Theoretische Physik fürs Lehramt: L2 Beatrix C. Hiesmayr Faculty of Physics, University Vienna [email protected] WS 2015 Kapitel 8 Die Schrödingergleichung und ihre Lösungen Nun sind wir bereit uns mit der Gleichung zu beschäftigen, die das Verhalten von Quantenteilchen beschreibt. Sie ist die Bewegungsgleichung für Quantenteilchen wie die Newton Gleichungen für die klassischen Teilchen. 8.1 Wie “errät” man die Schrödingergleichung? (I) Wir stellen uns hier die Frage, wie sich Zustände in der Zeit verändern. Dazu präparieren wir einen bestimmten Zustand ψ zum Zeitpunkt t1 , dann warten wir eine Zeitspanne bis t2 . Der Zustand wird sich dabei in ϕ geändert haben. Solch eine Veränderung eines Zustandes hatten wir auch durch einen Apparat (Abschnitt 3.4) erreicht. Dabei hatten wir gesehen, dass das Quadrat der Amplitude ⟨ϕ|U (t2 , t1 )|ψ⟩ (8.1) messbar ist. U stellt dabei den Effekt des Wartens von ∆t = t2 − t1 dar (U ist ein Operator, wir lassen hier aber den Hutˆweg). Wie jede andere von solchen Amplituden kann man sie in der einen oder anderen Basis darstellen (Sie sehen Basistransformationen sind ein wichtiges Werkzeug in der QM) ∑ ⟨ϕ|bj ⟩⟨bj |U |ak ⟩⟨ak |ψ⟩ . (8.2) jk Dabei ist U vollständig durch Angabe des ganzen Amplitudensatzes der Matrix ⟨bj |U (t2 , t1 )|ak ⟩ (8.3) beschrieben. Wir hätten natürlich gleich mit den Basiszuständen einer Basis beginnen können. Weiters werden wir falls wir noch länger warten (bis t3 ) fordern, dass sich die längere Wartezeit als Produkt aus den zwei kürzeren ergibt U (t3 , t1 ) = U (t3 , t2 ) · U (t2 , t1 ) . (8.4) Wir gehen das Problem also wie so oft in der Physik dadurch an, dass wir die Veränderung für ein sehr kleines Zeitintervall berechnen. Welchen Zustand haben wir nach einer kurzen Zeit: |ψ(t + ∆t)⟩ = U (t + ∆t, t)|ψ(t)⟩ . 101 (8.5) Kapitel 8. Die Schrödingergleichung und ihre Lösungen Multiplizieren wir die Gleichung mit ⟨bj | erhalten wir ⟨bj |ψ(t + ∆t)⟩ = ⟨bj |U (t + ∆t, t)|ψ(t)⟩ bzw. ⟨bj |ψ(t + ∆t)⟩ = ∑ ⟨bj |U (t + ∆t, t)|bk ⟩⟨bk |ψ(t)⟩ . (8.6) (8.7) k Dabei können die komplexen Koeffizienten Ujk = ⟨bj |U (t + ∆t, t)|bk ⟩ (8.8) als Matrix aufgefasst werden. Über U wissen wir nur, dass im Falle ∆t −→ 0 sollte U −→ 1. D.h. für kleine . Zeitintervallen können wir ansetzen (f (x) = f (x0 ) + f ′ (x0 )(x − x0 ) + . . . )) Ujk = δjk − i Hjk ∆t . ~ (8.9) Dabei ist der Faktor ~i hier willkürlich gewählt (wird aber Sinn machen :-). Setzen wir diese Näherung ein ⟨bj |ψ(t + ∆t)⟩ = ⟨bj |ψ(t)⟩ − i∑ Hjk ⟨bk |ψ(t)⟩ ∆t ~ (8.10) k und formen um i~ ∑ ⟨bj |ψ(t + ∆t)⟩ − ⟨bj |ψ(t)⟩ Hjk ⟨bk |ψ(t)⟩ . = ∆t (8.11) k Das ist nichts anderes als die Ableitung falls ∆t −→ 0 i~ ∑ d⟨bj |ψ(t)⟩ = Hjk ⟨bk |ψ(t)⟩ . dt (8.12) k Damit haben wir die Zeitentwicklung der Entwicklungskoeffizienten (=Amplituden) des beliebigen Zustandes ψ in der Basis b gefunden. Formal können wir dieses wieder “weg” -multiplizieren und erhalten die berühmte Schrödingergleichung, die die Zeitentwicklung eines beliebigen Zustandes beschreibt, soweit man den Hamiltonian H kennt/errät i~ d |ψ(t)⟩ = H |ψ(t)⟩ . dt (8.13) Die formale Lösung können wir auch gleich angeben (bzw. falls H nicht explizit von der Zeit abhängt), dazu schreiben wir die Schrödingergleichung für Wellenfunktionen an i~ d ψ(x, t) = H ψ(x, t) , dt (8.14) dψ = H dt . ψ (8.15) und trennen die Variablen: i~ Integriert ergibt das ln ψ = −i H ·t+C ~ 102 (8.16) 8.2. Wie “errät” man die Schrödingergleichung? (II) und damit ψ(x, t) = ψ(x, 0) · e− ~ H·t . i (8.17) D.h., kennt man die Wellenfunktion zum Zeitpunkt t = 0, so gibt die Schrödingergleichung die Wellenfunktion zu einem späteren Zeitpunkt an. Sie beschreibt insbesondere die Zeitentwicklung eines Systems ohne äußere Störung, also insbesondere ohne Messung einer Observablen des Systems. Daher wird die Zeitentwicklung durch einen unitären Operator beschrieben und der Hamiltonian ist hermitisch. 8.2 Wie “errät” man die Schrödingergleichung? (II) Die von de Broglie aufgestellte Theorie der Wellen-Natur eines Teilchens wird nun zur Erforschung ihrer Konsequenzen mathematisch untersucht. Dabei werden wir erkennen, wie Schrödinger die nach ihm benannte Gleichung erraten hat können. Wir verwenden dazu die de Broglie Beziehung E = ~ ω und p = ~ k, weiters die klassische Gleichung für p2 die kinetische Energie E = 2m und das Superpositionsprinzip. Zunächst betrachten wir eine Welle eines Teilchens mit scharfer Energie und scharfen Impuls (1 dimensional) i ψ(x, t) = e ~ (px−Et) = ei(kx−ωt) . (8.18) Um Wellenpakete zu erhalten, muss man nur diese Wellen mit unterschiedlichen Impulsen oder Energie superponieren. Nun stellt sich die Frage: Welche Wellengleichung kann so eine Welle zur Lösung haben und auch für die Überlagerung, also Wellenpakete, gelten ? Wie in der klassischen Mechanik, können wir uns anschauen, wie die Veränderung in der Zeit ausschaut: i ∂ i ∂ i (px−Et) = (− E) · e ~ (px−Et) . ψ(x, t) = e~ ∂t ∂t ~ (8.19) Diese Gleichung multiplizieren wir mit i~ und verwenden den klassischen Zusammenhang für E und p: i~ ∂ p2 ~2 k 2 ψ(x, t) = E · ψ(x, t) = · ψ(x, t) = · ψ(x, t) . ∂t 2m 2m (8.20) Der Wellenzahl-Vektor k kann verschieden Werte annehmen und ist im Allgemeinen auch nicht scharf. Daher möchten wir ihn eliminieren, d.h. durch einen Operator ersetzen, der ihn aus einem gegebenen ψ erzeugt. Dazu differenzieren wir partiell nach x: ∂ ∂ i(kx−ωt) ψ(x, t) = e = ik · ei(kx−ωt) = ik · ψ(x, t) ∂x ∂x (8.21) ∂2 ψ(x, t) = (ik)2 ψ(x, t) = −k 2 · ψ(x, t) . ∂x2 (8.22) und noch einmal Mit der vorigen Gleichung zusammen erhalten wir die Schrödingergleichung für ein freies Teilchen: i~ ∂ h2 ∂ 2 p̂2 ψ(x, t) = − ψ(x, t) = ψ(x, t) , ∂t 2m ∂x2 2m (8.23) ∂ verwendet haben. Dies ist eine Differentialgleichung. Kennt man wobei wir im letzten Schritt p̂ = i~ ∂x zwei Lösungen, dann ist auch jede Superposition eine Lösung. Damit gilt diese Wellengleichung für beliebige 103 Kapitel 8. Die Schrödingergleichung und ihre Lösungen Wellengruppen, denn alle Wellen sind — sogar eindeutig — als Überlagerung von Wellen mit scharfen Impuls darzustellen (Fourier Zerlegung). Wir wissen, dass der (klassische) Hamiltonian eines freien Teilchens nichts anderes ist als seinen kinetische Energie: H = p2 . 2m (8.24) Daher bekommen wir die obige Gleichung auch dadurch, dass wir H in einen Operator umwandeln (das so genannte Korrespondenzprinzip): i~ ∂ ψ(x, t) = Ĥ ψ(x, t) . ∂t (8.25) In der klassischen Mechanik (L1) haben wir gesehen, dass für ein Teilchen in einem äußeren (konservativen) Kraftfeld der Hamiltonian H = p2 + V (x) 2m (8.26) das System beschreibt. Daher können wir vermuten, dass die folgende Gleichung i~ ∂ p̂2 ψ(x, t) = Ĥ ψ(x, t) = ( + V (x̂)) ψ(x, t) ∂t 2m (8.27) die richtige Wellengleichung für ein Quantenteilchen in einem Potential ist. Wie die vielen Experimente zeigen, ist die obige Gleichung die gewünschte Bewegungsgleichung für Quantenteilchen. Bemerkung: Falls man nicht gerade die klassische Mechanik mit der Quantenmechanik vergleicht, lässt man den Hut beim Hamiltonian weg. Der Kraftbegriff, der in der Newtonphysik das zentrale Konzept war, hatten wir in der L1 bereits für ⃗ (⃗x). In der Quantenmechanik ist konservative Kräfte ersetzt durch das Konzept eines Potentials F⃗ = −∇V diese Hilfsgröße Potential das zentrale Konzept und wie bei den überraschenden Experimenten von Aharanov und Bohm gezeigt wurde, ist es nicht nur ein Hilfskonzept. Der Hamiltonoperator Ĥ kann also als Zusammenfassung all der Operationen verstanden werden, die mit der rechts davon stehenden Wellenfunktion durchzuführen sind. Einerseits gibt der Hamiltonoperator die Energie des Teilchens an. Wenn diese scharf ist, multipliziert er mit dem genauen Wert. Ist das nicht der Fall, kann man mit Hilfe des Hamiltonoperators den Erwartungswert ⟨H⟩ψ berechnen, der dann bei Messungen den Mittelwert der Ergebnisse einer Messreihe entspricht. Andererseits erzeugt er die Zeitentwicklung. Beide Aspekte sind analog zu denjenigen der Hamiltonfunktion (Lagrangefunktion) der klassischen Physik. In 3 Dimension ist eine ebene Welle gegeben durch ⃗ ei(k·⃗x−ωt) . (8.28) Welche Wellengleichung, die 3 dimensionale Schrödingergleichung, muss diese erfüllen (siehe UE)? 8.3 Die stationäre Schrödingergleichung Beschäftigen wir uns analog zur L1 mit dem Problem eines Körpers in einem konservativen Kraftfeld (Zweikörperproblem). Wir hatten gesehen, dass es im Prinzip zwei Lösungstypen für die Gravitations– oder Elektromagnetischekraft gab, gebundene und nicht gebundene Bewegungen. Ausschlaggebend dabei war der Wert der Gesamtenergie des Systems, bzw. der Hamiltonian, der sich aus dem kinetischen Anteil und dem potentiellen Anteil zusammensetzt. Im Zentralpotential hatten wir H = p⃗ 2 + V (|⃗r|) 2m 104 (8.29) 8.3. Die stationäre Schrödingergleichung und “übersetzt” in die QM erhalten wir Ĥ = p⃗ˆ 2 + V (|⃗rˆ|) 2m (8.30) oder in der Ortsdarstellung Ĥ = − ~2 ∆ + V (|⃗r|) . 2m (8.31) Die Bewegungsgleichung ist dann durch die Schrödingergleichung i~ ∂ ψ(⃗r, t) = Ĥ ψ(⃗r, t) ∂t (8.32) gegeben. Dabei gilt natürlich, dass die Wellenfunktion die Lösung für die Relativbewegung beschreibt. Wenn man Zweikörperprobleme wie die Elektron–Proton Wechselwirkung oder die Elektronenstreuung an einem schweren Target betrachtet, bei denen ein Teilchen eine erheblich größere Masse als das andere besitzt, ist die Relativbewegung fast mit der Bewegung des leichteren Teilchens identisch (wie wir aus L1 wissen). Aber auch wenn dies nicht der Fall ist, wie im Falle eines Deuterons, das aus fast gleich schweren Teilchen besteht, birgt dies keine grundsätzliche Schwierigkeit. Da der Hamiltonian hier nicht explizit von der Zeit abhängt, können wir einen sehr praktischen Separationsansatz machen ψ(⃗r, t) = ψ(⃗r) · ϕ(t) , (8.33) der Raum- und Zeitabhängigkeit trennt. Wir erhalten ∂ ϕ(t) = ϕ(t)Ĥψ(⃗r) ∂t ∂ i~ ∂t ϕ(t) Ĥψ(⃗r) = ϕ(t) ψ(⃗r) i~ ψ(⃗r) · ⇒ (8.34) Da die rechte Seite nicht von der Zeit t und die linke Seite nicht vom Ort ⃗r abhängt, muss ihr gemeinsamer Wert eine Konstante sein, die wir mit E bezeichnen wollen und wir erahnen schon warum :-) Wir haben also zwei getrennte Differentialgleichungen erhalten i~ ∂ ϕ(t) = E ϕ(t) ∂t Ĥψ(⃗r) = E ψ(⃗r) . (8.35) (8.36) Die erste Gleichung lässt sich sofort lösen, z.B. ϕ(t) = e− ~ Et . i (8.37) Das Vorzeichen ist im Prinzip Konventionssache und wird so gedeutet, dass sich das Teilchen in der Zeit vorwärts bewegt. Die zweite Gleichung ist die so genannte stationäre Schrödingergleichung. Natürlich ist der Separationsansatz keines Falls zwingend und man erhält nur spezielle Lösungen damit, aber sie ist die Eigenwertgleichung für den Hamiltonoperator und damit die Gleichung, die uns sagt, welche Energiewerte quantenmechanisch erlaubt sind, damit ist diese Gleichung ein zentraler Ausgangspunkt. 105 Kapitel 8. Die Schrödingergleichung und ihre Lösungen Abbildung 8.1: Hier sind die möglichen Lösungen skizziert. 8.3.1 Gebundene Zustände und Streuzustände Machen wir einmal eine mathematische Analyse der stationären Schrödingergleichung. Die Energieeigenwerte der Gleichung (8.36) müssen als physikalisch messbare Größen reell sein. Mathematisch ergibt sich das durch die Hermitizität des Hamiltonoperators. Multiplizieren wir (8.36) mit ψ ∗ von links und Integration über den ganzen Raum erhalten wir ∫ E = ψ ∗ (⃗r) Ĥ ψ(⃗r)d3 x ⟨ψ| Ĥ |ψ⟩ ∫ = . ⟨ψ|ψ⟩ ψ ∗ ψd3 x (8.38) Das im Nenner auftretende Integral muss nach der Wahrscheinlichkeitinterpretation eins sein, dadurch würde die Formel sich vereinfachen, jedoch ist es manchmal aus rechentechnischen Gründen nützlich die Normierung zunächst einmal offen zu lassen. Auf jeden Fall muss für die Gültigkeit der oberen Gleichung gelten, dass das auftretende Integral existiert, d.h. das Integral ∫ ψ ∗ (⃗r)ψ(⃗r)d3 r < ∞ (8.39) muss konvergieren. Diese Bedingung kann aber schon aus physikalischen Gründen nicht immer erfüllt werden. Aus der Mechanik wissen wir, dass es im Wesentlichen zwei Typen von Bewegung gibt. Beim ersten Typ bleibt das Teilchen zu allen Zeiten in der Nähe des Kraftzentrums. Man hat es mit gebundenen Zuständen zu tun. Diese Situation liegt vor, wenn die kinetische Energie des Teilchens zu klein ist, um gegen die Wirkung des Kraftfeldes ins Unendliche zu entweichen. Beim zweiten Bewegungstyp kommt das Teilchen von “weit her” auf das Kraftzentrum zu und läuft nach der Wechselwirkung wieder ins Unendliche weg. Es liegt ein Streuzustand vor. In der Mikrophysik sind solche Typen auch realisiert, an der Existenz des obigen Integrals kann man in fest machen. Falls das Integral konvergiert, muss die Wahrscheinlichkeitsdichte für r −→ ∞ verschwinden und das Teilchen kann sich nicht ins Unendliche entfernen. Die Existenz des Integrals kennzeichnet also einen gebundenen Zustand. Damit andererseits das Teilchen entweichen kann, muss quantenmechanisch die Wahrscheinlichkeitsdichte für große Abstände endlich bleiben 2 lim |ψ(⃗r, t)| r→∞ = endlich . 106 (8.40) 8.3. Die stationäre Schrödingergleichung Das Integral konvergiert nicht und die Formel (8.38) kann nicht angewendet werden, man muss direkt auf die Eigenwertgleichung zurückgreifen. Damit beschäftigt sich die Streutheorie, auf die wir hier nicht weiter eingehen können. Wir wollen uns jetzt mit in der Physik typischerweise auftretenden Potentialen und deren Lösungen beschäftigen. 8.3.2 Die Schrödingergleichung für radialsymmetrische Probleme Für eine freies Teilchen ist der Hamiltonian H0 = p⃗ˆ 2 2m (8.41) oder in der Ortsdarstellung Ĥ0 = − d2 d2 ~2 ~2 d2 ( 2 + 2 + 2 ) = − ∆, 2m d x d y d z 2m (8.42) wobei ∆ der bekannte Laplace–Operator in kartesischen Koordinaten ist. Da wir radialsymmetrische Probleme betrachten werden, wählen wir Kugelkoordinaten wählen. Der Laplace–Operator in Kugelkoordinaten (r, θ, ϕ) lautet ∆ = = 1 ∂ 2 ∂ 1( 1 ∂ 1 ∂ 1 ∂2 ) r + 2 + 2 r ∂r ∂r r sin θ ∂θ sin θ ∂θ sin2 θ ∂ϕ2 ⃗2 1 L 1 ∂2 r − r ∂r2 r 2 ~2 (8.43) mit dem Drehimpulsoperator ˆ × p⃗ˆ = (−i~) ⃗x × ∇ ⃗ = ⃗x ⃗ = (−i~) εijk xj L ∂ . ∂xk (8.44) Den Beweis, dass der Anteil von den beiden Winkeln θ, ϕ in den Drehimpulsoperator umgeschrieben werden kann, erbringen wir später (Kapitel 8.9.2), bzw. kann man leicht nachrechnen. Dieser Term ist nichts anderes als der Zentrifugalterm, den wir aus der klassischen Mechanik kennen (siehe L1). Hierbei wurde der Drehimpuls mit Hilfe des Korrespondenzprinzips in einen quantenmechanischen Operator umgewandelt. Damit lautet die Schrödingergleichung: (H0 + V (r)) ψ(⃗r) = E ψ(⃗r) (−~2 ∆ + V (r)) ψ(⃗r) = E ψ(⃗r) ( ) ~2 1 ∂ 2 1 ⃗2 − r+ L + V (r) ψ(⃗r) = Eψ(⃗r) 2 2m r ∂r2 2mr | {z } (8.45) Ve f f wobei der Drehimpulsterm (“Zentrifugalterm” zusammen mit dem Potential, das so genannte effektive Potential bildet). Für rotationsinvariante Probleme haben wir keine Abhängigkeit von den Winkeln θ, ϕ, d.h. wir können einen Separationsansatz machen ψ(⃗r) = u(r) · Yl,m (θ, ϕ) . r (8.46) Die Funktionsabhängigkeit von θ, ϕ können wir zunächst mal vergessen. Ein kleiner Vorgriff: Wir werden ⃗ 2 Yl,m = ~2 l(l + 1) Yl,m ergeben wird, also eine Konstante l(l + 1). Zunächst gehen wir im sehen, dass L folgenden das Problem für l = 0 an. 107 Kapitel 8. Die Schrödingergleichung und ihre Lösungen Abbildung 8.2: Welche Lösungen erwarten wir für ein Teilchen, das in einer Box eingesperrt ist? In der zweiten Abbildung sind Schwingungslösungen für ein Seil mit der Randbedingung, dass es am Rand einen Knoten bilden soll. Die Schrödingergleichung, die wir im Folgenden behandeln, lautet damit für drehsymmetrische Wellenfunktionen ψ(|⃗r|) = ψ(r) = u(r) r { } { } ~2 1 d2 Ĥ0 + V (r) ψ(r) = − r + V (r) ψ(r) = E ψ(r) , (8.47) 2m r dr2 bzw. u′′ (r) + ) 2m ( E − V (r) u(r) = 0 . 2 ~ (8.48) Damit die Normierungsbedingung erfüllt ist, muss die Randbedingung lim u(r) = 0 r→∞ (8.49) für gebundene Zustände und darüber hinaus muss für gebunden und Streuzustände gelten lim u(r) = 0 . r→0 (8.50) Insgesamt genügt u(r) einer Differentialgleichung mit reellen Koeffizienten 2m ~2 (E − V (r)) und reellwertigen Randbedingungen. Aus diesen Gründen kann die Lösung u(r) ganz im Bereich der reellen Zahlen gewonnen werden, und wir können in Zukunft u(r) als reellwertige Funktion voraussetzen. Im Folgenden beschränken wir uns auf radialsymmetrische Problem, d.h. unsere physikalisches Problem ist drehinvariant. 8.4 Das Kastenpotential Das Kastenpotential ist neben dem harmonischen Oszillator eines der wichtigsten Modell-Potentiale, an dem man sieht, wie eine Schrödingergleichung zu lösen ist. Das Potential ist aber auch eine gute Näherung, um das Potential für einen Kern zu beschreiben, siehe Figur 8.3. Eine direkte physikalische Anwendung finden die gewonnen Ergebnisse also bei Problemen mit kurzreichweitigen Kräften, etwa der Beschreibung des Bindungszustandes von einem Proton und Neutron in einem Deuteron. 108 8.4. Das Kastenpotential Abbildung 8.3: Um die physikalische Situation, denen die Kernteilchen ausgesetzt sind, beschreiben zu können, kann das obige Potential als erste Näherung hergenommen werden. Ein klassisches Teilchen, das eine Energie niedriger als die Potentialschwelle hat, kann niemals entweichen. Für eine Quantenteilchen besteht hingegen eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass es die Potentialschwelle durchtunnelt, weil die Aufenthaltswahrscheinlichkeit im klassisch verbotenen Bereich nicht Null ist. Das Kastenpotential sei durch die folgende Funktion gegeben: V (r) = −V0 θ(a − r) , (8.51) d.h. für Werte des Radius aus [0, a} ist das Potential −V0 sonst null. Die Funktion θ(x) wird Stufenfunktion oder Heaviside-Funktion genannt und kann folgendermaßen definiert werden: 1 x>0 c x=0 , θ(x) = 0 x<0 (8.52) wobei c allgemein einen Zahlenwert im Intervall zwischen 0 und 1 annehmen kann. Wir haben o.B.d.A. c = 0 gewählt. ⃗ verschwindet nur Dieses Potential sieht auf den ersten Blick sehr unphysikalisch aus. Die Kraft F⃗ = −∇V am Rand nicht, hat dort jedoch einen unendlichen Wert. Für die Lösungen der Schrödingergleichung kann man jedoch aus dem Studium dieses Falles viel lernen, weil man die Lösungen leicht explizit aufschreiben kann. Betrachten wir zunächst Energien E mit −V0 < E < 0 . 109 (8.53) Kapitel 8. Die Schrödingergleichung und ihre Lösungen Wir können also zwei Bereiche, I und II, unterscheiden. D.h. wir haben für beide Bereiche zwei unterschiedliche Differentialgleichungen zu lösen: Bereich I: u′′I + k 2 uI = 0 mit Bereich II: u′′II − κ2 uII = 0 k2 = mit κ2 2m (E + V0 ) ~2 2m = 2 (−E) . ~ Die Größen k 2 , κ2 sind durch unsere Wahl der Energie E beide positiv und wir wählen weiters √ 2m k = (E + V0 ) > 0 ~2 √ 2m (−E) > 0 . κ = ~2 (8.54) (8.55) (8.56) Die allgemeinen Lösungen dieser Differentialgleichungen in beiden Bereichen sind uns bekannt. uI (r) = A1 eikr + A2 e−ikr uII (r) = B1 e−κr + B2 e+κr . (8.57) Damit für den Bereich I die Randbedingung u(0) = 0 zutrifft, folgt A1 = −A2 . Setzen wir A = 2iA1 , so erhält man für 0 ≤ r ≤ a uI (r) = A sin(kr) . (8.58) Analog muss im Bereich II die Randbedingung u(∞) = 0 erfüllt sein, daher muss B2 = 0 sein. Damit haben wir die Lösung für Bereich II für r ≥ a (B1 = C): uII (r) = C · e−κr . (8.59) Neben der Forderung durch die Randbedingungen müssen wir außerdem noch verlangen, dass die zwei Funktionen, uI und uII , am Punkt r = a stetig differenzierbar zusammenhängen, dass also gilt (so genannte Anschlussbedingungen): uI (a) = u′I (a) = uII (a) u′II (a) . (8.60) (8.61) Diese Bedingung müssen wir fordern, da die Wellenfunktion ψ des System einmal differenzierbar sein muss, ⃗ definiert ist. In der zweiten Ableitung u′′ tritt jedoch ein um sicherzustellen, dass der Impuls p⃗ = ~i ∇ Sprung auf, der auf der unphysikalischen Sprungfunktion θ(a − r) des Kastenpotentials beruht. 110 8.4. Das Kastenpotential Damit die Anschlussbedingungen erfüllt sich, müssen die zwei folgenden Gleichungen gelten = C e−κa = −κC e−κa A sin(ka) kA cos(ka) (8.62) oder tan(ka) = − mit k0 = 2m ~ 2 V0 . k k = −√ 2 κ k0 − k 2 (8.63) Durch unsere Energie-Einschränkung gilt 0 ≤ k ≤ k0 . (8.64) Diese transzendente Gleichung kann man numerisch oder auch graphisch gelöst werden: Die Lösungen ergeben sich als Schnittpunkte der Tangensfunktionen mit der Funktion − √ k , k02 −k2 die bei k = k0 negativ unendlich wird. Daher existieren nur endlich viele Lösungen kn mit n = 1, 2, . . . , N . Damit haben wir die folgenden Energiewerte gefunden: En = −V0 + ~2 2 k . 2m n (8.65) Die Indizes n ∈ 1, 2, . . . , N werden Hauptquantenzahlen genannt (bei Atomen sind es die Schalen (siehe Kapitel 8.9!). 111 Kapitel 8. Die Schrödingergleichung und ihre Lösungen Für E = −V0 , d.h. k = 0, erhalten wir die triviale Lösung uI (r) = 0 und damit auch uII (r) = 0. Mit wachsenden Potentialtiefe V0 (k0 ) nimmt die Zahl der erlaubten Wellenfunktionen und damit der k erlaubten Energiewerte En zu, da sich die Unendlichkeitsstelle k0 von − k2 −k 2 zu immer größeren k–Werten 0 hin verschiebt. Schauen wir uns einmal die zu den niedrigsten (nicht-entarteten) Energiewerten gehörigen Eigenfunktionen an Bereich I: Bereich II: un (r) = An sin(kn r) für −κn r un (r) = Cn e für 0≤r≤a r≥a (8.66) (8.67) Für die Quantenmechanik kennzeichnend ist, dass diese Eigenfunktionen u(r) auch für r > a nicht verschwinden! Je tiefer En liegt, je größer also die Bindungsenergie ist, um so schneller verschwindet die Wellenfunktion in den klassisch verbotenen Bereich. Daher kann es falls, dass Potential für r > a irgendwann wieder negativ wird, zum so genannten Tunneln kommen (zum Beispiel α Zerfall; siehe Abbildung 8.3)! Es gibt also einen endliche nicht verschwindende Aufenthaltswahrscheinlichkeit |ψ(x)|2 für den klassische verbotenen Bereich! Für einen unendlich hohes Kastenpotential wäre keine Lösung außerhalb des Kastens möglich: 112 8.5. Das Stabilitätstheorem Bemerkung: Klassisch wissen wir, dass für Energien kleiner als das Potential E < −V0 (8.68) zu negativen kinetischen Energien führen, daher unsinnig sind. Wie sieht es in der Quantentheorie aus, führen Energien kleiner als das Potential überhaupt zu Lösungen der Schrödingergleichungen im Bereich I? In der Tat findet man für den Bereich I Lösungen, dabei wird die Wellenzahl k imaginär. Jedoch kann man diese Lösung des Bereiches I nicht stetig differenzierbar mit der exponential Lösung aus Bereich II verbinden. D.h. es existiert für diesen Fall keinen Eigenfunktionen der Schrödingergleichung und es gibt keine Energieeigenwerte, die kleiner als −V0 sind. 8.5 Das Stabilitätstheorem Wie wir aus den vorigen Abschnitt erkennen können, ist die Existenz eines tiefsten Eigenwertes des Hamiltonoperators keine selbstverständliche Tatsache. Sie ist aber für die Stabilität der Atome und damit für die Existenz unserer Welt eine entscheidende Voraussetzung. Im Abschnitt 7.7.4 haben wir bereits eine semi–quantitative Diskussion der Stabilität der Atome mit Hilfe der Unschärferelation erörtert. Den dort verfolgten Gedankengang wollen wir jetzt wellenmechanisch genau durchführen. 113 Kapitel 8. Die Schrödingergleichung und ihre Lösungen Das Problem liegt darin, dass das Potential H = − ~2 ∆ + V (r) 2m (8.69) für r → 0 so stark attraktiv sein könnte, dass ein Teilchen “unwiderstehlich” in das Kraftfeld hineingezogen wird. Die Unschärferelation wirkt dem entgegen, aber bei zu stark anwachsenden Potentialen mag dies nicht mehr helfen. Um diese Frage zu untersuchen, betrachten wir den Erwartungswert der Energie in einem beliebigen Zustand ∫ −~2 ∆ + V (r)} ψ(⃗r)d3 r . (8.70) ⟨H⟩ = ψ ∗ (⃗r){ 2m Damit ein tiefster Energie-Eigenwert existiert, muss dieser Erwartungswert für alle ψ endlich sein, die der Normierungsbedingung genügen. Es besteht die Gefahr, dass ∫ ψ ∗ (⃗r) V (r) ψ(⃗r) d3 r (8.71) für Potentiale der Form V ∼− const. rm (8.72) mit const > 0 für genügend großes m negativ unendlich wird. Der erste Term vom Erwartungswert der Energie, der kinetische Anteil, könnte dennoch diesen Erwartungswert wieder endlich machen. Um zu erkennen, unter welchen Umständen dies geschieht, formen wir zunächst den Erwartungswert der kinetischen Energie mit Hilfe einer partiellen Integration um (oder wir erinnern uns, dass p̂ ein hermitischer Operator ist: ∫ ∫ ~2 ~2 ⃗ r)|2 d3 r . − ψ ∗ (⃗r) ∆ ψ(⃗r)d3 r = |∇ψ(⃗ (8.73) 2m 2m Jetzt benützen wir eine Ungleichung, die wir hier nicht beweisen werden: ∫ ∫ 1 ⃗ r)|2 d3 r ≥ 1 |∇ψ(⃗ |ψ(⃗r)|2 d3 r . 4 r2 Damit können wir den Erwartungswert der Energie nach unten abschätzen: ∫ ~2 1 ⟨H⟩ ≥ ψ ∗ (⃗r){ + V (r)}ψ(⃗r)d3 r . 8m r2 Offenbar darf hier V (r) nicht stärker als besitzt. Setzen wir voraus, dass 1 r2 ~2 8m (8.75) negativ werden, damit dieser Ausdruck einen untere Schranke V (r) ≥ − mit a < (8.74) a +b r2 (8.76) und beliebigen b gilt, so folgt ∫ ⟨H⟩ ≥ ψ ∗ (⃗r){( ~2 1 − a) 2 ψ(⃗r)d3 r + b 8m r ∫ |ψ(⃗r)|2 d3 r . (8.77) Der erste Ausdruck ist nach Voraussetzung positiv und der zweite Ausdruck ergibt die beliebige Konstante b. 114 8.6. Der harmonischer Oszillator Das Stabilitätstheorem zeigt damit, dass falls das Potential V (r) ≥ − ~2 +b 8mr2 (8.78) ist, dass die Erwartungswerte ⟨H⟩ und damit die Energie-Eigenwerte E nach unten beschränkt sind. Bei der semi-quantitativen Argumentation in Abschnitt 7.7.4 zur Stabilität der Atome hatten wir die Unschärferelation p ≥ ~/2r (den Faktor 2 hatten wir durch 1 ersetzt) zur Abschätzung des Erwartungswertes der Energie benützt ⟨H⟩ = E = ~2 p⃗ 2 + V (r) ≥ + V (r) . 2m 8mr2 (8.79) Damit haben wir die halbklassische Abschätzung auf eine exakte quantenmechanische Grundlage gestellt. 8.6 Der harmonischer Oszillator Es war leicht, die Schrödingergleichung für das Kastenpotential zu lösen (noch einfacher lässt sich das eindimensionale Kastenpotential lösen −→ siehe UE). Im Folgenden wollen wir andere typische Potentiale behandeln. Dabei wird gleich deutlich werden, dass es keinen “Königsweg” gibt, auf dem man die Schrödingergleichung wenigstens für eine große Klasse von Potentialen lösen kann. Selbst bei analytisch lösbaren Gleichungen wird man schnell auf “spezielle” Funktionen der Mathematik geführt, die nicht durch elementare Funktionen — wie die Exponentialfunktion oder die trigonometrischen Funktionen — ausgedrückt werden können. Allerdings das Grundkonzept ist gleich, man muss die n Eigenwerte der Energie finden und ihre dazugehörigen Eigenfunktionen. Die wichtigsten Potentiale in der Physik sind das harmonische Oszillatorpotential V (r) ∼ r2 und das Coulomb–Potential V (r) ∼ − 1r . Sie unterscheiden sich qualitative durch ihr Verhalten für große und kleine Abstände r. Das Coulombpotential strebt für r −→ ∞ nach Null. Potentiale mit dieser Eigenschaft werden auch als asymptotisch frei bezeichnet. Das Oszillatorpotential hingegen übersteigt für große r alle Grenzen, es ist ein Beispiel für ein Potential mit Confinement. Eine Teilchen bleibt unter seinem Einfluss für alle Zeiten eingesperrt (=confined). Diese Eigenschaft teilt das Oszillatorpotential mit allen Potentiallen der Form V (r) = c rm mit m > 0, c > 0 . (8.80) Z.B. für m = 1, also ein lineares Potential, beschreibt es die Bindungszustände zweier schwerer Quarks oder auch ein Quantenteilchen, das einer konstanten Kraft, z.B. der konstanten Schwerebeschleunigung g unterworfen ist. Klarerweise muss sich dieses qualitative Unterschied zwischen asymptotisch freien und confining Potentialen auf das Verhalten der Wellenfunktionen für große Abstände auswirken, das werden wir im Folgenden untersuchen. In L1 haben wir bereits die Hamiltonfunktion des harmonischen Oszillators bestimmt: H = p⃗ 2 mω 2 2 p⃗ 2 + U (⃗x) = + ⃗x . 2m 2m 2 (8.81) Diesen übersetzen wir nun einfach dadurch in die QM, in dem wir die kartesischen Koordinaten und Impulse in Operatoren umwandeln (im Folgenden beschränken wir uns auf eine Dimension) Ĥ = mω 2 2 p̂2 + x̂ . 2m 2 115 (8.82) Kapitel 8. Die Schrödingergleichung und ihre Lösungen Bemerkung: Wir gehen jetzt nicht unbedingt von einem rotationssymmetrischen Potential aus, sondern betrachten eine Schwingung in eine Raumrichtung. Vom mathematischen Standpunkt sind beide Differentialgleichungen identisch: ( −~ d2 mω 2 2 + x̂ ) ψ(x) = E ψ(x) 2 2m dx 2 (8.83) ( −~ d2 mω 2 2 + r̂ ) u(r) = E u(r) , 2m dr2 2 (8.84) oder wobei im letzten Fall die Wellenfunktion durch ψ(r) = u(r)/r gegeben ist. Natürlich sind beide Szenarien zwei unterschiedliche physikalische Situationen, jedoch kennt man die Lösung einer Differentialgleichung, dann kennt man die andere. Die Lösungen von möglichen Energiewerten werden sich jedoch im Allgemeinen unterscheiden. Aus praktischen Gründen lösen wir die 1 dimensionale Schrödingergleichung. Hier haben wir also das folgende Kochrezept verwendet: Man nehme die klassische Hamiltonfunktion und ersetze in ihr die (Newtonschen) Koordinaten und Impulse durch entsprechende Operatoren, die den Heisenbergschen Vertauschungsrelationen genügen. Damit erhält man einen quantenmechanischen Hamiltonoperator. Falls dieser vernünftige Lösungen bietet, dann ist man bereits am Ziel. Die Zeitentwicklung der Zustände muss man dann nur noch durch Lösung der zugehörigen Schrödingergleichung bestimmen. Hängt H nicht explizit von der Zeit ab, so kann man einfach die Energiewerte aus der entsprechenden Eigenwertgleichung, stationären Schrödingergleichung, bestimmen. Überraschender Weise funktioniert dieses Kochrezept für eine Vielzahl von Einteilchenproblemen (aber nicht allen!). Eine Mehrdeutigkeit kann sich nur dort ergeben, wo es auf die Reihenfolge von x̂ und p̂ in Produkten ankommt. Das ist selten genug der Fall und dann muss man sich mit einem neuen Rezept Abhilfe schaffen, z.B. das symmetrisierte Produkt verwenden. Klassisch ist die Grundzustandsenergie, die kleinste mögliche Energie gleich Null, quantenmechanisch erwarten wir hier ein Problem, da falls die Ortsunschärfe klein gemacht wird, dann muss zwangsläufig die Impulsunschärfe größer werden (siehe auch den Abschnitt 7.7.4). Wie sieht nun das Energiespektrum des harmonischen Oszillators aus? Dazu schauen wir uns den Erwartungswert des Hamiltonoperators in einem beliebigen Zustand an ⟨ψ | Ĥ |ψ⟩ = = 1 mω 2 ⟨ψ |p̂2 |ψ⟩ + ⟨ψ |x̂2 |ψ⟩ 2m 2 mω 2 1 ⟨p̂ψ |p̂ψ⟩ + ⟨x̂ψ |x̂ψ⟩ ≥ 0 . 2m | {z } 2 | {z } ≥0 (8.85) ≥0 D.h. wir wissen schon mal, dass die Energie positiv sein muss und dass sie nicht gleich Null sein kann, da dies ein Widerspruch zur Unbestimmtheitsrelation wäre. In der Tat können wir aus der Unbestimmtheitsrelation den tatsächlichen Wert der Grundzustandsenergie berechnen (was beim Coulombpotential nur durch einen kleinen Trick möglich war)! Bezeichnen wir die Grundzustandsenergie mit E0 und die dazugehörige Eigenfunktion des Hamiltonoperators mit ϕ0 (x), dann gilt die folgende Eigenwertgleichung: ∫ Ĥ ϕ0 (x) = E0 ϕ0 (x) mit ⟨ϕ0 |ϕ0 ⟩ = |ϕ0 (x)|2 = 1 . (8.86) E0 soll der kleinste Wert von allen möglichen Eigenwerten (=Messwerten) des Hamiltonians sein (E0 < E1 < E2 < . . . ). 116 8.6. Der harmonischer Oszillator Für das gegebene (symmetrische) Potential erwarten wir, dass die Eigenfunktionen symmetrisch sind, d.h. der Erwartungswert (=Mittelwert) des Ortes und der Erwartungswert des Impulses ist: ⟨x̂⟩ϕ0 ⟨p̂⟩ϕ0 = 0 = 0. (8.87) Für die Unbestimmtheitsrelation muss man die Schwankungen ausrechnen, die nun gleich dem Erwartungswert des Ortsoperators zum Quadrat bzw. des Impulsoperators zum Quadrat ist ~ (∆x̂)2ϕ0 · (∆p̂)2ϕ0 = ⟨x̂2 ⟩ϕ0 · ⟨p̂2 ⟩ϕ0 ≥ ( )2 . 2 (8.88) Setzen wir die Unbestimmtheitsrelation in den Erwartungswert für die Energie ein ⟨ϕ0 | Ĥ |ϕ0 ⟩ = ≥ 1 2 mω 2 2 ⟨p̂ ⟩ϕ0 + ⟨x̂ ⟩ϕ0 2m 2 1 ~ 2 1 mω 2 2 ( ) + ⟨x̂ ⟩ϕ0 . 2 2m 2 ⟨x̂ ⟩ϕ0 2 (8.89) Setzen wir u := ⟨x̂2 ⟩ϕ0 und betrachten die Funktion E(u) := ~2 1 mω 2 + u. 8m u 2 (8.90) Die minimale Energie erhalten wir durch Ableiten und Null setzen: umin = ~ 2mω −→ E(umin ) = ~ω . 2 (8.91) Wir haben also gefunden, dass aufgrund der Unbestimmtheitsrelation alle Energieeigenwerte größer als ≥ ~ω 2 sein müssen. Gibt es tatsächlich eine Eigenfunktion ϕ0 (x) des Hamiltonoperators mit dazugehörigem Eigenwert E0 = ~ω 2 ? Nehmen wir für die Wellenfunktion ein Gaußsches Wellenpaket an ϕ0 (x) = 1 1 (2πσ 2 ) 4 117 x2 e− 4σ2 , (8.92) Kapitel 8. Die Schrödingergleichung und ihre Lösungen ~ das die Ortsunschärfe ∆x = σ = ( 2mω ) 2 und die Impulsunschärfe ∆p = haben), erhält man 1 ⟨Ĥ⟩ϕ0 = = ~ 2σ hat (wie wir uns errechnet 1 2 mω 2 2 ⟨p̂ ⟩ϕ0 + ⟨x̂ ⟩ϕ0 2m 2 1 ~mω mω 2 ~ ~ω + = = E0 . 2m 2 2 2mω 2 (8.93) Heureka! Die Energie-Eigenfunktionen des harmonischen Potentials sind gerade die Gaußfunktionen und wie wir bereits bewiesen haben, sind die Gaußfunktionen die Funktionen, die die Unbestimmtheitsrelation exakt erfüllen! Zusammenfassend gibt es aufgrund der Unbestimmtheitsrelation wieder ein Zusammenspiel von der kinetischen Energie und der potentiellen Energie. Die Grundzustandsenergie ist der optimale Kompromiss der beiden Anteile. Unsere Abschätzung war exakt (im Gegensatz zu Abschnitt 7.7.4), da die Lösung der Schrödingergleichung mit dem harmonischen Potential die Gaußfunktionen sind, die die Unbestimmtheitsrelation exakt erfüllen (auch eindeutig). Wie kommen wir an die anderen Energie-Eigenfunktionen heran? Dazu gibt es eine elegante Methode, die auch das Rezept ist, wie man auch in der QFT vorgeht. Im Vordergrund steht die Beobachtung, die wir in der L1 bei der Phasenraumdarstellung gemacht haben, nämlich dass der Hamiltonian im Prinzip bei geeigneter Wahl der Variablen eine Kreisgleichung ist H = p′2 + x′2 und dass wir das auch so anschreiben können H = (x′ + ip′ )(x′ − ip′ ). Auf so eine Form werden wir den Hamiltonian bringen. Rufen wir uns in Erinnerung, wie wir bewiesen haben, dass die Gaussfunktionen die einzigen Wellenfunktionen sind, die die Unbestimmtheitsrelation exakt erfüllen, siehe Gleichung (7.78). In unserem Fall haben wir Ĉ ϕ0 = ( x̂ p̂ +i )ϕ0 = 0 ∆x̂ ∆p̂ ~ mit der Ortsunschärfe ∆x̂ = σ = ( 2mω ) 2 und der Impulsunschärfe ∆p̂ = 1 √ ( | 2mω x̂ + i ~ {z √ (8.94) ~ 2σ , damit 2 p̂) ϕ0 = 0 . ~mω } (8.95) =:2â Hiermit haben wir einfach einen neuen Operator â und damit auch ↠definiert: √ √ mω 1 x̂ + i p̂ â := 2~ 2~mω √ √ mω 1 † â := x̂ − i p̂ . 2~ 2~mω Wir können natürlich auch den Ort- und Impulsoperator durch diese Operatoren ausdrücken √ ~ x̂ = (â + ↠) 2mω √ ~mω p̂ = i (↠− â) . 2 118 (8.96) (8.97) 8.6. Der harmonischer Oszillator Berechnen wir einmal den Kommutator dieser neuen Operatoren [â, ↠] = . . . = 1. (8.98) Jetzt wollen wir den Hamiltonian mit diesen neuen Operatoren anschreiben: H mω 2 2 p̂2 + x̂ 2m 2 = ... 1 = ~ω(|{z} ↠â + ) . 2 = (8.99) :=N̂ Wir sehen, dass falls der Operator N̂ = ↠â angewendet auf die Eigenfunktion Null ergibt, ist der Energieeigenwert gerade E0 ! Das heißt wir haben die Bestimmung der Eigenwerte vom Hamiltonian Ĥ auf die Bestimmung der Eigenwerte von N̂ reduziert. Hier ein paar praktische Formeln, die leicht nachzurechnen sind: [N̂ , ↠] = [Ĥ, ↠] ↠, = ~ω ↠, [N̂ , â] = −â (8.100) [Ĥ, â] = −~ωâ (8.101) Wir wissen bereits, dass (bis auf einen Faktor) â ϕ0 = 0 (8.102) eine eindeutige bestimmte normierbare Lösung hat, eben die Gaußfunktion ϕ0 . Wir können diese Gleichung auch mit ↠multiplizieren, dann haben wir N̂ ϕ0 = ↠â ϕ0 = 0 (8.103) oder anders formuliert, ϕ0 ist eine Eigenvektor von N̂ zu dem Eigenwert 0. Betrachten wir: N̂ ↠ϕ0 = (N̂ ↠− ↠N̂ )ϕ0 = [N̂ , ↠]ϕ0 = ↠ϕ0 , (8.104) d.h. ↠ϕ0 ist ein Eigenvektor von N̂ zum Eigenwert 1. Wir haben also einen weitere Eigenvektor (-funktion) ϕ1 = ↠ϕ0 gefunden! Dieser Eigenvektor ↠ϕ0 ist auch normiert, da ⟨ϕ1 |ϕ1 ⟩ = ⟨↠ϕ0 |↠ϕ0 ⟩ = ⟨ϕ0 |â↠ϕ0 ⟩ = ⟨ϕ0 |(â↠− ↠â)ϕ0 ⟩ = ⟨ϕ0 |[â, ↠]ϕ0 ⟩ = ⟨ϕ0 |ϕ0 ⟩ = 1 (8.105) Dieses Verfahren lässt sich beliebig fortsetzen. Indem man immer wieder den Operator ↠auf den Eigenvektor (-funktion) ϕ0 anwendet, erhält man alle anderen Eigenvektoren. 119 Kapitel 8. Die Schrödingergleichung und ihre Lösungen Durch das sukzessive Anwenden des Operators ↠erhält man alle Eigenvektoren (=alle Eigenfunktionen): ϕn := 1 † n (â ) ϕ0 n! mit n = 0, 1, 2, . . . (8.106) Der Operator ↠wird deshalb Erzeugungsoperator (oder Leiteroperator) genannt. Er “erzeugt” bei Anwendung auf einen Zustandsvektor ein “Energiequant” ~ω. Der Operator N̂ = ↠â ist proportional zum Hamiltonoperator H = ~ω (N + 21 ) und wir Teilchenzahloperator genannt, da gilt N̂ ϕn = n ϕn (8.107) und weiters gilt für die Eigenvektoren ⟨ϕn |ϕm ⟩ = δnm . Der Operator â nannt, da â ϕ0 Energie ist Ĥϕ0 gehörige Energie (8.108) wird Vernichtungsoperator (oder Leiteroperator) ge= 0. Der Grundzustand ist also ϕ0 und die dazugehörige = E0 ϕ0 . Der n-te angeregte Zustand ist ϕn und die dazuist 1 Ĥϕn = ~ω(n + ) ϕn | {z 2 } (8.109) En mit n = 0, 1, 2, . . . . Der Grundzustand hat die so genannte Nullpunktsenergie ~ω 2 . Die Differenz zweier benachbarter Energie-Eigenzustände ist gerade ~ω. Solche Energiequanten gibt es auch für das elektromagnetische Feld: Strahlungsübergänge geschehen durch Abstrahlung oder Aufnahme von Photonen mit der Energie ~ω. In der Ortsdarstellung sind die Energie-Eigenfunktionen durch √ √ 1 1 mω ~ d n † n ϕn (x) = √ (â ) ϕ0 (x) = √ ( x− ) ϕ0 (x) 2~ 2mω dx n! n! (8.110) mit ϕ0 (x) = ( mω 1 − mω x2 ) 4 e 2~ π~ (8.111) geben und sind in Fig. 8.4 gezeichnet. Explizit sind die Funktionen vor der Gaußfunktion noch hier angeführt, diese sind in der Mathematik unter den Hermitschen Polynomen bekannt, nur diese gewährleisten das richtige Verhalten auch im klassisch verbotenen Bereich außerhalb des Potentials: H0 H1 H2 = 1 √ mω 2x = 2~ = ... 120 (8.112) 8.6. Der harmonischer Oszillator Abbildung 8.4: Harmonischer Oszillator 121 Kapitel 8. Die Schrödingergleichung und ihre Lösungen 8.7 Die Zeitentwicklung von Bindungszuständen Für den harmonischen Oszillator (1 dimensional) haben wir die stationäre Schrödingergleichung gelöst, d.h. wir kennen alle möglichen Energiewerte En und deren Eigenfunktionen ϕn (x) = ⟨x|n⟩. Die stationäre Schrödingergleichung haben wir dadurch erhalten, dass wir den zeitabhängigen Teil der Wellenfunktion separierten, siehe Gl.(8.36) und Gl.(8.36). Damit sind die Lösungen für den harmonischen Oszillator gegeben durch ϕn (x, t) = e− ~ i H t ϕn (x) = e− ~ i En t ϕn (x) = e−i ωn t ϕn (x) = e−ω(n+ 2 )t ϕn (x) . 1 (8.113) Ein beliebiger Zustand ψ(x, t) kann ich immer in die Energie–Eigenfunktionen zerlegen, d.h. ψ(x, t) = e− ~ Ht ψ(x, 0) = e− ~ Ht ⟨x|ψ⟩ = e− ~ Ht ⟨x| i i i ∞ ∑ n=0 − ~i Ht = e ∞ ∑ n=0 cn ⟨x|n⟩ = | {z } ϕn (x) ∞ ∑ − ~i En t cn e |n⟩ ⟨n| |ψ⟩ | {z } ϕn (x) . cn (8.114) n=0 Wir erkennen für Messungen des Ortsoperators für Energie–Eigenfunktionen ∫ ∞ ⟨x̂⟩ϕn,t = ⟨ϕn,t |x̂|ϕn,t ⟩ = dx ϕn (x, t)∗ x ϕn (x, t) −∞ ∫ ∞ ∗ = dx ϕn (x) x ϕn (x) = ⟨ϕn |x̂|ϕn ⟩ = ⟨x̂⟩ϕn . (8.115) −∞ Oder in Worten, der Erwartungswert des Ortes für einen Zustand, der durch eine Energie–Eigenfunktion der Schrödingergleichung mit dem Harmonischen Potential beschrieben wird, ist von der Zeit unabhängig. Darum war es in den vorigen Kapiteln nicht nötig, sich explizit um die Zeitabhängigkeit zu kümmern! Wie kommt es jedoch zu zeitlichen Veränderungen von Zuständen, also zu Bewegungen oder zu einer Dynamik? Bewegung entsteht durch Überlagerung, Interferenz von verschiedenen Wellen scharfer Energie, also für Wellenpakete. Wie der Hase läuft erkennt man bereits an der Überlagerung von zwei Wellen mit scharfer Energie: ψ(x, t) = ϕn (x, t) + ϕm (x, t) = e−iωn t ϕn (x) + e−iωm t ϕm (x) = e−iωn t {ϕn (x) + e−i(ωm −ωn )t ϕm (x)} . 122 (8.116) 8.7. Die Zeitentwicklung von Bindungszuständen Der Vorfaktor ist wieder ein nicht beobachtbarer Phasenfaktor (Gesamtphase). Beobachtbar ist aber die relative Phase (ωm − ωn )t. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit in einem Intervall dx zum Zeitpunkt t ist dann gegeben durch { } |ψ(x, t)|2 dx = |ϕn (x)|2 + |ϕm (x)|2 + 2|ϕn (x)||ϕm (x)| · cos ((ωm − ωn )t) dx 1 |ϕn (x)||ϕm (x)| = 1 + 2 · cos ((ω − ω )t) dx (8.117) m n |ϕn (x)|2 + |ϕm (x)|2 |ϕn (x)|2 + |ϕm (x)|2 {z } | :=V(x)...visibility Diese Wellenfunktion verändert sich daher zeitlich mit der Periode τ = |ωm2π −ωn | . Bei Überlagerung mehrere Energie–Eigenfunktionen entstehen komplexere Bewegungen, wie die folgenden Graphiken veranschaulichen: Hierfür wurde n = 0 und m = 1 gewählt. Die grüne Kurve ist Grundzustandseigenfunktion ϕ0 zum Quadrat, also die Aufenthaltswahrscheinlichkeit. Die blaue Kurve beschreibt die Aufenthaltswahrscheinlichkeit im ersten angeregten Zustand. Im ersten Falls ist für der wahrscheinlichste Aufenthalt in der Mitte, beim zweiten Fall findet man das Teilchen mit gleicher Wahrscheinlichkeit entweder rechts oder links, insbesondere die 123 Kapitel 8. Die Schrödingergleichung und ihre Lösungen Wahrscheinlichkeit es in der Mitte zu finden ist Null. Diese Wahrscheinlichkeiten ändern sich nicht mit der Zeit! Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Überlagerung (Superposition) beider Wellenfunktionen ist in der roten Kurve gezeigt, diese ist zeitabhängig, hängt gerade von der relativen Phase e−i(ω0 −ω1 )t ab. Es ist daher für t = 0 wahrscheinlicher das Teilchen auf der rechten Seite zu finden als auf der linken Seite. Wenn die Zeit läuft, kommt es zur Änderung dieser Aufenthaltswahrscheinlichkeit, so dass es bei zum Beispiel t = π die Wahrscheinlichkeit das Teilchen jetzt links u finden höher ist als rechts. Die Wahrscheinlichkeit das Teilchen zu finden (Interferenz) ändert sich mit der Zeit falls eine Überlagerung vorliegt. 8.8 Kann der einfache Harmonische Oszillator als Quantencomputer benützt werden?! Dazu muss man sich fragen, ob man mit Hilfe der Energie-Eigenzustände eines Harmonischen Oszillators eine Computerberechnung durchführen kann, z.B. eine controlled-NOT Operation |00⟩L −→ |00⟩L |01⟩L |10⟩L |11⟩L −→ |01⟩L −→ |11⟩L −→ |10⟩L , (8.118) wobei L für die logischen Zustände steht. Diese Gate könnten wir wie folgt realisieren (|n⟩. . . EnergieEigenzustände) |00⟩L |01⟩L |10⟩L |11⟩L −→ |0⟩ −→ |2⟩ 1 −→ √ {|4⟩ + |1⟩} 2 1 −→ √ {|4⟩ − |1⟩} . 2 (8.119) Nehmen wir an, unser System besteht zum Zeitpunkt t = 0 aus diesen vier Zuständen und wir lassen das System sich bis tf = ωπ entwickeln |n⟩ −→ e−iω(n+ 2 )tf |n⟩ = e−iπ(n+ 2 ) |n⟩ = −i · (−1)n |n⟩ , 1 1 (8.120) dann erkennen wir, dass alle Zustände unverändert bleiben (bis auf irrelvante Gesamptphase), außer |1⟩ −→ −|1⟩. Und damit haben wir genau das obige controlled-NOT gate erzeugt! Haben wir damit schon einen Quantencomputer? Im Allgemeinen ist es für ein physikalisches System notwendig und hinreichend falls das Energiespektrum des Hamiltonians ähnlich zu den Eigenwertspektrum des unitären Operators ist, den man realisieren möchte (wie in unserem Fall oben). Man kann mit einem einfachen Harmonischen Oszillator und vielleicht mit der Hilfe eines kleinen Störterms fast jede beliebigen unitären Operatoren konstruieren. Jedoch gibt es einige Hürden, warum man doch keinen Quantencomputer damit zur Hand hat. Erstens falls man die Eigenwerte eines unitären Operators kennt, der einer Computerberechnung entspricht, kennt man im Wesentlichen die Lösung der Berechnung. D.h. ein Computer sollte sich aus hintereinander geschalteten elementaren Operationen (unitären Operationen) zusammensetzen. Für jeden elementaren Operator kennt man die dazugehörigen Eigenwerte, jedoch nicht unbedingt für eine Reihe von solchen elementaren Operationen (wie beim Schachspielen, die Regeln sich einfach, jedoch fast kein Spiel gleicht einem anderen). Die Eigenwerte multiplizierter Operatoren sind unkorreliert zu den Eigenwerten der Operatoren. 124 8.9. Das Wasserstoffatom Andererseits gewährleistet der Harmonische Oszillator keine digitale Representation der Information. Um einen 2n dimensional Hilbertraum (n Qubits) mit einem Harmonischen Oszillator zu realisieren, braucht man mindestens die Energie 2n ~ω. Zusammenfassend hat man keine effektive digitale Darstellung und nicht jeder beliebige unitäre Operator kann realisiert werden (siehe zum Beispiel Ref. [11] (sehr empfehlenswert!)). 8.9 Das Wasserstoffatom Nach der Abspaltung des Massenmittelpunktsbewegung ist das Wasserstoffatom ein Zweikörperproblem (Proton, Elektron) und äquivalent zur Bewegung eines Teilchens mit reduzierter Masse µ = me (1 − me ) ≃ me me + mp (8.121) in einem radialsymmetrischen Zentralkraftfeld mit der potentiellen Energie V (r) = − e2 r (8.122) und dem Hamiltonian H = p⃗ 2 e2 − . 2m r (8.123) In Kugelkoordinaten lautet die zu lösende Schrödingergleichung (siehe Gleichung (8.45)) ( − ~2 1 ∂ 2 1 ⃗ 2 e2 ) L − r + ψ(⃗r) = 2 2m r ∂r2 r} |2mr {z E ψ(⃗r) (8.124) Ve f f dabei machen wir wieder den Separationsansatz für die Wellenfunktion ψ(⃗r) = u(r) Y (θ, ϕ) r (8.125) und wollen zunächst nur die Lösungen diskutieren, die nicht von den Winkeln θ, ϕ abhängen, deren Drehimpulseigenwerte 0 sind (siehe nächster Abschnitt). Im folgenden Abschnitt ist der Hutˆfür Operatoren nicht immer angeführt. 8.9.1 Die Lösungen für Drehimpulseigenwerte l = 0 D.h. wir wollen die Lösungen der folgenden Differentialgleichung 2m e2 ∂2 u(r) + (E + ) u(r) = ∂r2 ~2 r 0 (8.126) diskutieren. Die Lösung dieser Differentialgleichung ergibt die folgenden möglichen Energiewerte, die so genannte Rydbergformel (a0 . . . Bohrscher Radius) En 1 1 1 e2 · = − α2 mc2 · 2 2a0 n2 2 n 1 1 = −Ry · 2 = 2 (−13, 6) eV n n = − 125 mit n = 1, 2, 3, . . . (8.127) Kapitel 8. Die Schrödingergleichung und ihre Lösungen Das ist für n = 1 genau die Energie, die wir im Abschnitt 7.7.4 durch Abschätzung mit Hilfe der Unbestimmtheitsrelation erhalten haben! Die ganz Zahl n wird Hauptquantenzahl genannt und bezeichnet die Schalen der Atomhüllen. Die Wellenfunktionen setzen sich aus einem exponentiell Abfallenden Anteil zusammen und aus so genannten verallgemeinerten Laguerre-Polynomen (sind zum Beispiel in Mathematica einprogrammiert). Die ersten drei Eigenfunktionen lauten: u1 (r) = 2r 3 2 e− a0 r a0 u2 (r) = u3 (r) = 2r (2a0 ) 2r (3a0 ) e− 3a0 r 3 2 und damit die Gesamtwellenfunktion ψ(r, θ, ϕ) = 1. 1 r ) 2 a0 2 r 2 r (1 − + ( )2 ) 3 a0 27 a0 e− 2a0 (1 − r 3 2 un (r) r ·Y00 (θ, ϕ) 126 = un (r) 1 √ r 4π (8.128) mit ∫ |ψ(r, θ, ϕ)|2 r2 drd(cos θ)dϕ = 8.9. Das Wasserstoffatom 8.9.2 Drehimpulsentartung beim Coulombpotential Als Entartung bezeichnet man die Eigenschaft, dass zu einem Eigenwert, z.B. zu einem Energieeigenwert E2 , mehrere linear unabhängige Eigenfunktionen ψ2 , ψ3 gehören, das also zum Beispiel gilt: E2 = E3 mit ⟨ψ2 |ψ3 ⟩ = 0 . (8.129) In den meisten Fällen erkennt man Entartung an den Symmetrieeigenschaften des Problems, jedoch sind hierbei das Coulomb– und das Oszillatorproblem Ausnahmen. Man findet Entartung, deren Gründe sind jedoch nicht sofort sichtbar. Liefern wir hier zunächst den Beweis nach, dass sich der Teil der kinetischen Energie, der nur von den Raumwinkeln abhängt, wirklich dem Drehimpulsoperator entspricht. Dazu müssen wir die Behauptung ( ) 1 ∂2 1( 1 ∂ ∂ 1 ∂2 ) (−~2 )∆ = (−~2 ) r + (−~2 ) 2 sin θ + 2 r ∂r r sin θ ∂θ ∂θ sin2 θ ∂ϕ2 ( ) 1 ∂2 1 ⃗2 = (−~2 ) r + 2 L (8.130) r ∂r2 r mit ˆ × p⃗ˆ)i = εijk x̂j p̂k = (−i~)εijk xj ∇k = (−i~)εijk xj ⃗ i = (⃗x (L) ∂ ∂xk (8.131) zeigen. Beweis: 1 ⃗2 L ~2 = −εklm xl ∇m εkrs xr ∇s = −(δlr δms − δls δmr )xl ∇m xr ∇s = −xl ∇m xl ∇m + xl ∇m xm ∇l ⃗ + (⃗x · ∇) ⃗ 2 = −r2 ∆ + r ∂ + (r ∂ )2 = . . . = −⃗x 2 ∆ + ⃗x · ∇ ∂r ∂r 2 1 ∂ = −r2 ∆ + r r ∂r2 127 (8.132) Kapitel 8. Die Schrödingergleichung und ihre Lösungen ⃗ = r∂. mit ⃗x · ∇ ∂r Wir suchen also die Eigenfunktionen, die mit Ylm bezeichnet werden, zum Drehimpulsoperator zum Quadrat ⃗ 2 Ylm (θ, ϕ) = ~2 l(l + 1) Ylm (θ, ϕ) . L (8.133) Diese Eigenfunktionen Ylm werden Kugelflächenfunktionen genannt. Wende man nur die z–Komponente des Drehimpulses an, findet man: L3 Ylm (θ, ϕ) = ~ m Yl,m (θ, ϕ) (8.134) wobei l = 0, 1, 2, . . . m = l, l − 1, . . . , −l + 1, −l (8.135) für ein vorgegebenes l. Die Kugelflächenfunktionen lauten explizit: Y0,0 (θ, ϕ) = 1 √ 4π (8.136) √ Y1,1 (θ, ϕ) = Y1,0 (θ, ϕ) = Y1,−1 (θ, ϕ) = 3 − sin θeiϕ 8π √ 3 cos θ 4π √ 3 sin θe−iϕ 8π (8.137) √ Y2,2 (θ, ϕ) = Y2,1 (θ, ϕ) = Y2,0 (θ, ϕ) = Y2,−1 (θ, ϕ) = Y2,−2 (θ, ϕ) = 15 sin2 θei2ϕ 32π √ 15 − sin θ cos θeiϕ 8π √ 5 (3 cos2 θ − 1) 16π √ 15 sin θ cos θe−iϕ 8π √ 15 sin2 θe−i2ϕ 32π (8.138) Da sich nur die Drehimpulsquantenzahl l und die so genannte magnetische Quantenzahl m ändern, fasst man die Kugelflächenfunktionen auch in der Dirac-Schreibweise so zusammen Yl,m ≡ |l, m⟩, damit haben wir: ⃗ 2 |l, m⟩ = ~2 l(l + 1) |l, m⟩ L L3 |l, m⟩ = ~ m |l, m⟩ . (8.139) Genauso wie beim Harmonischen Oszillator können wir Leiteroperatoren (Vernichtungs- und Erzeugungsoperatoren) definieren, also Operatoren, die die Quantenzahl m erhöht oder erniedrigt: √ L− |l, m⟩ = ~ l(l + 1) − m(m − 1) |l, m − 1⟩ √ L+ |l, m⟩ = ~ l(l + 1) − m(m + 1) |l, m + 1⟩ . (8.140) 128 8.9. Das Wasserstoffatom Damit ist insbesondere L+ |l, l⟩ = 0 und L− |l, −l⟩ = 0. Mit Hilfe dieser findet man alle Kugelflächeneigenfunktionen. Unsere Problem hat sich damit zu der folgenden Schrödingergleichung reduziert: H ψ(⃗r) (H0 + V (r)) ψ(⃗r) e2 ~2 ∆ − ) ψ(⃗r) (− 2m r ( ~2 1 ∂ 2 1 ⃗ 2 e2 ) − ψ(⃗r) r+ L − 2 2m r ∂r2 r} |2mr {z = E ψ(⃗r) = E ψ(⃗r) = E ψ(⃗r) = E ψ(⃗r) Ve f f ( ~2 1 ∂ 2 1 ⃗ 2 e2 ) u(r) u(r) − r+ L − Ylm (θ, ϕ) = E Ylm (θ, ϕ) 2 2 2m r ∂r 2mr r r r ( ~2 1 ∂ 2 ~2 l(l + 1) e2 ) u(r) u(r) − r + − = E 2m r ∂r2 2mr2 r r r ( ~2 ∂ 2 ~2 l(l + 1) e2 ) u(r) = E u(r) − + − 2m ∂r2 2mr2 r (8.141) l(l+1) Wir erhalten also einen neuen Term ~ 2mr den Zentrifugalterm von der kinetischen Energie. 2 Auf den ersten Blick verhalten sich das Zentrifugalpotential und das Coulombpotential völlig verschieden. Ihr Vorzeichen ist verschieden und sie haben verschiedene r-Abhängigkeiten. Wir werden erwarten, dass die abstoßende Wirkung des Zentrifugalpotential bei kleinen r dominierend sein wird, hingegen bei großen r keine Rolle spielen wird. Es stellte sich heraus, dass beide Potentiale sich auf ähnliche Weise auf die Energie-Eigenwerte auswirken. 2 Für die Lösung (siehe irgendein QM-Lehrbuch) definieren wir eine “neue” Hauptquantenzahl: n = n0 + l + 1 , (8.142) wobei bei gegebenen n, n0 von n − 1, n − 2, . . . , 0 läuft und l = 0, 1, . . . , n − 1. Die möglichen Energiewerte sind En = − mc2 α2 1 · 2 2 n mit n = 1, 2, . . . (8.143) Folgende Bezeichnungen sind normalerweise üblich: l 0 1 2 3 4 5 s p d f g h Wobei s für “scharf” , p für “prinzipal” , d für “diffus” und f für “fundamental” steht. Das Spektrum des H-Atoms sieht dann wie folgt aus: 129 Kapitel 8. Die Schrödingergleichung und ihre Lösungen ∑n−1 Für jedes n gibt es l=0 (2l + 1) = n2 Zustände mit gleicher Energie En , d.h. En ist n2 –fach entartet (bei Berücksichtigung des Elektronspins 2n2 –fach). Die explizite Form der ersten Energie-Eigenfunktionen ψnl ergibt (vergleichen Sie mit Eq.(8.128)): u1 (r) 1 2 − ar 0 Y00 = √ 3 e r 4π a 2 0 = ⟨⃗x|n = 1, l = 0, m = 0⟩ (8.144) u2 (r) 2 1 r 1 − 2ar 0 (1 − Y00 = √ ) 3 e r 2 a0 2 4π (2a0 ) = ⟨⃗x|n = 2, l = 0, m = 0⟩ . (8.145) ψ10 (r, θ, ϕ) = ψ1s (r) = und ψ20 (r, θ, ϕ) = ψ2s (r) = Die erste Wellenfunktion mit l = 1 ist ψ21 (r, θ, ϕ) 1 r − 2ar 0 Y = ψ2p (r)Y1m (θ, ϕ) = √ 1m (θ, ϕ) 5 e 24 a 2 (8.146) 0 und damit ⟨⃗x|n = 1, l = 1, m⟩ = ψ2p (r)Y1m (θ, ϕ) . (8.147) Bemerkung: Die Linearkombination 1 √ {−⟨⃗x|n = 2, l = 1, m = 1⟩ + ⟨⃗x|n = 2, l = 1, m = −1⟩ 2 (8.148) wird in der Chemie als das px Orbital bezeichnet und die Kombination 1 √ {⟨⃗x|n = 2, l = 1, m = 1⟩ + ⟨⃗x|n = 2, l = 1, m = −1⟩ 2 130 (8.149) 8.9. Das Wasserstoffatom als das py Orbital und 1 √ {−⟨⃗x|n = 2, l = 1, m = 1⟩ + ⟨⃗x|n = 2, l = 1, m = 0⟩ 2 (8.150) als das pz Orbital. Bis jetzt haben wir den Spinfreiheitsgrad des Elektrons im H–Atom nicht berücksichtigt, da er im Hamiltonoperator nicht auftritt. Nehmen wir in noch hinzu, dann gibt es zum Spinoperator in eine Richtung (z Richtung) genau zwei Eigenwert ±~/2, da ja Elektron Spin– 12 Teilchen sind. Damit bilden die Operatoren ⃗ Ĥ, L̂ 2 , L̂3 , Ŝ3 (8.151) einen vollständigen Satz miteinander kommutierender Observablen. Die Bindungszustände des H–Atoms lassen sich daher durch die Angabe der entsprechenden Eigenwerte |n, l, m, s⟩ (8.152) mit s = ±1/2 charakterisieren, wobei wir im Detail haben Ĥ ⃗2 L̂ L̂3 Ŝ3 |n, l, m, s⟩ = En |n, l, m, s⟩ |n, l, m, s⟩ |n, l, m, s⟩ |n, l, m, s⟩ = ~2 l(l + 1) |n, l, m, s⟩ = ~ m |n, l, m, s⟩ = ~ s |n, l, m, s⟩ 131 (8.153) Kapitel 8. Die Schrödingergleichung und ihre Lösungen Abbildung 8.5: Drehimpulsquantisierung 132 8.9. Das Wasserstoffatom 133 Kapitel 8. Die Schrödingergleichung und ihre Lösungen 134