Kapitel 8 Angebot bei vollkommenem Wettbewerb Vor- und Nachbereitung: ● Varian, Chapters 22 und 23 ● Frank, Chapter 11 ● Übungsblatt 8 © Klaus M. Schmidt, 2008 8.1 Vollkommener Wettbewerb Die Angebotsentscheidung eines Unternehmens hängt davon ab, ob es mit seiner Angebotsmenge den Preis beeinflussen kann oder nicht. In diesem Kapitel betrachten wir den einfachsten Fall, bei dem das Unternehmen keine Marktmacht hat und keinen Einfluss auf den Marktpreis ausüben kann (so wie auch ein einzelner Nachfrager den Marktpreis nicht beeinflussen kann). Diese Situation liegt auf einem Markt mit vollkommener Konkurrenz vor. Auf einem Markt herrscht vollkommener Wettbewerb, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind: Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 2 1. Homogenes Gut: Güter sind homogen, wenn sie aus Sicht der Nachfrager identisch sind, d.h., wenn die Nachfrager die Güter, die von den verschiedenen Unternehmen angeboten werden, als perfekte Substitute betrachten. Beispiele: – Milch einer bestimmten Qualität, – Benzin einer bestimmten Qualität, – Ferngespräche, etc. Die meisten Güter sind jedoch nicht vollständig homogen, sondern heterogene oder differenzierte Güter (z.B. Semmeln, Oberhemden, Flugtickets verschiedener Gesellschaften, etc.). 2. Marktteilnehmer sind Preisnehmer: Anbieter und Nachfrager verhalten sich als Preisnehmer (oder Mengenanpasser), wenn sie den Marktpreis als gegeben nehmen und ihre angebotene oder nachgefragte Menge optimal an den gegebenen Preis anpassen. Diese Annahme ist erfüllt, wenn es “sehr viele” Anbieter und Nachfrager gibt, so dass der Einfluss jedes einzelnen Marktteilnehmers auf den Marktpreis vernachlässigbar klein ist. Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 3 3. Vollkommene Markttransparenz: Alle Marktteilnehmer kennen den Markt und wissen, welche Güter von wem zu welchen Preisen angeboten oder nachgefragt werden. Diese Annahme ist auf Börsen oder bei Auktionen erfüllt. (Beispiele: Warenbörsen für Rohöl oder Schweinebäuche, Auktionen für Obst, Blumen, Weine, etc.) Wenn dagegen dezentral (in Läden oder über Makler) gehandelt wird, ist der Markt nicht vollkommen transparent (Beispiele: Kleidung, Flugtickets, Häuser). Fazit: Ein Markt mit vollkommenem Wettbewerb ist eine Idealvorstellung, die in Reinform in der Realität nicht vorkommt. Dennoch ist dieses Modell sehr nützlich, wenn kleine Abweichungen von den Annahmen des Modells auch nur zu kleinen Abweichungen von den Vorhersagen des Modells führen. (Vergleich: Klassische Mechanik, die von einer idealen Welt ohne Reibungseffekte ausgeht.) Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 4 8.2 Gewinnmaximierung Ein privatwirtschaftliches Unternehmen will normalerweise seinen Gewinn maximieren. Stellen wir uns vor, dass der Unternehmer für jede mögliche Ausbringungsmenge y das Kostenminimierungsproblem aus Kapitel 7 bereits gelöst hat. Er kennt also schon seine Kostenfunktion K(y). Die Frage ist, welche Ausbringungsmenge y er wählen Bei vollkommener Konkurrenz ist seine Gewinnfunktion: G( y) = { p⋅ y − { K ( y) Erlös Kosten Beachten Sie, dass das Unternehmen den Preis als gegeben betrachtet, d.h., p ist unabhängig davon, welches y das Unternehmen wählt. Angenommen, das Unternehmen möchte eine positive Menge produzieren. Dann wird ein Gewinnmaximum erreicht, wenn Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 5 dG dK = p− =0 dy dy und d 2G d 2K =− 2 <0 2 dy dy Interpretation: 1. Die erste Bedingung verlangt, dass Preis (Grenzerlös) = Grenzkosten. Warum muss diese Bedingung erfüllt sein? 2. Die zweite Bedingung verlangt, dass die Grenzkosten bei der gewinnmaximalen Menge steigen. Wenn das nicht der Fall wäre, hätten wir ein Gewinnminimum. Warum? Die gewinnmaximale Menge hängt von p ab und wird mit y*(p) bezeichnet. Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 6 E ( y) K ( y) G( y) x1 E '( y ) K '( y ) G '( y ) x1 Abb. 8.1: Gewinnmaximierung bei vollkommenem Wettbewerb Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 7 8.3 Das kurzfristige Angebot des Unternehmens Kurzfristig hat das Unternehmen bestimmte Fixkosten, die unabhängig von der Produktionsmenge anfallen, weil einige Produktionsfaktoren nicht variiert werden können. K(y) = FK+VK(y) Angenommen bei y*(p) sind die Bedingungen 1 und 2 für ein Gewinnmaximum erfüllt. Sollte das Unternehmen produzieren, wenn ● p>DK? G( y) = { p⋅ y − { K ( y) Erlös Kosten ● DK>p>DVK? ● p<DVK? Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 8 p GK DK DVK Abb. 8.2: Preis und DK bzw. DVK y Beachten Sie: Wenn DVK<p<DK, macht das Unternehmen einen Verlust, wenn es produziert. Aber: Der Verlust wäre noch größer, wenn es y=0 wählen würde, weil es die Fixkosten in jedem Fall tragen muss. Erst wenn p<DVK, sollte das Unternehmen die Produktion einstellen. Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 9 Die Angebotsfunktion: Wenn sich der Preis verändert, dann ist die optimale Produktionsmenge durch den Teil der GK-Kurve gegeben, der oberhalb des Schnittpunkts mit der DVK-Kurve liegt. Wenn der Preis unter das Minimum der DVK fällt, ist das Angebot des Unternehmens y=0. p GK DVK Abb. 8.3: Die Angebotsfunktion Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) y 10 8.4 Das Marktangebot Das Marktangebot ist einfach die Summe der individuellen Angebote der einzelnen Unternehmen: n S ( p ) = ∑ yi* ( p ) i =1 Das Aggregationsverfahren ist ganz analog zur Aggregation von individuellen Nachfragekurven. Die Preiselastizität des Angebots ist die relative Veränderung des Marktangebots im Verhältnis zu einer relativen Preisänderung: ΔS ε = S S Δp p ΔS p dS = ⋅ = ⋅ p S Δp S dp Wie hoch ist die Preiselastizität des Angebots, wenn ● die Angebotskurve völlig flach ist? ● die Angebotskurve senkrecht ist? Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 11 8.5 Die Produzentenrente Wir betrachten zunächst ein einzelnes Unternehmen. Die Rente eines Produzenten ist die Differenz zwischen den Erlösen und den variablen Kosten des Unternehmens, wenn es die gewinnmaximale Menge produziert: PR ( p ) = py* ( p ) − VK ( y* ( p )) Beachten Sie: Wenn Fixkosten vorliegen, entspricht die Rente des Produzenten nicht dem Gewinn des Unternehmens, da sie die Fixkosten nicht enthält. Die Produzentenrente ist ein Maß dafür, wie viel das Unternehmen maximal zu zahlen bereit wäre, um beim Preis p die Menge y*(p) produzieren zu dürfen. Vergleichen Sie das mit der Konsumentenrente! Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 12 Es gibt zwei Möglichkeiten, wie wir die Rente des Produzenten graphisch darstellen können: p 1. Die Erlöse sind py*(p), also einfach das Rechteck, das durch y*(p) auf der Abszisse und p auf der Ordinate aufgespannt wird. Die variablen Kosten sind GK DVK y* ( p ) ⋅ DVK ( y* ) also das Rechteck, das durch y*(p) auf der Abszisse und DVK(y*) auf der Ordinate aufgespannt wird. Die Rente des Produzenten ist einfach die Differenz dieser beiden Flächen. Prof. Martin Kocher y Abb. 8.4: Produzentenrente I Mikro 1-8 (SS 2009) 13 2. Alternativ können wir die variablen Kosten als Fläche unter der Grenzkostenkurve von 0 bis y*(p) interpretieren, denn: p GK DVK VK ( y* ) = K ( y* ) − K (0) y* = ∫ K '( y )dy 0 Also ist die Rente des Produzenten die Fläche zwischen Grenzkostenkurve und der Horizontalen durch p. y Abb. 8.5: Produzentenrente II Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 14 Wenn wir die Renten aller Produzenten im Markt aufaddieren wollen, ist das zweite Verfahren besonders praktisch, weil es uns erlaubt, als Maß für die (aggregierte) Produzentenrente die Fläche zwischen der Angebotskurve und der Preisgeraden zu verwenden. p Abb. 8.6: Die aggregierte Produzentenrente Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) y 15 8.6 Exkurs: Die Inputnachfrage eines Unternehmens Ein Unternehmen muss nicht nur entscheiden, welche Outputmenge es produzieren soll, sondern auch, welche Inputs es dafür einsetzen soll. Bisher sind wir in zwei Schritten vorgegangen: ● Zuerst hatten wir für jede mögliche Menge y die kostenminimale Inputkombination bestimmt, mit der diese Menge produziert werden kann. Daraus ergab sich die Kostenfunktion des Unternehmens. ● Im zweiten Schritt hatten wir diese Kostenfunktion als gegeben betrachtet und die gewinnmaximale Outputmenge berechnet. Man kann aber auch beide Probleme gleichzeitig lösen. Bei zwei Inputfaktoren lautet die Gewinnfunktion des Unternehmens: G ( y, x1 , x2 ) = p ⋅ y − w1 x1 − w2 x2 wobei y durch die Produktionsfunktion y = f ( x1 , x2 ) gegeben ist. Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 16 Wir nehmen an, dass die Inputpreise, w1 und w2, von einem einzelnen Unternehmen nicht beeinflusst werden können und exogen gegeben sind. Wenn wir die Produktionsfunktion in der Gewinnfunktion für y substituieren, erhalten wir: G ( y, x1 , x2 ) = p ⋅ f ( x1 , x2 ) − w1 x1 − w2 x2 Wenn wir diesen Ausdruck durch geeignete Wahl von x1 und x2 maximieren, ergeben sich die folgenden Bedingungen erster Ordnung für die gewinnmaximale Inputkombination (x1*, x2*): ∂f ( x1* , x2* ) dG = p⋅ − w1 = 0 dx1 ∂x1 ∂f ( x1* , x2* ) dG = p⋅ − w2 = 0 ∂x2 dx2 Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 17 bzw. p⋅ p⋅ ∂f ( x1* , x2* ) ∂x1 ∂f ( x1* , x2* ) ∂x2 = w1 = w2 Beachten Sie: ● ∂f ( x1* , x2* ) ∂xi ist das physische Grenzprodukt von Inputfaktor i. Es gibt an, wie viel mehr Output produziert werden kann, wenn eine zusätzliche Inputeinheit von Input i eingesetzt wird. ● p ⋅ ∂f ( x1* , x2* ) ∂xi ist das Wertgrenzprodukt von Inputfaktor i. Es gibt an, um wie viel der Erlös des Unternehmens steigt, wenn es eine zusätzliche Einheit von Faktor i einsetzt. ● wi sind die Grenzkosten von Inputfaktor i. Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 18 Die Bedingungen erster Ordnung verlangen, dass ein Unternehmen den Einsatz seiner Inputfaktoren solange ausdehnt, bis das Wertgrenzprodukt eines jeden Faktors gerade gleich seinen Grenzkosten ist. Wie wirkt sich eine Veränderung der Inputpreise, w1 und w2, bzw. des Outputpreises, p, auf die Inputnachfrage aus? Ein Gewinnmaximum kann nur vorliegen, wenn die Produktionsfunktion an der Stelle (x1*, x2*) konkav ist. Das bedeutet aber, dass die Inputfaktoren abnehmende Grenzerträge aufweisen müssen. Man kann zeigen, dass die Inputnachfrage nach Inputfaktor 1 ● steigt, wenn p steigt ● fällt, wenn w1 steigt Das können wir mit einer einfachen Produktionsfunktion, die nur von einem Inputfaktor (Arbeit) abhängt, illustrieren: y = f ( x) = x Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 19 Die Gewinnfunktion lautet: G ( x) = p x − wx Die Bedingung erster Ordnung verlangt: dG 1 − 12 = p⋅ x − w = 0 2 dx Die Bedingung zweiter Ordnung ist global erfüllt: d 2G 1 − 32 = −p⋅ x < 0 2 dx 4 Es ergibt sich für die Arbeitsnachfrage: p2 x( p, w) = 4 w2 Also steigt die Nachfrage nach Arbeit mit dem Outputpreis p und fällt mit dem Nominallohn w. Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 20 x( p, w) Abb. 8.7: Die Faktornachfrage Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) w 21 8.7 Die langfristige Angebotsfunktion Langfristig treten drei zusätzliche Effekte auf: 1. Langfristig können alle Produktionsfaktoren optimal an die zu produzierende Menge angepasst werden, d.h., es gibt keine fixen Kosten. 2. Langfristig können Unternehmen den Markt verlassen bzw. auf den Markt zutreten, d.h., die Zahl der Unternehmen am Markt ist endogen. 3. Langfristig werden die technologischen Unterschiede zwischen den Unternehmen kleiner werden, weil jedes Unternehmen versuchen wird, die kostengünstigste Technologie zu kopieren. Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 22 Der erste Effekt lässt sich leicht in das Modell einbauen. Das langfristige Angebot eines Unternehmens ist einfach der Ast der langfristigen Grenzkostenkurve oberhalb des Minimums der langfristigen Durchschnittskostenkurve: p GKl DKl Abb. 8.8: Die langfristige Angebotsfunktion Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) yl* ( p ) 23 Beachten Sie: Da die langfristige Grenzkostenkurve flacher ist als die kurzfristige, ist auch die langfristige Angebotsfunktion eines Unternehmens flacher, d.h. preiselastischer. Betrachten wir jetzt das langfristige Marktangebot. Dazu müssen wir den zweiten Effekt berücksichtigen, also dass die Anzahl der Unternehmen im Markt von der Höhe des Preises abhängt: ● Alle Unternehmen, bei denen das Minimum der langfristigen Durchschnittskosten höher ist als der Preis, werden den Markt verlassen. ● Alle Unternehmen, bei denen das Minimum der langfristigen Durchschnittskosten niedriger ist als der Preis, werden auf den Markt zutreten. Dieser Effekt führt ebenfalls dazu, dass die Marktangebotsfunktion langfristig flacher ist als in der kurzen Frist: ● Preis steigt => zusätzliche Unternehmen treten auf den Markt zu. ● Preis fällt => einige Unternehmen scheiden aus dem Markt aus. Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 24 Betrachten wir jetzt den dritten Effekt. Im Extremfall verfügen alle Unternehmen langfristig über dieselbe (kostengünstigste) Technolgie. In diesem Fall ist das langfristige Marktangebot vollkommen preiselastisch, denn: ● Angenommen, der Preis ist niedriger als das Minimum der Durchschnittskosten. Dann können auf diesem Markt nur Verluste erzielt werden. Also wäre kein Unternehmen bereit, etwas zu produzieren. Das Marktangebot wäre 0. ● Angenommen, der Preis ist höher als das Minimum der Durchschnittskosten. Dann können auf diesem Markt Gewinne erzielt werden und “unendlich viele” Unternehmen würden auf den Markt zutreten. Das Marktangebot wäre “unendlich”. Also ist die Marktangebotsfunktion eine Parallele zur Abszisse durch den Preis, der den minimalen Durchschnittskosten entspricht. Also ist die Marktangebotsfunktion eine Parallele zur Abszisse durch den Preis, der den minimalen Durchschnittskosten entspricht. Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 25 p Abb. 8.9: Das langfristige Marktangebot y Beachten Sie: Da jedes Unternehmen langfristig im Minimum der Durchschnittskosten operiert, gilt: p* = GK l = DK l Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 26 ● Da G=(p*-DK)y* machen alle Unternehmen langfristig Null- Gewinne. ● Null-Gewinne heißt nicht, dass die buchhalterischen Gewinne gleich null sind. Denn natürlich müssen im langfristigen Gleichgewicht alle Produktionsfaktoren zu ihren Opportunitätskosten entlohnt werden, d.h., das Kapital muss mit dem Marktzins verzinst werden und der Unternehmer muss einen Unternehmerlohn bekommen, der seinem Lohn in der nächstbesten anderen Tätigkeit entspricht. Aber darüber hinaus werden keine Gewinne erzielt. ● Dieses extreme Resultat gilt natürlich nur in einer „idealen“ Welt, in der alle Produktionsfaktoren mobil sind und alle Unternehmen die beste verfügbare Technologie verwenden können. In der realen Welt sind auch langfristig “Extra-Gewinne” möglich, wenn diese Annahmen verletzt sind. Aber: Diese Gewinne werden im Zeitablauf meist weggeschmolzen. Prof. Martin Kocher Mikro 1-8 (SS 2009) 27