Kapitel 9 Gleichgewicht bei vollkommenem Wettbewerb

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Kapitel 9
Gleichgewicht bei vollkommenem
Wettbewerb
Vor- und Nachbereitung:
● Varian, Chapter 16
● Frank, Chapter 11
● Übungsblatt 9
© Klaus M. Schmidt, 2008
9.1 Gleichgewicht
Ein Gleichgewicht ist ein stabiler Zustand, d.h. eine Situation, in der
kein Individuum mehr einen Anreiz hat, sein Verhalten zu verändern:
Jeder verhält sich optimal und möchte bei seinem Verhalten bleiben.
9.2 Marktgleichgewicht
Das Marktgleichgewicht ergibt sich im Schnittpunkt von Angebots- und
Nachfragekurve. Hier gilt:
D(p*)=S(p*)=Q*
Dabei bezeichnet p* den Gleichgewichtspreis und Q* die
Gleichgewichtsmenge bei vollkommenem Wettbewerb.
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p
Abb. 9.1: Marktgleichgewicht
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D( p), S ( p)
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Warum liegt hier ein Gleichgewicht vor?
● Angenommen p<p*. Bei diesem Preis gilt D(p)>S(p). Also können
nicht alle Konsumenten, die das Gut gerne kaufen möchten,
bedient werden. Diese Konsumenten werden den Unternehmen
etwas höhere Preise anbieten, zu denen die Unternehmen bereit
sind, zusätzliche Einheiten zu produzieren. Der Preis wird solange
steigen, bis Angebot und Nachfrage ausgeglichen sind.
● Angenommen p>p*. Bei diesem Preis gilt D(p)<S(p). Bei diesem
Preis können nicht alle Unternehmen ihre Produktionsmenge, die
sie bei p gerne produzieren möchten, verkaufen. Einige
Unternehmen werden ihre Preise senken, solange bis D(p)=S(p).
● Nur beim Preis p=p* gilt D(p)=S(p), d.h. nur bei diesem Preis hat
keiner der Marktteilnehmer mehr einen Anreiz, sein Verhalten zu
ändern.
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Beachten Sie:
Streng genommen ist diese Argumentation nicht ganz korrekt, weil wir
ja angenommen hatten, dass die Marktteilnehmer die Preise als
gegeben annehmen. Also können sie den Preis nicht senken oder
erhöhen. Alternativ können wir uns einen walrasianischen Auktionator
vorstellen (nach Léon Walras, 1834-1910):
● Der Auktionator ruft einen Preis aus.
● Nachfrager und Anbieter geben bekannt, wieviel sie zu diesem
Preis kaufen bzw. verkaufen wollen.
● Wenn die Gesamtnachfrage zu diesem Preis größer ist als das
Gesamtangebot, erhöht der Auktionator den Preis. Im umgekehrten
Fall senkt er den Preis.
● Dieses Verfahren wird solange wiederholt, bis der Auktionator den
markträumenden Preis gefunden hat.
● Erst dann dürfen die Marktteilnehmer handeln.
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9.3 Die Effizienz des Gleichgewichts
Wie können wir die Gleichgewichtsallokation bewerten?
Hat diese Allokation irgendwelche generellen positiven oder negativen
Eigenschaften?
Beachten Sie:
Eine Allokation ist eine Zuordnung von Ressourcen zu Individuen.
In unserem Zusammenhang gibt sie an, welche Unternehmen
welche Mengen produzieren und welche Konsumenten welche
Mengen konsumieren.
Um Allokationen bewerten und miteinander vergleichen zu können,
führen wir das folgende Wohlfahrtskriterium ein:
Definition: Eine Allokation ist Pareto-effizient wenn es keine
Möglichkeit gibt, irgendein Individuum besser zu stellen, ohne
irgend ein anderes Individuum schlechter zu stellen.
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Wenn das nicht der Fall ist, ist die Allokation (Pareto-)ineffizient. Dann
ist eine Pareto-Verbesserung möglich, d.h., es ist möglich, ein
Individuum besser zu stellen, ohne irgendein anderes schlechter zu
stellen.
Beachten Sie:
● Pareto-Effizienz ist nicht hinreichend dafür, dass eine Allokation
“gut” ist. Wenn es zum Beispiel um die Aufteilung eines Kuchens
zwischen zwei Personen geht, dann ist jede Aufteilung, bei der
nichts weggeworfen wird, Pareto-effizient, selbst dann, wenn einer
den ganzen Kuchen erhält und der andere nichts.
● Aber: Die meisten Ökonomen sind der Meinung, dass ParetoEffizienz eine notwendige Bedingung für eine “gute” Allokation ist.
Denn wenn eine Allokation Pareto-ineffizient ist, d.h., wenn es
möglich ist, wenigstens ein Individuum besser zu stellen, ohne
dass es irgendeinem anderen schlechter geht, dann sollte man
versuchen, diese Pareto-Verbesserung auch zu erreichen.
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● Dennoch handelt es sich hier um ein Werturteil. Viele Menschen
würden eine Pareto-Verbesserung ablehnen, wenn sie dazu führt,
dass die Ungleichheit in der Gesellschaft wächst (Beispiel:
Diskussion um Vermögenssteuerreform).
Satz 9.1: Die Gleichgewichtsallokation bei vollkommenem
Wettbewerb ist Pareto-effizient.
Bemerkungen:
● Wir werden später sehen, dass die Gleichgewichtsallokation beim
Monopol (und generell bei unvollständigem Wettbewerb)
normalerweise nicht Pareto-effizient ist. Darum ist dieser Satz ein
starkes Argument für Wettbewerbsmärkte.
● Dieser Satz setzt voraus, dass es keine externen Effekte gibt, die
wir aber erst später kennenlernen werden.
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Wir beweisen dieses Satz in drei Schritten:
1. Wir halten zunächst die im Gleichgewicht produzierte Menge S(p*)
fest und fragen uns, ob es eine Möglichkeit gibt, diese Menge
besser unter den Konsumenten aufzuteilen. Im Gleichgewicht gilt:
– Alle Konsumenten, die das Gut bekommen, haben eine
Zahlungsbereitschaft für das Gut, die größer ioder gleich p*
ist.
– Alle Konsumenten, die das Gut nicht bekommen, haben eine
Zahlungsbereitschaft, die kleiner ist als p*.
– Wenn wir also einem Konsumenten, der das Gut bekommt,
dieses Gut wegnehmen, um es einem anderen, der es nicht
bekommt, zu geben, dann verliert der erste Konsument mehr
als der zweite gewinnt.
– Also gibt es keine Ausgleichszahlung, die der zweite
Konsument an den ersten leisten könnte, so dass der zweite
nach dem Tausch besser gestellt ist, ohne dass es dem
ersten schlechter geht.
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2. Jetzt fragen wir, ob es eine Möglichkeit gibt, die
Gleichgewichtsmenge anders unter den Unternehmen aufzuteilen,
so dass es zu einer Pareto-Verbesserung kommt.
– Im Gleichgewicht gilt für jedes Unternehmen GK=p*.
Außerdem gilt für jedes Unternehmen, dass die GK-Kurve an
der optimalen Ausbringungsmenge steigend ist.
– Angenommen ein Unternehmen produziert eine Einheit
weniger, während ein anderes eine Einheit mehr produziert.
Dann ist die Kostenersparnis bei dem ersten Unternehmen
kleiner als p*, während die Kostenerhöhung beim zweiten
Unternehmen größer ist als p*.
– Also gibt es keine Ausgleichszahlung, die das erste
Unternehmen an das zweite leisten könnte, so dass es dem
ersten besser geht, ohne dass es dem zweiten schlechter
geht.
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3. Schließlich fragen wir, ob es eine Möglichkeit zu einer ParetoVerbesserung gibt, wenn insgesamt mehr oder weniger als die
Gleichgewichtsmenge produziert wird.
– Angenommen, es wird eine zusätzliche Einheit produziert.
Die Kosten für diese zusätzliche Einheit sind bei allen
Unternehmen größer als p*.
– Es gibt aber keinen Konsumenten, der eine
Zahlungsbereitschaft für dieses zusätzliche Gut hätte, die
größer ist als p*.
– Also gibt es keine Ausgleichszahlung, die ein Konsument an
ein Unternehmen für die Herstellung dieses zusätzlichen
Gutes leisten könnte, so dass der Konsument besser gestellt
wird, ohne dass das Unternehmen schlechter gestellt wird.
– Analoges Argument für den Fall, dass weniger als S(p*)
produziert wird.
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Damit haben wir gezeigt, dass es keine Möglichkeit zu einer ParetoVerbesserung mehr gibt. Also ist die Gleichgewichtsallokation bei
vollkommenem Wettbewerb Pareto-effizient.
Beachten Sie, dass jede andere Allokation Pareto-ineffizient ist.
Warum?
Der Satz, dass die Gleichgewichtsallokation bei vollkommenem
Wettbewerb Pareto-effizient ist, ist äquivalent zu der Behauptung, dass
die Handelsgewinne (“gains from trade”) bei dieser Allokation
maximiert werden.
Die Handelsgewinne sind die Summe aus der Konsumentenrente und
der Produzentenrente.
Es ist graphisch leicht zu erkennen, dass die Summe aus Produzentenund Konsumentenrente bei der Menge maximiert wird.
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p
D( p), S ( p)
Abb. 9.2: Maximierung von Produzenten- und Konsumentenrente
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9.4 Anwendungsbeispiel: Steuerüberwälzung
Angenommen der Staat möchte eine Steuer auf ein bestimmtes Gut
(z.B. Sekt) erheben.
● Welche Auswirkung hat diese Steuer auf das Marktgleichgewicht?
● Wer trägt die Last dieser Steuer?
Nehmen wir zunächst an, dass die (Stück-)Steuer, t, von den
Konsumenten bezahlt werden muss. Wenn zum Preis p gehandelt wird,
dann
● ist der tatsächliche Preis, den ein Konsument bezahlen muss,
pD=p+t
● ist der tatsächliche Preis, den ein Unternehmen bekommt, pS=p
Der Markt ist im Gleichgewicht, wenn
D( p D ) = S ( p S )
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⇔
D( p + t ) = S ( p)
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Graphisch gesehen verschiebt sich die Nachfragekurve um den Betrag t
parallel nach unten, denn:
Ein Konsument der ohne Steuer die Zahlungsbereitschaft ZB für das Gut
hatte, ist jetzt nur noch bereit ZB-t für das Gut auszugeben, weil er
zusätzlich € t als Steuer abführen muss.
p
D( p ), S ( p )
Abb. 10.3: Konsumenten zahlen die Steuer
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Nehmen wir jetzt an, dass die Steuer von den Unternehmen erhoben
wird. Dann
● ist der tatsächliche Preis, den ein Konsument bezahlen muss, pD=p
● ist der tatsächliche Preis, den ein Unternehmen bekommt, pS=p-t
Der Markt ist im Gleichgewicht, wenn
D( p D ) = S ( p S )
⇔
D( p) = S ( p − t )
Graphisch gesehen verschiebt sich die Angebotskurve um den Betrag t
parallel nach oben, denn:
Ein Unternehmen, das vorher die Grenzkosten GK für eine bestimmte
Einheit hatte, hat jetzt Grenzkosten in Höhe von GK+t, weil für jede
produzierte Einheit zusätzliche Kosten in Höhe von t für die Steuer
anfallen.
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p
D( p), S ( p)
Abb. 10.4: Unternehmen zahlen die Steuer
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In beiden Fällen sind wir vom ursprünglichen Gleichgewichtspunkt aus
so weit nach links gegangen, bis der Abstand zwischen Nachfrage- und
Angebotskurve genau gleich t ist. Also ist der Effekt auf die
Gleichgewichtsmenge in beiden Fällen exakt derselbe!
Beachten Sie:
● Ein Teil der Handelsgewinne fällt jetzt durch die Steuer dem Staat
zu (die Fläche T=t×Q).
● Aber: Der Verlust an Konsumenten- und Produzentenrente durch
die Besteuerung ist größer als der Gewinn des Staates.
Fazit:
● Die Besteuerung führt zu einer Ineffizienz.
● Wir könnten eine Pareto-Verbesserung erreichen, wenn
Konsumenten und Produzenten dem Staat die Steuer in Höhe von
T als Pauschalsteuer (“lump-sum”-Steuer, die unabhängig von der
gehandelten Menge ist) zahlen und dafür die alte Menge handeln.
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Aber: In der Praxis sind Pauschalsteuern fast immer unmöglich,
● weil es als ungerecht empfunden wird, wenn jeder die gleiche
Pauschalsteuer bezahlt (“Kopfsteuer”)
● weil sie voraussetzen, dass die Regierung sehr gut über die
Präferenzen der einzelnen Haushalte und die Kostenstrukturen der
Unternehmen informiert ist, wenn für verschiedene Haushalte oder
Unternehmen unterschiedliche Pauschalsteuern festgelegt werden.
Steuerinzidenz: Wer trägt die ökonomische Last der
Steuer?
Derjenige, der vom Gesetzgeber verpflichtet wird, die Steuer zu bezahlen
(gesetzliche Inzidenz) ist nicht automatisch derjenige, der die
ökonomische Last der Steuer trägt (ökonomische Inzidenz).
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Zwei Extremfälle
1. Die Marktangebotsfunktion ist vollkommen preiselastisch:
In diesem Fall wird die gesamte Steuer von den Konsumenten getragen,
unabhängig davon, ob die Konsumenten oder die Unternehmen die Steuer
zahlen müssen. Wenn die Unternehmen die Steuer abführen müssen, wird also
die gesamte Steuerlast auf die Konsumenten überwälzt.
p
D( p ), S ( p )
Abb. 9.5: Steuerlastverteilung: Vollkommen preiselastisches Angebot
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2. Die Marktangebotsfunktion ist vollkommen preisunelastisch:
In diesem Fall wird die gesamte Steuer von den Unternehmen
getragen, unabhängig davon, wer die Steuer abführen muss.
p
D( p ), S ( p )
Abb. 9.6: Steuerlastverteilung: Vollkommen preisunelastisches Angebot
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Im allgemeinen gilt, dass die Steuer sowohl die Konsumentenrente als
auch die Produzentenrente verringert. Dabei gilt: Die Steuer wird um so
stärker von den Konsumenten getragen, je flacher die Angebotsfunktion
im Verhältnis zur Nachfragefunktion ist.
p
D( p ), S ( p )
Abb. 9.7: Steuerlastverteilung: Der allgemeine Fall
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9.5 Anwendungsbeispiel: Verzerrende Steuern
Die meisten Steuern sind verzerrend und können zu erheblichen
Ineffizienzen führen.
Beispiel: Ein Maurer möchte seine Wohnung von einem Maler
tapezieren lassen. Er kennt einen Maler, der doppelt so schnell
tapezieren kann wie er selbst.
● Der Maler ist bereit, die Arbeit zu übernehmen, wenn er einen
Stundenlohn von brutto € 25,- bekommt.
● Der Maurer bekommt von seiner Firma ebenfalls einen
Stundenlohn von brutto € 25,-.
Effizienz verlangt, dass der Maler tapeziert, denn: In einer Stunde
tapeziert der Maler soviel, wie der Maurer in zwei Stunden tapezieren
würde. Eine Maler- und eine Maurerstunde werden auf dem Markt zum
selben Preis gehandelt. Also können € 25 Überschuss in jeder Stunde
erwirtschaftet werden, in der der Maler für den Maurer tapeziert.
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Aber:
● Der Maurer muss den Maler aus versteuertem Einkommen
bezahlen. Um € 25,- zahlen zu können, muss der Maurer € 50,brutto verdienen, denn ca. 50% seines Lohnes müssen als
Lohnsteuer und Sozialabgaben an den Staat abgeführt werden.
(50% ist zu niedrig, s.u.)
● Außerdem muss er 19% Mehrwertsteuer auf die Malerrechnung
bezahlen.
Fazit: Der Maurer muss brutto € 59,50 verdienen, um sich eine
Malerstunde für € 29,75 (€ 25,- für den Maler + € 4,75 MWSt) leisten zu
können. Dafür muß er mehr als zwei Stunden arbeiten. Also wird er
● entweder selbst tapezieren,
● oder gar nicht tapezieren.
Die Steuern treiben einen Keil zwischen den Preis, den der Käufer
bezahlt und den Preis den der Verkäufer erhält. Dadurch kommen viele
effiziente Transaktionen nicht zustande.
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Wenn der Maler und der Maurer eine “Nachbarschaftshilfe”
organisieren, wobei der Maler dem Maurer die Wohnung “umsonst”
tapeziert und der Maurer dem Maler “umsonst” die neue Garage baut,
dann wird die Effizienz erhöht.
Aber: Dieser Tausch ist illegal.
Die folgende Graphik zeigt, wie groß die Grenzabgabenbelastung des
Faktors Arbeit in verschiedenen Industrieländern tatsächlich ist.
Die Graphik zeigt, dass in Deutschland die Grenzabgabenbelastung mit
die höchste unter allen OECD-Ländern ist. Wenn in Deutschland ein
Maurer einem Maler 100 Euro bezahlen will, muss er selbst 300 Euro
erwirtschaften. Also wird in Deutschland der Tausch nur dann zustande
kommen, wenn der Maler wenigstens dreimal so produktiv ist wie der
Maurer!
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9.6 Anwendungsbeispiel: Preisstützung in der
Landwirtschaft
Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten:
● Technischer Fortschritt verschiebt das Minimum der
Durchschnittskostenkurve nach rechts unten: Die effiziente
Betriebsgröße in der Landwirtschaft steigt, während die (realen)
Preise für landwirtschaftliche Produkte fallen.
● Kleine Betriebe machen Verluste.
● Landwirte fangen die Verluste auf, indem sie sich mit einer zu
niedrigen Entlohnung für die eigene Arbeit und/oder einer zu
niedrigen Kapitalrendite zufrieden geben.
● Langfristig müssen jedoch viele Kleinbetriebe aufgeben.
Um die kleinbäuerliche Landwirtschaft zu erhalten, hat die EU für
bestimmte Produkte Mindestpreise festgesetzt. Diese Preise wurden so
gesetzt, dass auch kleine Betriebe überleben konnten.
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Auswirkungen eines Mindestpreises:
p
D( p ), S ( p )
Abb. 9.8: Kurzfristiger Effekt eines Mindestpreises
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1. Kurzfristige Effekte
S(pmin)>D(pmin): Überschussangebot, das vernichtet oder mit Hilfe
von Exportsubventionen auf dem Weltmarkt verkauft werden muss.
● Kleinbauern erzielen höhere Erlöse.
● Aber: Allokation ist ineffizient. Konsumenten, Steuerzahler und
Landwirte könnten bessergestellt werden, wenn die Landwirte eine
direkte Einkommenssubvention erhielten.
●
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2. Langfristige Effekte
●
●
●
●
●
Landwirtschaftliche Großbetriebe machen positive Gewinne.
Zusätzliche Betriebe wollen auf den Markt zutreten.
Landpreise steigen solange, bis die Großbetriebe wieder
Nullgewinne machen.
Kleinbauern sind bei der gestiegenen Pacht (bzw. den höheren
Opportunitätskosten des Landbesitzes) wieder genauso unrentabel
wie zuvor.
Bauernsterben geht weiter.
Fazit: Garantiepreise sind ein ungeeignetes und sehr teures Mittel,
um den Strukturwandel in der Landwirtschaft zu bremsen.
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9.7 Wie realistisch ist das Modell des
vollkommenen Wettbewerbs
Das Modell des vollkommenen Wettbewerbs geht von einer Reihe sehr
starker Annahmen aus, die in der Realität fast nie erfüllt sind.
Frage: Wie gut sind die Vorhersagen des Modells, wenn diese
Annahmen nur in grober Näherung erfüllt sind?
Dieser Frage kann man sich aus zwei Perspektiven nähern:
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1. Theoretische Perspektive:
Man kann “realistischere” Modelle betrachten, in denen es z.B.
● leicht differenzierte Güter,
● eine begrenzte Zahl von Anbietern,
● keine vollkommene Markttransparenz,
● keinen walrasianischen Auktionator oder
● nur begrenzte Faktormobilität gibt.
Diese Modelle führen typischerweise zu etwas anderen Vorhersagen.
Wenn die Abweichungen der Annahmen nicht sehr groß sind, dann sind
(fast immer) auch die Abweichungen der Vorhersagen von den
Vorhersagen des Modells der vollkommenen Konkurrenz nicht sehr groß.
In diesem Sinne ist das Modell “robust”.
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2. Empirische Perspektive:
Man kann versuchen, die Vorhersagen des Modells an der Wirklichkeit
zu messen
● durch Feldstudien
● durch Experimente
Auch hier hat sich das Modell als erstaunlich robust erwiesen.
Aber, Vorsicht: Wenn die Annahmen des Modells grob verletzt sind,
z.B. weil
● es sehr wenige Anbieter oder Nachfrager gibt,
● hohe Marktzutrittsschranken existieren oder
● die Güter stark differenziert sind,
dann benötigen wir andere Modelle, die auf diese Situationen
zugeschnitten sind.
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