Mathematische Logik

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Prädikatenlogiken
Mathematische Logik
Vorlesung 6
Alexander Bors
30. März & 6. April 2017
1
A. Bors
Logik
Prädikatenlogiken
Überblick
1 Formale Prädikatenlogiken erster Stufe (Quelle: Ziegler,
pp. 3–24)
Semantik
2
A. Bors
Logik
Prädikatenlogiken
Semantik
Erinnerung
Letztes Mal haben wir begonnen, ein formales System für
Prädikatenlogik erster Stufe bei fixierter Signatur einzuführen. Wir
haben Folgendes definiert:
das Alphabet A = A(σ) ∪ {=, ¬, ∧, ∃} ∪ {x0 , x1 , . . .}, wobei
A(σ) = σconst ∪ σop ∪ σrel sowie
den Formelbegriff für unser formales System (σ-Formeln);
dazu hatten wir zuerst das Konzept eines σ-Terms eingeführt.
Für die Definition des formalen Systems an sich fehlen noch:
die Axiome des Systems sowie
die Schlussregeln.
Wir kommen dazu aber erst in der nächsten Vorlesungseinheit.
Heute beschäftigen wir uns eingehend mit der Semantik der zu
definierenden formalen Systeme.
3
A. Bors
Logik
Prädikatenlogiken
Semantik
Überblick über die Vorgehensweise
Betrachten wir zur Motivation die einfachsten σ-Formeln:
atomare Formeln, d.h., Formeln der Gestalt = t1 t2 bzw.
Rt1 · · · tk .
Um den Wahrheitswert solcher Formeln feststellen zu können,
sollten wir zunächst den auftretenden Termen einen Wert
zuweisen können, in einer vorher fixierten σ-Struktur M.
Nach Fixierung von M sind alle auftretenden
Konstantensymbole in ihrem Wert festgelegt, aber Variablen
haben noch immer keinen eindeutigen Wert. Man muss also
zusätzlich zu M eine Belegung β : {x0 , x1 , . . .} → M fixieren.
Der Wert eines σ-Terms wird dann rekursiv definiert, und
danach kann man auch auf naheliegende Weise den
Wahrheitswert jeder atomaren σ-Formel definieren.
Der Wahrheitswert einer beliebigen σ-Formel wird dann
ebenfalls rekursiv definiert.
4
A. Bors
Logik
Prädikatenlogiken
Semantik
Belegungen und Werte von Termen
Definition 2.3.1
Es sei σ eine Signatur, M eine σ-Struktur. Eine Belegung in M
ist eine Funktion β : {x0 , x1 , . . .} → M.
Definition 2.3.2
Es sei σ eine Signatur, M eine σ-Struktur, β eine Belegung in M.
Für einen σ-Term t definieren wir t M [β], den Wert von t unter β,
rekursiv wie folgt:
1
xnM [β] := β(xn ), für n ∈ N,
2
c M [β] := c M , für c ∈ σconst ,
3
(ft1 · · · tk )M [β] := f M (t1M [β], . . . , tkM [β]).
Für die Wohldefiniertheit von t M [β]: Lemma 2.2.5.
5
A. Bors
Logik
Prädikatenlogiken
Semantik
Belegungen und Werte von Termen cont.
Beispiel 2.3.3
Es sei σ = σgroup , und wir betrachten die σgroup -Struktur M mit
Trägermenge M = Z/6Z = {0, 1, . . . , 5} und der “üblichen”
Gruppenstruktur darauf, sodass also
1M := 0,
−1 M
·M
:= − (Vorzeichenwechsel modulo 6) und
:= + (Addition modulo 6).
Weiter sei β(xn ) := n für alle n ∈ N, und wir betrachten den Term
t :≡ −1 · x4 ·−1 x2 x3 .
Durch Abarbeiten der rekursiven Definition folgt:
t M [β] = −(4 + (−2 + 3)) = −(4 + 1) = −5 = 1.
6
A. Bors
Logik
Prädikatenlogiken
Semantik
Nur Werte tatsächlich auftretender Variablen sind relevant
Definition 2.3.4
Es sei σ eine Signatur, w ∈ A∗ . Wir bezeichnen mit Var(w ) die
Menge der in w auftretenden Variablen.
Lemma 2.3.5
Es sei σ eine Signatur, M eine σ-Struktur, t ein σ-Term, β1 und
β2 seien Belegungen in M. Stimmen β1 und β2 auf Var(t)
überein, so gilt t M [β1 ] = t M [β2 ].
Beweis
Einfache Induktion nach der Länge von t.
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A. Bors
Logik
Prädikatenlogiken
Semantik
Notation zur Auswertung von Termen
Nach Lemma 2.3.5 ergibt folgende Notation, welche an die übliche
Notation f (x) zum Einsetzen eines Argumentes x in eine Funktion
f angelehnt ist, Sinn:
Notation 2.3.6
Es sei σ eine Signatur, M eine σ-Struktur, t ein σ-Term mit
Var(t) ⊆ {y1 , . . . , yn }, yi ∈ {x0 , x1 , . . . , } für i = 1, . . . , n und
paarweise verschieden.
Dann schreiben wir auch t = t(y1 , . . . , yn ) und bezeichnen für
a1 , . . . , an ∈ M mit t M [a1 , . . . , an ] den (nach Lemma 2.3.5
eindeutig bestimmten) Wert von t unter einer Belegung β in M
mit β(yi ) = ai , i = 1, . . . , n.
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A. Bors
Logik
Prädikatenlogiken
Semantik
Überschreiben von Werten von Belegungen
Wir werden uns gleich der eigentlichen Formel-Semantik zuwenden.
Zuerst führen wir noch eine Notation ein:
Notation 2.3.7
Es sei σ eine Signatur, M eine σ-Struktur, β eine Belegung in M,
n ∈ N und a ∈ M. Dann bezeichnen wir mit β xan , gelesen “β mit a
bei xn ” die(Belegung β 0 , sodass
β(xm ), wenn m 6= n,
β 0 (xm ) =
.
a,
wenn m = n.
Definition 2.3.8
Es sei σ eine Signatur, M eine σ-Struktur. Wir definieren für
Belegungen β in M und σ-Formeln ϕ die (von M als Parameter
abhängige) binäre Relation M |= ϕ[β], gelesen “M erfüllt ϕ unter
β”, oder auch “ϕ gilt in M unter β”, rekursiv wie folgt:
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A. Bors
Logik
Prädikatenlogiken
Semantik
Gültigkeit einer Formel in einer Struktur
Definition 2.3.8 cont.
1
Ist ϕ ≡= t1 t2 , so gelte M |= ϕ[β] genau dann, wenn
t1M [β] = t2M [β] gilt.
2
Ist ϕ ≡ Rt1 · · · tk , so gelte M |= ϕ[β] genau dann, wenn
(t1M [β], . . . , tkM [β]) ∈ R M gilt.
3
Ist ϕ ≡ ¬ψ, so gelte M |= ϕ[β] genau dann, wenn
M 6|= ψ[β].
4
Ist ϕ ≡ ∧ψ1 ψ2 , so gelte M |= ϕ[β] genau dann, wenn sowohl
M |= ψ1 [β] als auch M |= ψ2 [β] gilt.
5
Ist ϕ ≡ ∃xψ, so gelte M |= ϕ[β] genau dann, wenn es ein
a ∈ M gibt mit M |= ψ[β xa ].
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A. Bors
Logik
Prädikatenlogiken
Semantik
Freie Variablen
Es ist wieder leicht zu sehen, dass die Gültigkeit von M |= ϕ[β]
nur von den Werten von β auf Var(ϕ) abhängt. Tatsächlich gilt
hier aber sogar eine noch stärkere Aussage: Es reicht, die Werte
von β auf den in ϕ frei vorkommenden Variablen zu kennen.
Definition 2.3.9
Es sei σ eine Signatur. Für eine σ-Formel ϕ definieren wir Free(ϕ),
die Menge der in ϕ frei vorkommenden Variablen, wie folgt
rekursiv:
1
Free(= t1 t2 ) := Var(t1 ) ∪ Var(t2 ),
2
Free(Rt1 · · · tk ) := Var(t1 ) ∪ · · · ∪ Var(tk ),
3
Free(¬ψ) := Free(ψ),
4
Free(∧ψ1 ψ2 ) := Free(ψ1 ) ∪ Free(ψ2 ),
5
Free(∃xψ) := Free(ψ) \ {x}.
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A. Bors
Logik
Prädikatenlogiken
Semantik
Freie Variablen cont.
Free(ϕ) besteht also gerade aus jenen Variablen, die in ϕ an
mindestens einer Stelle nicht durch einen Quantor gebunden
vorkommen. Damit ist auch intuitiv klar, warum der Wahrheitswert
von M |= ϕ[β] nur von β|Free(ϕ) abhängt: die Werte aller anderen
in ϕ vorkommenden Variablen werden beim Abarbeiten der
rekursiven Definition sowieso überschrieben. Wir beweisen dies
auch noch exakt.
Lemma 2.3.10
Es sei σ eine Signatur, M eine σ-Struktur, β1 und β2 Belegungen
in M, ϕ eine σ-Formel. Stimmen β1 und β2 auf Free(ϕ) überein,
so gilt M |= ϕ[β1 ] genau dann, wenn M |= ϕ[β2 ] gilt.
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A. Bors
Logik
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Semantik
Freie Variablen cont.
Beweis von Lemma 2.3.10
Induktion über den Aufbau von ϕ.
1
Ist ϕ ≡= t1 t2 , so gilt wegen Var(t1 ), Var(t2 ) ⊆ Free(ϕ) nach
Lemma 2.3.5, dass tiM [β1 ] = tiM [β2 ] für i = 1, 2. Damit
haben wir
M |= ϕ[β1 ] ⇔ t1M [β1 ] = t2M [β1 ] ⇔ t1M [β2 ] = t2M [β2 ] ⇔
M |= ϕ[β2 ].
2
Der Fall ϕ ≡ Rt1 · · · tk funktioniert analog.
3
Ist ϕ ≡ ¬ψ, so gilt wegen Free(ψ) = Free(ϕ) nach
Induktionsvoraussetzung, dass M |= ψ[β1 ] ⇔ M |= ψ[β2 ].
Insbesondere haben wir damit
M |= ϕ[β1 ] ⇔ M 6|= ψ[β1 ] ⇔ M 6|= ψ[β2 ] ⇔ M |= ϕ[β2 ].
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A. Bors
Logik
Prädikatenlogiken
Semantik
Freie Variablen cont.
Beweis von Lemma 2.3.10 cont.
4
Ist ϕ ≡ ∧ψ1 ψ2 , so gilt wegen Free(ψ1 ), Free(ψ2 ) ⊆ Free(ϕ)
nach Induktionsvoraussetzung, dass
M |= ψ1 [β1 ] ⇔ M |= ψ1 [β2 ] sowie
M |= ψ2 [β1 ] ⇔ M |= ψ2 [β2 ]. Insbesondere haben wir damit
M |= ϕ[β1 ] ⇔ (M |= ψ1 [β1 ] und M |= ψ2 [β1 ]) ⇔ (M |=
ψ1 [β2 ] und M |= ψ2 [β2 ]) ⇔ M |= ϕ[β2 ].
5
Ist ϕ ≡ ∃xψ. Nach Annahme stimmen β1 und β2 auf
Free(ϕ) = Free(ψ) \ {x} überein, und damit stimmen, für
jedes feste a ∈ M, β1 xa und β2 xa sogar auf Free(ψ) überein,
womit nach Induktionsvoraussetzung
M |= ψ[β1 xa ] ⇔ M |= ψ[β2 xa ] gilt. Damit haben wir
M |= ϕ[β1 ] ⇔ Es gibt a ∈ M mit M |= ψ[β1 xa ] ⇔
Es gibt a ∈ M mit M |= ψ[β2 xa ] ⇔ M |= ϕ[β2 ].
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A. Bors
Logik
Prädikatenlogiken
Semantik
Notation zum Einsetzen in Formeln
Nach Lemma 2.3.10 ergibt folgende Notation Sinn:
Notation 2.3.11
Es sei σ eine Signatur, M eine σ-Struktur, ϕ eine σ-Formel mit
Free(ϕ) ⊆ {y1 , . . . , yn }, yi ∈ {x0 , x1 , . . . , } für i = 1, . . . , n und
paarweise verschieden.
Dann schreiben wir auch ϕ = ϕ(y1 , . . . , yn ) und schreiben für
a1 , . . . , an ∈ M M |= ϕ[a1 , . . . , an ] genau dann, wenn M die
Formel ϕ unter einer (äquivalent: jeder) Belegung β in M mit
β(yi ) = ai für i = 1, . . . , n erfüllt.
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A. Bors
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Semantik
Sätze
Definition 2.3.12
Es sei σ eine Signatur. Eine σ-Formel ohne frei vorkommende
Variablen heißt ein σ-Satz (oder, wie bei Ziegler, auch σ-Aussage).
Nach Lemma 2.3.10 haben σ-Sätze unter allen Belegungen in
einem festen Modell M den gleichen Wahrheitswert, sodass wir für
sie die Notation etwas vereinfachen können:
Notation 2.3.13
Es sei σ eine Signatur, M eine σ-Struktur, τ ein σ-Satz. Gilt
M |= τ [β] für eine (äquivalent: jede) Belegung β in M, so
schreiben wir M |= τ und sagen “M erfüllt τ ” oder “τ gilt in M”.
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A. Bors
Logik
Prädikatenlogiken
Semantik
Beispiel: Die Gruppenaxiome
Beispiel 2.3.14
Eine σgroup -Struktur M ist genau dann eine Gruppe, wenn in ihr
folgende drei σgroup -Sätze gelten:
1
¬∃x0 ¬¬∃x1 ¬¬∃x2 ¬ = ·x0 · x1 x2 · ·x0 x1 x2 (Assoziativgesetz),
2
¬∃x0 ¬∧ = ·x0 1x0 = ·1x0 x0 (1M ist neutrales Element),
3
¬∃x0 ¬∧ = ·x0−1 x0 1 = ·−1 x0 x0 1 (für alle x0 ist
invers).
−1 M (x )
0
zu x0
Das sieht natürlich furchtbar hässlich aus, und deswegen
vereinbaren wir ein paar Abkürzungen und alternative
Schreibweisen, wenn wir in Zukunft längere Formeln aufschreiben
wollen.
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A. Bors
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Semantik
Ein paar (inoffizielle) Konventionen
In Zukunft schreiben wir oft auch ψ1 ∧ ψ2 bzw. (wo
Klammern für eindeutige Lesbarkeit erforderlich sind)
(ψ1 ∧ ψ2 ) statt ∧ψ1 ψ2 .
Ebenso schreiben wir oft zur leichteren Lesbarkeit auch ∃x : ψ
statt ∃xψ.
Zudem: ψ1 ∧ ψ2 ∧ · · · ∧ ψn := (· · · (ψ1 ∧ ψ2 ) · · · ∧ ψn ).
Wir definieren folgende abkürzende Schreibweisen:
ψ1 ∨ ψ2 bzw. (ψ1 ∨ ψ2 ) für ¬(¬ψ1 ∧ ¬ψ2 ),
ψ1 → ψ2 bzw. (ψ1 → ψ2 ) für ¬(ψ1 ∧ ¬ψ2 ),
ψ1 ↔ ψ2 bzw. (ψ1 ↔ ψ2 ) für (ψ1 → ψ2 ) ∧ (ψ2 → ψ1 ),
∀xψ bzw. ∀x : ψ für ¬∃x¬ψ.
Die Schreibweisen ψ1 ∨ · · · ∨ ψn bzw. (ψ1 ∨ · · · ∨ ψn ) sind
analog zu ψ1 ∧ · · · ∧ ψn bzw. (ψ1 ∧ · · · ∧ ψn ) definiert.
Wir schreiben t1 = t2 statt = t1 t2 sowie t1 Rt2 statt Rt1 t2 .
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A. Bors
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Semantik
Zur Bindungsstärke der logischen Zeichen
Soweit es möglich ist (und die Lesbarkeit nicht stark
beeinträchtigt), werden wir Klammern weglassen. Die Ausdrücke
sind dann gemäß der hier vereinbarten (und allgemein üblichen)
Bindungsstärke der logischen Zeichen zu lesen:
Höchste Bindungsstärke: ¬, ∃ und ∀.
Zweithöchste Bindungsstärke: ∧.
Dritthöchste Bindungsstärke: ∨.
Niedrigste Bindungsstärke: → und ↔.
Beispiel 1: ¬ϕ ∧ ψ ∨ χ → ω ist zu lesen als (((¬ϕ) ∧ ψ) ∨ χ) → ω.
Beispiel 2: ∃x¬ϕ ∨ χ ist zu lesen als (∃x(¬ϕ)) ∨ χ.
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A. Bors
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Semantik
Einsetzen in Terme
Definition 2.3.15
Es sei σ eine Signatur, x ∈ {x0 , x1 , . . .} eine Variable, s ein
σ-Term. Für σ-Terme t definieren wir t xs , gelesen “t mit s für x”,
rekursiv wie folgt:
(
y , wenn y 6= x,
s
1 Ist t ≡ y eine Variable, so sei t x :≡
s, sonst.
2
Ist t ≡ c ein Konstantensymbol, so sei t xs :≡ c.
3
Ist t ≡ ft1 · · · tk , so sei t xs :≡ ft1 xs · · · tk xs .
t xs ist also jener Term, der durch Substitution von s für x in t
entsteht.
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A. Bors
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Semantik
Einsetzen in Formeln
Definition 2.3.16
Es sei σ eine Signatur, x ∈ {x0 , x1 , . . .} eine Variable, s ein
σ-Term. Für σ-Formeln ϕ definieren wir ϕ xs , gelesen “ϕ mit s für
x”, rekursiv wie folgt:
1
Ist ϕ ≡= t1 t2 , so sei ϕ xs :≡= t1 xs t2 xs .
2
Ist ϕ ≡ Rt1 · · · tk , so sei ϕ xs :≡ Rt1 xs · · · tk xs .
3
Ist ϕ ≡ ¬ψ, so sei ϕ xs :≡ ¬ψ xs .
4
5
Ist ϕ ≡ ∧ψ1 ψ2 , so sei ϕ xs :≡ ∧ψ1 xs ψ2 xs .
(
∃y (ψ xs ), wenn x 6= y ,
s
Ist ϕ ≡ ∃y ψ, so sei ϕ x :≡
.
∃y ψ,
wenn x = y .
ϕ xs ist also jene Formel, die durch Ersetzen aller freien Vorkommen
von x in ϕ durch s entsteht.
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A. Bors
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Semantik
Motivation für das Substitutionslemma
Es ist natürlich sinnvoll, bei der Definition von ϕ xs zu fordern,
dass nur die freien Vorkommen von x in ϕ ersetzt werden
sollen, denn an Stellen, an denen x nicht frei vorkommt, dient
es ja nur als sprachliches Hilfsmittel, um die entsprechende
quantorielle Aussage formulieren zu können (und nicht etwa
als Platzhalter für etwas Einzusetzendes).
Doch auch nach dem Treffen dieser Vorkehrung gibt es noch
immer “pathologische” Substitutionen. Betrachte etwa
folgendes Beispiel (sh. Ziegler, S. 12): ϕ :≡ ∀y : (y ◦ y = x)
und s :≡ y . Dann wird ϕ xs zu ∀y : y ◦ y = y , sodass die
eingesetzte Variable sofort durch den Quantor gebunden wird
und ϕ xs zu einem Satz wird, dessen Wahrheitswert
unabhängig vom eingesetzen Wert ist. Das ist deswegen
passiert, weil x nicht “frei für (die Substitution von) s in ϕ”
im Sinne der nachfolgenden Definition 2.3.17 ist.
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A. Bors
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Semantik
Für eine Substitution freie Variablen
Definition 2.3.17
Es sei σ eine Signatur, ϕ eine σ-Formel, x eine Variable, s ein
σ-Term. Wir definieren die Relation x ist frei für s in ϕ rekursiv
wie folgt:
x ist frei für s in ϕ genau dann, wenn entweder
x nicht frei in ϕ ist (klingt komisch, ist aber so) oder
x frei in ϕ ist, und einer der folgenden Fälle eintritt:
ϕ ist eine atomare Formel,
ϕ ≡ ¬ψ, und x ist frei für s in ψ,
ϕ ≡ ∧ψ1 ψ2 , und x ist frei für s sowohl in ψ1 als auch in ψ2 ,
4 ϕ ≡ ∃y ψ, und x ist frei für s in ψ und y ∈
/ Var(s).
1
2
3
D.h.: Es soll kein freies Vorkommen von x im Wirkungsbereich
eines Quantors stehen, der eine Variable von s bindet.
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A. Bors
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Semantik
Das Substitutionslemma
Hat man diese Voraussetzungen vorliegen, verhält sich Substitution
auf der semantischen Ebene so, wie man es erwarten würde:
Lemma 2.3.18
Es sei σ eine Signatur, x eine Variable, s ein σ-Term, M eine
σ-Struktur, β eine Belegung in M. Dann gilt:
1
2
Für jeden σ-Term t gilt: (t xs )M [β] = t M [β s
M [β]
x
].
Für jede σ-Formel ϕ, in der x frei für s vorkommt, gilt:
M
M |= ϕ xs [β] ⇔ M |= ϕ[β s x[β] ].
Lemma 2.3.18(2) sagt: Um den Wahrheitswert von ϕ xs unter β zu
bestimmen, berechne den Wert von s unter β, überschreibe damit
den Wert von x unter β und setze die Werte dieser neuen
Belegung in ϕ ein.
24
A. Bors
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Prädikatenlogiken
Semantik
Das Substitutionslemma cont.
Beweis von Lemma 2.3.18
Wir beginnen mit dem Beweis von Punkt (1), und zwar
mittels Induktion über den Aufbau von t.
Ist t = x, so sieht man durch Abarbeiten der Definitionen,
dass beide Seiten in der behaupteten Gleichheit gleich s M [β]
sind.
Ist t dagegen eine von x verschiedene Variable, so sind beide
Seiten gleich t M [β] = β(t).
Und wenn t eine Konstante ist, steht auf beiden Seiten t M .
25
A. Bors
Logik
Prädikatenlogiken
Semantik
Das Substitutionslemma cont.
Beweis von Lemma 2.3.18 cont.
Ist schließlich t ein zusammengesetzter Term, etwa
t ≡ ft1 · · · tk , so folgt unter Verwendung der
Induktionsvoraussetzung:
s
s
s
(t )M [β] ≡ (ft1 · · · tk )M [β]
x
x
x
s
s
≡ f M ((t1 )M [β], . . . , (tk )M [β])
x
x
s M [β]
s M [β]
≡ f M (t1M [β
], . . . , tkM [β
])
x
x
s M [β]
s M [β]
≡ (ft1 · · · tk )M [β
] ≡ t M [β
],
x
x
was zu zeigen war.
26
A. Bors
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Prädikatenlogiken
Semantik
Das Substitutionslemma cont.
Beweis von Lemma 2.3.18 cont.
Wir wenden uns nun dem Beweis von Punkt (2) zu, und
gehen dazu mit Induktion über den Aufbau von ϕ vor.
Für den Induktionsanfang (den Fall, wo ϕ atomar ist), folgt
die behauptete Äquivalenz aus Punkt (1).
Wir nehmen nun an, dass ϕ nicht atomar ist. Für Negationsund Konjunktionsformeln besteht der Induktionsschritt aus
einfachen Äquivalenzketten, also beschränken wir uns auf die
Durchführung des Arguments für Existenzformeln ϕ ≡ ∃y ψ.
Beachte: Wenn x nicht frei in ϕ kommt, so ist ϕ xs ≡ ϕ, und
die behauptete Äquivalenz wird zu
M
M |= ϕ[β] ⇔ M |= ϕ[β s x[β] ], was nach Lemma 2.3.10
stimmt.
27
A. Bors
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Prädikatenlogiken
Semantik
Das Substitutionslemma cont.
Beweis von Lemma 2.3.18 cont.
Wir dürfen also zusätzlich annehmen, dass x frei in ϕ ≡ ∃y ψ
vorkommt, insbesondere, dass x 6= y , und da x frei für s in ϕ
ist, kommt y nicht in s vor. Setze b := s M [β]. Es folgt
s
s
M |= ϕ [β] ⇔ M |= ∃y ψ [β]
x
x
s a
⇔ M |= ψ [β ] für ein a ∈ M
x y
M a
a s [β y ]
⇔ M |= ψ[β
] für ein a ∈ M
y
x
ab
⇔ M |= ψ[β
] für ein a ∈ M
yx
28
A. Bors
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Prädikatenlogiken
Semantik
Das Substitutionslemma cont.
Beweis von Lemma 2.3.18 cont.
Weiter:
ab
] für ein a ∈ M
yx
ba
] für ein a ∈ M
⇔ M |= ψ[β
xy
b
⇔ M |= ϕ[β ].
x
M |= ψ[β
29
A. Bors
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Prädikatenlogiken
Semantik
Bemerkung zum Substitutionslemma
Es sei t = t(y1 , . . . , yn ), ϕ = ϕ(y1 , . . . , yn ) und s = s(y1 , . . . , yn ).
Dann kann man das Substitutionslemma auch kürzer und sehr
einprägsam schreiben als
1
2
t(s, y2 , . . . , yn )M [a1 , . . . , an ] = t M [s M [a1 , . . . , an ], a2 , . . . , an ]
sowie
M |= ϕ(s, y2 , . . . , yn )[a1 , . . . , an ] ⇔ M |=
ϕ[s M [a1 , . . . , an ], a2 , . . . , an ].
30
A. Bors
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Prädikatenlogiken
Semantik
σ-Tautologien
Endlich können wir nun auch den für die prädikatenlogischen
Kalküle relevanten Tautologie-Begriff klären. Wir werden einen
Kalkül für jede Signatur σ haben. Der entsprechende
Tautologie-Begriff ist der folgende:
Definition 2.3.19
Es sei σ eine Signatur. Eine σ-Formel ϕ heißt eine σ-Tautologie,
falls M |= ϕ[β] für jede σ-Struktur M und jede Belegung β in M.
Wir schreiben dafür |=σ ϕ.
Definition 2.3.20
Es sei ϕ eine Formel über einer beliebigen Signatur σ mit
Free(ϕ) = {y1 , . . . , yn }, wobei yi = xji mit j1 < j2 < · · · < jn . Der
universelle Abschluss von ϕ ist definiert als der Satz ∀y1 · · · ∀yn ϕ.
31
A. Bors
Logik
Prädikatenlogiken
Semantik
Einfache Resultate zu σ-Tautologien
Lemma 2.3.21
Es sei σ eine Signatur, ϕ eine σ-Formel. Dann gilt: ϕ ist genau
dann eine σ-Tautologie, wenn der universelle Abschluss von ϕ eine
σ-Tautologie ist.
Beweis
Einfach (sh. die Übungen).
Für den Beweis des Gödelschen Vollständigkeitssatzes werden wir
auch folgendes einfache Resultat zu Tautologien unter
Erweiterungen von Signaturen benötigen:
32
A. Bors
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Semantik
Einfache Resultate zu σ-Tautologien cont.
Lemma 2.3.22
Es sei σ eine Signatur und σ 0 eine Erweiterung von σ (d.h., eine
Signatur, sodass A(σ 0 ) ⊇ A(σ) und arσ0 ⊇ arσ ). Weiter sei ϕ eine
σ-Formel. Dann ist ϕ genau dann eine σ-Tautologie, wenn ϕ eine
σ 0 -Tautologie ist.
Beweis
Wir zeigen die Äquivalenz der negierten Aussagen.
Angenommen, ϕ ist keine σ 0 -Tautologie.
0
Das heißt, es gibt eine σ 0 -Struktur M0 = (M, (Z M )Z ∈σ0 )
sowie eine Belegung β in M0 , sodass M0 6|= ϕ[β].
33
A. Bors
Logik
Prädikatenlogiken
Semantik
Einfache Resultate zu σ-Tautologien cont.
Beweis von Lemma 2.3.22 cont.
Bezeichne mit M das Redukt von M0 auf σ, d.h., die
0
σ-Struktur M = (M, (Z M )Z ∈σ ).
Mit Induktion über den Aufbau von ϕ lässt sich leicht zeigen:
M0 |= ϕ[β] ⇔ M |= ϕ[β]. Also gilt auch M 6|= ϕ[β], sodass
ϕ auch keine σ-Tautologie ist.
Gilt umgekehrt, dass ϕ keine σ-Tautologie ist, so fixiere eine
σ-Struktur M sowie eine Belegung β in M mit M 6|= ϕ[β],
und wähle eine beliebige Expansion von M auf σ 0 , d.h., eine
σ 0 -Struktur M0 , sodass M ein Redukt von M0 auf σ ist (das
geht auch dann gut, wenn σ 0 neue Konstantensymbole
enthält, da M 6= ∅).
34
A. Bors
Logik
Prädikatenlogiken
Semantik
Einfache Resultate zu σ-Tautologien cont.
Beweis von Lemma 2.3.22 cont.
Nach der Äquivalenz, die auch schon im Beweis der
umgekehrten Implikationsrichtung verwendet wurde, folgt
M0 6|= ϕ[β], sodass ϕ auch keine σ 0 -Tautologie ist.
35
A. Bors
Logik
Prädikatenlogiken
Semantik
Ausblick auf die nächste Vorlesungseinheit
Nach der Klärung des Tautologie-Begriffes fehlen uns zur
Angabe der Kalküle für die Prädikatenlogik erster Stufe
bezüglich einer fixierten Signatur nur noch die Axiome und
Schlussregeln, die wir nächstes Mal angeben werden.
Da alle Axiome auch Tautologien sein sollen und Schlussregeln
von Tautologien auf weitere Tautologien führen sollen, werden
wir uns danach gleich dessen vergewissern.
Außerdem werden wir die offiziellen Axiome und Schlussregeln
noch durch abgeleitete Axiome und Schlussregeln ergänzen.
Das sind im Grunde genommen nichts anderes als gewisse
ableitbare Formeln bzw. Kombinationen aus Schlussregeln, die
wir der Bequemlichkeit halber einmal ableiten und dann
immer verwenden dürfen.
Damit werden wir dann für den Beweis des
Vollständigkeitssatzes gerüstet sein.
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A. Bors
Logik
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