Messplatz für Laborleiter: Prof. Dr.-Ing. h. R. Haller Laboring.: Dipl.- Ing.(FH) Günther Schmidt Verlustfaktormessung Hochspannungslabor bei 0,1Hz Da an die Lebensdauer und Zuverlässigkeit von Mittelspannungskabeln sehr hohe Anforderungen gestellt werden, erfährt die Beurteilung des Alterung- bzw. Schädigungszustandes in Mittelspannungsanlagen durch Prüfungen vor Ort eine große Bedeutung. Ein spontanes Versagen der Isolierung im Betrieb würde zu größeren Problemen für Versorger und Abnehmer führen. In Kabelanlagen der Mittelspannungsebene werden heute in erster Linie Isolierungen aus vernetzten Polyethylen (VPE) und vereinzelt noch aus Masse-Papier eingesetzt. Bei der Prüfung der verschiedenen Kabeltypen interessiert vor allem die Aufdeckung von betriebsgefährdenden Fehlstellen sowohl in Kabeln als auch in den dazugehörigen Garnituren (Endverschlüsse und Verbindungsmuffen). Bei Kabeln mit PE/VPE-Isolierungen sind die häufigsten Ursachen für betriebsgefährdende Schwachstellen in der vor allem in älteren Kabelanlagen auftretenden water tree-Bildung zu suchen. Im unten stehenden Bild 1 sind die Voraussetzungen und Auswirkungen eines "inneren Fehlers" durch water trees schematisch dargestellt. Der dielektrische Verlustfaktor tan δ ist eine wichtige Größe zur Beurteilung eines Isoliermediums. Die Höhe des Verlustfaktors und seine Abhängigkeit von der Temperatur, der Frequenz und der Spannung sind maßgebend für den Einsatz eines Dielektrikums und gelten als Kriterium für Güte und Reinheitsgrad sowie für den Alterungszustand. Durchschlag A M H T + H DM 0,1 H z Sinus H DM U DV M U I I U tan δ = Wirkleistung U ⋅ I ⋅ cos ϕ I w = = Blindleistung U ⋅ I ⋅ sin ϕ Ib I I Ib U U I Iw Ib angelegte Spannung Gesamtstrom Wirkstrom Blindstrom ϕ Phasenverschiebungswinkel zwischen Strom und Spannung Verlustwinkel (900-ϕ ) δ Bild 3: U Definition des Verlustfaktors H T - ST Der dielektrische Verlustfaktor tan δ ist definiert als das Verhältnis aus Wirkleistung zu Blindleistung einer an Spannung liegenden Kapazität: Iw e le ctrical tre e Das folgende Bild 6 zeigt das komplette VLF-0,1 Hz-Testsystem mit Peripheriegeräten: K Fe ldstärke Z e it wate r tre e Funktionsweise Grundlagen Allgemeines Wasse r Labormeister: Harry Sigler tan De l. Bild 6: Blockschaltbild des 0,1 Hz-Testsystems mit Perpheriegeräten AM ST U DVM Elektronischer Amplitudenmodulator Steuerung Spannungseinstellung Scheitelspannungsmeßgerät HT Hochspannungstransformator HDM Hochspannungsdemodulator K Kabel (Prüfling) tan δ Verlustfaktormeßgerät Zur Erzeugung der 0,1 Hz-Sinusspannung dient im wesentlichen das Steuerteil mit Regeleinrichtung, der Frequenzumrichter 50 Hz / 1000 Hz, 2 Hochspannungstransformatoren (1000 Hz), die Gleichrichterkaskaden sowie die beiden VDR Widerstände. Im Bild 7 ist die Schaltung zur Erzeugung der Prüfspannung dargestellt. Verluste eines Kabeldielektrikums Störste lle + Bild 1: Vereinfachte Darstellung eines "inneren Fehlers" durch water tree-Bildung Leitungsverluste Polarisationsverluste Iw Iw RL RP Zusatzverluste Ib Cdiel RZ CZ Iw Ib Kapazität des idealen Dielektrikums Water trees bilden sich an Störstellen (z. B. Mikrohohlräumen, Verunreinigungen) innerhalb der Isolierung oder an den Grenzschichten zwischen Isolierung und Leitschichten. Nach ihrer Lage und Form werden sie in bow-tie-trees und vented-trees unterteilt. In Bild 1 sind die verschiedenen water tree-Arten schematisch dargestellt. Widerstand durch Leitungsverluste Widerst. durch Polarisationsverluste Kabelkapazität Zusatstzverluste durch water tree Alterung Zusatzkapazität Wasseraufnahme des Dielektrikums Wirkstrom Blindstrom Aus dem obigen Ersatzschaltbild (Bild 4) kann der dielektrische Verlustfaktor tan δ eines Kabeldielektrikums errechnet werden. äußere Leitschicht Isolierung innere Leitschicht Bild 1: Schematische Darstellung von water trees in einer Kabelisolierung Eine andere Ursache für den Ausfall von PE/VPE Kabeln im Betrieb ist in der geringen Resistenz des Polyethylens gegenüber Teilentladungen (TE) bzw. dem Zerstörungsmechanismus electrical treeing zu suchen. Das electrical treeing wird durch Fehlstellen initiiert, an denen die Isolierung bereits mechanisch aufgebrochen ist (z. B. eingedrückter Nagel, Hohlräume in der Isolierung durch mangelnde Fertigung, schlecht verschweißte Leitschichten). Außerdem kann es durch die Beanspruchung mit hohen Feldstärken (an der Spitze leitfähiger Störstellen z. B. vented-trees) zu Teilentladungen kommen. Wegen der im Vergleich zum umgebenden PE bzw. VPE geringeren elektrischen Festigkeit der gasgefüllten Hohlräume kommt es bereits bei relativ geringen Spannungspegeln zum elektrischen Durchschlag in den Hohlräumen. Diese Entladungen bewirken eine Erosion des Isoliermaterials und ein stetiges Vorwachsen der Kanäle. Electrical treeing kann wegen des schnellen Voranwachsens von Teilentladungskanälen bei Wechselspannung im Betrieb in verhältnismäßig kurzer Zeit - verglichen mit water treeing zu einem Durchschlag des Kabels führen. u u Der Verlustfaktor lässt sich in zwei Komponenten aufspalten, wobei der tanδ L den Verlustfaktoranteil durch Trägerleitung, (vorwiegend Ionen- und Elektronenleitung) und der tanδ P den Verlustfaktoranteil durch Umpolarisation von Molekülen im Dielektrikum beschreibt. Eine mögliche dritte Komponente tanδ I ist der Verlustfaktoranteil der durch Ionisation im Dielektrikum auftritt. Bei Kabeldielektrika wird dieser Anteil im Allgemeinen vernachlässigt. 1kHz DC DC Uact + 50Hz Uref Die Schaltung zur Messung des Verlustwinkels ist in Bild 8 dargestellt. Der hochohmige Spannungsteiler wird auch zur Ermittlung des Verlustwinkels δ verwendet. Der Verlustwinkel δ wird durch die Abstandsmessung der Nulldurchgänge von Kabelstrom und 0,1 Hz-Spannung ermittelt. Die störenden Oberwellen der beiden Signale werden durch eine diskrete Fourieranalyse dadurch eliminiert, daß nur die Grundwellen berücksichtigt werden. Sinus 0,1Hz Cx tan δ u(t) R1 ~ tan δ = tan δ L + tan δ P + tan δ I Gesamtverlustfaktor Verlustfaktor durch Leitungsverluste tan δ P Verlustfaktor durch Polarisationsverluste tan δ I Verlustfaktor durch Ionsiationsverluste (bei Kabeln vernachlässigbar) 0,1Hz Oszillator Bild 7: Schaltbild des 0,1 Hz-Testsystems für die Erzeugung der VLF-Sinusspannung Filter R2 MUX i(t) tan δ tan δ L - Sinus 0,1Hz 220V ~ U I 1 R tan δ = w = = Ib ω ⋅ C ⋅ U ω ⋅ R ⋅ C Leiter VDR2 Bild 4: Ersatzschaltung zur Nachbildung der Verluste eines Kabeldielektrikums bow - tie tree vented tree RL RP Cdiel RZ CZ VDR1 Co BE Bild 8: SE ADC Filter Optokoppler PC Schaltung zur Messung des Verlustfaktors für das 0,1 Hz-Testsystem BE SE R1,R2 Cx Betriebserde Schutzerde hochohmiger Spannungsteiler Kabel (Prüfling) MUX Multiplexer ADC Analog/Digital-Wandler PC Personalcomputer Anschluss der Prüfanlage „Vor- Ort“ Für Vor-Ort-Prüfungen wird die Prüfanlage nach untenstehendem Schema (Bild 9) angeschlossen. Verbindung VSE Verbindung VSE 0,1Hz Meßw agenkabel Schutzring blaue Ader VSE SE-Meßw agenkabel gelb/grün Vor- Ort-Prüfspannung Im untenstehenden Bild 1 ist der zeitliche Verlauf der Prüfspannung mit 0,1 Hz dargestellt. 0s 5s t 1 0s Bild 1: Zeitlicher Verlauf einer VLF 0,1 Hz Sinusspannung SE SE SE = Schutzerde BE = Betriebserde VSE= Virtuelle Schutzerde Achtung: Schutzring bzw.VSE darf SE nicht berühren, ansonsten Fehlmessung! Zwischen Schutzring und Schrim sollten ca. 3 cm Abstand sein! Bild9: U Schutzring Anschlußschema der Spannungsprüfanlage für Vor-Ort-Prüfungen