Bachelorarbeit

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Bachelorarbeit
Medizinische Universität Graz
Gesundheits- und Pflegewissenschaften
Barbara Holl-Macheroux
Schilddrüsenerkrankungen und ihre Therapien
Begutachterin
Ao. Univ.-Prof. Dr. med. univ. Ulrike Holzer
Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie
Titel der Lehrveranstaltung
Pharmakologie
Vorlage
November 2016
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne
fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet und
die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche
kenntlich gemacht habe.
Graz, am 15.11.2016
Barbara Holl-Macheroux eh
Zusammenfassung
Die Schilddrüse ist ein zentrales Organ des endokrinen Systems des Menschen. Sie
nimmt über das Blut Iod auf und baut es in die beiden Hormone 3,3’,5,5’Tetraiodthyronin (Thyroxin, T4) und 3,3’,5-Triiodthyronin (T3) ein. Durch die
Biosynthese dieser Hormone ergibt sich ein Bedarf von 180-220g Iod pro Tag. Im
Gegensatz zur Synthese der Katecholamine, die direkt aus der Aminosäure Tyrosin
hergestellt werden, findet die Biosynthese der Schilddrüsenhormone an einem
Tyrosinrest des Proteins Thyreoglobulin statt. Die beiden Schilddrüsenhormone
spielen eine weitreichende Rolle im gesamten Stoffwechsel und beeinflussen anabole
und katabole Prozesse im gesamten Körper. Zahlreiche angeborene und erworbene
Erkrankungen der Schilddrüse sind in der Literatur beschrieben. Angeborene
Erkrankungen der Schilddrüse stellen mit ca. 0.03% der Neugeborenen die häufigste
angeborene Erkrankung des endokrinen Systems dar. Generell unterscheidet man bei
Schilddrüsenerkrankungen eine Über- bzw. Unterfunktion, je nachdem, ob die
Produktion der Schilddrüsenhormone bzw. deren Serumkonzentration ober- oder
unterhalb
des
Normbereichs
liegt.
Zur
genaueren
Diagnose
von
Schilddrüsenerkrankungen kommen im wesentlichen bildgebende Verfahren, wie die
Sonographie und Szintigraphie, zum Einsatz. Zur weiteren Unterscheidung einer
Über- bzw. Unterfunktionen (Hyper- bzw. Hypothyreose) der Schilddrüse wird
zusätzlich die Bestimmung der Schilddrüsenhormone sowie des ThyreoideaStimulating-Hormons (TSH, Thyreotropin) im Serum notwendig. Die häufigsten
Hyperthyreosen sind die immunogene Hyperthyreose, auch Morbus Basedow
genannt, sowie Hyperthyreosen, die im Zuge autonomer Schilddrüsenknoten
auftreten. Der Morbus Hashimoto, auch als Autoimmunthyreoiditis bezeichnet, ist die
häufigste Hypothyreose. Die euthyreote Struma ist eine krankhafte Vergrößerung der
Schilddrüse, die mit einer normalen (euthyreoten) Hormonproduktion einhergeht und
besonders in Iodmangelgebieten auftritt. Die Behandlung von Hyperthyreosen erfolgt
durch Einnahme von Thyreostatika, die entweder die Aufnahme von Iod in die
Schilddrüse verhindern oder den Einbau in das Thyreoglobulin. Da bei einer
Hypothyreose ein Mangel an Schilddrüsenhormonen vorliegt, erfolgt ihre Therapie
durch die orale Zufuhr von Schilddrüsenhormonen. Hierfür wird in der Regel LThyroxin (T4) verabreicht, welches eine hohe orale Bioverfügbarkeit aufweist und im
Organismus zum biologisch aktiveren T3 konvertiert wird. Summary
The thyroid gland is a central organ of the human endocrine system. Iodine is taken
up by the gland and used for the biosynthesis of the two hormones 3,3’,5,5’tetraiodothyronine (thyroxine, T4) and 3,3’,5-triiodothyronine (T3). Owing to this
biosynthesis, the gland requires between 180 and 220g iodine per day. In contrast to
catecholamines, which are generated directly from the amino acid tyrosine, the
biosynthesis of thyroid hormones takes place at tyrosine residues of the protein
thyreoglobulin. The thyroid hormones play a crucial role in the general metabolism
and influence anabolic as well as catabolic processes in the entire human body.
Numerous inherited as well as acquired diseases of the thyroid gland have been
described in the literature. Inborn diseases of the thyroid gland affect approximately 1
in 4,000 newborn infants and thus account for the largest group of inherited diseases
of the endocrine system. In general, diseases of the thyroid are classified according to
the level of hormone production. The excessive hormone production leads to
hyperthyroidism,
whereas
diminished
activity
of
the
thyroid
results
in
hypothyroidism. In order to diagnose diseases of the thyroid modern image-based
methods are employed, most notably ultrasonography and scintillography, which uses
either iodine or technetium radioisotopes. In addition, determination of the thyroid
hormones as well as of the thyroid-stimulating hormone in the serum are necessary
for an exact differentiation of thyroid diseases. The most common hyperthyroidism is
Graves’ disease, an autoimmune disease. On the other hand, Hashimoto’s thyroiditis
constitutes the most common form of hypothyroidism. In the case of goiter, the
thyroid is pathologically enlarged, although the production of the thyroid hormones is
normal (“euthyroid”). This is typically the result of iodine deficiency and occurs
mainly in areas of low iodine availability. The treatment of hyperthyroidism is based
on anti-thyroid medication that either reduces the uptake of iodine by the thyroid or
suppresses the incorporation into the hormone precursor thyreoglobulin. In the case of
hypothyroidism, the lack of thyroid hormone production by the thyroid is
compensated by oral supplementation of L-thyroxine (T4), which possesses high
bioavailability in the organism and is converted into the biologically more active
hormone T3.
!
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung...................................................................................................................6
1.1. Makroskopische und mikroskopische Anatomie der Schilddrüse......................... 7
1.2. Synthese der Schilddrüsenhormone....................................................................... 9
1.3. Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-System............................................. 12
1.4. Regulation der Schilddrüse.................................................................................. 13
1.5. Wirkung und physiologische Funktionen der Schilddrüsenhormone.................. 14
2. Diagnostik der Schilddrüsenerkrankungen............................................................. 15
3. Schilddrüsenerkrankungen...................................................................................... 24
3.1. Erkrankungsformen und Ätiologie.......................................................................24
3.2. Hypothyreosen..................................................................................................... 25
3.3. Hyperthyreosen.................................................................................................... 26
3.4. Euthyreote Struma……………………………………………………………... 29
4. Therapieansätze bei Schilddrüsenerkrankungen..................................................... 31
4.1. Medikamentöse Behandlungen............................................................................ 31
4.2. Operative Therapie der Schilddrüsenerkrankungen und Komplikationen...........33
4.3. Alternative Behandlung und Prävention von Schilddrüsenerkrankungen........... 35
4.4. Schlussbemerkungen und Ausblick..................................................................... 36
5. Literaturverzeichnis................................................................................................ 38
6. Abbildungsverzeichnis und Bildnachweise............................................................ 43
7. Abkürzungsverzeichnis........................................................................................... 44
8. Danksagung.............................................................................................................46
"
1. Einleitung
In Deutschland hat jeder Dritte zwischen 18 und 65 Jahren eine sogenannte Struma
oder Knoten in der Schilddrüse. Dabei sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Nur
etwa 1% der Schilddrüsenerkrankungen werden durch Autoimmunkrankheiten, wie
Morbus Basedow und Hashimoto-Thyreoiditis, verursacht [1]. Jedes Jahr werden in
Deutschland etwa 150.000 Menschen wegen Knoten in der Schilddrüse behandelt. Ist
eine medikamentöse Behandlung nicht ausreichend, erfolgt meist eine komplette
Schilddrüsenentfernung. In der Folge müssen die PatientInnen ein Leben lang
Schilddrüsenhormone substituieren. Außerdem birgt eine Schilddrüsenoperation
erhebliche Risiken. Es können beispielsweise die Nebenschilddrüsen, die an der
Rückseite der Schilddrüsenlappen liegen und den Calciumspiegel im Blut regulieren,
verletzt oder Gefäß- und Nervenstraßen beschädigt werden.
Unterfunktionen der Schilddrüse können sowohl genetisch bedingt
(angeboren) oder erworben sein. Wird eine Hypothyreose nicht erkannt, kommt es
zum Bild des Kretinismus, d.h. Minderwuchs und geistige Retardierung. Auch
Iodmangel oder Autoantikörper können zu einer Hypothyreose führen. Oftmals
gelangt dabei die Hypothalamus-Hypophysen-Achse aus dem Gleichgewicht. Das
Hormon TSH steigt durch fehlende Rückkoppelungsmechanismen an und führt
darauffolgend zu einer Stimulation der Proliferation der Schilddrüse bis hin zur
Strumabildung.
Auch Überfunktionen der Schilddrüse bringen den Hormonspiegel aus dem
Gleichgewicht. Bei der Erkrankung Morbus Basedow können beispielsweise
Autoantikörper gegen den TSH-Rezeptor auf den Schilddrüsenepithelzellen
nachgewiesen werden. Daher kommt es zu einer andauernden Stimulierung der
Schilddrüse und zu einer gesteigerten Hormonproduktion [2]. Trotz Zugabe von Iod
zu Speisesalz und anderen Grundnahrungsmitteln ist der Iodmangel in Deutschland
die häufigste Ursache für eine Struma.
Vielfältigste
Therapiemaßnamen
werden
heute
bei
Schilddrüsenerkrankungen eingesetzt. Bei Hypothyreosen beispielsweise wird das
fehlende Hormon Thyroxin durch die Gabe von L-Thyroxin ersetzt. Immer häufiger
kommt
es
auch
zur
Autoimmunerkrankung
Anwendung
von
alternativen
Hashimoto-Thyreoiditis
wird
Therapien.
Bei
zusätzlich
der
zum
Schilddrüsenhormon oft auch Selen supplementiert. Bei sämtlichen Überfunktionen
#
der Schilddrüse werden Thyreostatika wie beispielsweise Carbimazol verwendet.
Carbimazol hemmt die Übertragung von Iod in das Thyreoglobulin, von dem die
Produktion des Schilddrüsenhormons ausgeht. In den nachfolgenden Kapiteln wird die Anatomie, Funktion und Wirkung
der Schilddrüse beschrieben sowie die Diagnostik und Therapie von einzelnen
Schilddrüsenerkrankungen besprochen. Hierbei wird insbesondere auf die hyper-,
hypo- und euthyreote Schilddrüsenerkrankung eingegangen. Außerdem soll ein
Einblick in die Komplexität und Vielfalt des kleinen endokrinen Organs Schilddrüse
gegeben werden [2].
1.1. Makroskopische und mikroskopische Anatomie der Schilddrüse
Die Schilddrüse (lat. Glandula thyroidea) liegt beim Menschen auf Höhe des
1. Thorakalwirbels vor der Luftröhre (lat. Trachea) und etwa zwei Finger breit unter
dem Kehlkopf (lat. Larynx). Sie besteht aus einem rechten und einem linken Lappen,
die über den Isthmus glandulae thyroideae verbunden sind. Die Länge eines Lappens
beträgt in etwa 3-7 cm, die Breite und Dicke etwa 2-3 cm [3]. Nach kranial ist bei
etwa 30% der Menschen ein Lobus pyramidalis zu erkennen, der ein Relikt aus der
embryonalen Abwanderung vom Zungengrund darstellt. Die Schilddrüse ist von einer
Capsula interna, in der die versorgenden Blutgefäße liegen, und einer ihr
aufgelagerten Capsula externa umgeben. In Abbildung 1 ist die Lage der Schilddrüse
gezeigt [4].
Innerhalb der Capsula externa liegen außerdem die Nebenschilddrüsen. Die
Blutversorgung der Schilddrüse erfolgt einerseits über die A. thyroidea superior aus
der A. carotis externa von kranial und andererseits über die A. thyroidea inferior aus
dem Truncus thyrocervicalis von kaudal. Bei Schilddrüsenoperationen muss die
arterielle Versorgung zunächst unterbunden werden, um größere Blutungen zu
vermeiden. $
Abbildung 1: Lage der Schilddrüse [4].
Aufgrund der engen topographischen Lage zu Gefäß- und Nervenstraßen,
kann es bei chirurgischen Eingriffen zu Komplikationen kommen. Der N. laryngeus
recurrens, ein Ast aus dem N. vagus, versorgt beispielsweise Muskeln des inneren
Kehlkopfes und kann bei Schädigung zu Heiserkeit oder sogar Atemnot führen. Bei
einer Strumabildung kann die Schilddrüse außerdem die Luftröhre abdrücken und
somit die Atmung behindern (siehe auch Kapitel 4.2.: Operative Behandlung und
Komplikationen).
Die Schilddrüse steht im Dienste der Hormonproduktion. Sie nimmt über das
Blut Iodid auf und baut es in die Hormone Thyroxin (T4) und Triiodthyronin (T3) ein.
Die Morphologie der Epithelzellen variiert je nach aktueller Funktion. Die Zellen
liegen in der Speicherform im histologischen Präparat abgeplattet vor und in der
Ausschwemmungsform isoprismatisch (Abb. 2, linkes Bild). Die Hormone T3 und T4
werden an Proteine gebunden extrazellulär in sogenannten Kolloiden gespeichert und
bei Bedarf sezerniert [5].
%
Abbildung 2: Histologisches Bild der Schilddrüse (linkes Bild) und Anti-CalcitoninAntiserum Schilddrüse (rechtes Bild).
Zwischen den Schilddrüsenepithelzellen liegen außerdem C-Zellen, die Calcitonin
herstellen. Diese lassen sich im histologischen Präparat, wie in Abbildung 2 (rechtes
Bild) gezeigt, durch eine immunhistochemische Anti-Calcitonin-Antiserum Färbung
darstellen.
1.2. Synthese der Schilddrüsenhormone
Die Schilddrüsenhormone 3,3’,5,5’-Tetraiodthyronin (Thyroxin, T4) und 3,3’,5Triiodthyronin (T3) werden an den Epithelzellen der Schilddrüsenfollikel hergestellt.
Anders als bei der Synthese von Katecholaminen, die direkt aus der Aminosäure
Tyrosin hergestellt werden, findet die Biosynthese der Schilddrüsenhormone an einem
Tyrosinrest des Proteins Thyreoglobulin statt. Dieses wird von den Epithelzellen der
Schilddrüse an die Außenseite der Plasmamembran transportiert wo die Synthese der
Hormone erfolgt [2]. Zunächst wird Iod über ein spezifisches Na+/I--SymporterSystem (NIS) aus der Blutbahn in die Epithelzellen aufgenommen. Das NIS ist sehr
spezifisch für die Ionen Natrium und Iod, jedoch auch sättigbar und kompetitiv
hemmbar. Somit können andere ionische Verbindungen wie Perchlorat und
Thiocyanat den Transport von Iod über die Membran hemmen. Bei Mangel an Iod
wird, wie im nächsten Kapitel beschrieben, die Zahl der NIS auf der basalen
Membran (also der Blutseite zugewandten Seite) erhöht.
Über den apikalen Transporter Pendrin wird Iod im Austausch mit Chlorid
&
ins Follikellumen transportiert. Dieser Anionenaustauscher kommt außerdem in den
Nieren und im Innenohr vor. Beim sogenannten Pendred-Syndrom, bei dem die
Expression des Pendrin gestört ist, kommt es folglich neben einer Schilddrüsenstruma
auch zu einer Schwerhörigkeit und Nierenschäden.
Für den weiteren Einbau in das Protein Thyreoglobin wird das Iodanion Izunächst durch die Thyreoperoxidase (TPO) zu I20 oxidiert. Für diese Reaktion
benötigt das membranständige Enzym TPO Wasserstoffperoxid (H2O2), welches
'
[6]. Da H2O2 ein Zellgift ist, erscheint es sinnvoll, dass die Synthese extrazellulär
stattfindet.
Anschließend wird der Tyrosylrest iodiert. Dabei entstehen zum einen
monoiodinierte (MIT) als auch diiodinierte Tyrosylreste (DIT). In der Folge
kondensieren zwei DIT-Reste zum T4 sowie (in geringerem Ausmaß) ein DIT-Rest
und ein MIT-Rest zum T3. Beide Reaktionen werden ebenfalls von der
Thyreoperoxidase katalysiert. Bei Bedarf an Schilddrüsenhormonen im Organismus
wird das Thyreoglobin in die Zelle aufgenommen und dort in den Lysosomen in seine
Aminosäuren aufgespalten. Dabei entsteht T3 und T4 wie auch die Zwischenprodukte
der Schilddrüsenhormonproduktion DIT und MIT. T3 und T4 werden ins Blut
abgegeben. Es ist bis heute noch nicht vollständig geklärt, wie die Hormone durch die
Zellen transportiert werden. MIT und DIT werden durch Deiodasen bzw.
Dehalogenasen deiodiert, das für die Hormonproduktion wertvolle Iod wird somit
rezykliert [2].
In Abbildung 3 wird die Komplexität der Synthese und Regulation der
Hormonbiosynthese verdeutlicht [6]. Nach TSH-Bindung an seinen Rezeptor auf der
basalen Seite der Schilddrüsenepithelien kommt es zu einer Signalkaskade, die eine
vermehrte Synthese von Schilddrüsenhormonen induziert. NIS und Pendrin sind die
zentralen Transporter für Iod in den Epithelzellen.
Abbildung 3: Physiologie der Schilddrüse [6].
Das Hauptprodukt der Hormonbiosynthese in der Schilddrüse ist das T4. T3 wird
vermehrt extrathyreodal synthetisiert. Die Hormone werden im Verhältnis 1:10 ins
Blut abgegeben. Im Blut ist T4 nicht löslich und wird daher an thyroxinbindendem
Globulin, Transthyretin und Albumin in gebundener Form transportiert. Das aktive T3
entsteht hauptsächlich extrathyroidal durch Deiodierung von T4. T4 bindet stärker an
Plasmaproteine und hat etwa eine Halbwertszeit von einer Woche im Blut. Dagegen
hat T3 eine kürzere Halbwertszeit von nur einem Tag.
Bei schweren Erkrankungen und Unterernährung kann es zu einer
Verminderung der Hormonsynthese kommen. Die Drosselung der Hormonproduktion
dient höchstwahrscheinlich der Energieersparnis. Meist normalisiert sich der
Hormonhaushalt nach überstandener Krankheit.
1.3. Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-System
Die Synthese und Ausschüttung der Schilddrüsenhormone wird unter anderem über
das Hypothalamus-Hypophysen-System reguliert. TRH (Thyreotropin-ReleasingHormon,
Thyreoliberin)
wird
von
neurosekretorischen
Zellen
des
Ncl.
paraventricularis des Hypothalamus bei Bedarf an Schilddrüsenhormonen ins Blut
freigesetzt. TRH ist ein Tripeptid (Glu-His-Pro-NH3), welches sowohl am
Aminoterminus als auch am Carboxyterminus durch Aminogruppen vor dem Abbau
durch Peptidasen geschützt wird. Dies sichert eine ausreichende Halbwertszeit im
Blut bis zum Zielorgan. TRH bindet an einen G-Protein gekoppelten Rezeptor des
Hypophysenvorderlappens (Adenohypophyse). Über die Bindung an den Rezeptor
kommt es zur Ausschüttung von Calcium aus intrazellulären Vesikeln und in der
Folge zur Sekretion von TSH (Thyreoidea-Stimulating-Hormon, Thyreotropin).
Hierbei fördert TRH nicht nur die Herstellung und Sekretion von TSH, sondern auch
von Prolactin. TRH soll außerdem an der Regeneration von Nervengewebe beteiligt
sein, die Funktion der Retina regulieren und einen Einfluss auf die Regulation der
Körpertemperatur haben.
TSH ist ein Glykoproteinhormon, welches aus einer α- und einer βUntereinheit besteht. Beide Ketten werden getrennt voneinander synthetisiert und erst
vor der Sekretion miteinander verknüpft. An der α-Kette sind außerdem
Kohlenhydratseitenketten assoziiert. TSH wird in einem Rhythmus von etwa 2
Stunden sezerniert und erreicht sein Maximum in den frühen Morgenstunden
zwischen 0 und 4 Uhr. Die β1-Untereinheit des TSH bindet an den Epithelzellen der
Schilddrüse ebenfalls an einen G-Protein-gekoppelten Rezeptor. In der Folge steigt
über die Aktivierung der Adenylatzyklase der cAMP-Spiegel. Weitere Second
Messenger wie IP3 und DAG werden ebenfalls freigesetzt. In der Zelle wird die
Transkription verschiedenster für die Hormonproduktion notwendiger Enzyme und
Transporter gesteigert. Außerdem wird das Wachstum der Epithelzellen gefördert und
die Blutversorgung wird erhöht. Über eine negative Rückkopplung wird die
Ausschüttung von TSH von den Schilddrüsenhormonen gehemmt. Hierbei wird die
T4-Konzentration im Blut über thyreotrope Zellen der Adenohypophyse detektiert.
Somit hemmt T4 die weitere Ausschüttung von TSH. T3 dagegen hemmt weniger die
TSH-Sekretion, sondern blockiert in den Thyreotropinzellen die Syntheserate von
TSH [2,6].
1.4. Regulation der Schilddrüse
Weitere Regulationsmechanismen stellen die Deiodierung von T4 zum inaktiven rT3
(reverses T3) dar. T4 wird durch Deiodase-Isoenzyme entweder in das aktivere T3
oder in das inaktive rT3 umgesetzt. Der Unterschied zwischen T3 und rT3 ist die
Position des Iodatoms, wie in Abbildung 4 ersichtlich. Die Deiodase D3 spaltet das
Iodatom im inneren Ring des Tyrosins ab. Die Deiodasen 1 und 2 überführen das T4
in das weitaus aktivere T3 (100-fache Aktivität von T4). Alle Deiodasen sind Selenabhängige Enzyme, die in ihrem aktiven Zentrum ein Selenocystein tragen.
I
I
H2N
CH
HO
O
I
COOH
CH2
I
Thyroxin (T4) - schwach aktiv
Deiodase 1, 2 (Aktivierung)
Deiodase 3 (Inaktivierung)
I
I
H2N
I
CH COOH
CH COOH
HO
O
CH2
HO
O
CH2
I
I
I
H2N
reverses T3
Triiodthyronin (T3) stark aktiv
Biotransformationen und Abbau
(Glucuronierung, Sulfatierung)
Abbildung 4: Umbau von Thyroxin zu rT3 und/oder T3
Dabei ist die Iodkonzentration im Blut entscheidend für die Hormonaktivität. Bei
geringer Iodkonzentration wird die Aufnahme von Iod im Magen-Darm-Trakt und in
die Schilddrüse gesteigert. Auch die Schilddrüsen-Hormonproduktion steigt an.
Dieser Effekt ist unabhängig von TSH und dient zur Autoregulation der
Hormonhomoöstase. Dieser Effekt erklärt die Kropf- oder Strumabildung bei
Iodmangel (siehe auch Kapitel 3.2.: Hypothyreosen).
Gibt es ein Überangebot an Iod, kommt es zu einer regulatorischen
Hemmung der Produktion und Freisetzung von T3 und T4. Die vielfältigen
Regulationswege der Hormonproduktion und -sekretion stellen in letzter Konsequenz
auch Risikofaktoren dar. Bei den meisten Schilddrüsenerkrankungen ist das
Gleichgewicht des Schilddrüsen-Hormonspiegels gestört (siehe auch Kapitel 3.:
Schilddrüsenerkrankungen) [2,6].
1.5. Wirkung und physiologische Funktionen der Schilddrüsenhormone
Die meisten Zellen des Menschen besitzen Rezeptoren für Schilddrüsenhormone. T4
wird von den Zellen über Transporter in die Zelle aufgenommen und durch die
Deiodase 2 in das aktive T3 überführt. Schilddrüsenhormone haben sowohl
genomische als auch nichtgenomische Wirkung auf den Organismus. Einige Proteine
werden nur in Anwesenheit von Schilddrüsenhormonen synthetisiert. Dabei bindet T3
an den Thyroxinrezeptor, der mit dem Retinsäurerezeptor einen heterodimeren
Komplex bildet. Dieser heterodimere Komplex fungiert nun als Transkriptionsfaktor,
und in der Folge werden eine Vielzahl von Genen transkribiert. Bis heute ist der
molekulare Mechanismus der metabolischen Wirkung von Schilddrüsenhormonen
noch nicht vollständig geklärt. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass die
Transkriptionsrate
aller
untersuchten
Enzyme
durch
Schilddrüsenhormone
beeinflussbar war.
Eine der wichtigsten Aufgaben der Schilddrüsenhormone ist die Beteiligung
an Wachstumsprozessen. Sie steigern die Synthese und Sekretion anderer
Wachstumshormone und regulieren auch direkt einige Wachstumsprozesse wie das
Knochenwachstum über die Aktivierung von Chondrozyten, Osteoblasten und
Osteoklasten. Auch für die Entwicklung des Gehirns in der Embryonalzeit sind
Schilddrüsenhormone unerlässlich. Sie fördern die Polymerisation von Aktin, das
Axonwachstum und die Verzweigung von Dendriten. Kurzfristig steigern die
Schilddrüsenhormone die Wirkung von Katecholaminen. Es kommt zu einem
erhöhten Herzzeitvolumen (HZV = HFSV). Sowohl die Herzfrequenz (HF) als auch
!
das Schlagvolumen (SV) können gesteigert werden. Es werden vermehrt β-adrenerge
Rezeptoren exprimiert, während die Expression von α-Rezeptoren am Herzen
gehemmt wird. Dies führt zu einer erhöhten Kontraktionskraft und daher zu einem
erhöhten
SV.
Außerdem
wird
Ca2+-ATPase
die
in
der
Membran
des
sarkoplasmatischen Retikulums in Muskelzellen vermehrt eingebaut. Dadurch kommt
es zu einer schnelleren Aufnahme von Ca2+ aus dem Intrazellulärraum in das
sarkoplasmatische Retikulum und somit zu einer schnelleren Relaxation, wodurch in
der Folge mehr Kontraktionsprozesse pro Zeiteinheit stattfinden können, d.h. die HF
wird gesteigert. Auch für den Stoffwechsel spielen die Schilddrüsenhormone eine
große Rolle. Sie regulieren Anabolismus, Katabolismus und Wärmeproduktion im
menschlichen Körper. Schilddrüsenhormone induzieren beispielsweise die Expression
von Enzymen der Lipogenese, wie der Acetyl-CoA-Carboxylase oder der
Fettsäuresynthase. Außerdem werden auch Glukoneogenese, Glykogensynthese und
Aufnahme von Glukose im Darm über den Einbau von GLUT 4-Transportern
gesteigert. Interessant ist auch, dass Schilddrüsenhormone gleichzeitig die Lipolyse,
Glykogenolyse und Glukoseverwertung steigern. Dies geschieht zum einen ebenfalls
über die vermehrte Expression notwendiger Enzyme, zum anderen aber auch über den
vermehrten Einbau von β-adrenergen Rezeptoren und somit durch Steigerung der
Adrenalin- und Noradrenalinwirkung. Schilddrüsenhormone stimulieren außerdem
den
Proteinaufbau
durch
vermehrte
Herstellung
von
Ribosomen
und
Translationsfaktoren. Gleichzeitig kommt es aber auch zu einer Aktivitätssteigerung
der
abbauenden
Enzyme.
Es
erscheint
zunächst
widersprüchlich,
dass
Schilddrüsenhormone Anabolismus und Katabolismus in Gang setzen. Allerdings
macht es durchaus Sinn, da für den Katabolismus verwendete Enzyme zunächst
aufgebaut werden müssen und dafür anabole Reaktionen notwendig sind, wie z. B. die
Biosynthese von Aminosäuren. Daraus folgt auch, dass der Grundumsatz in Ruhe
durch die Ausschüttung von Schilddrüsenhormonen gesteigert wird [2,6].
2. Diagnostik der Schilddrüsenerkrankungen
Der erste diagnostische Schritt beinhaltet die ausführliche Anamnese sowie die
körperliche Untersuchung. Da die Schilddrüsenhormone ihre Wirkung an diversen
Organsystemen entfalten, ist die Bandbreite an Symptomen sehr vielfältig. Eine
Hypothyreose kann sich durch einen körperlichen und geistigen Leistungsabfall
"
bemerkbar machen. Weitere Symptome sind eine Antriebsarmut, chronische
Müdigkeit und Verlangsamung. Oftmals wird von den PatientInnen über eine
gesteigerte Kälteempfindlichkeit berichtet. Weitere Symptome sind eine trockene,
kalte Haut, eine raue Stimme, Obstipation und Gewichtszunahme. Die klinische
Manifestation einer Hyperthyreose präsentiert sich dagegen oft mit einer gesteigerten
Stuhlfrequenz, einem Gewichtsverlust, Wärmeintoleranz und einer Sinustachykardie.
Die genannten Symptome sind zunächst wegweisend für die weitere Diagnostik und
können klinisch entscheidend sein, um die Schwere der Über- oder Unterfunktion
einzuschätzen. Die körperliche Untersuchung liefert im nächsten Schritt Hinweise zur
Größe und Beschaffenheit der Schilddrüse. Hierbei kann z.B. eine bei Palpation
schmerzhafte Schilddrüse Hinweise für eine Entzündung liefern. Sind Knoten oder
Verhärtungen der Schilddrüse tastbar, bedarf es einer weiteren bildgebenden
Diagnostik mittels Schilddrüsensonographie. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass
zur
Differenzierung
einer
Hypo-
und
Hyperthyreose
die
Palpation
und
Größenbestimmung der Schilddrüse keinen sicheren Aufschluss über die Funktion des
Organs liefert. Zur Diagnosesicherung einer Hypo-/Hyperthyreose ist eine
Hormondiagnostik im Serum zwingend erforderlich. Zur weiteren Unterscheidung in
Schilddrüsenüber-
und
-unterfunktionen
ist
die
Bestimmung
der
Schilddrüsenhormone sowie des TSH notwendig. Da wie oben bereits erwähnt ein
negativer Feedbackmechanismus zwischen dem TSH und den Schilddrüsenhormonen
besteht,
ist
der
TSH-Wert
ein
guter
Parameter
zur
Einschätzung
einer
Schilddrüsenfunktionsstörung. Ist der TSH- Wert über der Norm erhöht (Norm: 0,42,5 mU/l) ist dadurch eine Hypothyreose indiziert, umgekehrt weist eine Erniedrigung
des TSH auf eine Hyperthyreose hin. Von einer manifesten Hypo- oder
Hyperthyreose spricht man, wenn es neben der TSH-Veränderung auch zu einer
Erniedrigung oder Erhöhung der Schilddrüsenhormone kommt. Die Grenzwerte
liegen für das fT3 (freies T3) bei 2,2-5,5 pg/ml und für das fT4 bei 0,6-1,8 ng/ml im
Serum. Ist nur das TSH außerhalb der physiologischen Bandbreite bei normwertigen
peripheren Schilddrüsenhormonen, so spricht man von einer latenten Hypo- oder
Hyperthyreose.
#
Serologie
Latente
Manifeste
Latente
Manifeste
Überblick
Hyperthyreose
Hyperthyreose
Hypothyreose
Hypothyreose
TSH
fT3
Normal
Normal
fT4
Normal
Normal
Tabelle 1: Serologie TSH und Schilddrüsenhormone
Zu beachten ist hierbei, dass die in Tabelle 1 dargestellten Laborkonstellationen nur
bei
primären
Schilddrüsenfunktionsstörungen
auftreten.
Bei
sekundären
Schilddrüsenfehlfunktionen, d.h. bei Störungen der übergeordneten Hormonachse
TRH/TSH (hypophysären Hyper- und Hypothyreosen) ist mit einer Erhöhung bzw.
Erniedrigung
des
TSH
zu
rechnen.
Auch
Autoantikörper
können
bei
Schilddrüsenerkrankungen eine Rolle spielen. Ein Autoantikörper bezeichnet einen
Antikörper, welcher gegen körpereigene Antigene gerichtet ist. Als Antigen kann ein
Protein
dienen,
aber
auch
Peptide
oder
Zuckerketten
u.v.a.m.
Folgende
Autoantikörper spielen bei der Schilddrüsendiagnostik eine Rolle:
• Thyreoglobulin-Antikörper (Tg-Antikörper oder Anti-Tg) wird vermehrt bei
Morbus Hashimoto (70% d.F.), aber auch bei M. Basedow und seltener auch bei
Gesunden gemessen.
• Antikörper gegen die thyreoidale Peroxidase (Anti-TPO-Antikörper) werden zu
ca. 90 % beim M. Hashimoto im Serum gefunden.
• TSH-Rezeptorantikörper (=TRAK) findet sich beim M. Basedow
Zu beachten ist, dass eine positive Antikörperdiagnostik alleine betrachtet nicht
ausreicht, um eine Autoimmunthyreoiditis oder einen M. Basedow zu diagnostizieren.
Die
Diagnosekriterien
einer
Schilddrüsenerkrankung
erfordern
immer
eine
Hormondiagnostik. Autoantikörperdiagnostik nimmt dabei einen unterstützenden
Charakter bei der Diagnosefindung ein. Die Sonographie der Schilddrüse ist ein
wichtiger Baustein in der Diagnosekette der Schilddrüsenerkrankungen: sie ist eine
$
zuverlässige Methode zur Bestimmung des Schilddrüsenvolumens und lässt Aussagen
über eine Struma und die Vaskularisation des Gewebes zu. Eine sonographische
Diagnostik wird vor allem durch die anatomische Lage der Schilddrüse begünstigt, da
sie sich fast unmittelbar hinter den Muskeln Sternohyoideus und Sternothyroideus
befindet, womit die Distanz zwischen Schallkopf und zu untersuchendem Gewebe
sehr gering ist. In Abbildung 5 ist ein Transversalschnitt auf Höhe der Schilddrüse
gezeigt. Man erkennt, dass die Schilddrüse sich um die Luftröhre (84) legt und nach
ventral lediglich durch Muskeln (89 und 90) und Haut sowie Unterhautfett bedeckt
ist.
Abbildung 5: Transversalschnitt auf Höhe der Schilddrüse
Zur Volumenbestimmung eines Schilddrüsenlappens ist die Bestimmung des
Querdurchmessers, des Sagittaldurchmessers und des Längsdurchmessers notwendig
(also Länge x Breite x Tiefe). Das Produkt dieser drei Werte multipliziert mit dem
Faktor 0,5 ergibt das ungefähre Volumen eines Schilddrüsenlappens. Die
Schilddrüsenvolumina sind alters- und geschlechtsabhängig. In Deutschland gilt ein
Schilddrüsenvolumen von 25 ml bei Männern und 18 ml bei Frauen als normal. In
Abbildung 6 ist das sonographische Bild einer normalen Schilddrüse dargestellt.
%
Abbildung 6: Sonographie einer normalen Schilddrüse
Das Schilddrüsenvolumen kann beispielsweise bei einer euthyreoten Struma
vergrößert sein. Die Schilddrüsenvaskularisation gibt Aufschluss über den Grad der
Durchblutung des Gewebes. Hierfür eignet sich die farbkodierte Duplexsonographie.
Hinter diesem Begriff verbirgt sich ein Verfahren um Bewegungen, z.B. fließendes
Blut,
im
untersuchten
Areal
sichtbar
zu
machen.
Bei
autoimmunen
Schilddrüsenerkrankungen wie Morbus Basedow oder Hashimoto-Thyreoiditis findet
sich eine Hypervaskularisation des Gewebes. Abbildung 7 zeigt eine diffuse
Echoarmut
des
Schilddrüsenparenchyms
(linkes
Bild)
sowie
eine
diffuse
Hypervaskularisation bei Morbus Basedow (rechtes Bild).
Abbildung 7: Diffuse Echoarmut bei Morbus Basedow (linkes Bild) sowie die diffuse
Hypervaskularisation bei Morbus Basedow (rechtes Bild).
Die Sensitivität und Spezifität dieser Untersuchung ist jedoch eher als gering
einzustufen. Bei der Beurteilung des Schilddrüsenstromas spielt die Echostruktur eine
&
wichtige Rolle. Damit ist gemeint, dass in der Schilddrüse Gewebe unterschiedlicher
Echogenität auftreten. Im technischen Sinne bedeutet die Echogenität eine
unterschiedlich schnelle Schallausbreitung in einem Gewebe. Das gesamte
Parenchym der Schilddrüse kann sich beispielsweise echoarm im Vergleich zu
normalen Schilddrüsengewebe darstellen (bei der Hashimoto-Thyreoiditis oder dem
M. Basedow). In Abbildung 8 ist ein sonographisches Bild eines echoarmen Knotens
der Schilddrüse abgebildet. Der Knoten befindet sich oben rechts im Bild.
Abbildung 8: Echoarmer Knoten in einer Schilddrüse
In der Schilddrüsensonographie spricht man weiterhin von echofreien Zysten, welche
im Rahmen einer euthyreoten Struma auftreten, sowie von Knoten, welche sich
echonormal, echoarm oder echoreich darstellen können. Echoreiche Knoten, also
solche, die viele Ultraschallwellen reflektieren, weisen auf eine maligne Entartung hin
und sind relativ selten. Eine größere Beachtung finden die echoarmen Knoten, welche
die Ultraschallwellen geringer reflektieren als das normale Gewebe. Ihnen kann
erstens ein gutartiges Adenom, d.h. ein autonomes, von der Hypophyse
unbeeinflusstes Schilddrüsenareal, zugrunde liegen. Zweitens ist ein echoarmer
Knoten auch immer verdächtig für ein Schilddrüsenkarzinom. Zur genauen
Unterscheidung ist die Sonographie nicht in der Lage, weshalb der nächste
diagnostische Schritt eine Szintigraphie notwendig macht. Die Szintigraphie ist ein
weiteres bildgebendes Verfahren und für bestimmte Fragestellungen in der
Schilddrüsendiagnostik unverzichtbar. Sie ist indiziert beim Nachweis tastbarer
Schilddrüsenknoten und echoarmer Knoten in der Sonographie, die einer weiteren
Abklärung bedürfen [3,7,8].
Bei dieser Methode wird dem PatientInnen ein radioaktives Pharmakon
(auch Tracer genannt, aus dem Englischen „to trace“ = verfolgen, aufzeichnen)
verabreicht, welches in dem zu untersuchendem Organ aufgenommen wird und bei
seinem Zerfall γ-Strahlung aussendet. Diese wird durch einen Detektor, eine
sogenannte γ-Kamera, aufgezeichnet und liefert somit Informationen zu dem
betreffenden Organ.
Im Falle der Schilddrüse wird in der Regel
99m
Technetium-Pertechnetat
appliziert. Es hat eine Halbwertszeit von 6 h und stellt im Vergleich zu anderen
Isotopen wie
123
I oder
131
I nur eine geringe Strahlenbelastung für den Körper dar.
Radioaktives Iod hat eine fast 50-fach höhere Strahlenbelastung als
99m
Tc und eine
Halbwertszeit von 8 Tagen im Körper und wird heutzutage nicht mehr eingesetzt. Das
Isotop
99m
Tc wird von den Schilddrüsenzellen aufgenommen (man spricht auch von
„Speichern“, obwohl das
99m
Tc nicht in das Thyreoglobulin eingebaut wird) und
liefert über seine Eigenschaft als γ-Strahler Informationen zu Lage, Größe und Form
der Schilddrüse. In seltenen Fällen liefert diese Methode den Nachweis ektopen
Schilddrüsengewebes.
Dabei
handelt
es
sich
um
funktionell
wirksames
Schilddrüsengewebe, welches sich nicht in der üblichen anatomisch-korrekten Lage
befindet (z.B. im Zungengrund oder im Mediastinum wie in Abbildung 9).
Abbildung 9: Schilddrüsenektopien
Weiterhin liefert die Schilddrüsenszintigraphie bedeutende Hinweise zur Funktion der
Schilddrüse, da Areale mit unterschiedlich hoher Stoffwechselaktivität in der
Szintigraphie abgebildet werden. Hierbei spricht man von der quantitativen
Szintigraphie der Schilddrüse. Bei einer normal funktionierenden Schilddrüse kommt
es ebenfalls zu einer Anreicherung der radioaktiven Substanz. Allerdings ist die
Verteilung des Materials gleichmäßig innerhalb des Gewebes vorzufinden. Abbildung
10 zeigt eine gesunde Schilddrüse in der Szintigraphie.
Abbildung 10: Anreicherung von 99mTechnetium in einer gesunden Schilddrüse
Ein Schilddrüsenareal, welches kaum Technetium aufnimmt, wird als kalter Knoten
bezeichnet. In Abbildung 11 (linkes Bild) wird eine geringere Radioaktivität
gemessen, da hier weniger
99m
Tc eingelagert wird. Deutlich wird dies durch eine
verminderte bzw. fehlende Rotfärbung in der Aufnahme.
Abbildung 11: Kalter (linkes Bild) bzw. warmer (rechtes Bild) Knoten im rechten
Schilddrüsenlappen
Ein szintigraphisch kalter Knoten, welcher sich sonographisch als echofrei darstellt,
ist mit einer Schilddrüsenzyste, z.B. bei einer euthyreoten Struma vereinbar.
Szintigraphisch kalte Knoten in Kombination mit einem echoarmen sonographischen
Korrelat sind karzinomverdächtig und erfordern eine weitere Abklärung mittels einer
Gewebeentnahme durch Punktion. Ein Areal, welches ein wenig mehr als das übliche
Schilddrüsengewebe speichert, wird weiter als warmer Knoten und ein vermehrt
speicherndes Areal als heißer Knoten bezeichnet. Ein Beispiel für einen warmen
Knoten ist in Abbildung 11 zu sehen. Ein szintigraphisch heißer Knoten ist suggestiv
für ein Schilddrüsenadenom. Zu beachten ist dabei, dass die Aussagekraft einer
quantitativen Schilddrüsenszintigraphie alleine betrachtet keinen diagnostischen
Mehrgewinn liefert. Ein Vergleich der szintigraphischen Bilder mit den
sonographischen Korrelaten ist erforderlich, um die Dignität der Areale
einzuschätzen. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit der Szintigraphie bietet die
Suppressionsszintigraphie. Dabei wird dem Patienten/ der Patientin eine suppressive
Schilddrüsenhormontherapie verabreicht, wodurch die TSH-Werte im Blut über den
negativen Feedback-Mechanismus wegfallen. Es wird somit eine iatrogene
Hyperthyreosis
factitia,
also
eine
medikamenteninduzierte
Hyperthyreose
herbeigeführt. Durch eine anschließende erneute quantitative Szintigraphie werden
diejenigen Schilddrüsenareale „entlarvt“, welche TSH unabhängig weiterhin eine
hohe Stoffwechselaktivität aufweisen [3,8].
Die Feinnadelaspiration der Schilddrüse ist eine gängige Methode zur
Gewinnung von Gewebe, um durch histopathologische Aufarbeitung dessen weitere
Informationen über die Schilddrüsenerkrankung zu gewinnen. Sie ist die invasivste
Methode der Diagnostik und birgt diverse Komplikationen wie etwa Blutungen,
Infektionen durch Keimverschleppung und narbige Verwachsungen. Der Begriff
Aspiration bedeutet dabei das „Ansaugen“ des punktierten Gewebes, um möglichst
viel Material zu gewinnen. Bedenkt man dies, so wird deutlich, dass es sich bei dem
Material „nur“ um eine Zytologie, also eine Anhäufung von Zellen handeln kann; eine
Histologie,
d.h.
mikroskopische
Darstellung
des
anatomisch
intakten
Schilddrüsengewebes ist mit dieser Methode nicht möglich. Daher ist es leider nicht
möglich ein malignes Geschehen sicher auszuschließen, da etwaiges infiltratives
Wachstum veränderter Zellen in der Zytologie nicht beurteilt werden kann. Die
häufigste Fragestellung in Bezug auf die Schilddrüse bezieht sich dabei auf die
Dignität des gewonnenen Materials, seltener auch zur weiteren Unterscheidung
entzündlicher Schilddrüsenerkrankungen [3].
3. Schilddrüsenerkrankungen
3.1. Erkrankungsformen und Ätiologie
Um einen Überblick über die diversen Schilddrüsenerkrankungen zu erlangen, können
verschiedene Kriterien angewendet werden. Da die Schilddrüse ein endokrines Organ
ist, werden Schilddrüsenerkrankungen zunächst in Funktionsstörungen, also Hypound Hyperthyreosen, eingeteilt. Bei einer Hyperthyreose liegt eine Überfunktion der
Schilddrüse vor. Damit ist eine Erhöhung der Schilddrüsenhormone T3 und T4 im
Blut über die physiologische Norm gemeint. Eine Hypothyreose bedeutet umgekehrt
eine pathologische Erniedrigung der peripheren Schilddrüsenhormone. Man
unterscheidet weiterhin primäre von sekundären bzw. zentralen Schilddrüsenüberbzw. -unterfunktionen. Primäre Erkrankungen betreffen Fehlfunktionen der
Schilddrüse,
also
dem
Ort
der
Hormonproduktion.
Sekundäre
Schilddrüsenfehlfunktionen haben ihre Ursache in einer Regulationsstörung der
Schilddrüse durch eine krankhafte Veränderung der TSH-Produktion. Eine sekundäre
Hyperthyreose wird durch eine TSH-Mehrproduktion verursacht (TSH-om oder
paraneoplastische TSH-Produktion beispielsweise beim Bronchialkarzinom). Eine
sekundäre Hypothyreose ist durch einen Mangel von TSH, z.B. durch eine
Hypophysenvorderlappeninsuffizienz
begründet.
Als
Sonderform
der
Schilddrüsenerkrankungen kann die euthyreote Struma gesehen werden. Dabei
handelt es sich um eine Vergrößerung der Schilddrüse ohne eine Veränderung der
Schilddrüsenhormonkonzentration. Das von den C-Zellen der Schilddrüse gebildete
Calcitonin hat lediglich eine Krankheitsbedeutung beim C-Zell-Karzinom (oder auch
Medulläres Schilddrüsen-CA genannt) sowie im Rahmen eines iatrogenen CalcitoninMangels nach Schilddrüsenoperationen. Der Begriff der Schilddrüsenentzündung ist
ein Sammelbegriff für diverse Erkrankungen, die sowohl eine Hypo- als auch eine
Hyperthyreose
bewirken
Schilddrüsenentzündung
können.
sehr
Anzumerken
unspezifisch
ist,
dass
verwendet
der
wird
Begriff
und
der
darauf
zurückzuführen ist, dass histopathologische Entzündungszeichen gefunden werden.
Eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen kommt dafür in Frage. Sowohl
Autoimmunprozesse als auch Entzündungen durch Bakterien oder Viren oder Folgen
einer Strahlenexposition oder Chemotherapie können ursächlich für eine Entzündung
sein. Am häufigsten tritt die chronisch-lymphozytäre Thyreoiditis (= M. Hashimoto
bzw. Autoimmunthyreoiditis) auf, welche im Verlauf zu einer Hypothyreose führt und
die häufigste Ursache einer Unterfunktion ist [9]. Als die zweithäufigste Form der
!
Schilddrüsenentzündung gilt die Thyreoiditis de Quervain. Die genaue Ätiologie ist
unbekannt, es werden jedoch virale Infektionen sowie genetische Dispositionen
vermutet. Hypo-, hyper- und euthyreote Zustände sind möglich [8]. Interessanterweise
kann
auch
der
Morbus
Basedow
als
Thyreoiditis
im
Sinne
einer
Autoimmunthyreoiditis gesehen werden [3]. Von klinischer Bedeutung sind zudem
Schilddrüsen-Neoplasien. Folgende Entitäten werden hier unterschieden: die
differenzierten SD-CA (follikuläre SD-CA und papilläres SD-CA), undifferenzierte
SD-CA (auch anaplastisches SD-CA genannt) sowie das medulläre SD-CA (C-ZellCA). Seltener sind maligne Neoplasien der Schilddrüse, die vom Binde- und
Stützgewebe ausgehen, wie etwa Lymphome und Sarkome. Aufgrund der großen
Anzahl an Literatur und Studien zu Schilddrüsen-CA wird in vorliegender Arbeit
keine detaillierte Behandlung erfolgen.
3.2. Hypothyreosen
Es kann zwischen erworbenen und angeborenen Hypothyreosen unterschieden
werden. Die angeborenen Schilddrüsenunterfunktionen sind ein Sammelbegriff für
verschiedene Erkrankungen. Dazu zählt die Athyreose, eine fehlende embryonale
Anlage der Schilddrüse. Weiterhin zählen auch die Schilddrüsendysplasie und
Schilddrüsenektopie. Hier kommt es zu einer Anlage von Schilddrüsengewebe
welches jedoch nicht funktionstüchtig ist. Weitere Formen sind sehr seltene Defekte
in
der
Hormonbiosynthese,
die
häufigste
Variante
stellt
hier
der
Schilddrüsenperoxidase-Defekt dar. Insgesamt betreffen alle diese Erkrankungen ca.
eines von 3500 Neugeborenen und stellen somit die häufigsten angeborenen
Erkrankungen des endokrinen Systems dar [9]. Inzwischen werden die angeborenen
Hypothyreosen durch ein Neugeborenenscreening erfasst, hierbei ist aber zu beachten,
dass nur der TSH-Wert und nicht die peripheren Schilddrüsenwerte des
Neugeborenen erfasst werden. Eine zentrale Hypothyreose, welche durch eine
fehlende oder unzureichende TSH-Produktion in der Adenohypophyse verursacht
wird, kann mit diesem Test nicht erfasst werden [11]. Der Morbus Hashimoto oder
auch Autoimmunthyreoiditis ist die häufigste Form der Hypothyreose [12].
Namensgeber für diese Erkrankung war der japanische Arzt Hakaru Hashimoto,
welcher die Erkrankung erstmals beschrieb [13]. Sie betrifft überwiegend Frauen
mittleren Alters und führt im Verlauf zu einer progredienten hypothyreoten
"
Stoffwechsellage, welche durch autoimmuninduzierte, chronisch-lymphozytäre
Destruktion der Schilddrüse zustande kommt [9]. Die Ätiologie der HashimotoThyreoiditis ist multifaktoriell und aufgrund der autoimmunologischen Prozesse
komplex: sowohl zelluläre als auch humorale Bestandteile des Immunsystems sind an
der Krankheitsentstehung beteiligt. Weiterhin wird eine genetische Komponente
vermutet [14]. Als weitere Faktoren bei der Krankheitsentstehung gelten Alter und
Exposition gegenüber Viren, hier insbesondere das Epstein-Barr Virus [15,16].
Klinisch äußert sich eine Vielzahl von Symptomen wie Kälteintoleranz, Obstipation,
ungewollte Gewichtszunahme, Antriebsarmut und Zyklusstörungen bei Frauen [8].
Die Diagnostik beinhaltet die Bestimmung von TSH und der peripheren
Schilddrüsenhormone T3 und T4, welche im Sinne einer Hypothyreose verändert
sind. Sowohl latente als auch manifeste Hypothyreosen sind bei der HashimotoThyreoiditis nachzuweisen. Die Autoimmundiagnostik liefert weitere Hinweise: so ist
in 96 % der Fälle der schilddrüsenspezifische Antikörper TPO (= thyreoidale
Peroxidase) und in 70% der Fälle Thyreoglobulin-Antikörper nachweisbar. Ungeklärt
ist dabei allerdings, ob die Anti-TPO-Antikörper Folge oder Ursache der
immunologischen Prozesse der Schilddrüse sind [15,16]. Sonographisch präsentiert
sich eine Hashimoto-Thyreoiditis meist mit einer diffusen Echoarmut und einer
leichten Mehrperfusion [7].
3.3. Hyperthyreosen
Die häufigsten Hyperthyreoseformen sind die immunogene Hyperthyreose, auch
Morbus Basedow genannt, sowie die Hyperthyreose, welche im Zuge autonomer
Schilddrüsenknoten auftritt. Ein Mischbild dieser beiden Krankheitsätiologien wird
Marine-Lenhart-Syndrom genannt und tritt bei ca. 10% der M. Basedow PatientInnen
in Iodmangelgebieten auf. Weitere, seltenere Formen der Hyperthyreose sind die
Gestationshyperthyreose
(Schwangerschaftshyperthyreose),
die
Hyperthyreosis
factitia, welche durch eine erhöhte Zufuhr von Schilddrüsenhormonen entsteht, und
die
iatrogene
Hyperthyreose
durch
Zufuhr
iodhaltiger
Medikamente
oder
Kontrastmittel. Außerdem kommt es weitaus seltener zu hypophysären Hyperthyreose
durch eine TSH-Überproduktion in der Hypophyse [8]. Der Morbus Basedow zählt zu
den systemischen Autoimmunerkrankungen. Eine Autoimmunerkrankung zeichnet
sich durch die Bildung von Antikörpern gegen körpereigenes Gewebe aus. Im Falle
#
des M. Basedow werden Autoantikörper gegen Schilddrüsengewebe gebildet. Da
beim M. Basedow auch extrathyreoidale Gewebearten durch die Autoantikörper
beeinflusst werden, spricht man von einer systemischen Autoimmunerkrankung.
Extrathyreoidale
Gewebemanifestationen
sind
beispielsweise
das
prätibiale
Myxödem, die endokrine Orbitopathie und die Akropathie [17]. Namensgebend für
die Erkrankung war der Merseburger Arzt Karl Adolf von Basedow, der 1840 die
Symptomtrias
aus
Tachykardie
(schnelle
Herzfrequenz),
Exophthalmus
(hervorstehende Augäpfel) und Struma beschrieb. Diese drei Symptome sind
pathognomonisch für den Morbus Basedow, treten jedoch nicht in allen Fällen
gemeinsam auf: so tritt eine endokrine Orbitopathie nur etwa in 60 % der Fälle auf
und die Struma in 70-90% aller Basedow-PatientInnen [8].
Außerhalb des deutschen Sprachraumes wird die Autoimmunhyperthyreose
nach dem irischen Arzt Robert J. Graves benannt, der 1835 einen Zusammenhang
zwischen Struma, Tachykardie und Exophthalmus beschrieb [3]. Die Pathogenese der
Autoimmunerkrankungen im Allgemeinen und beim M. Basedow im Speziellen ist
sehr komplex und nicht vollständig verstanden. Man vermutet, dass für den M.
Basedow eine genetische Prädisposition krankheitsbegünstigend sein kann [18,19].
Weiterhin sind infektiöse Begleiterscheinungen und emotionale Stressfaktoren als
pathogenetisch beschrieben worden [20-23]. Im Zusammenhang mit infektiösen
Geschehnissen tritt seit einigen Jahren der Begriff des molecular mimicry immer mehr
in den Vordergrund. Hierbei kommt es zunächst zur Bildung von Antikörpern gegen
körperfremde Antigene wie z.B. Oberflächenmerkmale von Viren oder Bakterien. Der
Begriff Mimikry (Englisch für „Nachahmung“) bezeichnet dabei den Effekt, durch
den sich die gebildeten Antikörper gegen ähnliche beschaffene Oberflächenstrukturen
körpereigenen Gewebes richten. Dieser Mechanismus wird von einigen Forschern
ebenfalls für die Entstehung des M. Basedow in Erwägung gezogen, abschließende
Beweise sind jedoch bisher ausstehend.
Letztlich ist für die endgültige Krankheitsentstehung die Bildung
sogenannter TRAKs (TSH-Rezeptor-Antikörper) verantwortlich. Diese haben eine
hohe Affinität zum TSH-Rezeptor und lösen somit eine Stimulation der Schilddrüse
aus. Dadurch kommt es zu einem erhöhten Stoffwechsel in der Schilddrüse mit einer
konsekutiven Mehrbildung an peripheren Schilddrüsenhormonen. Die TRAKs können
inter- und intraindividuell unterschiedlich sein, d.h. sie binden an unterschiedliche
$
Regionen des TSH-Rezeptors. Dem liegt eine polyklonale Bildung zugrunde, womit
die Bildung der Autoantikörper durch unterschiedliche Plasmazellen gemeint ist [26].
Neben den klassischen Symptomen einer Hyperthyreose (Tachykardie, Tremor,
psychomotorische Unruhe, Gewichtsverlust, Durchfälle und Wärmeintoleranz) treten
beim Morbus Basedow die oben bereits erwähnten extrathyreoidalen Symptome auf.
Die häufigste ist die endokrine Orbithopathie, welche sich durch ein Hervortreten der
Augäpfel in Folge einer retrobulbären Volumenzunahme äußert. Ursächlich dafür ist
ein komplexer immunologischer Prozess infolge der TSH-Rezeptor Präsenz im
Orbitabindegewebe. In Abbildung 12 ist das klassische Bild einer Patientin mit einem
Exophthalamus zu sehen.
Abbildung 12: Exophthalamus einer Morbus Basedow Patientin.
Die endokrine Orbitopathie wird von den PatientInnen als störend empfunden, diverse
Funktionseinschränkungen werden beobachtet und sind für die Diagnosestellung in
Form klinischer Zeichen wegweisend. So bezeichnet das Stellwag-Zeichen
beispielsweise den seltenen Lidschlag oder das Graefe-Zeichen das Zurückbleiben des
Oberlids bei Blicksenkung [8]. Eine kausale Therapie der endokrinen Orbitopathie ist
nicht
bekannt,
die
Wiederherstellung
einer
euthyreoten
Stoffwechsellage,
Nikotinverzicht, Kortikosteroidanwendung oder eine retrobulbäre Bestrahlung können
der endokrinen Orbitopathie entgegenwirken [8,27].
Eine weitere extrathyreoidale Manifestation des M. Basedow ist das
prätibiale Myxödem. Prädilektionsort ist, wie aus dem Namen erkennbar, das
subkutane Bindegewebe über dem Os tibiale (= Schienbein). Im Gegensatz zu einem
Lymphödem oder einem kardialen Unterschenkelödem ist das Myxödem nicht
eindrückbar. Ein weiteres Symptom ist die Akropachie. Sie bezeichnet eine
Weichteilschwellung und Knochenauftreibungen der Finger und Zehenendglieder.
Zusammen mit dem präsidialen Mxyödem kommt sie in ca. 1 % der Basedow
%
PatientInnen vor [28]. Neben dem M. Basedow sind Schilddrüsenautonomien die
häufigste Ursache für eine Hyperthyreose. Der Begriff der Autonomie in diesem
Zusammenhang bezieht sich auf die Unabhängigkeit einzelner Schilddrüsenareale von
der hypophysären Regulation; die autonomen Areale arbeiten also unbeeinflusst von
der Hypothalamus-Hypophysenachse [29]. Man geht davon aus, dass in jeder
Schilddrüse solche Areale physiologisch bestehen. Kommt es zu einem Iodmangel,
erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sich aus einem autonomen Areal eine
thyreoidale Autonomie mit hyperthyreoidaler Stoffwechsellage bildet. Verantwortlich
dafür sind wachstumsfördernde Prozesse, welche durch Iodmangel induziert werden
wie bereits im Kapitel 1.4 Regulation der Schilddrüse besprochen [30-32]. Umgekehrt
sinkt das Vorkommen an thyreoidalen Autonomien in Gebieten ohne Iodmangel [33].
Eine hyperthyreote Stoffwechsellage entsteht dann, wenn bei bestehender
Schilddrüsenautonomie eine unerwartet hohe Iodzufuhr zu Stande kommt, z.B. im
Rahmen
iodhaltiger
Kontrastmittelgaben
für
Röntgenuntersuchungen
oder
Medikamentengaben wie Amiodaron (Antiarrhythmikum). Eine Iodzufuhr durch die
Nahrung spielt bei der Pathogenese kaum eine Rolle [8].
3.4. Euthyreote Struma
Als euthyreote Struma wird eine krankhafte Vergrößerung der Schilddrüse
beschrieben ohne ein Vorliegen einer Hypo- oder Hyperthyreose (daher auch der
Name euthyreot = normale Hormonaktivität). Von einer Vergrößerung der
Schilddrüse (= Struma) spricht man, wenn das Volumen der Drüse bei Männern
größer 25 ml und bei Frauen größer als 18 ml beträgt. Die euthyreote Struma kommt
besonders in Iodmangelgebieten vor und betrifft dort ca. 30 % der Erwachsenen [8].
Ab einem Schilddrüsenvolumen von ca. 40 ml wird dieses sichtbar, teilweise ist auch
mit einer Beeinträchtigung der umliegenden Organe zu rechnen, wie z.B. einer
Einengung der Trachea oder einer Kompression der Speiseröhre [34]. Die Struma
kann nach einem Stufenschema der WHO in drei Grade eingeteilt werden: Grad 0
bezeichnet eine Struma, die weder tast- noch sichtbar ist, eine Struma kann also nur
sonographisch ermittelt werden. Weiter wird eingeteilt in eine Struma des Grad I,
welche tastbar, jedoch nicht sichtbar ist, und eine Struma Grad II, welche tast- und
sichtbar ist [8]. Die euthyreote Struma kann weiter unterschieden werden in eine
&
Struma diffusa und in eine Struma nodosa. Das Struma diffusa bezeichnet dabei eine
Vergrößerung der Schilddrüse ohne Vorliegen von Knoten, wobei bei der Struma
nodosa die Schilddrüse vor allem durch Knotenbildung (uni- oder multinodosa)
vergrößert ist. Die Struma nodosa ist oft mit einer Hyperthyreose vergesellschaftet, da
sich aus den Knoten autonome Areale im Sinne von Adenomen bilden können. Um
eine euthyreote Struma diagnostizieren zu können, ist der Ausschluss einer Hypooder Hyperthyreose mittels TSH-Bestimmung erforderlich. Außerdem muss
sichergestellt werden, dass der Schilddrüsenvergrößerung kein malignes Geschehen
zugrunde liegt. Hierfür eignet sich die Sonographie und die Szintigraphie (siehe
vorangegangenes Kapitel 2. Diagnostik). Der Entstehung einer euthyreoten Struma
liegen verschiedene Ursachen zugrunde. Die häufigste ist der Iodmangel, welcher in
Iodmangelgebieten auftritt. Dieser liegt dann vor, wenn der tägliche Bedarf an Iod
von 150-200 µg über die reguläre Nahrung nicht mehr gedeckt wird. Beispiele für
(ehemalige) Iodmangelgebiete sind der alpine Raum, da dort eine natürliche Iodarmut
der Böden und damit der Nahrungsmittel vorliegt. Da zur Synthese der peripheren
Schilddrüsenhormone Iod ein unabdingbarer Bestandteil ist, führt ein Mangel an Iod
zu einer Hochregulation der Wachstumsfaktoren der Schilddrüse, wodurch es zu
einem Wachstum des Gewebes kommt. Daher treten in Gebieten ohne Iodmangel
euthyreote Strumen sehr viel seltener auf (unter 3%) als in Iodmangelgebieten [3]. In
den letzten Jahren hat sich die Situation allerdings entschärft. Ehemals von der WHO
als Iodmangelgebiete eingestufte Länder (z.B. Deutschland) gelten aufgrund der
zunehmenden Iodierung von Speisesalz nicht mehr als Iodmangelgebiete [8].
Eine weitere Ursache für die euthyreote Struma ist die sporadische Form.
Aufgrund eines passiv erhöhten Bedarfes an Schilddrüsenhormonen (z.B. während
der Schwangerschaft) kann es zu einer euthyreoten Struma kommen. Weiterhin muss
davon ausgegangen werden, dass eine genetische Komponente der Entwicklung einer
Struma zugrunde liegt. Anders wäre es sonst kaum zu erklären, dass in
Iodmangelgebieten nur ein gewisser Prozentsatz an Menschen eine Struma entwickelt
[35].
4. Therapieansätze bei Schilddrüsenerkrankungen
4.1. Medikamentöse Behandlungen
Da bei einer Hypothyreose ein Mangel an Schilddrüsenhormonen vorliegt, erfolgt die
Therapie der Hypothyreosen durch die orale Zufuhr von Schilddrüsenhormonen.
Hierfür wird in der Regel L-Thyroxin (T4) verabreicht, welches eine hohe orale
Bioverfügbarkeit aufweist und im Organismus zum biologisch aktiveren T3
konvertiert wird. Novothyral, welches ein Kombinationspräparat aus T3 und T4 ist,
wird dagegen seltener eingesetzt [36]. Je nach Ursache der zugrundeliegenden
Erkrankung, die zu einer Hypothyreose geführt hat, liegen unterschiedliche
Empfehlung zu Beginn, Dosierung und Behandlungsdauer vor. Grundsätzlich sollte
bei
angeborenen
Hypothyreosen
der
unmittelbare
Beginn
einer
Schilddrüsensubstitutionstherapie eingeleitet werden. Im weiteren Verlauf ist eine
konsequente und regelmäßige Einnahme der Schilddrüsenhormone dringend indiziert,
da bei unzureichender Behandlung schwere geistige und körperliche Behinderungen
für die PatientInnen drohen. Es konnte gezeigt werden, dass bei Kindern mit
angeborenen Hypothyreosen durch eine Substitutionstherapie eine nahezu normale
Entwicklung gewährleistet werden konnte [37]. Die Hashimoto-Thyreoiditis erfordert
in den meisten Fällen die Hormonsubstitution. In wenigen Fällen wurde zu Anfang
einer
Hashimoto-Thyreoiditis
eine
vorübergehende
Hyperthyreose
durch
Zelluntergang im Schilddrüsengewebe beschrieben. Diese Situation tritt selten und
wenn nur a- bis subklinsch auf und erfordert in der Regel keine thyreostatische
Therapie [9]. Die Indikation sowie die Anfangsdosierung und „Strenge“ der
Hormonsubstitution
richtet
sich
nach
diversen
Kriterien:
Ausprägung
der
Hypothyreose, Alter, Geschlecht und die Unterscheidung zwischen latenter und
manifester Hypothyreose spielen dabei eine Rolle. Bei manifesten Hypothyreosen gilt
generell, je ausgeprägter sich die Hypothyreose bei Stellung der Diagnose präsentiert
(Klinik + Serologie), desto vorsichtiger, d.h. langsamer und niedriger dosiert sollte die
Substitution eingeleitet werden, da andernfalls das Risiko für Herzrhythmusstörungen
oder kardiovaskuläre Ereignisse ansteigt [8]. Schwangere Patientinnen sowie ältere
PatientInnen (>70 Jahren) benötigen eine „strengere“, d.h. höhere Dosierung der
Hormonsubstitution.
Umgekehrt sollte bei latenten Hypothyreosen nur bei PatientInnen unter 70
Jahren
eine
Hormonsubstitution
erfolgen,
da
andernfalls
das
Risiko
für
Früharteriosklerose steigt. Zudem profitieren PatientInnen über 70 Jahren meist nicht
von einer Schilddrüsenhormonsubstitution [8]. Weitere Indikationen für eine
Substitution bei latenter Hypothyreose sind Schwangerschaft und Kinderwunsch. Die
Behandlung einer Hyperthyreose erfolgt durch Einnahme von Thyreostatika.
Unabhängig von der Form der Hyperthyreose sollte bis zum Erreichen der Euthyreose
mit
Thyreostatika
Iodinationshemmern
behandelt
und
werden.
Man
Iodisationshemmern.
unterscheidet
Der
zwischen
Iodinationshemmer
Natriumperchlorat (Irenat) verhindert die Aufnahme des Iodids in die Schilddrüse.
Iodisationshemmer, die zur chemischen Gruppe der Thionamide gehören, verhindern
die Synthese von Monoiodthyronin und Diiodthyronin. Derzeit werden folgende
Präparate eingesetzt: Thiamazol (z. B. Favistan) und Propylthiouracil (z. B. Propycil,
dieses ist jedoch nicht im österreichischen Handel erhältlich). Bei schwangeren
Patientinnen wird Propylthiouracil bevorzugt, um die Gefahr von Hypothyreosen
beim Fetus zu minimieren. Eine Besonderheit des Propylthiouracils besteht in der
Hemmung der peripheren Konversion von L-Thyroxin zu Triiodthyronin. Bei
schwangeren Patientinnen wird Propylthiouracil bevorzugt, um die Gefahr von
Hypothyreosen beim Fetus zu minimieren. Zu beachten ist hierbei, dass alle
Thyreostatika einen verzögerten Wirkungseintritt haben, da sie nicht die Inkretion,
also die Freisetzung bereits vor Einnahme produzierter Schilddrüsenhormone,
verhindern. In der Regel muss daher mit einer Wirkungslatenz von 6-8 Tagen
gerechnet werden [36]. Bei der Behandlung der Autoimmunhyperthyreose wird
heutzutage ein Niedrigdosiskonzept angewendet (Initialdosis 15 bis 30 mg
Carbimazol). Weiterhin empfiehlt sich bei Tachykardie die Anwendung eines
Betarezeptorenblockers wie z.B. Propranolol zur Unterstützung [38]. Propranolol
eignet sich besonders gut, da es die Deiodase hemmt und so die Konversion von T4
zu T3 abmildert. Außerdem ist Propranolol ein β-Blocker und mildert somit die
Wirkung von Katecholaminen am Herzen ab [36]. In der Regel erfolgt bei einem
manifesten M. Basedow die Evaluation und ein Therapieauslassversuch nach 6-12
Monaten. Da der Rückfall in eine hyperthyreote Stoffwechsellage sehr hoch ist (50
%)
erfolgt
oft
eine
Therapieeskalation
mittels
Radioiodtherapie
oder
Schilddrüsenoperation. Eine erneute Bestimmung der TRAKs, welche früher
aufgrund der lebenslangen Persistenz als nicht sinnvoll erachtet wurde, wird aktuell
zur prognostischen Abschätzung eines Rezidivrisikos empfohlen: TRAK-Werte über
10 U/l sechs Monate nach Beginn der thyreostatischen Therapie machen eine
Revision unwahrscheinlich [3,7]. Bei der Radioiodtherapie wird dem Patienten/der
Patientin das radioaktives Iodisotop
131
I appliziert, welches von der Schilddrüse
aufgenommen wird und durch seine Eigenschaft als β- und als γ-Strahler zu einer
Zerstörung des Gewebes führt. Die PatientInnen werden dadurch im Zuge des
Schilddrüsenuntergangs hypothyreot, sodass eine lebenslange Hormonsubstitution
notwendig wird [8]. Da der euthyreoten Struma in den meisten Fällen ein Iodmangel
zugrunde liegt, kann zunächst über die Iodsupplementierung eine Reduzierung des
Schilddrüsenvolumens auf 10% des Volumens erreicht werden [8]. Ein kombinierter
Therapieversuch mit Iodid und Levothyroxin (Verhältnis 2:1; z.B. 150 µg Iodid/75 µg
LT4) kann alternativ bei größeren Strumen begonnen werden, da sich hier eine
größere Volumenreduktion erreichen lässt (ca. 20 %). Das LT4 wirkt dabei suppressiv
auf die TSH-Bildung und nimmt der Schilddrüse damit einen Wachstumsreiz [34,39].
Bei älteren PatientInnen sollte auf eine Kombinationstherapie verzichtet werden, um
eine Hyperthyreose zu vermeiden, da diese ein Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse
oder Osteoporose darstellt [8].
4.2. Operative Therapie von Schilddrüsenerkrankungen und Komplikationen
Es gibt verschiedene Indikationen, die eine Schilddrüsenoperation notwendig machen.
Da in vorliegender Arbeit auf die Schilddrüsenmalignome nicht eingegangen wird,
behandelt dieses Kapitel nur die Indikationen einer Operation bei nicht malignen
Schilddrüsenerkrankungen. Im Falle des M. Basedow sollte zunächst versucht werden
durch thyreostatische Vorbehandlung eine Struma zu reduzieren. In der Regel erfolgt
im Anschluss an eine medikamentöse Behandlung eine Radioiodtherapie. Sollten
diese Maßnahmen nicht zu einer Beseitigung der hyperthyreoten Stoffwechsellage
führen, spricht man von einer therapierefraktären Immunhyperthyreose, welche eine
Operationsindikation darstellt. Weitere Operationsindikationen bestehen bei großen
Strumen mit Verdrängungserscheinungen (Trachea oder Ösophagus) sowie bei einem
Malignitätsverdacht (szintigraphisch kalte Knoten) oder bei thyreotoxischer Krise.
Besteht ein Malignitätsverdacht, erfolgt die Total-Thyreoidektomie, also das
Entfernen des gesamten Schilddrüsenmaterials. Andernfalls erfolgt die FasttotalResektion der Schilddrüse, d.h. es wird ein kleiner Rest (meist unter 2 ml) der Drüse
in situ zur Schonung des N. laryngeus recurrens erhalten [3]. Postoperativ kommt es
fast in 100% zu einer substitutionspflichtigen Hypothyreose [8]. Auch bei einer
Hemithyreoidektomie (nur ein Schilddrüsenlappen wird entfernt, z.B. bei einseitig
szintigraphisch kalten Knoten) kommt es in ca. 11-28 % der Fälle zu einer
postoperativen Hypothyreose. Folgende Risikofaktoren sind für die Entstehung einer
postoperativen Hypothyreose identifiziert worden: eine positive Testung auf TPOAntikörper, hochnormale präoperative TSH-Werte sowie die histologische Sicherung
einer Thyreoiditis. Alter, Geschlecht und das Resektionsgewicht haben keinen
prädikativen Aussagewert für die Entstehung einer postoperativen Hypothyreose [4042].
Neben
der
postoperativen
Hypothyreose
Hypoparathyreoidismus eine weitere OP-Komplikation.
ist
der
postoperative
Diese kommt durch die
Mitentfernung der Epithelkörperchen (= Nebenschilddrüse) zustande. Hierbei treten
definitionsgemäß sechs Monate nach einer Schilddrüsenoperation Hypokalziämien
auf. Hiervon ist eine transiente, also vorübergehende Hypokalziämie zu
unterscheiden, welche direkt im Anschluss einer Thyreoidektomie auftritt. Das
Vorkommen eines postoperativen Hypoparathyreoidismus wird je nach Literatur
zwischen 0,5 und 6,6% nach totaler Thyreoidektomie beschrieben. Der transiente
Hyperparathyreoidismus ist dagegen häufiger zu beobachten [43-46].
Eine
weitere
Komplikation
bei
Schilddrüsenoperationen
ist
die
Recurrensparese und die damit einhergehende Stimmbandlähmung. Der N. recurrens,
oder auch N. laryngeus recurrens, ist ein Nervenast aus dem 10. Hirnnerven (Nervus
vagus) und versorgt sensibel die Schleimhaut unterhalb der Stimmlippe sowie
motorisch fast alle Kehlkopfmuskeln. Durch die anatomische Nähe zur Schilddrüse
kann er im Zuge einer Schilddrüsenoperation leicht verletzt werden. Eine einseitige
Stimmbandlähmung
äußert
sich
meist
durch
Heiserkeit,
eine
beidseitige
Stimmbandlähmung kann durch den Funktionsausfall der Stimmritzenöffner auf
beiden Seiten zu schwerster Atemnot führen [47]. In Abbildung 13 ist ein Schema
einer linksseitigen Recurrensparese aufgezeigt. Die Stimmlippe schließt sich nicht
vollständig.
!
Abbildung 13: Lähmung der linken Stimmlippe
Aus diesem Grund wird während Schilddrüsenoperationen ein Neuromonitoring
durchgeführt. Damit bezeichnet man die gezielte Stimulation des N. laryngeus
recurrens intraoperativ und die dabei beobachteten Reaktionen der Kehlkopfmuskeln
(meist durch Ableitung eines EMG = Elektromyogramm). Durch dieses Verfahren
konnte die Inzidenz der iatrogenen Recurrensparesen signifikant gesenkt werden [48].
Nichtsdestotrotz ist aus forensischen Gründen sowohl prä- als auch postoperativ eine
Laryngoskopie angezeigt.
4.3. Alternative Behandlung und Prävention von Schilddrüsenerkrankungen
Der tägliche Bedarf an Iod beträgt etwa 180-220g pro Tag. Noch vor wenigen Jahren
galt z.B. Deutschland als ein Kropfendemiegebiet. Heute werden viele Lebensmittel,
z.B. das Kochsalz (NaCl), mit Iodid angereichert, wodurch sich das Problem der
Kropfentstehung deutlich vermindert hat. Erhebliche Mengen an natürlichem Iod
befinden sich in Meeresfischen, Krebsen, Muscheln und Fleisch (hier besonders auf
Grund des iodhaltigen Futters der Tiere). Es wurde allerdings festgestellt, dass eine
hohe Iodzufuhr aus noch nicht bekannten Gründen eine immunogene Hyperthyreose
wie beispielsweise Morbus Basedow fördern kann. Es wird vermutet, dass es durch
das vermehrte Iodangebot zu einer verbesserten Antigenpräsentation kommen könnte.
Eine ausreichende Versorgung mit Iod über die Nahrung ist dennoch eine einfache
präventive Maßnahme gegen eine Kropfentwicklung.
Abseits
der
Schulmedizin
bestehen
"
noch
weitere
Möglichkeiten
beispielsweise eine Hyperthyreose zu therapieren. Bei leichten Formen der
Überfunktion kommen sogenannte Phytotherapien zum Einsatz. Das Wolfstrappkraut
soll den Iodtransport und die Freisetzung von Schilddrüsenhormonen vermindern.
Herzgespann
soll
außerdem
die
Symptomatik
der
Herzbeschwerden
bei
Schilddrüsenüberfunktionen abmildern. Homöopathische Substanzen, wie der
Flussschwamm oder der Badeschwamm, werden ebenfalls als alternative Methode bei
Überfunktionen eingesetzt, jedoch fehlt hier ganz klar die naturwissenschaftliche
Evidenz [3]. Bei der Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis konnte gezeigt
werden, dass eine Selensubstitution von 200 g pro Tag die Entzündungszeichen
deutlich verminderte. Meist werden bei der Hashimoto-Thyreoiditis Antikörper gegen
Thyreoperoxidasen (TPO) nachgewiesen. Durch Selengabe bei PatientInnen kann der
Antikörpertiter sinken. Selen ist, wie bereits in vorangegangen Abschnitten erklärt,
essentiell für die Funktion der Deiodase Isoenzyme, welche das Schilddrüsenhormon
T4 in T3 oder rT3 umwandeln (siehe Abb. 4). Dieser Effekt konnte jedoch nur bei
einer Gabe von 200g Natriumselenit festgestellt werden. Geringere Dosierungen
zeigten keinen Effekt. Momentan ist noch unklar, ob eine präventive Gabe von Selen
eine Hypothyreose verhindern kann. Auch bei Morbus Basedow sehen einige
Forscher ein Nutzen von Selensubstitution. Bisher ist hier aber noch nicht geklärt,
welchen Nutzen die PatientInnen tatsächlich von einer Substitution haben [49].
4.4. Schlussbemerkungen und Ausblick
Die Tatsache, dass alle Säugetiere und sogar Reptilien, Amphibien und Vögel über
eine
Schilddrüse
verfügen
macht
deutlich,
welch
große
Bedeutung
die
Schilddrüsenhormone für die Funktionstüchtigkeit des Organismus besitzen. Trotz
dieser überragenden Rolle der Schilddrüsenhormone bei der Steuerung metabolischer
und physiologischer Prozesse, wurden Schilddrüsenerkrankungen lange Zeit
unzureichend erkannt. Dies war hauptsächlich dem Umstand geschuldet, dass die
Diagnostik der SD-Erkrankungen recht komplex ist. Erst in den letzten Jahrzehnten
wurde durch den technischen Fortschritt in der Medizin (Hormondiagnostik,
Szintigraphie, Ultraschall) eine umfassende Diagnostik der SD möglich. Dies hat zur
Folge, dass viele SD-Erkrankungen früher und besser behandelt werden können. In
den entwickelten Industriestaaten sind Kinder mit Kretinismus ebenso eine absolute
Seltenheit wie ausgeprägte SD Strumen mit Verlegung der Atemwege durch
Iodmangel. Autoimmunerkrankungen der SD wie die Hashimoto-Thyreoiditis oder
#
der Morbus Basedow können heutzutage deutlich früher diagnostiziert und damit
effektiver therapiert werden. Vollausprägungen der Über- oder Unterfunktion, wie
thyreotoxische Krisen oder das Myxödemkoma, kommen deutlich seltener vor.
Andererseits bergen die ausgefeilten diagnostischen Möglichkeiten die Gefahr einer
„Überdiagnostik“ und in der Folge auch eine „Übertherapie“ von SD-Erkrankungen.
Ein Beleg dafür könnte die stetige Zunahme von Schilddrüsenoperationen,
Hormonsubstitutionen und die Anwendung von Szintigraphien in den letzten Jahren
sein. In Zukunft wird es deshalb verstärkt darauf ankommen, die Diagnostik von SDErkrankungen therapiezielorientiert anzuwenden. Weitere Studien werden notwendig
sein, um die medikamentösen Behandlungsindikationen einer Unterfunktion schärfer
herauszuarbeiten.
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!
6. Abbildungsverzeichnis und Bildnachweise
Abb. 1: Lage der Schilddrüse. Das Bild wurde Referenz [4] entnommen (Seite 212).
Abb. 2: www.mh-hannover.de/online-atlas_histologi.html
Abb. 3: Physiologie der Schilddrüse. Das Bild wurde der Referenz [6] entnommen
(Seite 620).
Abb. 4: Umbau von Thyroxin zu rT3 und/oder T3. Abbildung wurde mit Hilfe des
Programms ChemDraw erstellt.
Abb. 5: Transversalschnitt auf Höhe der Schilddrüse. Das Bild wurde Referenz [7]
entnommen (Seite 80).
Abb. 6: Sonographie einer normalen Schilddrüse. Das Bild wurde Referenz [7]
entnommen (Seite 81).
Abb. 7: Diffuse Echoarmut bei Morbus Basedow (linkes Bild) sowie die diffuse
Hypervaskularisation bei Morbus Basedow (rechtes Bild). Das Bild wurde Referenz
[7] entnommen (Seite 83).
Abb. 8: Echoarmer Knoten in einer Schilddrüse. Das Bild wurde Referenz [6]
entnommen (Seite 83).
Abb. 9: Schilddrüsenektopien. Das Bild wurde Referenz [4] entnommen (Seite 215).
Abb. 10: Anreicherung von 99mTechnetium in einer gesunden Schilddrüse. Das Bild
wurde Referenz [4] entnommen (Seite 215).
Abb. 11: Kalter (linkes Bild) bzw. warmer (rechtes Bild) Knoten im rechten
Schilddrüsenlappen. Das Bild wurde Referenz [4] entnommen (Seite 215).
Abb. 12: Exophthalamus einer Morbus Basedow Patientin; http://elearning.studmed.unibe.ch/augenheilkunde/systematik/orbita/endo_orbitopathie.html
Abb. 13: Lähmung der linken Stimmlippe;
http://stimmklinik.de/pages_de/index.php?p=recurrensparese
Tabelle 1: Serologie TSH und Schilddrüsenhormone. Daten wurden Referenz [6]
entnommen.
! 7. Abkürzungsverzeichnis
A.
Arteria
CA
Carzinom
Ca2+
Calcium
cAMP
zyklisches Adenosinmonophosphat
DAG
Diacylglycerin
DIT
Diiodthyronin
EMG
Elektromyogramm
GLUT
Glukosetransporter
HF
Herzfrequenz
HZV
Herzzeitvolumen
IP3
Inositoltrisphosphat
Lat.
Lateinisch
LT4
Levothyroxin
M.
Morbus
MIT
Monoiodthyronin
N.
Nervus
NADPH/H+
Nicotinamidadenindinukleotidphosphat (reduzierte Form)
Ncl.
Nukleus
NIS
Na+/I- Symporter-System
OP
Operation
SD
Schilddrüse
SV
Schlagvolumen
(f)T3
(freies) Triiodthyronin
(f)T4
(freies) Tetraiodthyronin
TG
Thyreoglobin
TPO
Thyreoidale Peroxidase
!!
TRAK
TSH-Rezeptorantikörper
TRH
Thyreotropin Releasing Hormon, Thyreoliberin
TSH
Thyreoidea-Stimulating-Hormon, Thyreotropin
!"
8. Danksagung
Ich möchte mich sehr herzlich bei Frau Professor Holzer für die Möglichkeit
bedanken über dieses interessante Thema meine Bachelorarbeit zu verfassen sowie
für deren Beurteilung.
Meinen beiden Kindern, Pauline Macheroux und Till Macheroux, danke ich für die
vielen nützlichen Hinweise zur Aufarbeitung der Literatur und der kritischen
Durchsicht des Manuskripts.
Meiner Familie danke ich für das in mich gesetzte Vertrauen, ihren Zuspruch und
ihre Liebe.
!#
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