Kapitel 6 Konsumentenrente, Produktion

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Kapitel 6
Konsumentenrente, Produktion
Vor- und Nachbereitung:
● Varian, Chapters 14 und18
● Frank, Chapters 5 und 9
● Übungsblatt 6
© Klaus M. Schmidt, 2008
6.1 Die inverse Nachfragefunktion
Er wird oft nützlich sein, die Nachfragefunktion x1(p1) nach p1 aufzulösen und
die inverse Nachfragefunktion zu betrachten (Vorsicht: Das geht nur, wenn die
Nachfragefunktion streng monoton ist).
p1
Abb 6.1: Die inverse Nachfragekurve
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x1
2
Die inverse Nachfragekurve gibt für jede Menge an, wie viel das Gut
kosten müsste, damit der Konsument exakt diese Menge nachfragt.
Sie hat eine interessante Interpretation:
Im Nutzenmaximum muss gelten:
p1
GRS =
p2
Sei Gut 2 wieder die “Ausgaben für alle übrigen Güter” (p2 = 1). Dann
gilt:
p1 = GRS
d.h., im Nutzenmaximum ist der Preis des Gutes 1 gleich der |GRS|.
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3
Die GRS misst, wie viel übrigen Konsum (gemessen in € ) der
Konsument aufzugeben bereit ist, um eine zusätzliche Einheit von Gut
1 zu bekommen.
Da die GRS im Nutzenmaximum gleich dem Preis ist, drückt die
inverse Nachfragekurve auch die marginale Zahlungsbereitschaft
des Konsumenten für jede weitere Einheit von Gut 1 aus.
Beachten Sie: Wenn die inverse Nachfragekurve fällt, was bei
gewöhnlichen Gütern der Fall ist, dann nimmt die marginale
Zahlungsbereitschaft des Konsumenten mit zunehmendem Konsum
ab. (Gossensches Gesetz vom “abnehmenden Grenznutzen”.)
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4
6.2 Die Rente des Konsumenten
Wenn ein rationaler Konsument x1 Einheiten von Gut 1 kauft, dann
muss es der Fall sein, dass seine Zahlungsbereitschaft für diese x1
Einheiten größer ist als seine Ausgaben für dieses Gut, d.h. als p1x1.
Oft möchten wir aber wissen, wie hoch genau die Zahlungsbereitschaft
für diese Einheiten ist. In diesem Kapitel werden wir sehen, wie wir
diese Zahlungsbereitschaft aus der individuellen Nachfragefunktion des
Konsumenten ableiten können.
Nehmen wir zunächst an, dass es bei der Nachfrage nach Gut 1 keine
Einkommenseffekte gibt. Dann können wir die individuelle inverse
Nachfragefunktion des Konsumenten wie folgt interpretieren:
● Der Preis, bei dem der Konsument genau eine Einheit nachfragen
würde, ist die Zahlungsbereitschaft des Konsumenten für die erste
Einheit von Gut 1.
● Der Preis, bei dem der Konsument genau zwei Einheiten
nachfragen würde, ist die Zahlungsbereitschaft des Konsumenten
für die zweite Einheit von Gut 1, usw.
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5
p
x1
Abb 6.2: Inverse Nachfragefunktion und Zahlungsbereitschaften
Wenn die einzelnen Einheiten von Gut 1 klein sind, dann wird aus der
Treppenfunktion approximativ eine stetige Funktion.
Der Bruttonutzen des Konsumenten, wenn er x1 Einheiten konsumiert, ist also
einfach die Fläche unter der inversen Nachfragefunktion von der Menge 0 bis
zur Menge x1 .
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6
Wenn der Konsument für jede Einheit den Preis p1 zahlen muss, dann wird er
soviel von Gut 1 nachfragen, bis die Zahlungsbereitschaft für die letzte Einheit
von Gut 1 gerade gleich dem Preis von Gut 1 ist.
Der Nettonutzen oder die “Rente” des Konsumenten ist dann die Fläche
unter der (inversen) Nachfragekurve von 0 bis zur nachgefragten Menge
abzüglich des Rechtecks p1x1 (der Ausgaben).
p1
Abb 6.3: Die Rente des Konsumenten
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x1
7
Beachten Sie: Streng genommen ist diese Interpretation der
Nachfragekurve nur möglich, wenn es keine Einkommenseffekte gibt.
Warum? Angenommen der Konsument kauft die erste Einheit des
Gutes zum Preis 10 €. Dann ist er jetzt um 10 € ärmer als vorher.
Wenn es bei der Nachfrage nach Gut 1 einen Einkommenseffekt gibt,
dann wird sich dadurch seine Zahlungsbereitschaft für die zweite
Einheit des Gutes verändern. Insbesondere hängt seine
Zahlungsbereitschaft für die zweite Einheit jetzt von dem Preis p1 ab,
den er für die erste Einheit bereits bezahlen musste. Also sind Preis
und Zahlungsbereitschaft nicht mehr unabhängig voneinander!
Fazit: Wenn Einkommenseffekte vorliegen, dann können wir die
inverse Nachfragefunktion nicht mehr als Maß für die
Zahlungsbereitschaften verwenden.
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Wie wichtig ist diese Einschränkung?
● Wenn die Ausgaben für das betrachtete Gut klein sind, dann
spielen Einkommenseffekte empirisch in vielen Fällen keine
wichtige Rolle und können approximativ vernachlässigt werden.
● Wenn die Ausgaben für das betrachtete Gut hoch sind, dürfen
Einkommenseffekte nicht vernachlässigt werden. In diesem Fall
gibt es ein etwas komplizierteres Verfahren (über die sog. Hicksche
Nachfragefunktion) mit der die Zahlungsbereitschaft gemessen
werden kann.
Beachten Sie: Keine Einkommenseffekte ist gleichbedeutend mit
quasi-linearen Präferenzen. Das ist der Grund, warum quasi-lineare
Nutzenfunktionen von Ökonomen so gerne verwendet werden.
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6.3 Die Konsumentenrente
In Kapitel 6.2 haben wir die Rente eines einzelnen Konsumenten
betrachtet. Oft interessiert uns aber, wie groß die Summe der Renten
aller Konsumenten ist.
Wenn wir Einkommenseffekte vernachlässigen können, dann können
wir die Flächen unter den individuellen, inversen Nachfragekurven
einfach aufsummieren.
Beachten Sie, dass die Marktnachfragekurve nichts anderes ist als die
Summe der individuellen Nachfragen. Da die individuellen, inversen
Nachfragekurven “horizontal” aufaddiert werden, ist die Summe der
Renten aller Konsumenten nichts anderes als die Fläche unter der
inversen Marktnachfragekurve (aber oberhalb des Preises)!
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10
p
Abb 6.4: Die Konsumentenrente
D
Die Summe der Renten aller Konsumenten wird Konsumentenrente genannt.
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6.4 Anwendung: Kosten-Nutzen Analyse
Bei allen ökonomischen Entscheidungen müssen Kosten und Nutzen
miteinander verglichen werden. Das ist besonders schwierig, wenn von
dieser Entscheidung mehrere Personen gleichzeitig betroffen sind. In
diesem Fall ist die Konsumentenrente ein wichtiges Maß für den
aggregierten Nutzen einer Gruppe von Personen: Sie drückt aus, um
wie viel die maximale Zahlungsbereitschaft der Gruppe für eine
bestimmte Gütermenge den tatsächlichen Preis übersteigt.
Beispiel 1: Der Freistaat Bayern überlegt, eine neue Autobahn von
München nach Passau zu bauen, wodurch sich die Fahrtzeiten vieler
Autofahrer deutlich verkürzen würden.
Alle Kosten, die mit der Autobahn verbunden sind (Baukosten,
Belastung der Anwohner, etc.), seien bereits bekannt. Wie kann der
Nutzengewinn der Autofahrer aus der Autobahn gemessen werden?
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● Ein Marktforschungsunternehmen schätzt die “Nachfragefunktion”
nach Fahrten auf dieser Autobahn, d.h., wie viele Autofahrer die
Autobahn wie oft benutzen würden, wenn sie für die Benutzung
eine Maut von € 1, € 2, € 3 usw. bezahlen müssten.
● Die Fläche unter der Inversen dieser Nachfragekurve gibt
approximativ an, wie hoch die Summe der Zahlungsbereitschaften
aller Konsumenten und damit der Nutzen aus der Autobahn ist.
Beachten Sie: Es ist wichtig zu wissen, wie viele Autofahrer die
Autobahn bei welcher Maut benutzen würden, selbst wenn der
Freistaat gar keine Maut erheben will!
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Beispiel 2: Der Staat ist in akuter Finanznot und muss eine
Sondersteuer auf den Konsum bestimmter Güter erheben. Zur Auswahl
stehen:
● eine Schuhsteuer
● eine Erbsensteuer
Nehmen wir an, dass die Unternehmen vor und nach der
Steuererhöhung gerade ihr eingesetztes Kapital verzinsen können
(“Nullgewinne”) und dass die Steuer vollständig auf die Konsumenten
überwälzt wird. Unter dieser Annahme können wir die Unternehmen
beim Wohlfahrtsvergleich der beiden Steuern ignorieren.
Jede dieser Steuern ist mit einem Wohlfahrtsverlust verbunden, denn
die Steuereinnahmen des Staates sind niedriger als der Verlust an
Konsumentenrente:
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14
p
D
Abb 6.5: Wohlfahrtsverlust durch eine Steuer
Dennoch muss eine dieser Steuern eingeführt werden. Frage:
Welche Steuer führt zu geringeren Wohlfahrtsverlusten?
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Beachten Sie: Je flacher die inverse Nachfragekurve, d.h., je
preiselastischer die Nachfrage nach einem Gut,
● um so größer ist der Nachfragerückgang bei einer Steuererhöhung,
● und um so größer ist der tote Verlust an Konsumentenrente (d.h.,
derjenige Verlust, dem keine Steuereinnahmen des Staates
gegenüberstehen).
Fazit: Da die Nachfrage nach Schuhen weniger preiselastisch ist als
die nach Erbsen, sollten die Schuhe besteuert werden.
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6.5 Anwendung:
Finanzierung eines Club-Gutes
In einer kleinen Stadt hat sich ein Tennisverein gebildet, der seinen
Mitgliedern Tennisplätze zur Verfügung stellen möchte.
● Die jährlichen Kosten der Anlage belaufen sich auf € 60.000
● Der Kassenwart schlägt vor, diesen Betrag durch Gebühren zu
finanzieren, die pro Stunde und Platz erhoben werden. Die
jährliche Nachfrage nach “Stunden Tennisplatz” ist gegeben durch
D( p ) = 10.000 − 500 p
● Es gibt keine Kapazitätsprobleme.
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1. Frage: Kann die Tennisanlage auf diese Weise finanziert werden?
Die Einnahmen des Vereins beim Preis p sind gegeben durch
E = p ⋅ D( p ) = 10.000 p − 500 p 2
Die Bedingung erster Ordnung für die Maximierung der Erlöse verlangt:
dE
= 10.000 − 1000 p = 0
dP
Also werden die Einnahmen maximiert beim Preis
p* = 10
Bei diesem Preis werden 5000 Stunden Tennis nachgefragt, so dass die
Einnahmen in Höhe von € 50.000 hinter den Kosten von € 60.000
zurückbleiben.
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2. Frage: Sollte die Tennisanlage trotzdem gebaut werden?
Was wären die Mitglieder insgesamt bereit, für die Tennisanlage zu
zahlen, wenn sie dafür umsonst spielen dürften?
Die Konsumentenrente ist die Fläche unter der inversen
Nachfragefunktion:
p = 20 − 0, 002 D
Die inverse Nachfragefunktion schneidet die p-Achse bei 20 und die DAchse bei 10.000. Da sie linear ist, ist die Fläche unter dieser Kurve
einfach
KR =
20 ⋅10.000
= 100.000
2
Da die Konsumentenrente höher ist als die Kosten, sollte die Anlage
gebaut werden.
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3. Frage: Wie kann man die Anlage finanzieren?
Nehmen wir an, dass es 500 Mitglieder des Clubs gibt, die alle dieselbe
individuelle Nachfragefunktion haben. Dann hat jedes Clubmitglied eine
Zahlungsbereitschaft von
KR
KRi =
= 200
500
dafür, ein Jahr umsonst Tennis zu spielen.
Wenn der Club einen jährlichen Mitgliedsbeitrag in Höhe von € 120,pro Mitglied erhebt, kann die Anlage finanziert werden und jedes
Mitglied hat einen Nutzengewinn in Höhe von € 80!
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Weitere Fragen:
● Wenn die Kosten für die Anlage nur € 40.000 betragen, sollte der
Club dann auf die jährlichen Mitgliedsbeiträge verzichten und eine
Gebühr pro Stunde erheben?
● Nehmen Sie an, dass die Kosten der Anlage über eine Gebühr pro
Stunde finanziert werden müssen, dass aber nicht alle
Clubmitglieder dieselben individuellen Nachfragekurven haben: Die
jugendlichen Clubmitglieder haben eine sehr viel flachere und
preiselastischere Nachfragekurve als die älteren Clubmitglieder.
Was sollte der Verein jetzt tun?
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6.6 Produktion
In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit den
Produktionsentscheidungen von Unternehmen.
Unsere Vorstellung von einem Unternehmen ist eine grobe
Vereinfachung:
● Wir nehmen an, dass das Unternehmen bereits existiert und über
eine bestimmte Menge von “Technologien” verfügt.
● Das Unternehmen kann zu gegebenen Preisen “Inputs” (Arbeit,
Kapital, Rohstoffe, Vorprodukte) kaufen und in “Outputs”
(Verbrauchsgüter) umwandeln.
● Wir betrachten das Unternehmen als kleinste handelnde Einheit
und interessieren uns nicht dafür, wie Entscheidungen innerhalb
des Unternehmens zustande kommen.
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Obwohl dieses Modell zahlreiche interessante Einsichten ermöglicht,
kann es auf bestimmte Fragen zum Verhalten von Unternehmen keine
Antwort geben, z.B.:
● Wie werden Technologien entwickelt, wie kommt es zu
technischem Fortschritt?
● Welche Interessenskonflikte existieren innerhalb eines
Unternehmens zwischen den Eigentümern, den Managern und den
Arbeitern?
● Wann wird ein Unternehmen auf einen Markt zutreten?
● Was bestimmt die Preise für die “Inputs” und die “Outputs”?
Diese Fragen sind wichtig und werden im Laufe des VWL-Studiums
ausführlich diskutiert werden. Jetzt fangen wir erst einmal mit dem
einfachsten Modell an.
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Die Vorgehensweise in den beiden folgenden Kapiteln ist ganz analog
zur Theorie des Konsumentenverhaltens:
● Wir beschreiben zunächst die Produktionsmöglichkeiten des
Unternehmens (entspricht der Budgetmenge des Konsumenten).
● Dann beschreiben wir die Zielfunktion des Unternehmens
(entspricht der Nutzenfunktion).
● Dann bestimmen und charakterisieren wir den optimalen
Produktionsplan (entspricht dem optimalen Güterbündel).
Auch die verwendeten Techniken sind denen aus der Theorie des
Konsumentenverhaltens sehr ähnlich. Darum können wir etwas zügiger
vorgehen.
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6.7 Die Produktionsfunktion
Ein Unternehmen benutzt Inputs oder Produktionsfaktoren um
Outputs zu erzeugen. Die Technologie beschreibt, welche
Inputkombinationen zu welchen Outputs führen.
Inputs
Technologie
Output
Abb. 6.6: Produktion
Inputs:
● Arbeit (z.B. Menge an eingesetzter Arbeit einer bestimmten
Qualität)
● Kapital (z.B. Anzahl der eingesetzten Maschinen eines bestimmten
Typs, Fläche eines Gebäudes)
● Boden (z.B. Fläche eines Grundstücks bestimmter Qualität)
● Rohstoffe und Vorprodukte (z.B. Tonnen Stahl, Megawattstunden
Strom, Anzahl bestimmter Vorprodukte)
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Die Mengen der verschiedenen Inputs werden mit x1, ..., xn bezeichnet.
Für die Herstellung der meisten Produkte sind viele verschiedene
Inputs erforderlich. Zur Vereinfachung und graphischen
Veranschaulichung beschränken wir uns meistens auf den ZweiInputgüter-Fall (z.B. Arbeit und Kapital).
Outputs:
● Güter für den Endverbrauch (z.B. Autos, Kühlschränke, etc.)
● Zwischenprodukte, die von anderen Unternehmen weiterverarbeitet
werden (z.B. Stahl, Chemikalien, Vorprodukte, etc.)
Die meisten Unternehmen produzieren viele verschiedene Outputs. Zur
Vereinfachung beschränken wir uns auf Ein-Produkt-Unternehmen. Die
Menge des Outputs wird mit y bezeichnet.
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Technologie: Die Technologie gibt an, wie viel von dem Outputgut mit
einer bestimmten Menge von Inputgütern produziert werden kann. Sie
beschreibt, ob ein Produktionsplan (x1,...xn,y) durchführbar ist, d.h.,
ob man mit den Inputs x1,...xn die Outputmenge y auch tatsächlich
produzieren kann.
Die Menge der durchführbaren Produktionspläne heißt
Produktionsmöglichkeitenmenge. Sie beschreibt sämtliche
Handlungsmöglichkeiten eines Unternehmens.
Beachten Sie: Wenn es möglich ist, mit (x1,x2) die Menge y zu
produzieren, dann kann man y in der Regel auch mit größeren
Inputmengen, z.B. (x1+3,2x2), produzieren (zumindest wenn man einen
Teil der Inputs kostenlos vernichten kann).
Da Inputs Kosten verursachen, wird ein Unternehmen keine Inputgüter
verschwenden. Darum interessieren wir uns nur für den effizienten
Rand der Produktionsmöglichkeitenmenge, der auch
Produktionsfunktion genannt wird.
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Definition 6.1 Die Produktionsfunktion gibt für jede Kombination
von Inputs die maximale Outputmenge y an, die damit produziert
werden kann.
Die Produktionsfunktion hat viel Ähnlichkeit mit der Nutzenfunktion, die
wir aus der Theorie des Konsumentenverhaltens kennen. Aber:
● Die Nutzenfunktion ist ein rein ordinales Konzept, d.h., die
absoluten Nutzenwerte haben keine Bedeutung. Außerdem ist der
Nutzen interpersonell nicht vergleichbar.
● Die Produktionsfunktion ist ein kardinales Konzept. Die absoluten
Produktionsmengen haben eine wohl definierte Bedeutung und
lassen sich zwischen verschiedenen Unternehmen problemlos
vergleichen.
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6.8 Isoquanten
Ähnlich wie wir die Präferenzen eines Konsumenten durch
Indifferenzkurven darstellen können, können wir die
Produktionsfunktion mit Hilfe von sog. Isoquanten veranschaulichen.
Definition 6.2 Eine Isoquante ist die Menge aller möglichen
Kombinationen von Inputs, mit denen dieselbe maximal mögliche
Menge Output y erzeugt werden kann, d.h.
I ( y ) = {( x1 , x2 ) f ( x1 , x2 ) = y}
Im Zwei-Input-Fall lassen sich die Isoquanten leicht graphisch
veranschaulichen:
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29
x2
Abb. 6.7: Isoquante
x1
Beachten Sie:
1. Die Menge aller (x1,x2), die rechts oberhalb der Isoquante I(y)
liegen, ist die Menge aller Inputkombinationen, mit denen
mindestens y produziert werden kann.
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2. Wenn y2>y1, dann muss I(y2) rechts oberhalb von I(y1) liegen.
Warum?
3. Wenn ein Unternehmen mit mehr Inputs auch mehr Outputs
erzeugen kann, d.h. wenn die Produktionsfunktion streng monoton
ist, dann muss die Isoquante eine streng negative Steigung haben.
Warum?
Beispiele: Wenn die Produktionsfunktion gegeben ist, können wir die
Lage einer Isoquante leicht bestimmen:
a) y=4x1+2x2. Bestimmen Sie die Isoquante für y=20 (Beispiel für
perfekte Substitute).
b) y=3x1x2. Bestimmen Sie die Isoquante für y=15 (Beispiel für
eine Cobb-Douglas Produktionsfunktion. Allgemeiner:
y=Ax1ax2b, A,a,b > 0)
c) y=min{x1, 4x2}. Bestimmen Sie die Isoquante für y=16
(Beispiel für eine Produktionsfunktion mit konstanten
Proportionen, entspricht perfekten Komplementen)
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6.9 Die Grenzrate der technischen Substitution
Substitutionalen Produktionsfunktion: Eine gegebene Outputmenge
kann mit verschiedenen Inputkombinationen effizient produziert werden
(Beispiele a) und b) oben).
Limitationalen Produktionsfunktion: Eine gegebene Outputmenge
kann nur mit einer Inputkombination effizient produziert werden
(Beispiel c) oben).
Bei einer substitutionalen Produktionsfunktion können wir analog zur
Grenzrate der Substitution in der Nutzentheorie die Grenzrate der
technischen Substitution bestimmen.
Definition 6.3: Die Grenzrate der technischen Substitution
(GRTS) (manchmal auch “technische Rate der Substitution (TRS)”
genannt) beschreibt das Verhältnis, in dem ein Produktionsfaktor
durch einen anderen ersetzt werden kann, so dass die
Outputmenge unverändert bleibt.
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32
x2
x1
Abb. 6.8: Die Grenzrate der technischen Substitution
Die GRTS gibt also die Steigung der Isoquante in einem
bestimmten Punkt an. Sie ist grundsätzlich negativ und gibt an,
um wie viel ich den Einsatz von Inputfaktor 2 erhöhen muss, wenn
ich den Einsatz von Inputfaktor 1 um eine Einheit reduziere.
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33
6.10 Das Grenzprodukt
Das Grenzprodukt eines Inputfaktors beschreibt die Veränderung der
Outputmenge, wenn die Inputmenge dieses Faktors um eine Einheit erhöht
wird, während alle anderen Inputfaktoren unverändert bleiben.
Wenn die Produktionsfunktion differenzierbar ist, dann ist das Grenzprodukt von Faktor i die partielle Ableitung der Produktionsfunktion nach xi:
∂f ( x1 ,..., xn )
GPi ( x1 ,..., xn ) =
∂xi
Wir können uns die Produktionsfunktion wieder als “Produktionsgebirge”
vorstellen:
● Die Höhenlinien entsprechen den Isoquanten.
● Schnitt parallel zur x1-Achse: Wie verändert sich der Output, wenn x2
konstant gehalten wird und sich nur x1 verändert. Die Steigung dieser
Funktion ist die partielle Ableitung nach x1.
● Schnitt parallel zur x2-Achse: Wie verändert sich der Output, wenn x1
konstant gehalten wird und sich nur x2 verändert. Die Steigung dieser
Funktion ist die partielle Ableitung nach x2.
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Grenzprodukt und GRTS
Wir können die Grenzprodukte verwenden, um die Grenzrate der
technischen Substitution an einer Stelle zu bestimmen. Betrachte eine
kleine Variation von x1 und x2 entlang der Isoquante an der Stelle (x1, x2).
Für diese muss gelten:
GP1 ⋅ Δx1 + GP2 ⋅ Δx2 = Δy = 0
Daraus folgt:
GP1 Δx2
−
=
= GRTS
GP2 Δx1
Wenn die Produktionsfunktion differenzierbar ist, können wir also
schreiben:
∂f ( x1 , x2 ) ∂ x1
GRTS = −
∂f ( x1 , x2 ) ∂ x2
Also ist die GRTS einfach der Quotient der Grenzprodukte an der Stelle
(x1, x2).
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35
6.11 Grenzprodukt und Durchschnittsprodukt
In diesem Kapitel nehmen wir an, dass ein Inputfaktor zumindest kurzfristig
exogen gegeben und nicht veränderbar ist (z.B. die Menge der
eingesetzten Maschinen oder Gebäude). Der andere Inputfaktor kann
dagegen beliebig variiert werden. Wir betrachten also eine partielle
Faktorvariation.
Sei x2=x2 exogen gegeben. Dann kann f(x1,x2)= f(x1,x2) nur in x1 variieren
und wir können die Produktionsfunktion im (x1,y)-Diagramm abtragen.
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36
y
x1
GP1
DP1
Abb. 6.9: Grenz- und Durchschnittsprodukt
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x1
37
Beachten Sie:
● Der Funktionswert y= f(x1,x2) gibt das totale Produkt an der Stelle
f(x1,x2) an.
● Die Steigung der Produktionsfunktion an der Stelle x1 gibt das
Grenzprodukt (oder die Grenzproduktivität) des Inputfaktors 1 an.
● Die Steigung der Geraden durch den Ursprung zum Punkt
(x1,f(x1,x2)) gibt das durchschnittliche Produkt pro eingesetztem
Inputfaktor 1 (oder die Durchschnittsproduktivität) an.
Es muss gelten:
● Wenn das Grenzprodukt größer ist als das Durchschnittsprodukt,
steigt das Durchschnittsprodukt.
● Wenn das Grenzprodukt kleiner ist als das Durchschnittsprodukt,
fällt das Durchschnittsprodukt.
● Wenn das Grenzprodukt gleich dem Durchschnittsprodukt ist, ist
das Durchschnittsprodukt konstant.
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38
Anwendungsbeispiel:
Ein Bauer hat zwei Felder, A und B, auf denen er Weizen anbaut. Der
Weizen gedeiht nur, wenn die Felder gedüngt werden. Die Felder sind
von unterschiedlicher Qualität, d.h., sie zeichnen sich durch
unterschiedliche Produktionsfunktionen aus, die in der folgenden
Tabelle zusammengefasst sind. Dabei ist x die Menge an
ausgebrachtem Dünger (in Zentnern) und y die Menge an produziertem
Weizen (in Tonnen):
x
y=fA(x)
x
y=fB(x)
GPB
DPB
0
0
0
0
1
4
4
4,0
1
1
1
1,0
2
7
3
3,5
2
3
2
1,5
3
10
3
3,3
3
5
2
1,7
4
12
2
3,0
4
7
2
1,8
5
13
1
2,6
5
9
2
1,8
6
14
1
2,3
6
11
2
1,8
7
15
1
2,1
7
13
2
1,9
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GPA
DPA
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39
Bisher hat der Bauer auf jedes Feld 5 Zentner Dünger ausgebracht.
● Angenommen, der Bauer hat einen weiteren Zentner Dünger zur
Verfügung. Auf welchem Feld sollte er ihn ausbringen?
● War die ursprüngliche Aufteilung vernünftig? Sollte der Bauer nicht
mehr Dünger auf Feld A streuen, das eine höhere durchschnittliche
Produktivität hat? Oder mehr auf Feld B, das ein höheres
Grenzprodukt aufweist?
Gesetz vom abnehmenden Grenzprodukt: Bei den meisten
Produktionsfunktionen nimmt das Grenzprodukt eines Inputfaktors (im
relevanten Bereich) mit zunehmendem Einsatz dieses Faktors ab, d.h.,
die zweite partielle Ableitung ist negativ.
∂ 2 f ( x1 , x2 )
<0
2
∂xi
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6.12 Skalenerträge
Im letzten Abschnitt hatten wir nur einen Produktionsfaktor variiert und den
anderen konstant gehalten. Langfristig kann das Unternehmen aber den
Einsatz aller Inputfaktoren verändern (totale Faktorvariation).
Wir betrachten jetzt den Fall, dass alle Produktionsfaktoren im selben
Verhältnis erhöht werden. Angenommen, die Menge aller eingesetzter
Inputfaktoren wird mit dem Faktor k>1 multipliziert:
● Wenn der Output um mehr als das k-fache steigt, sprechen wir von
steigenden Skalenerträgen (increasing returns to scale).
● Wenn der Output um genau das k-fache steigt, sprechen wir von
konstanten Skalenerträgen (constant returns to scale).
● Wenn der Output um weniger als das k-fache steigt, sprechen wir von
fallenden Skalenerträgen (decreasing returns to scale).
Steigende Skalenerträge ergeben sich aus Massenproduktionsvorteilen.
Beispiel: Stecknadelproduktion (Adam Smith).
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Wenn sich alle Produktionsfaktoren zu konstanten Preisen beliebig
vermehren lassen, dann sollten alle Unternehmen wenigstens
konstante Skalenerträge aufweisen. Denn dann kann man die
doppelte Menge produzieren, indem man einfach exakt die
Produktionsanlage zu exakt denselben Kosten noch einmal aufbaut.
Dennoch scheinen viele Unternehmen ab einer bestimmten Größe
fallende Skalenerträge aufzuweisen. Zunehmende
Unternehmensgröße kann zu erheblichen Kosten durch geringere
Flexibilität, zunehmende Bürokratisierung, abnehmende Motivation der
Mitarbeiter, etc. führen. Beispiele:
● United Steel versus Mini-mills
● Staatliche Post versus private Kurierdienste
● DDR, Sowjetunion
Beachten Sie: Skalenerträge sind eine lokale Eigenschaft. Eine
Produktionsfunktion kann in einem bestimmten Bereich steigende und
in einem anderen Bereich fallende Skalenerträge aufweisen.
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Beispiele: Welche der folgenden Funktionen hat steigende, konstante,
fallende Skalenerträge?
•
•
y = 4 x1 + x2
y = 3 x1 x2
•
•
y = 3x10,3 x2 0,7
y = x1 + 12 x2
Neben Massenproduktionsvorteilen (“economies of scale”) gibt es
auch Verbundproduktionsvorteile (“economies of scope”). Damit
werden Kostenvorteile bezeichnet, die sich ergeben, wenn mehrere
Produkte in einem Unternehmen statt in getrennten Unternehmen
produziert werden. Sie werden oft auch “Synergieeffekte” genannt und
sind ein wichtiger Grund, warum die meisten Unternehmen viele
verschiedene Produkte anbieten. Bei der Analyse von Mehr-Produkt
Unternehmen spielen sie eine wichtige Rolle.
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