6 Grenzwertsätze In diesem Paragrafen werden verschiedene Grenzwertbegriffe und -sätze für Folgen von ZV. bzw. deren Verteilungen diskutiert. Beispiel 6.1. a) Ein Zufallsexperiment, beschrieben durch (Ω1 , A1 , P1 ) werde n-mal hintereinander ausgeführt ( z.B. wiederholtes Roulettespiel, Münzwurf etc.). Sei A1 (∈ A1 ) ein Ereignis im Einzelexperiment ( z.B. Rot ist eingetreten“ beim Roulette ), ” das eine Wahrscheinlichkeit p = P1 (A1 ) besitze. Die Erfahrung“ lehrt, dass für ” große“ n gilt : ” Zn := Hn (A1 ) := relative Häufigkeit von A1 in n Versuchen“ ≈ p . ” Frage : Wie lässt sich ” ≈“ mathematisch präzisieren ? b) Sei PZn = B(n, p) und p = pn so , dass lim npn = λ > 0 . Im Beispiel 1.9 war n→∞ gezeigt worden, dass λk lim P (Zn = k) = e−λ , k = 0, 1, . . . , n→∞ k! d.h., die Binomialverteilungen B(n, pn ) konvergieren (unter den oben genannten Voraussetzungen ) in einem bestimmten Sinn“ gegen eine Poisson-Verteilung πλ . ” Jetzt : Präzisierung der Grenzwertaussagen ! Definition 6.1. Seien {Zn }n=1,2,... und Z reelle ZV. mit VF. {Fn }n=1,2,... und F . Man sagt , dass Zn nach Verteilung (schwach ) gegen Z konvergiert (für n → ∞) , wenn gilt : lim Fn (z) = F (z) n→∞ ∀ z ∈ CF , wobei CF die Menge der Stetigkeitspunkte von F bezeichnet . Schreibweise : D Zn −→ Z (n → ∞) [ D : in distribution“ ] . ” Beispiel 6.2. Zn seien R[− n1 , n1 ]-verteilte ZV. (n = 1, 2, . . .) und Z sei in 0 D konzentriert , d.h. P (Z = 0) = 1 =⇒ Zn −→ Z 1 0, z <− , n n 1 1 1 Fn (z) = z+ , − ≤ z < , 2 2 n n 1 1, , z ≥ n 60 (n → ∞) , denn also Fn (z) → aber Fn (0) = ( 0, z < 0 1, z > 0 1 2 ∀ n = 1, 2, . . . , F (0) = 1 ! ) = F (z) , z 6= 0 ; PZ heißt Grenzverteilung der PZn , im Beispiel 6.2 also : PZ = ε0 , wobei εa die (so genannte) Punktmasse in a“ bezeichnet mit ” ( 1, a ∈ A, εa (A) = 0, a ∈ / A. D Gilt speziell Zn −→ Z (n → ∞) mit PZ = εa (∃ a ∈ R) , so folgt noch : lim P ( | Zn − a | ≥ ε) = 0 n→∞ ∀ ε > 0. Definition 6.2. Seien {Zn }n=1,2... , Z reelle ZV. auf (Ω, A, P ). Man sagt , dass Zn stochastisch (nach Wahrscheinlichkeit ) gegen Z konvergiert (für n → ∞) , wenn gilt : lim P ( | Zn − Z | ≥ ε) = 0 n→∞ P Schreibweise : Zn −→ Z ∀ ε > 0. (n → ∞) oder P – lim Zn = Z . n→∞ P D Bemerkung 6.1. a) Zn −→ Z (n → ∞) =⇒ Die Umkehrung ist i.A. falsch , aber es gilt : P b) Zn −→ a (n → ∞) (∃ a ∈ R) ⇐⇒ Zn −→ Z D Zn −→ a (n → ∞) . (n → ∞) . Satz 6.1. (Gesetz der großen Zahlen ) {Xi }i=1,2,... sei eine Folge paarweise unkorrelierter ZV. auf (Ω, A, P ) mit demselben EW. EXi = a und derselben Varianz V ar(Xi ) = σ 2 < ∞ . Dann gilt : n 1X P Xi −→ a = EX1 Zn := X n := n i=1 lim P ( | X n − a | ≥ ε) = 0 n→∞ ∀ ε > 0. 61 (n → ∞) , d.h. Bemerkung 6.2. Die relative Häufigkeit Hn (A1 ) aus Beispiel 6.1 a) lässt sich wie folgt interpretieren : Sei ( 1 , im i – ten Versuch tritt A1 ein , Xi = 0 , sonst , so gilt bei n unabhängigen Durchführungen des Einzelexperiments : X1 , X2 , . . . , Xn unabhängig, identisch B(1, p)-verteilt mit p = P1 (A1 ) , n 1X Xn = Xi = Hn (A1 ) , EXi = p , V ar(Xi ) = p(1 − p) . n i=1 Die Voraussetzungen von Satz 6.1 sind somit erfüllt und man erhält : P Hn (A1 ) −→ p (n → ∞) . Interpretation : Zu vorgegebener ε – Genauigkeit ist die Wahrscheinlichkeit , dass p = P1 (A1 ) ε – genau“ durch Hn (A1 ) approximiert wird , beliebig nahe bei 1 , wenn nur ” n groß genug gewählt wird . Bemerkung 6.3. Das Gesetz der großen Zahlen gilt auch unter der Voraussetzung, dass {Xi }i=1,2,... paarweise unabhängig, identisch verteilt sind mit existierenden EW. a = EXi = EX1 ∀ i = 1, 2, . . . (also auch ohne existierende Varianz , vgl. Wahrscheinlich” keitstheorie“ ) . Monte-Carlo-Methode zur Berechnung von Integralen (hoher Dimension) R1 R1 Man berechne I := 0 . . . 0 h(u1 , . . . , uk ) du1 . . . duk für eine (k−dimensional ) Riemannintegrierbare Funktion h . Beispiel 6.3. Lösung : 1) Erzeuge i.i.d. R(0, 1)-verteilte ZV. U11 , . . . , U1k ; U21 , . . . , U2k ; . . . . . . 2) Setze Xi := h(Ui1 , . . . , Uik ) (i = 1, 2, . . .) . Dann gilt : P X n −→ I (n → ∞) . Beispiel 6.1 a) Hn (A1 ) ≈ P1 (A1 ) = p Zahlen präzisiert . Beispiel 6.1 b) wurde also mit Hilfe des Gesetzes der großen B(n, pn ) ≈ πλ , falls npn → λ 62 wird durch den folgenden Satz erfasst : Satz 6.2. {Zn }n=1,2,... , Z seien N0 -wertige ZV. auf (Ω, A, P ) {pn }, p und erzeugenden Funktionen {Gn }, G . Dann gilt : D Zn −→ Z (n → ∞) ⇐⇒ n→∞ lim pn (k) = p(k) ∀ k ∈ N0 ⇐⇒ n→∞ lim Gn (s) = G(s) ∀ s : | s | < s0 mit Dichten (∃ 0 < s0 < 1) . Momenterzeugende Funktionen (falls existent) liefern ein allgemeineres analytisches Hilfsmittel zur Untersuchung der Verteilungskonvergenz von reellen ZV. : Satz 6.3. (Stetigkeitssatz ; ohne Beweis ) {Zn }n=1,2,... und Z seien reelle ZV. auf (Ω, A, P ) mit existierenden momenterzeugenden Funktionen {Mn (t)}n=1,2,... und M (t) für | t | < t0 (> 0) . Dann gilt : D Zn −→ Z (n → ∞) ⇐⇒ lim Mn (t) = M (t) n→∞ ∀ t : | t | < t0 . Beispiel 6.4. (Gesetz der großen Zahlen ) X1 , X2 , . . . seien i.i.d. mit momenterzeugender Funktion M1 (t) = E exp(tX1 ) < ∞ ( | t | < t0 ) , insbesondere existieren a := EX1 , m2 := EX12 . Über eine Taylor-Entwicklung von M1 erhält man für n ≥ n0 : n t on Mn (t) := EetX n = M1 n n t t2 on t ′′ ′ ( | τn | < ) = M1 (0) + M1 (0) + M1 (τn ) 2 n 2n n n 1 on at = 1+ +o −→ eat (t ∈ R) (n→∞) n n =⇒ D X n −→ a (n → ∞) =⇒ P X n −→ a (n → ∞) . Im Beispiel 6.1 b) B(n, p) ≈ πλ erhält man keine Grenzwertverteilung, falls p ∈ (0, 1) fest bleibt. Betrachtet man jedoch die standardisierten Variablen Zn − EZn Zn − np Zn∗ = p = p , V ar(Zn ) np(1 − p) so erhält man wieder eine Grenzverteilung. Dies ergibt sich als Spezialfall aus : 63 Satz 6.4. (Zentraler Grenzwertsatz ) X1 , X2 , . . . sei eine Folge von reellen , i.i.d. ZV. mit momenterzeugender Funktion M1 (t) = E exp(tX1 ) < ∞ , | t | < t0 (> 0) , EX1 =: a und 0 < V ar(X1 ) =: σ 2 (< ∞) . Dann gilt : Zn := n X i=1 Xi − na √ nσ 2 = √ n Xn − a σ D −→ (n→∞) Z, wobei PZ = N (0, 1) . Bemerkung 6.4. Der Zentrale Grenzwertsatz gilt auch ohne die Voraussetzung der Existenz der momenterzeugenden Funktion . Es genügt (z.B.) : {Xi }i=1,2,... i.i.d. mit EX1 = a , 0 < V ar(X1 ) =: σ 2 < ∞ . Abschließend stellen wir noch einige Rechenregeln für den Umgang mit den eingeführten Grenzwertbegriffen zusammen (vgl. Übungen) : {Xn } , X bzw. {Yn } , Y seien reelle ZV. auf (Ω, A, P ) , a ∈ R sei konstant. Dann gilt : D 1) Xn −→ X =⇒ (n→∞) a) Xn + a b) aXn D P (n→∞) (n→∞) 2) Xn −→ X , Yn −→ a =⇒ a) Xn + Yn b) Xn Yn c) Xn /Yn D −→ X + a, −→ aX ; (n→∞) D (n→∞) D −→ X + a, −→ aX , −→ X/a (n→∞) D (n→∞) D (n→∞) [ a 6= 0 ] ; 3) Falls Xn , Yn unabhängig sind (∀ n) , so gilt : D D (n→∞) (n→∞) Xn −→ X , Yn −→ Y =⇒ a) Xn + Yn b) Xn Yn c) Xn /Yn D −→ X +Y , −→ XY , −→ X/Y (n→∞) D (n→∞) D (n→∞) [ P (Y 6= 0) = 1 ] . Auf die Unabhängigkeit von Xn , Yn in 3) kann i.A. nicht verzichtet werden . 64 Beispiel 6.5. {Xi }i=1,2,... seien reelle , i.i.d. ZV. auf (Ω, A, P ) . Dann gilt : Falls n 1X P X n := Xi −→ a ; (n→∞) n i=1 a) EX1 = a existiert , so folgt : n b) V ar(X1 ) = σ 2 existiert , so folgt : c) 0 < V ar(X1 ) = σ 2 < ∞ , so folgt : Sn2 1X P := (Xi − X n )2 −→ σ 2 ; (n→∞) n i=1 n X Xi − na Zn := wobei PZ = N (0, 1) . D i=1 −→ p nSn2 (n→∞) Z, Bemerkung 6.5. a) Es gilt allgemein (vgl. Wahrscheinlichkeitstheorie“ ) , dass P ” stochastische bzw. Verteilungskonvergenz unter stetigen Abbildungen h : R1 → R1 erhalten bleibt , d.h. P Xn −→ X (n→∞) D Xn −→ X (n→∞) P =⇒ h(Xn ) −→ h(X) =⇒ h(Xn ) −→ h(X) . (n→∞) bzw. D (n→∞) b) Die Aussage im Beispiel 6.5 c) gestattet es , einen asymptotischen Konfidenzbereich“ ” für den Parameter a anzugeben , denn es gilt : √ | Xn − a | ≤ z0 ≈ P | Z | ≤ z0 , P n p Sn2 also r r Sn2 Sn2 P X n − z0 ≤ a ≤ X n + z0 ≈ P | Z | ≤ z0 ; n n z.B. für z0 = 1, 2, 3 : P | Z | ≤ z0 = 0.6827 , 0.9545 , 0.9973 . 65