Prädikatenlogiken Mathematische Logik Vorlesung 9 Alexander Bors 11. & 18. Mai 2017 1 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Überblick 1 Formale Prädikatenlogiken erster Stufe (Un-)Entscheidbarkeitsresultate (Quellen heute: http://homepages.abdn.ac.uk/k.vdeemter/pages/ teaching/CS3518/abdn.only/MonadicFOPL.pdf und http: //kilby.stanford.edu/~rvg/154/handouts/fol.html) 2 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Erinnerung Wir haben, zu jeder Signatur σ, ein formales System zur Formalisierung von Prädikatenlogik erster Stufe über σ, den σ-Hilbertkalkül, definiert und untersucht. Zunächst haben wir den Korrektheitssatz gezeigt, der besagt, dass alle in diesem Kalkül ableitbaren Formeln so genannte σ-Tautologien sind, d.h., in allen σ-Strukturen unter allen Belegungen gelten. Im letzten Abschnitt haben wir dann auch die Umkehrung gezeigt und damit den Gödelschen Vollständigkeitssatz bewiesen: Die im σ-Hilbertkalkül ableitbaren σ-Formeln sind gerade die σ-Tautologien. Das gibt uns also eine semantische Charakterisierung von Ableitbarkeit in solchen Kalkülen. 3 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Ausblick auf diesen Abschnitt Wir verstehen nun also den Ableitbarkeitsbegriff in σ-Hilbertkalkülen etwas besser. Für die Frage, ob eine konkrete gegebene σ-Formel ϕ ableitbar ist, scheint uns dies aber nicht viel zu nützen, denn die Frage, ob ϕ eine Tautologie ist, ist ja nicht auf offensichtliche Weise einfacher als die Frage, ob ϕ ableitbar ist. In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit der Entscheidbarkeit der σ-Hilbertkalküle und verwandter formaler Systeme, d.h., mit der Frage, ob es einen (nur vom Kalkül abhängigen) Algorithmus gibt, der zu einer gegebenen σ-Formel ϕ stets nach endlicher Arbeitszeit entscheidet, ob ϕ ableitbar ist oder nicht. 4 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Der (σ, T )-Hilbertkalkül Zuerst führen wir noch ein paar neue formale Systeme ein. Definition 2.6.1 Es sei σ eine Signatur, T eine σ-Theorie. Der (σ, T )-Hilbertkalkül ist das formale System, dessen Axiome alle Axiome des σ-Hilbertkalküls sowie die σ-Sätze aus T sind, und dessen Schlussregeln gerade die Schlussregeln des σ-Hilbertkalküls sind. Im letzten Abschnitt hatten wir den Ableitbarkeitsbegriff aus einer Theorie definiert (T ` ϕ), und zwar über den Ableitbarkeitsbegriff im entsprechenden σ-Hilbertkalkül. Man kann aber auch zeigen, dass er mit dem Ableitbarkeitsbegriff im (σ, T )-Hilbertkalkül zusammenfällt. 5 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Ableitbarkeit im (σ, T )-Hilbertkalkül Satz 2.6.2 Es sei σ eine Signatur, T eine σ-Theorie, ϕ eine σ-Formel. Folgende Aussagen sind äquivalent: 1 T ` ϕ. 2 ϕ ist im (σ, T )-Hilbertkalkül ableitbar. Um Satz 2.6.2 zu beweisen, erinnern wir zuerst an die Notation T |= ϕ aus Korollar 2.5.19, welche bedeutet, dass ϕ in allen Modellen von T unter allen Belegungen gilt. Wir sagen dann “ϕ folgt semantisch aus T ” oder “ϕ ist eine (σ, T )-Tautologie”. Man kann leicht verifizieren (sh. die Übungen): 6 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Ableitbarkeit im (σ, T )-Hilbertkalkül Satz 2.6.3 (Korrektheitssatz für den (σ, T )-Hilbertkalkül Es sei σ eine Signatur, T eine σ-Theorie. Dann gilt: Alle im (σ, T )-Hilbertkalkül ableitbaren σ-Formeln sind (σ, T )-Tautologien. Beweis von Satz 2.6.2 Zu “(1) ⇒ (2)”: Angenommen also, T ` ϕ. D.h., es gibt ψ1 , . . . , ψn ∈ T mit ` ψ1 ∧ · · · ∧ ψn → ϕ. Mit Aussagenlogik erhält man daraus auch ` ψ1 → (ψ2 → (· · · (ψn−1 → (ψn → ϕ)) · · · )). Da alle Axiome resp. Schlussregeln des σ-Hilbertkalküls auch Axiome resp. Schlussregeln des (σ, T )-Hilbertkalküls sind, ist diese letzte Formel auch im (σ, T )-Hilbertkalkül ableitbar. 7 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Ableitbarkeit im (σ, T )-Hilbertkalkül cont. Beweis von Satz 2.6.2 cont. Da aber im (σ, T )-Hilbertkalkül auch jedes ψi ein Axiom ist, erhält man somit durch wiederholte Anwendung des Modus Ponens, dass ϕ im (σ, T )-Hilbertkalkül ableitbar ist, wie gewünscht. Zu “(2) ⇒ (1)”: Indirekt. Angenommen, ϕ ist zwar im (σ, T )-Hilbertkalkül ableitbar, aber T 6` ϕ. Nach Satz 2.6.3 gilt dann T |= ϕ, aber zugleich folgt aus T 6` ϕ mittels Korollar 2.5.19, dass T 6|= ϕ, ein Widerspruch. 8 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Entscheidbarkeitsresultate: Überblick Grundsätzlich: Es gibt entscheidbare σ-Hilbertkalküle (für geeignete Signaturen σ), ebenso wie es passieren kann, dass für eine bestimmte Signatur σ zwar der σ-Hilbertkalkül unentscheidbar ist, aber manche der (σ, T )-Hilbertkalküle entscheidbar sind (man spricht auch von entscheidbaren Theorien). Beispiele für entscheidbare Kalküle und Theorien: der Hilbertkalkül über der leeren Signatur (Löwenheim, 1915), jeder σ-Hilbertkalkül, wenn σ nur aus genau einem einstelligen Operationssymbol besteht (Ehrenfeucht, 1959), jeder σ-Hilbertkalkül, wenn σ monadisch ist, d.h., nur aus einstelligen Relationssymbolen besteht, die Presburger-Arithmetik, welche aus PA durch Entfernen des Operationssymbols · in der Signatur sowie aller Axiome, die · enthalten, entsteht. 9 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Entscheidbarkeitsresultate: Überblick cont. Beispiele für unentscheidbare Kalküle und Theorien: jeder σ-Hilbertkalkül, wenn σ irgendein Symbol von Stelligkeit größer als 1 enthält (egal, ob Operations- oder Relationssymbol) oder wenn σ mindestens zwei einstellige Operationssymbole enthält (Trakhtenbrot, 1953) PA, bzw. allgemeiner jede widerspruchsfreie Erweiterung der so genannten Robinson-Arithmetik (Robinson, 1950), womit auch Hilberts Traum von einem widerspruchsfreien und entscheidbaren Kalkül für die Mathematik platzt, die σgroup -Theorie bestehend aus den drei formalisierten Gruppenaxiomen (Tarski, 1953). Wir werden in diesem Abschnitt exemplarisch Folgendes zeigen: σ-Hilbertkalküle für monadische σ sind entscheidbar. Es gibt Signaturen σ, sodass der σ-Hilbertkalkül unentscheidbar ist (angelehnt an Turings ursprünglichen Beweis aus 1936). 10 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Entscheidbarkeit monadischer σ-Hilbertkalküle Quelle: http://homepages.abdn.ac.uk/k.vdeemter/pages/ teaching/CS3518/abdn.only/MonadicFOPL.pdf (welche sich wiederum auf das Buch Computability and Logic von Boolos et al. bezieht). Der wichtigste Schritt ist der Beweis folgenden Satzes (einer Variante des Löwenheim-Skolem-Theorems speziell für monadische Signaturen): Satz 2.6.4 Es sei σ eine monadische Signatur, τ ein σ-Satz, der r verschiedene Variablen und k verschiedene (einstellige) Relationssymbole enthält. Dann gilt: Ist τ erfüllbar, d.h., gibt es ein Modell von {τ }, so gibt es auch ein Modell von {τ }, dessen Trägermenge höchstens r · 2k Elemente hat. 11 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Entscheidbarkeit monadischer σ-Hilbertkalküle cont. Bevor wir Satz 2.6.4 beweisen, zeigen wir, wie man aus ihm relativ leicht folgern kann, dass monadische Hilbertkalküle entscheidbar sind. Definition 2.6.5 Es sei σ eine Signatur. Wir betrachten folgende algorithmische Entscheidungsprobleme betreffend den σ-Hilbertkalkül: 1 Das Beweisbarkeitsproblem: Entscheide zu einer gegebenen σ-Formel ϕ algorithmisch, ob `σ ϕ gilt. 2 Das Erfüllbarkeitsproblem: Entscheide zu einer gegebenen σ-Formel ϕ algorithmisch, ob es eine σ-Struktur M sowie eine Belegung β in M gibt mit M |= ϕ[β]. 12 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Entscheidbarkeit monadischer σ-Hilbertkalküle cont. Nach Definition ist ein σ-Hilbertkalkül genau dann entscheidbar, wenn sein Beweisbarkeitsproblem entscheidbar ist. Wir zeigen nun: Lemma 2.6.6 Es sei σ eine Signatur. Dann gilt: Das Erfüllbarkeitsproblem zum σ-Hilbertkalkül ist genau dann entscheidbar, wenn das Beweisbarkeitsproblem zu diesem Kalkül entscheidbar ist. Beweis Das folgt sofort aus der Beobachtung (aus dem Vollständigkeitssatz folgend), dass eine σ-Formel ϕ genau dann erfüllbar (resp. beweisbar) ist, wenn ¬ϕ nicht beweisbar (resp. nicht erfüllbar) ist. 13 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Entscheidbarkeit monadischer σ-Hilbertkalküle cont. Wir brauchen nun auch noch einige elementare Fakten zu isomorphen Strukturen: Lemma 2.6.7 Es sei σ eine Signatur, M1 und M2 seien σ-Strukturen, F : M1 → M2 sei ein Isomorphismus zwischen M1 und M2 . Dann gilt für alle σ-Formeln ϕ und alle Belegungen β1 in M1 : M1 |= ϕ[β1 ] genau dann, wenn M2 |= ϕ[β1 ◦ F ] Beweis Einfache Induktion über den Aufbau von ϕ. Das nächste Lemma kann man auch durch einfaches Nachrechnen beweisen: 14 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Entscheidbarkeit monadischer σ-Hilbertkalküle cont. Lemma 2.6.8 (induzierte σ-Struktur unter Bijektion) Es sei σ eine Signatur, M eine σ-Struktur mit Trägermenge M. Weiter sei N eine Menge und F : M → N eine Bijektion. Dann kann man wie folgt auf N als Trägermenge Konstanten, Operationen und Relationen definieren, sodass die entsprechende σ-Struktur N zu M isomorph ist via dem Isomorphismus F : 1 Für c ∈ σconst definiere c N := F (c M ). 2 Für f ∈ σop , k-stellig, definiere f N (b1 , . . . , bk ) := F (f M (F −1 (b1 ), . . . , F −1 (bk ))). 3 Für R ∈ σrel , k-stellig, definiere (b1 , . . . , bk ) ∈ R N :⇔ (F −1 (b1 ), . . . , F −1 (bk )) ∈ R M . 15 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Entscheidbarkeit monadischer σ-Hilbertkalküle cont. Korollar 2.6.9 Es sei σ eine monadische Signatur. Dann ist das Erfüllbarkeitsproblem, und damit nach Lemma 2.6.6 auch das Beweisbarkeitsproblem, zum σ-Hilbertkalkül entscheidbar. Beweis Wir beschreiben einen Algorithmus, um zu einer gegebenen σ-Formel ϕ zu entscheiden, ob sie in einer geeigneten σ-Struktur unter einer geeigneten Belegung gilt. Beachte, dass dies genau dann der Fall ist, wenn der existentielle Abschluss von ϕ (definiert wie der universelle Abschluss, aber mit Bindung der freien Variablen durch Existenzquantoren, nicht durch Allquantoren) in einer geeigneten σ-Struktur wahr ist. 16 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Entscheidbarkeit monadischer σ-Hilbertkalküle cont. Beweis von Korollar 2.6.9 cont. Es sei also τ der existentielle Abschluss von ϕ. τ enthalte genau r verschiedene Variablen und k verschiedene Relationssymbole. Dann ist τ nach Satz 2.6.4 genau dann erfüllbar, wenn τ in einer σ-Struktur von Kardinalität höchstens r · 2k gilt. Beachte auch (ähnlich wie bei der Situation in Lemma 2.3.22 aus Vorlesung 6), dass die Symbole aus σ, welche in τ gar nicht vorkommen, für die Erfüllbarkeit von τ irrelevant sind. Genauer: Bezeichnet σ 0 jene Teilsignatur von σ, die nur aus jenen k Relationssymbolen besteht, welche auch in τ vorkommen, dann ist τ genau dann erfüllbar, wenn τ in einer σ 0 -Struktur von Kardinalität höchstens r · 2k gilt. 17 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Entscheidbarkeit monadischer σ-Hilbertkalküle cont. Beweis von Korollar 2.6.9 cont. Nach Lemma 2.6.8 ist das genau dann der Fall, wenn τ in einer σ 0 -Struktur mit Trägermenge von der Form {1, . . . , N} mit 1 ≤ N ≤ r · 2k gilt. Von diesen σ 0 -Strukturen gibt es aber nur endlich viele, welche ein Algorithmus systematisch durchgehen und in jedem einzelnen Fall überprüfen kann, ob τ gilt oder nicht (beachte, dass hierfür auch die Endlichkeit der Trägermenge in jedem einzelnen Fall wichtig ist; selbst für eine konkrete gegebene Struktur mit unendlicher Trägermenge ist es z.B. nichttrivial, eine Allaussage algorithmisch zu überprüfen). Es bleibt noch die Aufgabe, Satz 2.6.4 zu beweisen, welche wir nun angehen wollen. 18 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Löwenheim-Skolem für monadische Signaturen Wir führen dazu zuerst ein paar Konzepte ein und zeigen ein Lemma. Definition 2.6.10 Es sei σ 0 eine endliche monadische Signatur, bestehend aus k verschiedenen Relationssymbolen R1 , . . . , Rk . Weiter sei M eine σ 0 -Struktur und a ∈ M. Der Typ von a, notiert type(a), ist definiert(als das k-Tupel (δi (a))ki=1 , wobei 1, wenn a ∈ RiM , . Elemente a1 , a2 ∈ M heißen δi (a) = 0, wenn a ∈ / RiM ähnlich, notiert a1 ∼ a2 , falls type(a1 ) = type(a2 ). 19 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Löwenheim-Skolem für monadische Signaturen cont. Definition 2.6.11 Es sei σ 0 eine endliche monadische Signatur, bestehend aus k verschiedenen Relationssymbolen R1 , . . . , Rk . Weiter sei M eine σ 0 -Struktur. Zwei endliche Folgen (a1 , . . . , an ) und (b1 , . . . , bn ) in M, beide von der gleichen Länge n, heißen kompatibel, falls gilt: 1 ai ∼ bi für i = 1, . . . , n und 2 ai 6= aj ⇔ bi 6= bj für 1 ≤ i, j ≤ n. Definition 2.6.12 Es sei σ 0 eine endliche monadische Signatur, M eine σ 0 -Struktur, r ∈ N+ . Eine r -Teilstruktur von M ist eine σ 0 -Struktur S N , deren Trägermenge N eine disjunkte Vereinigung der Form C ∈M/∼ XC mit XC ⊆ C von Kardinalität min{r , |C |} für C ∈ M/ ∼ ist und 0 gilt: R N = R M ∩ N. sodass für R ∈ σrel 20 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Löwenheim-Skolem für monadische Signaturen cont. Lemma 2.6.13 (Hauptlemma zu r -Teilstrukturen) Es sei σ 0 eine endliche monadische Signatur, bestehend aus k verschiedenen Relationssymbolen R1 , . . . , Rk . Weiter sei M eine σ 0 -Struktur und r ∈ N+ . Dann gilt: 1 M besitzt mindestens eine r -Teilstruktur. 2 Die Trägermenge jeder r -Teilstruktur von M hat Kardinalität höchstens r · 2k . 3 Ist n ≤ r , (a1 , . . . , an ) eine Folge in M und (b1 , . . . , bk ) mit k ≤ n eine zu (a1 , . . . , ak ) kompatible Folge in der Trägermenge N einer r -Teilstruktur N von M, so gibt es bk+1 , . . . , bn ∈ N, sodass (a1 , . . . , an ) und (b1 , . . . , bn ) kompatibel sind. 21 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Löwenheim-Skolem für monadische Signaturen cont. Lemma 2.6.13 cont. 4 Ist n ≤ r , (b1 , . . . , bn ) eine Folge in der Trägermenge N einer r -Teilstruktur N von M, und (a1 , . . . , ak ) mit k ≤ n eine zu (b1 , . . . , bk ) kompatible Folge in M, so gibt es ak+1 , . . . , an ∈ M, sodass (a1 , . . . , an ) und (b1 , . . . , bn ) kompatibel sind. 5 Ist N eine r -Teilstruktur von M mit Trägermenge N, ϕ = ϕ(y1 , . . . , yn ) eine σ 0 -Formel mit Free(ϕ) = {y1 , . . . , yn }, welche höchstens r verschiedene Variablen (egal, ob frei oder nicht) enthält, und ist (a1 , . . . , an ) eine Folge der Länge n in M sowie (b1 , . . . , bn ) eine mit (a1 , . . . , an ) kompatible Folge der Länge n in N, so gilt M |= ϕ[a1 , . . . , an ] ⇔ N |= ϕ[b1 , . . . , bn ]. 22 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Löwenheim-Skolem für monadische Signaturen cont. Beweis von Lemma 2.6.13 Zu Punkt (1): trivial (wähle einfach irgendwelche Teilmengen XC ⊆ C von passender Kardinalität). Zu Punkt (2): klar nach der Forderung bezüglich der Kardinalität von XC und der Tatsache, dass ∼ höchstens 2k (nichtleere) Äquivalenzklassen auf M hat. Zu Punkt (3): Es genügt natürlich, den Fall k = n − 1 zu behandeln. Wie in Definition 2.6.12 sei für C ∈ M/ ∼ mit XC der Durchschnitt N ∩ C bezeichnet. Wir unterscheiden zwei Fälle: 23 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Löwenheim-Skolem für monadische Signaturen cont. Beweis von Lemma 2.6.13 cont. Zu Punkt (3), Fallunterscheidung: Wenn ak+1 = ai für ein i ∈ {1, . . . , k}, setze einfach bk+1 := bi ; dann sind auch (a1 , . . . , ak+1 ) und (b1 , . . . , bk+1 ) kompatibel. Wenn ak+1 ∈ / {a1 , . . . , ak }, dann hat [ak+1 ] mindestens |[ak+1 ] ∩ {b1 , . . . , bk }| + 1 = |[ak+1 ] ∩ {a1 , . . . , ak }| + 1 ≤ n ≤ r viele Elemente, also hat auch X[ak+1 ] mindestens so viele Elemente, sodass wir bk+1 ∈ X[ak+1 ] \ {b1 , . . . , bk } wählen können und wiederum (a1 , . . . , ak+1 ) und (b1 , . . . , bk+1 ) kompatibel sind. Zu Punkt (4): Ähnlich wie Punkt (3). Zu Punkt (5): Wir zeigen die Behauptung mit Induktion über den Aufbau von ϕ. 24 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Löwenheim-Skolem für monadische Signaturen cont. Beweis von Lemma 2.6.13 cont. Wenn ϕ atomar ist: Wenn ϕ von der Gestalt t1 = t2 ist: Beachte: Da σ 0 weder Konstanten- noch Operationssymbole enthält, sind die σ 0 -Terme gerade die Variablen. ϕ ist dann also von der Gestalt yi = yj , i, j ∈ {1, . . . , n}, und die zu zeigende Äquivalenz gilt genau dann, wenn ai = aj stets (material) äquivalent ist zu bi = bj . Das gilt aber nach Annahme, da die beiden Folgen kompatibel sind. Wenn ϕ von der Gestalt Ri t ist: Wiederum ist t ≡ yj für ein j ∈ {1, . . . , n}, und die Äquivalenz gilt genau dann, wenn ai ∈ Rj material äquivalent ist zu bi ∈ Rj , was wiederum nach der Kompatibilitätsannahme der Fall ist. 25 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Löwenheim-Skolem für monadische Signaturen cont. Beweis von Lemma 2.6.13 cont. Wenn ϕ zusammengesetzt ist: Wenn ϕ von einer der Gestalten ¬ψ oder ψ1 ∧ ψ2 ist: trivial nach Induktionsvoraussetzung. Wenn ϕ von der Gestalt ∃xψ ist: Wir dürfen o.B.d.A. annehmen, dass x in ψ frei vorkommt (sonst ist die Aussage trivial nach Induktionsvoraussetzung). Dann ist ψ = ψ(y1 , . . . , yn , x), und ψ enthält ebenfalls höchstens r verschiedene Variable. Nach den Punkten (3) und (4) des Lemmas gibt es zu jedem a ∈ M ein b(a) ∈ N, sodass (a1 , . . . , an , a) und (b1 , . . . , bn , b(a)) kompatibel sind, und es gibt zu jedem b ∈ N ein a(b) ∈ M, sodass (a1 , . . . , an , a(b)) und (b1 , . . . , bn , b) kompatibel sind. Es folgt nach Induktionsvoraussetzung: M |= ϕ[a1 , . . . , an ] ⇔ Es gibt a ∈ M mit M |= ψ[a1 , . . . , an , a] ⇔ Es gibt b ∈ N mit N |= ψ[b1 , . . . , bn , b] ⇔ N |= ϕ[b1 , . . . , bn ]. 26 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Löwenheim-Skolem für monadische Signaturen cont. Wir sind nun endlich fertig für den Beweis von Satz 2.6.4 Es sei σ 0 die Teilsignatur von σ, welche nur die Relationssymbole enthält, die auch in τ vorkommen. Weiter sei M ein σ-Modell von {τ }, und M0 sein Redukt auf σ 0 . Dann ist M0 noch immer ein Modell von {τ }, mit einer Argumentation wie im Beweis von Lemma 2.3.22. Es sei N 0 eine r -Teilstruktur von M0 , wobei r die Zahl der verschiedenen, in τ vorkommenden Variablen bezeichnet. Nach Lemma 2.6.13(2) hat die Trägermenge von N 0 Kardinalität höchstens r · 2k . 27 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Löwenheim-Skolem für monadische Signaturen cont. Beweis von Satz 2.6.4 cont. Zudem gilt nach Lemma 2.6.13(5), angewendet auf die σ 0 -Formel τ (mit n := 0): Da M0 ein σ 0 -Modell von {τ } ist, ist auch N 0 ein σ 0 -Modell von {τ }. Nun expandiere noch N 0 auf σ, um ein σ-Modell N von {τ } zu erhalten. 28 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Das Halteproblem zu einer Turing-Maschine Erinnerung: Noch in Kapitel 1 hatten wir gezeigt: Satz 1.7.9 Das Halteproblem ist (Turing-)unentscheidbar. D.h., es gibt keine Turing-Maschine, welche eine Entscheidungsmaschine ist (d.h., auf jedem Input, d.h., Wort über dem fixierten Alphabet A ⊇ {0, 1}, mit Output 0 oder 1 hält, 0 heißt “ablehnen”, 1 heißt “akzeptieren”) und gerade jene Inputs akzeptiert, welche von der Form hpMq, w i sind, M eine Turing-Maschine, w ein Input für M, auf dem M hält. 29 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Das Halteproblem zu einer Turing-Maschine cont. Betrachte nun folgende Variante davon: Definition 2.6.14 Es sei M eine Turing-Maschine über dem Alphabet A. Das Halteproblem zu M besteht gerade aus jenen Wörtern über A, auf denen M hält. Das ist eine eingeschränktere Situation als beim ursprünglich beschriebenen Halteproblem, und es ist a priori denkbar, dass trotz Satz 1.7.9 jedes einzelne Halteproblem zu einer festen Turing-Maschine M entscheidbar ist. Tatsächlich ist dies aber nicht der Fall, wie wir gleich sehen werden. 30 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Universelle Turing-Maschinen Erinnerung: Eine universelle Turing-Maschine ist eine Turing-Maschine, welche in der Lage ist, beliebige Turing-Maschinen auf beliebigen Inputs zu emulieren. Wir halten folgendes Lemma (ohne Beweis) fest: Lemma 2.6.15 (Existenz universeller Turing-Maschinen) Es gibt eine Turing-Maschine U, sodass Folgendes für jeden Input w für U gilt: Ist w nicht von der Form hpMq, v i, wobei M eine Turing-Maschine und v ein Wort über A ist, so hält U mit Output 0. Wenn aber w von dieser Form ist, dann gilt: Wenn M auf v nicht hält, dann hält auch U auf w nicht. Wenn M auf v mit Output o hält, dann hält U auf w mit Output 1o. 31 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Das Halteproblem zu einer universellen Turing-Maschine Lemma 2.6.16 Es sei U eine Turing-Maschine wie in Lemma 2.6.15. Dann ist das Halteproblem zu U unentscheidbar. Beweis Indirekt. Angenommen, das Halteproblem zu U wäre entscheidbar. Dann könnte man auch einen Entscheidungsalgorithmus für das allgemeine Halteproblem konstruieren (im Widerspruch zu Satz 1.7.9), und zwar wie folgt: Gegeben ein Input w , entscheide zuerst, ob w überhaupt von der Form hpMq, w i ist für eine Turing-Maschine M und ein Wort w über A. Wenn nicht, ist w auch kein Element des Halteproblems, wir können 0 ausgeben und halten. 32 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Das Halteproblem zu einer universellen Turing-Maschine cont. Beweis von Lemma 2.6.16 cont. Ansonsten entscheide, ob U auf dem Input w hält. Das ist genau dann der Fall, wenn M auf w hält, und wir können auch entsprechend antworten und halten. Damit wissen wir, dass es Turing-Maschinen gibt, deren individuelles Halteproblem unentscheidbar ist. Wir können dies nun verwenden, um auch endliche Signaturen zu konstruieren, deren Hilbertkalküle unentscheidbar sind. Der Rest dieses Abschnittes ist inspiriert durch http://kilby.stanford.edu/~rvg/154/handouts/fol.html. 33 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Signaturen und Sätze zu Turing-Maschinen Definition 2.6.17 Es sei M eine Turing-Maschine über dem Alphabet A, w ∈ A∗ , A+ := A ∪ {∅} (wir nehmen o.B.d.A. an, dass ∅ ∈ / A gilt). 1 Wir definieren eine endliche Signatur σM , nur von M abhängig, wie folgt: σM besteht gerade aus einem Konstantensymbol λ, einem einstelligen Operationssymbol a für jedes Zeichen a ∈ A+ sowie einem binären Relationssymbol Rs für jeden Zustand s von M. 2 Wir definieren einen σM -Satz τM,w , von M und w abhängig, wie folgt: Es bezeichne s0 den Anfangs- und s1 den Haltezustand von M. Betrachte folgende endliche Kollektion von σM -Sätzen: 1 den einzelnen Satz Rs0 (λ, pw q), wobei für w = a1 · · · al die Notation pw q := a1 (a2 (· · · (al (λ)) · · · )) definiert ist, 34 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Signaturen und Sätze zu Turing-Maschinen cont. Definition 2.6.17 cont. 2 Satz-Liste von Punkt (2) cont.: den einzelnen Satz λ = ∅(λ), für jede Quellcode-Zeile von M der Gestalt (q, a, b, →, r ) (mit a, b ∈ A+ ): ∀x0 ∀x1 : (Rq (x0 , a(x1 )) → Rr (b(x0 ), x1 ), 4 für jede Quellcode-Zeile von M der Gestalt (q, a, b, ←, r ) (mit a, b ∈ A+ ) und alle c ∈ A+ : ∀x0 ∀x1 : (Rq (c(x0 ), a(x1 )) → Rr (x0 , c(b(x1 )))), 5 für jede Quellcode-Zeile von M der Gestalt (q, a, b, |, r ) (mit a, b ∈ A+ ): ∀x0 ∀x1 : ((Rq (x0 , a(x1 )) → Rr (x0 , b(x1 ))). 2 3 Es bezeichne χM,w die Konjunktion all dieser endlich vielen Sätze. Der Satz τM,w ist dann definiert als χM,w → ∃x0 ∃x1 : Rs1 (x0 , x1 ). 35 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Existenz unentscheidbarer Hilbertkalküle Der in Definition 2.6.17(2) definierte σM -Satz τM,w hat folgende bemerkenswerte Eigenschaft: Lemma 2.6.18 Es sei M eine Turing-Maschine über dem Alphabet A, w ∈ A∗ . Dann gilt: `σM τM,w ⇔ M hält auf dem Input w . Bevor wir den Beweis von Lemma 2.6.18 skizzieren, beweisen wir damit: Satz 2.6.19 Es gibt eine endliche Signatur σ, sodass der σ-Hilbertkalkül unentscheidbar ist. 36 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Existenz unentscheidbarer Hilbertkalküle cont. Beweis von Satz 2.6.19 Es sei U eine “universelle Turing-Maschine”, wie in Lemma 2.6.15. Nach Lemma 2.6.16 ist das individuelle Halteproblem zu U unentscheidbar. Damit kann der σU -Hilbertkalkül nicht entscheidbar sein, denn könnte man für jede σU -Formel ϕ entscheiden, ob ` ϕ gilt oder nicht, so könnte man nach Lemma 2.6.18 insbesondere das individuelle Halteproblem zu U entscheiden. 37 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Nochmals Signaturen und Sätze zu Maschinen Beweisskizze zu Lemma 2.6.18 Zu “⇒”: Betrachte folgende σM -Struktur XM,w : Die Trägermenge von XM,w ist X := (A+ )∗ / ∼, wobei w1 , w2 ∈ (A+ )∗ genau dann als äquivalent gelten, wenn w2 aus w1 durch eine Folge von Einfügungen und Streichungen des uneigentlichen Symbols ∅ am (rechten) Ende von w1 entsteht. λXM,w ist als die Äquivalenzklasse des leeren Wortes definiert. Für a ∈ A+ ist aXM,w die Funktion X → X , [w ]∼ 7→ [aw ]∼ . X Für einen Zustand q von M ist Rq M,w (wohl)definiert als jene Teilmenge von X 2 , deren Elemente gerade die Paare ([x]∼ , [y ]∼ ) sind, sodass bei der Operation von M auf dem Input w mindestens einmal die Situation eintritt, dass sich die Maschine im Zustand q befindet, dabei das Arbeitsband bedruckt ist mit x −1 y (x −1 bedeutet hier “x, von hinten gelesen”) und der Kopf der Maschine über dem Feld mit dem ersten Symbol von y ruht. 38 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Nochmals Signaturen und Sätze zu Maschinen cont. Beweisskizze zu Lemma 2.6.18 cont. Man verifiziert leicht, dass XM,w ein Modell des in Definition 2.6.17 eingeführten Satzes χM,w ist, und dass XM,w |= ∃x0 ∃x1 : Rs1 (x0 , x1 ) gerade bedeutet, dass M auf dem Input w hält. Daraus folgt: XM,w |= τM,w genau dann, wenn M auf dem Input w hält. Da wir aber für diese Implikationsrichtung annehmen, dass ` τM,w gilt, folgt nach dem Korrektheitssatz, dass τM,w tatsächlich in XM,w (sogar in jeder σM -Struktur) gilt. Damit sind wir mit dieser Richtung fertig. 39 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Nochmals Signaturen und Sätze zu Maschinen cont. Beweisskizze zu Lemma 2.6.18 cont. Zu “⇐”: Wir nehmen nun also an, dass M auf dem Input w hält (d.h., nach endlich vielen Arbeitsschritten den Haltezustand s1 erreicht) und müssen daraus folgern, dass τM,w im σM -Hilbertkalkül ableitbar ist. Das ist an sich nicht schwer (in dem Sinne, dass man dafür keine genialen neuen Einfälle benötigt), erfordert aber einigen technischen Aufwand. Man müsste zuerst Notation entwickeln, um über die verschiedenen Arbeitsschritte von M auf w Buch führen zu können. Ein geeignetes Konzept ist das einer Konfiguration von M, welche aus der gesamten relevanten Information zu Beginn eines Arbeitsschrittes besteht (Zustand von M, was auf dem Band steht, Position des Kopfes von M). 40 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Nochmals Signaturen und Sätze zu Maschinen cont. Beweisskizze zu Lemma 2.6.18 cont. Die gesamte Operation von M auf w kann dann als eine endliche Folge von Konfigurationen aufgefasst werden, mit gewissen Regeln (durch den Quellcode von M vorgegeben), wie man von einer Konfiguration zur nächsten kommt. Der σM -Satz χM,w → Rs0 (λ, pw q) (welcher eine aussagenlogische σM -Tautologie ist) entspricht dabei offenbar der Anfangskonfiguration, und man muss sich überlegen, dass es einem die Axiome und Schlussregeln des Kalküls erlauben, sukzessive entsprechende Sätze auch für die anderen Konfigurationen abzuleiten, bis man schließlich zu einem Satz der Form χM,w → Rs1 (t1 , t2 ) für geeignete σM -Terme t1 und t2 gelangt, welcher der Endkonfiguration entspricht, und aus dessen Ableitbarkeit auch die Ableitbarkeit von τM,w folgt. 41 A. Bors Logik Prädikatenlogiken Entscheidbarkeit Ausblick auf nächstes Mal In der nächsten Vorlesungseinheit werden wir uns mit den Gödelschen Unvollständigkeitssätzen beschäftigen. Wir werden die exakten Formulierungen der Sätze besprechen und die Beweise in den nächsten beiden Einheiten skizzieren. Damit werden wir dann auch das Kapitel 2, “Prädikatenlogiken erster Stufe”, beim übernächsten Mal abschließen. 42 A. Bors Logik