Die Sprache der Krebszellen verstehen lernen

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Warum sind Krebskrankheiten so gefährlich?
Auf diese Frage gibt es drei Antworten. Erstens vermehren sich Krebszellen unkontrolliert und bilden teilweise grosse Tumoren;
ein solcher kann beispielsweise die Luftwege
verstopfen und dadurch das Leben des Patienten bedrohen. Zweitens dringen Krebszellen
ins umliegende Gewebe ein und zerstören das
betroffene Organ. Der dritte und wichtigste
Punkt sind Metastasen: Krebszellen verteilen
sich über Blut- oder Lymphgefässe im ganzen Organismus und bilden in weit entfernten
Organen neue Geschwulste.
Wachstum und Metastasen verhindern
90 Prozent aller Krebspatientinnen und -patienten, die an ihrer Krankheit sterben, sterben
wegen der Metastasen. Deshalb beschäftig­ten
sich Krebsforschende intensiv mit den Mechanismen, die eine Metastasierung ermöglichen.
Denn leider gibt es bis heute kaum Krebstherapien, mit denen sich die Bildung von Metastasen verhindern lässt.
Die Sprache der Krebszellen
verstehen lernen
Krebszellen habe viele Talente: Sie können rasch wachsen, in das umliegende Gewebe eindringen und sich im
ganzen Organismus ausbreiten. Um dies zu bewerkstelligen, kommunizieren die bösartigen Zellen mit ihrer
Umgebung. Der Krebsforscher Prof. Dr. med. Curzio Rüegg
möchte diese Eigenschaften der Krebszellen verstehen,
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um neue Behandlungen zu entwickeln.
Einer dieser Forschenden ist Prof. Curzio
Rüegg. Er und seine Mitarbeiter der Abteilung für experimentelle Onkologie des Centre
Pluridisciplinaire d’Oncologie der Universität
Lausanne versuchen herauszufinden, wie Krebszellen mit ihrer Umgebung kommunizieren,
damit sie später Metastasen bilden können.
«Tumoren senden Signale an das Knochenmark, und dort werden Zellen freigesetzt, die
das Wachstum von Blutgefässen zum Tumor
fördern», sagt Curzio Rüegg. «Dadurch erhält
der Tumor mehr Nährstoffe und Sauerstoff und
kann sich rascher ausbreiten.» Er und seine
Arbeitsgruppe untersuchen die freigesetzten
Zellen im Labor ganz genau: Wie viele davon gibt es? Wie sehen sie aus? Welche Gene
sind in diesen Zellen aktiviert, so dass sie das
Tumorwachstum fördern?
Neugier und Kreativität
«Mit unseren Studien verfolgen wir zwei
Ziele», erläutert Rüegg. «Erstens möchten wir
herausfinden, ob und wie man diese Zellen
blockieren kann. Damit liesse sich das Wachstum des Tumors verlangsamen. Zweitens un-
tersuchen wir, ob diese Zellen zur Diagnose
von Krebserkrankungen verwendet werden
können. Unser Fernziel besteht darin, einen
Bluttest zu entwickeln, der uns anzeigt, ob
eine Krebstherapie wirkt. Damit könnten wir
dem Patienten eine besser angepasste Behandlung anbieten.» Ob die Mechanismen,
die Prof. Rüegg erforscht, nur für eine Krebsart
spezifisch sind oder bei mehreren Arten gleich
ablaufen, weiss man noch nicht. Zurzeit untersucht er für seine Studien unter anderem
Blut, das ihm Patientinnen und Patienten mit
Dickdarmkrebs oder Brustkrebs zur Verfügung stellen.
Die Motivation für seine Tätigkeit schöpft
Prof. Rüegg aus seiner Neugier: «Bei vielen
Krebstherapien weiss man nicht, warum sie
bei gewissen Patienten wirken, bei anderen
aber nicht, und was für eine Rolle das gesun­de
Gewebe dabei spielt. Ich will in die Tiefe gehen und dies herausfinden.» Ohne Unterstützung wäre dies nicht möglich. Daher arbeitet
Rüegg eng mit Forschenden und Onkologen
in Genf, Lausanne, Bellinzona, Basel und
Mailand zusammen.
Text: Eva Ebnöther; Fotos: Pia Neuenschwander
Zur Person
Prof. Dr. med. Curzio Rüegg
stammt aus dem Tessin und hat
in Basel Medizin studiert. In
Zürich, Basel und San Francisco (USA) bildete er sich in medizinischer Forschung weiter. Seit
1993 arbeitet er am Centre Pluridisciplinaire d’Oncologie der Universität Lausanne; dort ist er Direktor der Abteilung für experimentelle
Onkologie. Ausserdem hat er die Startup-Firma Diagnoplex mitbegründet. Curzio
Rüegg ist verheiratet und hat zwei Töchter
im Alter von 18 und 15 Jahren.
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