch Einnahme von Thyreostatika. Unabhängig von der Form der Hyperthyreose sollte bis zum Erreichen der Euthyreose mit Thyreostatika Iodinationshemmern behandelt und werden. Man Iodisationshemmern. unterscheidet Der zwischen Iodinationshemmer Natriumperchlorat (Irenat) verhindert die Aufnahme des Iodids in die Schilddrüse. Iodisationshemmer, die zur chemischen Gruppe der Thionamide gehören, verhindern die Synthese von Monoiodthyronin und Diiodthyronin. Derzeit werden folgende Präparate eingesetzt: Thiamazol (z. B. Favistan) und Propylthiouracil (z. B. Propycil, dieses ist jedoch nicht im österreichischen Handel erhältlich). Bei schwangeren Patientinnen wird Propylthiouracil bevorzugt, um die Gefahr von Hypothyreosen beim Fetus zu minimieren. Eine Besonderheit des Propylthiouracils besteht in der Hemmung der peripheren Konversion von L-Thyroxin zu Triiodthyronin. Bei schwangeren Patientinnen wird Propylthiouracil bevorzugt, um die Gefahr von Hypothyreosen beim Fetus zu minimieren. Zu beachten ist hierbei, dass alle Thyreostatika einen verzögerten Wirkungseintritt haben, da sie nicht die Inkretion, also die Freisetzung bereits vor Einnahme produzierter Schilddrüsenhormone, verhindern. In der Regel muss daher mit einer Wirkungslatenz von 6-8 Tagen gerechnet werden [36]. Bei der Behandlung der Autoimmunhyperthyreose wird heutzutage ein Niedrigdosiskonzept angewendet (Initialdosis 15 bis 30 mg Carbimazol). Weiterhin empfiehlt sich bei Tachykardie die Anwendung eines Betarezeptorenblockers wie z.B. Propranolol zur Unterstützung [38]. Propranolol eignet sich besonders gut, da es die Deiodase hemmt und so die Konversion von T4 zu T3 abmildert. Außerdem ist Propranolol ein β-Blocker und mildert somit die Wirkung von Katecholaminen am Herzen ab [36]. In der Regel erfolgt bei einem manifesten M. Basedow die Evaluation und ein Therapieauslassversuch nach 6-12 Monaten. Da der Rückfall in eine hyperthyreote Stoffwechsellage sehr hoch ist (50 %) erfolgt oft eine Therapieeskalation mittels Radioiodtherapie oder Schilddrüsenoperation. Eine erneute Bestimmung der TRAKs, welche früher aufgrund der lebenslangen Persistenz als nicht sinnvoll erachtet wurde, wird aktuell zur prognostischen Abschätzung eines Rezidivrisikos empfohlen: TRAK-Werte über 10 U/l sechs Monate nach Beginn der thyreostatischen Therapie machen eine Revision unwahrscheinlich [3,7]. Bei der Radioiodtherapie wird dem Patienten/der Patientin das radioaktives Iodisotop 131 I appliziert, welches von der Schilddrüse aufgenommen wird und durch seine Eigenschaft als β- und als γ-Strahler zu einer Zerstörung des Gewebes führt. Die PatientInnen werden dadurch im Zuge des Schilddrüsenuntergangs hypothyreot, sodass eine lebenslange Hormonsubstitution notwendig wird [8]. Da der euthyreoten Struma in den meisten Fällen ein Iodmangel zugrunde liegt, kann zunächst über die Iodsupplementierung eine Reduzierung des Schilddrüsenvolumens auf 10% des Volumens erreicht werden [8]. Ein kombinierter Therapieversuch mit Iodid und Levothyroxin (Verhältnis 2:1; z.B. 150 µg Iodid/75 µg LT4) kann alternativ bei größeren Strumen begonnen werden, da sich hier eine größere Volumenreduktion erreichen lässt (ca. 20 %). Das LT4 wirkt dabei suppressiv auf die TSH-Bildung und nimmt der Schilddrüse damit einen Wachstumsreiz [34,39]. Bei älteren PatientInnen sollte auf eine Kombinationstherapie verzichtet werden, um eine Hyperthyreose zu vermeiden, da diese ein Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse oder Osteoporose darstellt [8]. 4.2. Operative Therapie von Schilddrüsenerkrankungen und Komplikationen Es gibt verschiedene Indikationen, die eine Schilddrüsenoperation notwendig machen. Da in vorliegender Arbeit auf die Schilddrüsenmalignome nicht eingegangen wird, behandelt dieses Kapitel nur die Indikationen einer Operation bei nicht malignen Schilddrüsenerkrankungen. Im Falle des M. Basedow sollte zunächst versucht werden durch thyreostatische Vorbehandlung eine Struma zu reduzieren. In der Regel erfolgt im Anschluss an eine medikamentöse Behandlung eine Radioiodtherapie. Sollten diese Maßnahmen nicht zu einer Beseitigung der hyperthyreoten Stoffwechsellage führen, spricht man von einer therapierefraktären Immunhyperthyreose, welche eine Operationsindikation darstellt. Weitere Operationsindikationen bestehen bei großen Strumen mit Verdrängungserscheinungen (Trachea oder Ösophagus) sowie bei einem Malignitätsverdacht (szintigraphisch kalte Knoten) oder bei thyreotoxischer Krise. Besteht ein Malignitätsverdacht, erfolgt die Total-Thyreoidektomie, also das Entfernen des gesamten Schilddrüsenmaterials. Andernfalls erfolgt die FasttotalResektion der Schilddrüse, d.h. es wird ein kleiner Rest (meist unter 2 ml) der Drüse in situ zur Schonung des N. laryngeus recurrens erhalten [3]. Postoperativ kommt es fast in 100% zu einer substitutionspflichtigen Hypothyreose [8]. Auch bei einer Hemithyreoidektomie (nur ein Schilddrüsenlappen wird entfernt, z.B. bei einseitig szintigraphisch kalten Knoten) kommt es in ca. 11-28 % der Fälle zu einer postoperativen Hypothyreose. Folgende Risikofaktoren sind für die Entstehung einer postoperativen Hypothyreose identifiziert worden: eine positive Testung auf TPOAntikörper, hochnormale präoperative TSH-Werte sowie die histologische Sicherung einer Thyreoiditis. Alter, Geschlecht und das Resektionsgewicht haben keinen prädikativen Aussagewert für die Entstehung einer postoperativen Hypothyreose [4042]. Neben der postoperativen Hypothyreose Hypoparathyreoidismus eine weitere OP-Komplikation. ist der postoperative Diese kommt durch die Mitentfernung der Epithelkörperchen (= Nebenschilddrüse) zustande. Hierbei treten definitionsgemäß sechs Monate nach einer Schilddrüsenoperation Hypokalziämien auf. Hiervon ist eine transiente, also vorübergehende Hypokalziämie zu unterscheiden, welche direkt im Anschluss einer Thyreoidektomie auftritt. Das Vorkommen eines postoperativen Hypoparathyreoidismus wird je nach Literatur zwischen 0,5 und 6,6% nach totaler Thyreoidektomie beschrieben. Der transiente Hyperparathyreoidismus ist dagegen häufiger zu beobachten [43-46]. Eine weitere Komplikation bei Schilddrüsenoperationen ist die Recurrensparese und die damit einhergehende Stimmbandlähmung. Der N. recurrens, oder auch N. laryngeus recurrens, ist ein Nervenast aus dem 10. Hirnnerven (Nervus vagus) und versorgt sensibel die Schleimhaut unterhalb der Stimmlippe sowie motorisch fast alle Kehlkopfmuskeln. Durch die anatomische Nähe zur Schilddrüse kann er im Zuge einer Schilddrüsenoperation leicht verletzt werden. Eine einseitige Stimmbandlähmung äußert sich meist durch Heiserkeit, eine beidseitige Stimmbandlähmung kann durch den Funktionsausfall der Stimmritzenöffner auf beiden Seiten zu schwerster Atemnot führen [47]. In Abbildung 13 ist ein Schema einer linksseitigen Recurrensparese aufgezeigt. Die Stimmlippe schließt sich nicht vollständig. ! Abbildung 13: Lähmung der linken Stimmlippe Aus diesem Grund wird während Schilddrüsenoperationen ein Neuromonitoring durchgeführt. Damit bezeichnet man die gezielte Stimulation des N. laryngeus recurrens intraoperativ und die dabei beobachteten Reaktionen der Kehlkopfmuskeln (meist durch Ableitung eines EMG = Elektromyogramm). Durch dieses Verfahren konnte die Inzidenz der iatrogenen Recurrensparesen signifikant gesenkt werden [48]. Nichtsdestotrotz ist aus forensischen Gründen sowohl prä- als auch postoperativ eine Laryngoskopie angezeigt. 4.3. Alternative Behandlung und Prävention von Schilddrüsenerkrankungen Der tägliche Bedarf an Iod beträgt etwa 180-220g pro Tag. Noch vor wenigen Jahren galt z.B. Deutschland als ein Kropfendemiegebiet. Heute werden viele Lebensmittel, z.B. das Kochsalz (NaCl), mit Iodid angereichert, wodurch sich das Problem der Kropfentstehung deutlich vermindert hat. Erhebliche Mengen an natürlichem Iod befinden sich in Meeresfischen, Krebsen, Muscheln und Fleisch (hier besonders auf Grund des iodhaltigen Futters der Tiere). Es wurde allerdings festgestellt, dass eine hohe Iodzufuhr aus noch nicht bekannten Gründen eine immunogene Hyperthyreose wie beispielsweise Morbus Basedow fördern kann. Es wird vermutet, dass es durch das vermehrte Iodangebot zu einer verbesserten Antigenpräsentation kommen könnte. Eine ausreichende Versorgung mit Iod über die Nahrung ist dennoch eine einfache präventive Maßnahme gegen eine Kropfentwicklung. Abseits der Schulmedizin bestehen " noch weitere Möglichkeiten beispielsweise eine Hyperthyreose zu therapieren. Bei leichten Formen der Überfunktion kommen sogenannte Phytotherapien zum Einsatz. Das Wolfstrappkraut soll den Iodtransport und die Freisetzung von Schilddrüsenhormonen vermindern. Herzgespann soll außerdem die Symptomatik der Herzbeschwerden bei Schilddrüsenüberfunktionen abmildern. Homöopathische Substanzen, wie der Flussschwamm oder der Badeschwamm, werden ebenfalls als alternative Methode bei Überfunktionen eingesetzt, jedoch fehlt hier ganz klar die naturwissenschaftliche Evidenz [3]. Bei der Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis konnte gezeigt werden, dass eine Selensubstitution von 200 g pro Tag die Entzündungszeichen deutlich verminderte. Meist werden bei der Hashimoto-Thyreoiditis Antikörper gegen Thyreoperoxidasen (TPO) nachgewiesen. Durch Selengabe bei PatientInnen kann der Antikörpertiter sinken. Selen ist, wie bereits in vorangegangen Abschnitten erklärt, essentiell für die Funktion der Deiodase Isoenzyme, welche das Schilddrüsenhormon T4 in T3 oder rT3 umwandeln (siehe Abb. 4). Dieser Effekt konnte jedoch nur bei einer Gabe von 200g Natriumselenit festgestellt werden. Geringere Dosierungen zeigten keinen Effekt. Momentan ist noch unklar, ob eine präventive Gabe von Selen eine Hypothyreose verhindern kann. Auch bei Morbus Basedow sehen einige Forscher ein Nutzen von Selensubstitution. Bisher ist hier aber noch nicht geklärt, welchen Nutzen die PatientInnen tatsächlich von einer Substitution haben [49]. 4.4. Schlussbemerkungen und Ausblick Die Tatsache, dass alle Säugetiere und sogar Reptilien, Amphibien und Vögel über eine Schilddrüse verfügen macht deutlich, welch große Bedeutung die Schilddrüsenhormone für die Funktionstüchtigkeit des Organismus besitzen. Trotz dieser überragenden Rolle der Schilddrüsenhormone bei der Steuerung metabolischer und physiologischer Prozesse, wurden Schilddrüsenerkrankungen lange Zeit unzureichend erkannt. Dies war hauptsächlich dem Umstand geschuldet, dass die Diagnostik der SD-Erkrankungen recht komplex ist. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde durch den technischen Fortschritt in der Medizin (Hormondiagnostik, Szintigraphie, Ultraschall) eine umfassende Diagnostik der SD möglich. Dies hat zur Folge, dass viele SD-Erkrankungen früher und besser behandelt werden können. In den entwickelten Industriestaaten sind Kinder mit Kretinismus ebenso eine absolute Seltenheit wie ausgeprägte SD Strumen mit Verlegung der Atemwege durch Iodmangel. Autoimmunerkrankungen der SD wie die Hashimoto-Thyreoiditis oder # der Morbus Basedow können heutzutage deutlich früher diagnostiziert und damit effektiver therapiert werden. Vollausprägungen der Über- oder Unterfunktion, wie thyreotoxische Krisen oder das Myxödemkoma, kommen deutlich seltener vor. Andererseits bergen die ausgefeilten diagnostischen Möglichkeiten die Gefahr einer „Überdiagnostik“ und in der Folge auch eine „Übertherapie“ von SD-Erkrankungen. Ein Beleg dafür könnte die stetige Zunahme von Schilddrüsenoperationen, Hormonsubstitutionen und die Anwendung von Szintigraphien in den letzten Jahren sein. In Zukunft wird es deshalb verstärkt darauf ankommen, die Diagnostik von SDErkrankungen therapiezielorientiert anzuwenden. Weitere Studien werden notwendig sein, um die medikamentösen Behandlungsindikationen einer Unterfunktion schärfer herauszuarbeiten. $ 5. Literaturverzeichnis [1] Ärztezeitung (www.aerztezeitung.de) am 23.04.2007 [2] Duale Reihe Biochemie, Rassow, J., Hauser, K., Netzker, R., Deutzmann, R., Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 4. Auflage, 2016. [3] Die Schilddrüse in Klinik und Praxis, Spelsberg, F., Negele, T. Ritter, M.M., Karl F. 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Das Bild wurde Referenz [7] entnommen (Seite 80). Abb. 6: Sonographie einer normalen Schilddrüse. Das Bild wurde Referenz [7] entnommen (Seite 81). Abb. 7: Diffuse Echoarmut bei Morbus Basedow (linkes Bild) sowie die diffuse Hypervaskularisation bei Morbus Basedow (rechtes Bild). Das Bild wurde Referenz [7] entnommen (Seite 83). Abb. 8: Echoarmer Knoten in einer Schilddrüse. Das Bild wurde Referenz [6] entnommen (Seite 83). Abb. 9: Schilddrüsenektopien. Das Bild wurde Referenz [4] entnommen (Seite 215). Abb. 10: Anreicherung von 99mTechnetium in einer gesunden Schilddrüse. Das Bild wurde Referenz [4] entnommen (Seite 215). Abb. 11: Kalter (linkes Bild) bzw. warmer (rechtes Bild) Knoten im rechten Schilddrüsenlappen. Das Bild wurde Referenz [4] entnommen (Seite 215). Abb. 12: Exophthalamus einer Morbus Basedow Patientin; http://elearning.studmed.unibe.ch/augenheilkunde/systematik/orbita/endo_orbitopathie.html Abb. 13: Lähmung der linken Stimmlippe; http://stimmklinik.de/pages_de/index.php?p=recurrensparese Tabelle 1: Serologie TSH und Schilddrüsenhormone. Daten wurden Referenz [6] entnommen. ! 7. Abkürzungsverzeichnis A. Arteria CA Carzinom Ca2+ Calcium cAMP zyklisches Adenosinmonophosphat DAG Diacylglycerin DIT Diiodthyronin EMG Elektromyogramm GLUT Glukosetransporter HF Herzfrequenz HZV Herzzeitvolumen IP3 Inositoltrisphosphat Lat. Lateinisch LT4 Levothyroxin M. Morbus MIT Monoiodthyronin N. Nervus NADPH/H+ Nicotinamidadenindinukleotidphosphat (reduzierte Form) Ncl. Nukleus NIS Na+/I- Symporter-System OP Operation SD Schilddrüse SV Schlagvolumen (f)T3 (freies) Triiodthyronin (f)T4 (freies) Tetraiodthyronin TG Thyreoglobin TPO Thyreoidale Peroxidase !! TRAK TSH-Rezeptorantikörper TRH Thyreotropin Releasing Hormon, Thyreoliberin TSH Thyreoidea-Stimulating-Hormon, Thyreotropin !" 8. Danksagung Ich möchte mich sehr herzlich bei Frau Professor Holzer für die Möglichkeit bedanken über dieses interessante Thema meine Bachelorarbeit zu verfassen sowie für deren Beurteilung. Meinen beiden Kindern, Pauline Macheroux und Till Macheroux, danke ich für die vielen nützlichen Hinweise zur Aufarbeitung der Literatur und der kritischen Durchsicht des Manuskripts. Meiner Familie danke ich für das in mich gesetzte Vertrauen, ihren Zuspruch und ihre Liebe. !#