Kapitel 5 Nachfrage

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Kapitel 5
Nachfrage
Vor- und Nachbereitung:
● Varian, Chapters 6 und 8
● Frank, Chapter 4
● Übungsblatt 5
© Klaus M. Schmidt, 2008
5.1 Die individuelle Nachfrage
Wenn wir das Nutzenmaximierungsproblem des Konsumenten gelöst
haben, ergibt sich das optimale Güterbündel als Funktion von Preisen
und Einkommen:
x1* = x1* ( p1 , p2 , m)
x2* = x2* ( p1 , p2 , m)
Das sind Nachfragefunktionen, die angeben, wieviel der Konsument
von den Gütern 1 und 2 in Abhängigkeit von den Preisen p1 und p2 und
seinem Budget m konsumieren möchte.
Wir leiten die Nachfrage des Konsumenten zunächst für einige
Beispiele ab:
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2
1. Cobb-Douglas Präferenzen:
u ( x1 , x2 ) = Ax1a x2b
Wir wissen bereits, dass
⎛ a ⎞ m
⎛ b ⎞ m
*
x =⎜
und x2 = ⎜
⎟⋅
⎟⋅
⎝ a + b ⎠ p1
⎝ a + b ⎠ p2
*
1
Also gilt: Die Nachfrage nach Gut 1
● steigt linear mit dem Einkommen
● fällt mit dem eigenen Preis
● ist unabhängig vom Preis des anderen Gutes
Der Konsument gibt einen konstanten Anteil seines Einkommens für
jedes der beiden Güter aus.
2. Quasilineare Präferenzen: u ( x1 , x2 ) = v ( x1 ) + x2
Hausaufgabe: Betrachten Sie die Nutzenfunktion u ( x1 , x2 ) = x1 + x2
und zeigen Sie analytisch, dass die Nachfrage nach Gut 1 unabhängig
vom Einkommen ist, solange das Einkommen groß genug ist. Was
passiert, wenn m sehr klein ist?
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Es gibt auch ein paar Nutzenfunktionen, bei denen die
Nachfragefunktion nicht mit Hilfe des Lagrange-Verfahrens ermittelt
werden kann, weil sich eine Randlösung ergibt oder die
Nutzenfunktion nicht differenzierbar ist. Bei den folgenden Beispielen
müssen Sie die Nachfragefunktion durch Nachdenken finden.
Wie verändert sich jeweils die Nachfrage nach Gut i, wenn sich
● das Einkommen verändert?
● der Preis dieses Gutes verändert?
● der Preis des anderen Gutes verändert?
3. Perfekte Substitute (im Verhältnis 1:1):
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u ( x1 , x2 ) = x1 + x2
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4. Perfekte Komplemente (im Verhältnis 1:1):
u ( x1 , x2 ) = min { x1 , x2 }
∂u
∂u
> 0,
≤0
5. Gut 2 is ein neutrales Gut oder ein „Schlecht“:
∂x1
∂x2
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5.1.1 Veränderungen des Einkommens: Normale und
inferiore Güter
Wir halten zunächst die Preise beider Güter konstant und betrachten
nur Veränderungen des Einkommens.
● Normales Gut: (wird manchmal auch “superiores Gut” genannt)
Nachfrage nach diesem Gut nimmt mit steigendem Einkommen zu
(oder bleibt wenigstens gleich):
∂x1 ( p1 , p2 , m)
≥0
∂m
● Inferiores Gut: Nachfrage nach diesem Gut nimmt mit steigendem
Einkommen ab:
∂x1 ( p1 , p2 , m)
<0
∂m
Güter des einfachen Bedarfs oder niedriger Qualität sind oft
inferiore Güter, weil sie bei steigendem Einkommen durch
höherwertige Güter ersetzt werden.
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6
Beachten Sie:
1. Inferiorität ist keine Eigenschaft des Gutes, sondern eine Eigenschaft der
Präferenzen des Konsumenten, der dieses Gut nachfragt.
2. Kein Gut kann für alle Werte des Einkommens inferior sein. Warum nicht?
Inferiorität ist also eine lokale Eigenschaft, die nur für bestimmte Bereiche des
Einkommens gilt.
x2
x2
x1
Abb. 5.1: Normale und inferiore Güter
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x1
7
Einkommens-Konsumkurve: gibt beide nachgefragten Gütermengen im
(x1,x2)-Diagramm für verschiedene Einkommen an. Wird auch EinkommensExpansionspfad genannt.
Engelkurve: gibt die Nachfrage nach einem Gut im (x1,m)-Diagramm in
Abgängigkeit vom Einkommen an.
Einkommenskonsumkurve
Engelkurve
x2
m
x1
Abb. 5.2: Einkommens-Konsumkurve und Engelkurve
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x1
8
5.1.2 Veränderungen des Preises eines Gutes:
Gewöhnliche Güter und Giffen-Güter
Wir halten jetzt das Einkommen und den Preis des anderen Gutes fest
und betrachten Veränderungen des eigenen Preises.
● Gewöhnliches Gut: (wird manchmal auch “normales Gut”
genannt) Nachfrage nach diesem Gut nimmt mit steigendem Preis
ab,
∂x ( p , p , m)
1
1
∂p1
2
≤0
● Giffen-Gut: Nachfrage nach diesem Gut nimmt mit steigendem
Preis zu,
∂x1 ( p1 , p2 , m)
>0
∂p1
Giffen Güter tauchen sehr selten auf, aber es gibt sie.
Bekanntestes Beispiel: Nachfrage nach Kartoffeln in Irland Mitte
des 19. Jahrhundert. Wir werden später sehen, dass Giffen-Güter
inferiore Güter sein müssen, aber nicht umgekehrt.
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Gewöhnliches Gut
Giffen-Gut
x2
x2
x1
Abb. 5.3: Gewöhnliches Gut und Giffen-Gut
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x1
10
Preis-Konsumkurve: gibt beide nachgefragten Gütermengen im (x1,x2)Diagramm für verschiedene Preise von Gut 1 an.
Nachfragekurve: gibt die Nachfrage nach einem Gut im (x1,p1)-Diagramm in
Abgängigkeit vom eigenen Preis an.
Preis-Konsumkurve
Nachfragekurve
x2
p1
x1
Abb. 5.4: Preis-Konsumkurve und Nachfragekurve
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x1
11
5.1.3 Veränderungen des Preises des andere Gutes:
Substitute und Komplemente
Schließlich halten wir das Einkommen und den eigenen Preis fest und
betrachten Veränderungen des Preises eines anderen Gutes.
● Substitute: Nachfrage nach dem betrachteten Gut nimmt zu, wenn
der Preis des anderen Gutes steigt:
∂x1 ( p1 , p2 , m)
≥0
∂p2
Wenn Gut 2 teurer wird, “substituiert” der Konsument es durch Gut 1.
Extremfall: perfekte Substitute. Nur das billigere Gut wird nachgefragt.
● Komplemente: Nachfrage nach dem betrachteten Gut nimmt mit ab,
wenn der Preis des anderen Gutes zunimmt:
∂x1 ( p1 , p2 , m)
<0
∂p2
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Der Nutzen aus dem Konsum von Gut 1 steigt mit dem Konsum von
Gut 2. Gut 2 wird teurer
=> Konsument fragt weniger von Gut 2 nach;
=> der Nutzen aus Gut 1 sinkt;
=> Konsument fragt auch weniger von Gut 1 nach.
Extremfall: Perfekte Komplemente; der Konsument will die Güter nur in
einem konstanten Verhältnis konsumieren.
Vorsicht: Der 2-Güterfall ist hier etwas speziell: Wenn der Konsument
mehr für Gut 1 ausgibt, muss er bei konstantem Einkommen
zwangsläufig weniger für Gut 2 ausgeben. Dadurch wird das mögliche
Nachfrageverhalten eingeschränkt. Dieses Problem wird um so kleiner,
je mehr Güter wir betrachten.
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5.2 Einkommens- und Substitutionseffekt
Wir wollen die Auswirkung einer Preisänderung eines Gutes auf die
Nachfrage nach diesem Gut etwas systematischer analysieren.
Eine Preisänderung hat zwei verschiedene Auswirkungen:
● das Verhältnis, zu dem man ein Gut gegen ein anderes
austauschen kann, ändert sich;
● die Kaufkraft des Einkommens ändert sich.
Entsprechend lassen sich zwei Auswirkungen auf das
Nachfrageverhalten des Konsumenten unterscheiden:
● Substitutionseffekt
● Einkommenseffekt
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Um diese Effekte zu unterscheiden, zerlegen wir den Gesamteffekt der
Preisänderung in zwei Teileffekte:
1. Wir betrachten den Effekt der relativen Preisänderung auf die
Nachfrage, indem wir das Einkommen des Konsumenten so
verändern, dass seine Kaufkraft trotz der neuen Preise unverändert
bleibt.
2. Dann betrachten wir den Effekt der Kaufkraftänderung, indem wir
dem Konsumenten wieder sein altes Einkommen geben.
Graphisch entspricht das einer Drehung der Budgetgeraden um das
ursprünglich nachgefragte Konsumbündel und einer anschließenden
Parallelverschiebung.
Diese gedankliche Aufspaltung des Gesamteffekts wird “Slutsky
Zerlegung” genannt.
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Beispiel: Preis von Gut 1 steigt von p1 auf p1’
x2
x1
Abb. 5.5: Drehung und Verschiebung der Budgetgeraden
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● Drehung um das ursprüngliche Güterbündel hält die Kaufkraft in dem
Sinne unverändert, dass der Konsument sich das alte Güterbündel
immer noch leisten kann.
● Parallelverschiebung der gedrehten Budgetgerade hält die (neuen)
relativen Preise unverändert und reflektiert nur die Veränderung der
Kaufkraft.
Um wieviel muss sich das Einkommen ändern, damit die Kaufkraft bei
den neuen Preisen erhalten bleibt?
m ' = p1 ' x1 + p2 x2
m = p1 x1 + p2 x2
Subtraktion der beiden Gleichungen ergibt:
m '− m = x1 ( p1 '− p1 )
bzw. Δm = x1Δp1
Beachten Sie: Preisänderung und Einkommensänderung müssen in
dieselbe Richtung gehen, damit das alte Bündel erschwinglich bleibt.
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5.2.1 Der Substitutionseffekt
(x1,x2) ist nach Drehung der Budgetgeraden um (x1,x2) immer noch
erschwinglich, aber nicht mehr optimal.
Substitutionseffekt:
Δx1s = x1 ( p1 ', m ') − x1 ( p1 , m)
● Der Substitutionseffekt ist der Preisänderung entgegen
gerichtet. Das heißt, wenn der Preis von Gut 1 steigt, dann muss
die Nachfrage nach Gut 1 fallen (oder gleich bleiben)! Wenn der
Preis von Gut 1 fällt, muss die Nachfrage steigen (oder gleich
bleiben)!
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Beweis:
x2
x1
Abb 5.6: Der Substitutionseffekt
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Beachten Sie:
● Alle Punkte auf der neuen Budgetgeraden, die rechts von (x1,x2)
liegen, waren zu den alten Preisen bereits erschwinglich, sind aber
nicht gewählt worden. Also können sie auch bei den neuen Preisen
nicht besser als sein.
● Der Konsument muss sich durch den Substitutionseffekt besser
stellen (unabhängig davon, ob der Preis für Gut 1 gestiegen oder
gefallen ist).
● Slutsky-Substitutionseffekt wird auch Veränderung der Kaufkraft-
kompensierten Nachfrage genannt.
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5.2.2 Der Einkommenseffekt
Einkommenseffekt:
Δx1e = x1 ( p1 ', m) − x1 ( p1 ', m ')
Das Vorzeichen des Einkommenseffekt ist unbestimmt:
Normales Gut: Wenn m’ auf m
sinkt, sinkt die Nachfrage nach Gut1
x2
Inferiores Gut: Wenn m’ auf m sinkt,
steigt die Nachfrage nach Gut1
x2
x1
Abb 5.7: Der Einkommenseffekt
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x1
21
5.2.3 Der Gesamteffekt
Gesamte Änderung der Nachfrage nach Gut 1 ist gegeben durch:
Δx1 = x1 ( p1 ', m) − x1 ( p1 , m)
Wir haben gezeigt, dass sich diese Veränderung wie folgt aufteilen
lässt:
s
e
bzw.:
Δx1 = x1 + x1
x1 ( p1 ', m) − x1 ( p1 , m) = [ x1 ( p1 ', m ') − x1 ( p1 , m) ] + [ x1 ( p1 ', m) − x1 ( p1 ', m ') ]
Diese Gleichung wird auch Slutsky-Identität genannt. Mathematisch ist
sie eine Trivialität.
Interessant ist aber die Interpretation der Aufspaltung des
Gesamteffektes auf der rechten Seite:
● Der erste Term ist der Substitutionseffekt. Wir haben gezeigt, dass
er immer negativ, d.h. der Preisänderung entgegengesetzt, ist.
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● Der zweite Term ist der Einkommenseffekt. Er ist genau dann
negativ, d.h. der Preisänderung entgegengesetzt, wenn Gut 1 ein
normales Gut ist.
– Normales Gut: Gesamteffekt muss negativ sein.
– Inferiores Gut: Gesamteffekt nicht eindeutig.
– Giffen-Gut: Gesamteffekt positiv, kann nur vorliegen, wenn
Gut 1 ein inferiores Gut ist und der Einkommenseffekt den
Substitutionseffekt überkompensiert.
Hausaufgabe: Was kann man zum Gesamteffekt einer Preisänderung
sagen, wenn der Konsument quasilineare Präferenzen hat?
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x2
x1
Abb 5.8: Normales Gut: Substitutions- und Einkommenseffekt
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24
x2
x1
Abb 5.9: Inferiores Gut, aber kein Giffen-Gut
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x2
x1
Abb 5.10: Giffen-Gut
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5.2.4 Ein Feld-Experiment in China
Robert Jensen und Nolan Miller (beide Harvard University) haben die
Existenz von Giffen-Güter mit einem Feld-Experiment in China
nachgewiesen:
● Hunan: sehr arme Provinz, in der sich die Menschen überwiegend
von Reis ernähren.
● Über fünf Monate hinweg erhielten drei zufällig ausgewählte
Gruppen von Haushalten Gutscheine, mit denen sie Reis um
– 10%
– 20%
– 30%
günstiger kaufen konnten. Gleichzeitig wurde das Konsumverhalten
vor und während der Intervention beobachtet.
● Eine Verringerung (Erhöhung) des Preises um 10% führt zu einer
durchschnittlichen Verringerung (Erhöhung) des Reiskonsums um
2,4% => eindeutiges Giffen-Gut Verhalten!
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5.3 Anwendung:
Wohlfahrtsvergleiche bei Preisveränderungen
Eine wichtige Frage ist, wie sich eine Veränderung der Preise auf die
Wohlfahrt eines Konsumenten auswirkt.
Beispiel: Es gibt nur zwei Güter, Brot und Milch. Bisher betrug der
Preis pro kg Brot pB=4 und der Preis pro Liter Milch pM=1 .
Bei diesen Preisen hat Konsument A xB=20kg Brot und xM=20 Liter
Milch gekauft und damit sein Einkommen in Höhe von 100 vollständig
ausgegeben.
Jetzt kommt es zu einer drastischen Preisänderung:
● pB‘=3
● pM‘=2
Frage: Geht es dem Konsumenten nach dieser Preisänderung besser
oder schlechter als zuvor?
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x2
x1
Abb 5.11: Wohlfahrtswirkung einer Preisänderung
Beachten Sie: Wenn das Güterbündel, das der Konsument vor der Preisänderung nachgefragt hat, in der neuen Budgetmenge (nach der
Preisänderung) liegt, dann kann es dem Konsumenten nicht schlechter gehen.
In unserem Beispiel muss es dem Konsumenten sogar besser gehen, weil er
durch Substitution eine höhere Indifferenzkurve erreichen kann.
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5.4 Anwendung: Die Verzerrung des Preisindex
für Lebenshaltung
Der Preisindex für Lebenshaltung versucht die Veränderung der
“Kaufkraft” einer Währung zu messen. In den meisten Ländern
verwendet man dazu einen Laspeyres Index:
● Für ein Basisjahr wird ein typischer Warenkorb zusammengestellt.
● Dann wird errechnet, um wieviel Prozent dieser Warenkorb in den
Folgejahren teurer geworden ist.
In unserem Beispiel aus Kapitel 5.3 bestünde der Warenkorb aus 20 kg
Brot und 20 l Milch. In der Ausgangssituation kostet dieser Warenkorb
€ 100,- Nach den Preisänderungen kostet dieser Warenkorb immer
noch € 100,- . Also wäre die Inflationsrate gleich 0.
Aber: Mit € 100,- kann unser Konsument A nach den Preisänderungen
ein höheres Nutzenniveau erreichen als vor der Preisänderung. Also
sind die € 100 für den Konsumenten heute mehr wert als gestern!
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Fazit: Die gemessene Inflationsrate überschätzt den tatsächlichen
Kaufkraftverlust einer Währung, weil sie die Substitutionsmöglichkeiten
der Konsumenten ignoriert.
Ein zweiter Effekt, der dazu führt, dass die gemessene Inflationsrate
die tatsächliche Kaufkraftentwertung überschätzt, ist, dass der
Laspeyres Index Qualitätsverbesserungen im Zeitablauf nicht
berücksichtigen kann (Beispiel: Computer, Autos, etc.)
Beide Effekte zusammen werden auf etwa 1,0% pro Jahr geschätzt.
Das kann eine wichtige Rolle spielen:
● wenn die Gewerkschaften in Tarifverhandlungen darauf bestehen,
dass die Lohnerhöhung wenigstens den Kaufkraftverlust durch
Inflation ausgleichen soll,
● wenn der Staat die Anpassung von Renten und Sozialleistungen
an die Inflationsrate koppelt.
Die Europäische Zentralbank (EZB) berücksichtigt diese Effekte, indem
sie bei einer Inflationsrate von 0-2% von Preisniveaustabilität spricht.
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5.5 Die Marktnachfrage
Bisher hatten wir uns nur mit der Nachfrage eines einzelnen
Konsumenten beschäftigt. Die Marktnachfrage oder aggregierte
Nachfrage ist die Summe der individuellen Nachfragen:
n
D1 = D1 ( p1 , p2 , m1 ,...m n ) = ∑ x1i ( p1 , p2 , mi )
i =1
Die Marktnachfrage nach Gut 1 hängt von den Preisen der beiden
Güter und von den Einkommen aller Konsumenten ab.
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Beispiel: Addition zweier linearer Nachfragekurven
⎧20 − p1 falls p1 ≤ 20
x ( p1 ) = ⎨
⎩ 0 falls p1 > 20
⎧10 − 2 p1 falls p1 ≤ 5
2
x1 ( p1 ) = ⎨
⎩ 0 falls p1 > 5
1
1
p1
p1
x11
n
D1 ( p1 ) = ∑ x1i =
i =1
p1
x12
D1
Abb 5.12: Addition zweier Nachfragefunktionen
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33
Beachten Sie:
Bei der Aggregation von individuellen Nachfragekurven müssen
Mengen aufaddiert werden. Manchmal sind jedoch nicht die
eigentlichen, sondern die inversen Nachfragefunktionen der
Konsumenten gegeben. In diesem Fall müssen Sie die individuellen,
inversen Nachfragefunktionen erst nach den eigentlichen
Nachfragefunktionen auflösen, dann diese aufaddieren, und dann die
aggregierte Nachfragefunktion wieder invertieren, um die aggregierte,
inverse Nachfragefunktion zu bekommen.
Bemerkung:
Die Marktnachfrage ist nicht nur von der Summe der Einkommen der
einzelnen Konsumenten, sondern auch von der Einkommensverteilung
abhängig.
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Wenn wir nur einen Markt betrachten wollen, machen wir häufig eine
Partialanalyse, d.h., wir betrachten die Preise auf den übrigen Märkten
und die Einkommen der Konsumenten als exogen gegeben. Darum
können wir diese Größen als explizite Argumente der
Nachfragefunktion ignorieren und schreiben: D1(p) (oder auch D(p)).
Streng genommen ist das jedoch nicht korrekt. Preisänderungen auf
einem Markt führen zu Veränderungen der Nachfrage und damit der
Preise auf anderen Märkten, was wiederum auf die Nachfrage des
ersten Marktes zurückwirkt. Außerdem führen veränderte Preise zu
veränderten Einkommen der Anbieter auf den Märkten, die wiederum
als Nachfrager auf anderen Märkten auftauchen.
Eine Totalanalyse berücksichtigt diese Interdependenzen zwischen
den Märkten. Das wird in der Mikro 2 im Kapitel „Allgemeines
Gleichgewicht“ diskutiert.
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35
5.6 Elastizität der Nachfrage
Bei der Analyse der Marktnachfrage ist es wichtig zu wissen, wie
empfindlich die Nachfrage auf eine Veränderung der Preise oder des
Einkommens reagiert.
5.6.1 Preiselastizität der Nachfrage
Die Preiselastizität ist das Verhältnis der prozentualen
Nachfrageänderung bezogen auf die prozentuale Preisänderung. Sei p
der Preis und D die nachgefragte Menge. Dann gilt:
ΔD
ε=
D
Δp
p
Beispiel: ε=-1,5 bedeutet, dass eine einprozentige Preiserhöhung zu
einem Nachfragerückgang um 1,5% führt.
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36
Bemerkungen:
1. Die Preiselastizität setzt prozentuale Veränderungen in Beziehung
zueinander. Darum ist sie unabhängig von den Einheiten, in denen
die Nachfrage bzw. der Preis gemessen wird.
2. Die Preiselastizität ist bei gewöhnlichen Gütern negativ. Oft wird
das negative Vorzeichen weggelassen und nur der Betrag der
Elastizität genannt. Gehen Sie immer davon aus, dass die
Preiselastizität negativ ist, es sei denn, es wird ausdrücklich
festgestellt, dass sie positiv sein soll.
3. Die Preiselastizität kann auch geschrieben werden als
p ΔD
ε= ⋅
D Δp
also als das Preis-Mengenverhältnis multipliziert mit der Steigung
der Nachfragekurve.
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4. Wenn die Nachfragefunktion differenzierbar ist, können wir schreiben:
p dD p
ε= ⋅
= ⋅ D '( p )
D dp D
5. Beachten Sie, dass die Steigung der Nachfragekurve ein lokales
Maß ist. Darum sollte die Elastizität nur für kleine prozentuale
Preisänderungen verwendet werden.
6. Elastische Nachfrage:
– Absolutwert der Preiselastizität größer als 1;
– eine 1% Preiserhöhung führt zu einem Rückgang der Nachfrage
um mehr als 1% (überproportionaler Rückgang)
7. Unelastische Nachfrage:
– Absolutwert der Preiselastizität kleiner als 1;
– eine 1% Preiserhöhung führt zu einem Rückgang der Nachfrage
um weniger als 1% (unterproportionaler Rückgang).
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Einige Preiselastizitäten (für die USA):
Güter
Preiselastizität
Erbsen
-2,8
Strom
-1,2
Bier
-1,2
Kinofilme
-0,9
Auslandsflüge
-0,8
Schuhe
-0,7
Zigaretten (bei Jugendlichen)
-0,7
Oper, Theater
-0,2
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Preiselastizitäten einiger Nachfragefunktionen
1. Lineare Nachfragefunktion
D( p ) = a − bp
→ ε = −b
−bp
p
=
D a − bp
p
a
b
Falls p → a b , dann geht
ε →∞
Falls p → 0 , dann geht
ε →0
ε = 1 genau dann wenn
−bp
a
= −1 bzw. p =
a − bp
2b
a
D
Abb. 5.13: Preiselastizität bei linearer Nachfrage
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40
2. Nachfrage mit konstanter Elastizität
Es existiert eine Klasse von Nachfragefunktionen, die überall dieselbe
Preiselastizität aufweisen.
D( p) = A ⋅ pε
p
Für diese Funktion gilt:
dD
pε
ε −1
= A⋅ε ⋅ p = ε ⋅ A
dp
p
p dD p D
= ε =ε
D dp D p
D
Abb. 5.14: Nachfrage bei konstanter Elastizität
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41
5.6.2 Andere Elastizitäten
Wir können ganz analog auch andere Elastizitäten definieren
● Einkommenselastizität der Nachfrage
ΔD ΔM
ε DM =
D
M
Misst, um wie viel Prozent sich die Marktnachfrage erhöht, wenn
das Gesamteinkommen M um 1% steigt. Typischerweise positiv.
● Kreuzpreiselastizität der Nachfrage:
ΔD Δp2
ε Dp2 =
D
p2
Misst, um wie viel Prozent sich die Marktnachfrage erhöht, wenn
der Preis des Gutes 2 um 1% steigt. Positiv, wenn die Güter
Substitute sind, negativ bei Komplementen.
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Einkommenselastizitäten (USA):
Güter
Einkommenselastizität
Autos
2,8
Möbel
1,2
Essen im Restaurant
1,2
Strom
0,9
Schweinefleisch
-0,8
öffentliche Verkehrsmittel
-0,7
Kreuzpreiselastizitäten (USA):
Nachfrageänderung
Preisänderung
Butter
Margarine
0,81
Margarine
Butter
0,67
Rindfleisch
Schweinefleisch
0,28
Unterhaltung
Lebensmittel
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Kreuzpreiselastizität
-0,72
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5.6.3 Anwendung: Elastizitäten auf dem Automobilmarkt
Studie von Berry, Levinsohn und Pakes zum amerikanischen
Automobilmarkt in den 90er Jahren.
Preiselastizitäten
● preiswerte Kleinwagen (z.B. Mazda 323, Ford Escort): ca. -6
● Mittelklassewagen (z.B. Ford Taurus, Honda Accord): ca. -4,5
● Luxusautos (z.B. BMW 7er, Toyota Lexus): ca. -3
Kreuzpreiselastizität: Wenn der Preis des Honda Accord um 1% steigt,
erhöht sich die Nachfrage
● des Ford Taurus um ca. 0.2%
● des BMW 735i um 0%
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