Inferenzmethoden

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Inferenzmethoden
Teil I
Beweiskalküle
Formalisierung von Beweisen
Inferenzmethoden
Einheit 1
Formale Logik - kurzgefaßt
1. Syntax & Semantik der Prädikatenlogik
2. Inferenzkalküle für die Prädikatenlogik
Formale Kalküle
Simulation semantischer Schlußfolgerungen
durch Regeln für symbolische Manipulation
• Regelanwendung ohne Nachdenken
– Umgeht Mehrdeutigkeiten der natürlichen Sprache
– Erlaubt schematische Lösung mathematischer Probleme
Beispiele: Differentialkalkül, Fourier-Transformationen,
Computer Algebra, Formale Logik
• Kernbestandteile:
– Formale Sprache (Syntax + Semantik)
– Ableitungssystem (Axiome + Inferenzregeln)
• Wichtige Eigenschaften logischer Kalküle
– Korrekt, vollständig, automatisierbar
– Leicht verständlich, ausdrucksstark
I NFERENZMETHODEN §1:
1
F ORMALE L OGIK - KURZGEFASST
Beschreibung formaler Sprachen
• Syntax: Präzisierung des Vokabulars
– Formale Struktur der Sprache (Notation, textliche Erscheinungsform)
– Beschreibbar durch mathematische Definitionsgleichungen
oder durch formale Grammatiken
• Semantik: Präzisierung der Bedeutung von Text
– Interpretation syntaktisch korrekter Ausdrücke in informaler Zielsprache
Beschreibbar durch Interpretationsfunktion: Quellsymbole 7→ Zielobjekte
. . . aber was ist die Bedeutung der Zielsprache?
– Direkte Semantik für Grundlagentheorien (Mengentheorie, Typentheorie)
Mathematische Präzisierung der intuitiven Bedeutung
I NFERENZMETHODEN §1:
2
F ORMALE L OGIK - KURZGEFASST
Syntax der Prädikatenlogik
• (Abzählbare) Alphabete für erlaubte Symbole
– V: Variablensymbole
– F i: i-stellige Funktionssymbole,
– P i: i-stellige Prädikatssymbole,
F=
P=
• Terme
x,y,z,a,b,c,. . .
[∞
i
i=0 F
[∞
i
i=0P
– Variablen x ∈ V, Konstante f ∈ F 0
f ,g,h,. . .
P ,Q,R,. . .
(atomare Terme)
– f (t1,. . .,tn ), wobei t1, .., tn Terme, f ∈ F n
• Formeln
– Konstante ff, Aussagenvariable P ∈ P 0
(atomare Formeln)
– P (t1,. . .,tn), wobei t1, .., tn Terme, P ∈ P n
– ¬A, A ∧ B, A ∨ B, A ⇒ B, ∀x A, ∃x A, (A)
I NFERENZMETHODEN §1:
3
(A, B Formeln, x ∈ V)
F ORMALE L OGIK - KURZGEFASST
Konventionen sparen Klammern
∃y gerade(y)
∧
– ∃y (gerade(y)
– ∃y gerade(y)
– ∃y (gerade(y)
∧
∧
∧
≥(y,2) ⇒ =(y,2)
∧
≥(y,2)) ⇒ (=(y,2)
(≥(y,2) ⇒ (=(y,2)
(≥(y,2) ⇒ =(y,2)))
>(y,20) heißt?
∧
∧
∧
>(y,20)) ??
>(y,20))) ??
>(y,20) ??
• Prioritäten zwischen verschiedenen Konnektiven
¬ bindet stärker als ∧ , dann folgt ∨ , dann ⇒ , dann ∃, dann ∀.
¬A ∧ B
entspricht (¬A) ∧ B
A ∧ B ∨ C entspricht (A ∧ B) ∨ C
∃x A ∧ B
entspricht ∃x (A ∧ B)
Achtung: Unterschiedliche Konventionen in verschiedenen Lehrbüchern
• Rechtsassoziativität bei Iteration von ∧ , ∨ , ⇒
–A ⇒ B ⇒ C
entspricht A ⇒ (B ⇒ C)
• Keine Klammern bei Funktions-/Prädikatssymbolen
– P x entspricht P (x) und f xy entspricht f (x, y)
– ∃xyz A entspricht ∃x∃y∃z A und ∀xyz A entspricht ∀x∀y∀z A
I NFERENZMETHODEN §1:
4
F ORMALE L OGIK - KURZGEFASST
Formelbäume: Interne Darstellung von Formeln
• Abstrakter Syntaxbaum, erzeugt durch Parsen der Formel
• Baumstruktur, annotiert mit Konnektiven und Symbolen
• Formelbaum für ∀abc ∃xyz Pxc ∧ P(fzb,b) ∨ ¬P(fay,y)
Terme
z
(Unifikation)
c
x
Aussagenlogik
(Ebene der Beweissuche)
b
f
P
y
a
b
P
y
f
P
¬
∧
∨
Quantoren
∃xyz
∀abc
I NFERENZMETHODEN §1:
5
F ORMALE L OGIK - KURZGEFASST
Semantik der Prädikatenlogik (I)
I NTERPRETATION
IN DER
M ENGENTHEORIE
• Interpretation I :
– Universum U + Interpretationsfunktion ι
• Freie Wahl von ι auf elementaren Symbolen
– ι(x) Objekt aus U
(x ∈ V)
– ι(f ) n-stellige Funktion ϕ : U n→U
(f ∈ F n)
– ι(P ) Funktion Π : U n→{wahr, falsch}
(P ∈ P n)
• Homomorphe Fortsetzung auf Terme und Formeln
– ι(f (t1,. . .,tn)) = ι(f )( ι(t1), . . . , ι(tn) )
– ι(ff)
= falsch
– ι(P (t1,. . .,tn)) = ι(P )( ι(t1), . . . , ι(tn) ).
– ι((A))
I NFERENZMETHODEN §1:
= ι(A)
6
F ORMALE L OGIK - KURZGEFASST
Semantik der Prädikatenlogik (II)
F ORTSETZUNG
ι(¬A)
=
ι(A ∧ B)
ι(A ∨ B)
=
=
ι(A ⇒ B) =
ι(∀x A)
ι(∃x A)
=
=
(
(
(
(
(
(
VON
ι AUF
ZUSAMMENGESETZTE
F ORMELN
wahr falls ι(A) = falsch
falsch sonst
wahr falls ι(A) = wahr und ι(B) = wahr
falsch sonst
wahr falls ι(A) = wahr oder ι(B) = wahr
falsch sonst
wahr falls aus ι(A) = wahr immer ι(B) = wahr folgt
falsch sonst
wahr falls ιux(A) = wahr für alle u ∈ U
ιux(x) = u, sonst ιux = ι
falsch sonst
wahr falls ιux(A) = wahr für ein u ∈ U
falsch sonst
I NFERENZMETHODEN §1:
7
F ORMALE L OGIK - KURZGEFASST
Semantik der Prädikatenlogik (II) – klassisch
F ORTSETZUNG
ι(¬A)
=
ι(A ∧ B)
ι(A ∨ B)
=
=
ι(A ⇒ B) =
ι(∀x A)
ι(∃x A)
=
=
(
(
(
(
(
(
VON
ι AUF
ZUSAMMENGESETZTE
F ORMELN
wahr falls ι(A) = falsch
falsch sonst
wahr falls ι(A) = wahr und ι(B) = wahr
falsch sonst
falsch falls ι(A) = falsch und ι(B) = falsch
wahr sonst
falsch falls ι(A) = wahr und ι(B) = falsch
wahr sonst
wahr falls ιux(A) = wahr für alle u ∈ U
ιux(x) = u, sonst ιux = ι
falsch sonst
falsch falls ιux(A) = falsch für alle u ∈ U
wahr sonst
I NFERENZMETHODEN §1:
Ist das wirklich dasselbe?
7
F ORMALE L OGIK - KURZGEFASST
Modelle und Gültigkeit
• Modell M von A
– Interpretation M = (ι, U ) mit ι(A) = wahr
(M |= A)
• A gültig
jede Interpretation ist ein Modell für A
es gibt ein Modell für A
A erfüllbar
A widerlegbar
es gibt ein Modell für ¬A
A widersprüchlich
es gibt kein Modell für A
• A folgt logisch aus Formelmenge E
(E |= A)
– Aus I |= E für alle E ∈ E folgt I |= A (semantisch gültiger Schluß)
Deduktionstheorem:
E ∪ {E} |= F genau dann, wenn E |= E ⇒ F
• Theorie T
– Erfüllbare Formelmenge mit allen Formeln, die daraus logisch folgen
I NFERENZMETHODEN §1:
8
F ORMALE L OGIK - KURZGEFASST
Inferenzkalküle
Syntaktische Manipulation formaler Ausdrücke
unter Berücksichtigung der Semantik
• Inferenz: Erzeugung von logischen Konsequenzen einer Formelmenge
aus A und A ⇒ B folgt B:
A, A ⇒ B
B
• Regelschema A1, . . . , An : aus A
. . . A}n folgt |{z}
C
1 und
|
{z
C
Prämissen
– Axiom: Regel ohne Prämissen
Konklusion
– Γ ⊢rs C: Konkrete Anwendung des Regelschemas rs
• Theorem
– Formel, die sich durch Anwendung endlich vieler Regeln ableiten läßt
• Wahrheit ist nicht dasselbe wie Beweisbarkeit
– Korrektheit eines Kalküls: alle Theoreme sind gültig
... einer Regel: Gültigkeit der Konklusion folgt aus Gültigkeit der Prämissen
– Vollständigkeit: alle gültigen Aussagen sind Theoreme
I NFERENZMETHODEN §1:
9
F ORMALE L OGIK - KURZGEFASST
Kalkülarten
Kalküle sind Hilfsmittel, keine Beweismethode
[A
• Synthetisch
∧
B]
∧ -E
B
– Bottom-up Vorgehensweise
– Schlüsse von Axiomen zur Aussage
[A
∧
B]
∧ -E
A
∧ -I
B∧A
(A ∧ B) ⇒ (B
∧
A)
⇒ -I
– Übliche Art, fertige Beweise zu präsentieren
• Analytisch
⊢ A ∧ B ⇒ B ∧ A BY impI
\
A ∧B ⊢ B ∧A
BY andE 1
\
A, B ⊢ B ∧ A BY andI
|\
| A, B ⊢ B BY hypothesis 2
\
A, B ⊢ A BY hypothesis 1
– Schlüsse von Zielaussage zu hinreichenden Voraussetzungen
– Top-down Vorgehensweise, hilfreicher für Entwicklung von Beweisen
I NFERENZMETHODEN §1:
10
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Verdichtung entfernt Redundanz aus Beweisen
√
• Formale Logik und Semantik
– Repräsentation mathematischer Aussagen in präziser Sprache
– Beweise sind mathematische Argumente auf Basis der Semantik
• Kalkül des natürlichen Schließens (N K)
7→ “Angewandte Logik”
– Schematische Inferenzfiguren für logische Konnektive
• Sequenzenkalküle (LK, Refinement Logic)
7→ nächste Folien
– Lokale Verwaltung von Annahmen vereinfacht Anwendung von Regeln
– Analytische Formulierung unterstützt Beweissuche
• Tableaux-Kalküle
7→ §2
– Zusammenfassung strukturell gleichartiger Inferenzregeln in Klassen
• Matrix-Kalküle
7→ §3
– Kompakte Beweisrepräsentation durch Beweisführung im Formelbaum
– Gezielte Auswahl beweisrelevanter Teilformeln durch Konnektionen
– Gezielte Instantiierung von Quantoren durch Unifikation
Resolutionskalküle entstanden durch eine andersartige Entwicklung
I NFERENZMETHODEN §1:
11
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Sequenzenkalküle
• Schließen über Aussagen mit Annahmen
– Lokale Sicht: keine globale Verwaltung der Annahmen nötig
. . , An} ⊢ |B1, . .{z. , Bm}
• Grundkonzept Sequenz: |A1, . {z
Antezedent Γ
Sukzedent Φ
– Lesart “Eine der Formeln Bi folgt aus den Annahmen A1,. . . ,An”
– Zielsequenz ⊢ C (“Formel C gilt ohne weitere Annahmen”)
• Semantik entspricht A1 ∧ . . . ∧ An ⇒ B1 ∨ . . . ∨ Bm
ι(A1,...,An ⊢ B1, . . . , Bm)

wahr falls aus ι(A1) = wahr




und . . . ι(An) = wahr

=
immer ι(B1) = wahr



oder . . . ι(Bm) = wahr folgt


 falsch sonst
– Begriffe Modell, Gültigkeit, Erfüllbarkeit analog
• Synthetische und analytische Form möglich
– Synthetische Form LK für Beweispräsentation
– Analytische Form Refinement Logic für interaktive Beweissuche
I NFERENZMETHODEN §1:
12
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Synthetische Sequenzenkalküle (LK)
Γ,A ⊢ Φ
Γ ⊢ Φ,¬A
Γ⊢Φ,A Γ⊢Φ,B
∧ –R
Γ ⊢ Φ,A ∧ B
Γ ⊢ Φ,A
Γ ⊢ Φ,B
∨ –R
Γ ⊢ Φ,A ∨ B
Γ ⊢ Φ,A ∨ B
Γ, A ⊢ Φ,B
⇒ –R
Γ ⊢ Φ,A ⇒ B
¬–R
axiom
A ⊢ A
Γ ⊢ Φ,A
Γ,¬A ⊢ Φ
Γ,B ⊢ Φ
Γ,A ⊢ Φ
∧ –L
Γ,A ∧ B ⊢ Φ Γ,A ∧ B ⊢ Φ
Γ,A ⊢ Φ
Γ,B ⊢ Φ
∨ –L
Γ,A ∨ B ⊢ Φ
Γ ⊢ Φ,A
∆,B ⊢ Ψ
⇒ –L
Γ,∆,A ⇒ B ⊢ Φ,Ψ
Γ ⊢ Φ,A
A,∆ ⊢ Ψ
Schnitt
Γ,∆ ⊢ Φ,Ψ
¬–L
• Beweiszeilen verwalten alle Annahmen und Zielformeln
– Mehrere Sukzedentenformeln nur für klassische Logik erforderlich
• Sequenzenbeweis für ((A ⇒ B) ∧ (B ⇒ C)) ⇒ (A ⇒ C)
B ⊢ B
A ⊢ A
⇒ –L
C ⊢ C
A, A ⇒ B ⊢ B
⇒ –L
A, A ⇒ B, B ⇒ C ⊢ C
∧ –L
A, A ⇒ B, (A ⇒ B) ∧ (B ⇒ C) ⊢ C
∧ –L (+ Kontraktion!)
A, (A ⇒ B) ∧ (B ⇒ C) ⊢ C
⇒ –R
(A ⇒ B) ∧ (B ⇒ C) ⊢ A ⇒ C
⇒ –R
⊢ ((A ⇒ B) ∧ (B ⇒ C)) ⇒ A ⇒ C
I NFERENZMETHODEN §1:
13
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Refinement Logic: Analytische Sequenzenbeweise
Zielorientierte Beweisführung
• Inferenzregel: Abbildung von Beweisziel in Teilziele
– Beweisziel: einzelne Sequenz, die zu beweisen ist
– Teilziele: endliche (evtl. leere) Liste von Sequenzen,
Γ ⊢ C BY rule
Γ1 ⊢. C 1
.
.
Γn ⊢ C n
die nach Regelanwendung noch zu zeigen sind Γ,A ∧ B,∆ ⊢ C BY andE i
– Zugriff auf Hypothesen durch Parameter
Γ,A,B,∆ ⊢ C
– Nur eine Formel im Sukzedenten (Sonderregel für klassische Logik)
• Beweis: Baum mit Sequenzen und Regeln als Knoten
– Nachfolger eines Knotens sind Teilziele der Regelanwendung auf Sequenz
– unvollständig: manche Blätter ohne Regel
– vollständig: Regeln der Blätter ohne Teilziele
• Theorem: Formel C mit vollständigem Beweis für die Sequenz ⊢ C
I NFERENZMETHODEN §1:
14
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Refinement Logic: Aussagenlogische Regeln
Elimination (links)
Introduktion (rechts)
andE i
Γ, A ∧ B, ∆ ⊢ C
Γ, A, B, ∆ ⊢ C
Γ ⊢ A ∧B
Γ ⊢ A
Γ ⊢ B
andI
orE i
Γ, A ∨ B, ∆ ⊢ C
Γ, A, ∆ ⊢ C
Γ, B, ∆ ⊢ C
Γ ⊢ A ∨B
Γ ⊢ A
orI1
Γ ⊢ A ∨B
Γ ⊢ B
orI2
impE i
Γ, A ⇒ B, ∆ ⊢ C
Γ, A ⇒ B, ∆ ⊢ A
Γ, ∆, B ⊢ C
Γ ⊢ A⇒B
Γ, A ⊢ B
impI
notE i
Γ, ¬A, ∆ ⊢ C
Γ, ¬A, ∆ ⊢ A
Γ ⊢ ¬A
Γ, A ⊢ ff
notI
falseE i Γ, ff, ∆ ⊢ C
Γ ⊢ P ∨ ¬P
magic
Die magic Regel wird für Schließen in klassischer Logik benötigt
I NFERENZMETHODEN §1:
15
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Refinement Logic: Strukturelle Regeln
Regeln sind unabhängig von Prädikatenlogik
hypothesis i
Γ, A, ∆ ⊢ A
thin i
Γ, A, ∆ ⊢ C
Γ, ∆ ⊢ C
Γ, ∆ ⊢ C
Γ, ∆ ⊢ A
Γ, A, ∆ ⊢ C
cut i A
• hypothesis : nötig für Abschluß von Beweisen (=
ˆ axiom)
• cut : hilfreich für Strukturierung und Verkürzung (= Schnitt
• thin : nützlich bei großen Sequenzen (= Ausdünnung)
I NFERENZMETHODEN §1:
16
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Formale Behandlung von Quantoren
Simuliere ιu
x durch syntaktische Mechanismen
• Semantische Analyse von Quantoren braucht ιu
x
– ι(∀x A) und ι(∃x A) wird durch ιux(A) erklärt
· ιux(A) muß für alle oder einen Wert u wahr werden
– ιux modifiziert die Interpretation ι für die gebundene Variable x
– Syntaktisches Gegenstück ist Ersetzung der Variablen x in A durch Terme
• Formales Konzept: Substitution A[t/x]
– Viele alternative Schreibweisen (sehr häufig A{x\t})
– Vorkommen der Variablen x in A werden durch den Term t ersetzt
– Hinreichend wenn jedes Objekt des Universums durch Terme beschreibbar
· Reelle Zahlen, Funktionenräume etc. haben zu viele Objekte
– Allquantor ist sonst nicht vollständig repräsentierbar
I NFERENZMETHODEN §1:
17
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Substitution A[t/x] – wichtige Aspekte
• Substitution muß Semantik erhalten
– Die Namen quantifizierter Variablen dürfen keine Rolle spielen
· ∃x A(x) hat dieselbe Bedeutung wie ∃y A(y)
– Keine Ersetzung von x durch t in (∃x x≤4)[t/x]
· Das “äußere” x hat mit dem innerhalb des Quantors nichts zu tun
– Keine Ersetzung von x durch y in (∃y x<y)[y/x]
· Durch die Ersetzung würde ein ungewollter Selbstbezug entstehen
• Variablenvorkommen müssen identifizierbar sein
– Gebundenes Vorkommen x in A: x erscheint in Quantor, der A umfaßt
– Freies Vorkommen x in A: x kommt in A vor, ohne gebunden zu sein
– A heißt geschlossen falls A keine freien Variablen enthält
Substitution ersetzt nur freie Variablen und bindet keine freien Variablen
x frei und gebunden
z
}|
{
x gebunden
z
}|
{
(∀x P(x)
∧ Q(x)) ∧ R(x)
| {z }
|
{z
}
x frei
x frei
I NFERENZMETHODEN §1:
18
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Refinement Logic: Prädikatenlogische Regeln
Simuliere ιu
x (A) durch ι(A[t/x])
– ι(∀x A) = wahr, wenn ιux(A) = wahr für alle u ∈ U
– ∀x A ist gültig, wenn A[x′/x] gültig ist für eine neue Variable x′
· Die Interpretation von x′ ist nicht weiter festgelegt
also muß A für jede Zuordnung eines Objekts u zu x′ wahr sein
– ι(∃x A) = wahr, wenn ι(A[t/x]) = wahr für einen Term t
– ∃x A ist gültig, wenn A[t/x] gültig ist für einen Term t
allE i t
exE i
∗∗
Elimination (links)
Introduktion (rechts)
Γ, ∀x A, ∆ ⊢ C
Γ ⊢ ∀x A
allI ∗
Γ, ∀x A, A[t/x], ∆ ⊢ C
Γ ⊢ A[x′/x]
Γ, ∃x A, ∆ ⊢ C
Γ ⊢ ∃x A
exI t
Γ, A[x′/x], ∆ ⊢ C
Γ ⊢ A[t/x]
∗
: Die Umbenennung [x′/x] kann entfallen, wenn x nicht frei in Γ vorkommt
∗∗
: Die Umbenennung [x′/x] kann entfallen, wenn x nicht frei in C, Γ, ∆ vorkommt
I NFERENZMETHODEN §1:
19
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Korrektheit und Vollständigkeit des Kalküls
• Alle Theoreme sind gültig
– Beweis durch strukturelle Induktion über Beweisbaum
(C Theorem ≡ ⊢ C hat vollständigen Beweis)
– Blätter sind Regelanwendungen ohne Teilziele (falseE , hypothesis)
– Knoten im Beweisbaum sind Regelanwendungen
– Es reicht, die “Korrektheit” aller Regeln einzeln zu zeigen
7→ Übung
• Alle gültigen Formeln sind beweisbar
– Beschreibe systematische Beweisprozedur
· Erzeuge alle möglichen Substitutionen aller Quantoren (ineffizient!)
– Zeige: wenn Prozedur nicht terminiert, ist die Formel widerlegbar
– Details aufwendig – mehr später bei Tableauxverfahren
I NFERENZMETHODEN §1:
20
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
ANHANG
I NFERENZMETHODEN §1:
21
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Intuitionistische vs. klassische Mathematik
• Was genau heißt oder, wann immer, es gibt?
– Gilt A ∨ B, wenn man angeben kann, welches von beiden wahr ist?
– Gilt A ⇒ B, wenn man zeigen kann, wie B aus A folgt?
– Gilt ∃x.A, wenn man ein x angeben kann, für das A wahr ist?
• Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten: A ∨ ¬A
– Heißt “Eine Aussage ist wahr oder ihr Gegenteil ist wahr”
– Grundannahme der “klassischen” Mathematik – aber unbeweisbar
– Nicht identisch mit: “Eine Aussage ist wahr oder falsch”
• Intuitionistische (konstruktive) Mathematik
– Versteht alle mathematischen Aussagen konstruktiv
– Ist für Schließen über Algorithmen naheliegender
– Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten wird Entscheidbarkeitsaussage
– Formaler Unterschied gering aber Beweise werden z.T. komplizierter
I NFERENZMETHODEN §1:
22
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Nichtkonstruktive mathematische Gesetze
• ¬¬A ⇒ A
– Wenn das Gegenteil falsch ist, dann muß eine Aussage nicht wahr sein
– Der Widerspruchsbeweis sagt nicht, warum die Aussage wahr sein soll
– Äquivalent zu A ∨ ¬A
• A ⇒ B ⇒ ¬A ∨ B
– Wenn wir wissen warum eine Aussage aus einer anderen folgt, dann
wissen wir noch nicht ob die erste falsch oder die zweite wahr ist
• ¬(¬A ∧ ¬B) ⇒ A ∨ B
– Wenn zwei Aussagen nicht gleichzeitig falsch sind, dann ist noch nicht
klar, welche von beiden wahr ist.
• ¬(∀x:T.¬P (x)) ⇒ ∃x:T.P (x)
– Wenn eine Aussage nicht für alle Elemente falsch ist, dann wissen wir
noch nicht, für welches sie wahr ist
I NFERENZMETHODEN §1:
23
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Frege–Hilbert–Kalküle
• Sehr viele Axiomenschemata
(A1)
(A2)
(A3)
(A4)
(A5)
(A6)
(A7)
(A8)
(A9)
(A10)
A⇒A
A ⇒ (B ⇒ A)
(A ⇒ B) ⇒ ((B ⇒ C) ⇒ (A ⇒ C))
(A ⇒ (B ⇒ C)) ⇒ ((A ⇒ B) ⇒ (A ⇒ C))
A ⇒ A ∨B
A ⇒ B ∨A
(A ⇒ C) ⇒ ((B ⇒ C) ⇒ (A ∨ B ⇒ C))
A ∧B ⇒ A
A ∧B ⇒ B
(C ⇒ A) ⇒ ((C ⇒ B) ⇒ (C ⇒ A ∧ B))
(A11)
(A12)
(A13)
(A14)
(A15)
(A16)
(A17)
(A18)
(A19)
..
.
(A ∧ B ∨ C) ⇒ (A ∨ C) ∧ (B ∨ C)
(A ∨ C) ∧ (B ∨ C) ⇒ (A ∧ B ∨ C)
(A ∨ B) ∧ C ⇒ (A ∧ C ∨ B ∧ C)
(A ∧ C ∨ B ∧ C) ⇒ (A ∨ B) ∧ C
(A ⇒ B) ⇒ (¬B ⇒ ¬A)
A ∧ ¬A ⇒ B
(A ∧ (A ⇒ B)) ⇒ B
(A ∧ C ⇒ B) ⇒ (C ⇒ (A ⇒ B))
(A ⇒ (A ∧ ¬A)) ⇒ ¬A
..
.
• Nur eine Inferenzregel
A , A⇒B
(mp)
B
• Beweise mathematisch elegant aber unnatürlich
(A8)
(1) A ∧ B ⇒ A
(2) A ∧ B ⇒ B
(A9)
(3) (A ∧ B ⇒ B) ⇒ ((A ∧ B ⇒ A) ⇒ (A ∧ B ⇒ B ∧ A))
(A10)
(4) (A ∧ B ⇒ A) ⇒ (A ∧ B ⇒ B ∧ A)
(mp mit (2), (3))
(5) (A ∧ B ⇒ B ∧ A)
(mp mit (1), (4))
I NFERENZMETHODEN §1:
24
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KURZGEFASST
Natürliche Deduktion N K
• Lesbare, kompaktifizierte Beweisdarstellung
– Beweisbaum mit Formeln und schematischen Inferenzregeln als Übergänge
– Globale Verwaltung temporärer Annahmen
– Synthetischer Aufbau (ungünstig für Suche nach Beweisen)
• Inferenzfiguren gruppiert nach logischen Symbolen
– Einführungsregel: Welche Voraussetzungen machen eine Formel gültig?
– Eliminationsregel: Was folgt aus einer gegebenen Formel?
∧ -I
∨ -I
⇒ -I
¬-I
axiom
A B
A ∧B
∧ -E
B
A ∨B
A
A ∨B
[A]
B
A⇒B
[A]
ff
¬A
⇒ -E
¬-E
ff-E
I NFERENZMETHODEN §1:
∨
A ∧B
B
[A]
C
C
∨ -E
A ∨ ¬A
– Einziges Axiom A
A ∧B
A
A ∨B
[B]
C
A A⇒B
B
¬A A
ff
ff
A
¬A nur für klassische Logik erforderlich
25
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Beispiel: ((A ⇒ B) ∧ (B ⇒ C)) ⇒ (A ⇒ C)
mathematischer Beweis
1. Wir nehmen an (A ⇒ B)
∧
(B ⇒ C) sei erfüllt
2. Wir nehmen weiter an, daß A gilt.
3. Aus der ersten Annahme folgt (A ⇒ B)
4. und mit der zweiten dann auch B.
5. Aus der ersten Annahme folgt auch, daß (B ⇒ C) gilt
6. und mit der vierten dann auch C.
7. Es ergibt sich, daß C unter der Annahme A gilt. Also folgt A ⇒ C
8. Insgesamt folgt A ⇒ C unter der Annahme (A ⇒ B)
Damit gilt die Behauptung: ((A ⇒ B)
I NFERENZMETHODEN §1:
26
∧
∧
(B ⇒ C).
(B ⇒ C)) ⇒ (A ⇒ C)
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Beispiel: ((A ⇒ B) ∧ (B ⇒ C)) ⇒ (A ⇒ C)
Beweis in N K
1. (A ⇒ B)
∧
(B ⇒ C)
Annahme
2. A
Annahme
3. (A ⇒ B)
∧ -E
4. B
mit (1)
⇒ -E mit (2) und (3)
5. (B ⇒ C)
∧ -E
6. C
mit (1)
⇒ -E mit (4) und (5)
7. (A ⇒ C)
8. (A ⇒ B)
⇒ -I mit (2) und (6) — (2) entfällt
∧
(B ⇒ C) ⇒ (A ⇒ C)
⇒ -I mit (1) und (7) — (1) entfällt
Schematischer Beweis in Baumstruktur
[A]
[(A ⇒ B) ∧ (B ⇒ C)]
(A ⇒ B)
B
∧ -E
⇒ -E
[(A ⇒ B) ∧ (B ⇒ C)]
(B ⇒ C)
C
(A ⇒ C)
⇒ -I
((A ⇒ B) ∧ (B ⇒ C)) ⇒ (A ⇒ C)
I NFERENZMETHODEN §1:
27
∧ -E
⇒ -I
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
⇒ -E
Sequenzenkalküle
• Modifikation von Natürlicher Deduktion
– Schließen über Aussagen mit Annahmen (Mengen von Formeln)
• Grundkonzept Sequenz: |A1, . {z
. . , An} ⊢ |B1, . .{z. , Bm}
Antezedent Γ
Sukzedent Φ
– Lesart “Eine der Formeln Bi folgt aus den Annahmen A1,. . . ,An”
– Zielsequenz ⊢ C (“Formel C gilt ohne weitere Annahmen”)
• Semantik entspricht A1 ∧ . . . ∧ An ⇒ B1 ∨ . . . ∨ Bm
ι(A1,...,An ⊢ B1, . . . , Bm)

wahr falls aus ι(A1) = wahr




und . . . ι(An) = wahr

=
immer ι(B1) = wahr



oder . . . ι(Bm) = wahr folgt


 falsch sonst
• Begriffe Modell, Gültigkeit, Erfüllbarkeit analog
I NFERENZMETHODEN §1:
28
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Inferenz in Sequenzenkalkülen
• Synthetische Beweise wie bei N K
– Lokale Sicht: keine globale Verwaltung von Annahmen nötig
• Regeln manipulieren Sequenzen statt Formeln
– Eliminationsregeln 7→ Einführungsregeln links für Antezedent (–L)
A ∧B
Γ,A ⊢ Φ
∧ –E wird zu
∧ –L
A
Γ,A ∧ B ⊢ Φ
– Einführungsregeln 7→ Einführungsregeln rechts für Sukzedent (–R)
Γ,A ⊢ Φ
Γ ⊢ Φ,¬A
Γ⊢Φ,A Γ⊢Φ,B
∧ –R
Γ ⊢ Φ,A ∧ B
Γ ⊢ Φ,A
Γ ⊢ Φ,B
∨ –R
Γ ⊢ Φ,A ∨ B
Γ ⊢ Φ,A ∨ B
Γ, A ⊢ Φ,B
⇒ –R
Γ ⊢ Φ,A ⇒ B
¬–R
axiom
A ⊢ A
Γ ⊢ Φ,A
Γ,¬A ⊢ Φ
Γ,A ⊢ Φ
Γ,B ⊢ Φ
∧ –L
Γ,A ∧ B ⊢ Φ Γ,A ∧ B ⊢ Φ
Γ,A ⊢ Φ
Γ,B ⊢ Φ
∨ –L
Γ,A ∨ B ⊢ Φ
Γ ⊢ Φ,A
∆,B ⊢ Ψ
⇒ –L
Γ,∆,A ⇒ B ⊢ Φ,Ψ
Γ ⊢ Φ,A
A,∆ ⊢ Ψ
Schnitt
Γ,∆ ⊢ Φ,Ψ
¬–L
– Mehrere Sukzedentenformeln nur für klassische Logik erforderlich
– Originalformulierung des Kalküls LK verwendet Listen von Formeln
Kalkül benutzt strukturelle Regeln zur Simulation von Formelmengen
I NFERENZMETHODEN §1:
29
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Sequenzenbeweis für ((A ⇒ B) ∧ (B ⇒ C)) ⇒ (A ⇒ C)
1. A
⊢
A
Axiom
2. B
⊢
B
Axiom
3. A, A ⇒ B
⊢
4. C
⊢
C
Axiom
5. A, A ⇒ B, B ⇒ C
6. A, (A ⇒ B)
7. (A ⇒ B)
8.
⊢
⇒ -E mit (1), (2)
B
∧
∧
(B ⇒ C)
(B ⇒ C)
(A ⇒ B)
⊢
∧
⊢
⇒ -E mit (3), (4)
C
⊢
C
∧ -E
A⇒C
⇒ -I
(B ⇒ C) ⇒ (A ⇒ C)
⇒ -I
Schematischer Beweis in Baumstruktur
A ⊢ A
B ⊢ B
⇒ –L
C ⊢ C
A, A ⇒ B ⊢ B
⇒ –L
A, A ⇒ B, B ⇒ C ⊢ C
∧ –L
A, A ⇒ B, (A ⇒ B) ∧ (B ⇒ C) ⊢ C
∧ –L (mit Kontraktion)
A, (A ⇒ B) ∧ (B ⇒ C) ⊢ C
⇒ –R
(A ⇒ B) ∧ (B ⇒ C) ⊢ A ⇒ C
⇒ –R
⊢ ((A ⇒ B) ∧ (B ⇒ C)) ⇒ A ⇒ C
I NFERENZMETHODEN §1:
30
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Konstruktive vs. klassische Beweiskalküle
• N K und LK haben intuitionistische Varianten
– N J : Kalkül verwendet nur konnektionsbezogene Inferenzregeln
Keine gesonderten Axiome erforderlich
– LJ : Sukzedent enthält genau eine Formel (“single conclusioned”)
Regeln dürfen nie zwei oder mehr Sukzedentenformeln erzeugen
• Die intuitionistische Form erscheint natürlicher
– Die Grundform der Kalküle liefert immer die konstruktive Logik
– Nichtkonstruktive Schlüsse erfordern besondere Konstrukte
· N K: gesondertes “künstliches” Axiom A ∨ ¬A wird hinzugefügt
· LK : zu beweisende Schlußfolgerung steht nicht eindeutig fest
... man kann mitten im Beweis das Beweisziel wechseln
– Nichtkonstruktive Beweise sind allerdings zuweilen erheblich kürzer
I NFERENZMETHODEN §1:
31
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Synthetische vs. analytische Beweiskalküle
• Synthetische Form unterstützt Beweispräsentation
– Beweis führt von Annahmen zum Endergebnis
– Offen bleibt, wie man zu den anfänglichen Annahmen kommt
• Analytische Form unterstützt Beweissuche
– Umkehrung der Inferenzregeln bzw. ihrer Lesart
– Geeigneter zur Entwicklung von Beweisen
Γ,A ∧ B ⊢ Φ
Γ,A,B ⊢ Φ
· Suche hinreichende Voraussetzungen für Gültigkeit einer Aussage
· Iterativer Prozess verfeinert Beweisziel in Teilziele, bis keine
unbewiesenen Voraussetzungen übrigbleiben
· Sequenzen enthalten alle beweisrelevanten Informationen für eine
lokale Durchführung dieses Prozesses,
– Synthetischer Beweis ist Umkehrung des fertigen Beweisbaums
7→ Refinement Logic: (Konstruktiver) analytischer Sequenzenkalkül
– Besonders geeignet für computergestützte interaktive Beweisführung
I NFERENZMETHODEN §1:
32
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
∧L
Refinement
Logic
I NFERENZMETHODEN §1:
33
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Beweisführung durch schrittweise Verfeinerung
• Analytischer Kalkül
– Zielorientiertes Vorgehen durch Top-Down Entwicklung von Beweisen
– Inferenzregeln zerlegen Beweisziel in “leichtere” Teilaufgaben
• Sequenzenkalkül
– In jedem Beweis(teil-)ziel sind alle Annahmen explizit genannt
– Technisch: Schließen über Sequenzen (Mengen von Formeln)
– H1,..,Hn ⊢ C heißt: Konklusion C folgt aus Hypothesen H1,..,Hn”
• Computergerechte Formalisierung
– Hypothesen dargestellt als Liste von Formeln
– Regeln greifen auf konkrete Hypothesen durch Parameter zu
• Konstruktive Auslegung
– Inferenzregeln zerlegen zusammengesetzte Formeln in ihre Bestandteile
bis Konklusion C direkt aus einer Annahme Hi folgt (d.h. C = Hi)
– Klassisches Schließen ermöglicht durch Hinzunahme einer Sonderregel
I NFERENZMETHODEN §1:
34
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Beweisregeln folgen direkt aus Semantik
• Zerlegung einer Konjunktion in der Konklusion
– A ∧ B ist gültig wenn A gültig ist und B gültig ist
– Um A ∧ B zu zeigen, genügt es
A zu beweisen und B zu beweisen
– Die Hypothesenliste Γ ändert sich dabei nicht
Γ ⊢ A ∧ B BY
andI
Γ ⊢ A
Γ ⊢ B
• Zerlegung einer Konjunktion in den Hypothesen
– Wenn eine Aussage C aus den Annahmen A und B folgt,
dann folgt sie auch aus A ∧ B
– Um A ∧ B ⊢ C zu zeigen, genügt es
Γ,A ∧ B,∆ ⊢ C BY andE
i
A, B ⊢ C zu beweisen
Γ,A,B,∆ ⊢ C
– Die restlichen Hypothesen ändern sich nicht
– Beweisregel muß Position von A ∧ B angeben
• Hypothesenregel
– Wenn die Konklusion C in den Hypothesen vorkommt,
dann ist sie bewiesen
Γ,C,∆ ⊢ C BY hypothesis i
I NFERENZMETHODEN §1:
35
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Beweis für Kommutativität von ∧
A∧B ⊢
\
A, B
|\
| A,
\
A,
I NFERENZMETHODEN §1:
B ∧ A BY andE 1
⊢ B ∧ A BY andI
B ⊢ B BY hypothesis 2
B ⊢ A
BY hypothesis 1
36
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Schließen über Disjunktionen
• Zerlegung einer Disjunktion in der Konklusion
– A ∨ B ist gültig wenn A gültig ist oder wenn B gültig ist
– Um A ∨ B zu zeigen, genügt es entweder A oder B zu beweisen
– Mit der Wahl der Beweisregel wird
Γ ⊢ A ∨ B BY orI1
Γ ⊢ A
Γ ⊢ A ∨ B BY orI2
Γ ⊢ B
eine Entscheidung getroffen
– Die Hypothesenliste ändert sich nicht
• Zerlegung einer Disjunktion in den Hypothesen
– Wenn eine Aussage C aus der Annahmen A und aus der Annahme B
folgt, dann folgt sie auch aus A ∨ B
– Um A ∨ B ⊢ C zu zeigen, muß man
A ⊢ C und B ⊢ C beweisen
Γ,A ∨ B,∆ ⊢ C BY orE i
Γ,A,∆ ⊢ C
Γ,B,∆ ⊢ C
– Die restlichen Hypothesen ändern sich nicht
– Beweisregel muß Position von A ∨ B angeben
I NFERENZMETHODEN §1:
37
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Beweis für Distributivität von ∧ und ∨
A ∧ (B ∨ C) ⊢ (A ∧ B) ∨ (A ∧ C)
\
A, B ∨ C ⊢ (A ∧ B) ∨ (A ∧ C)
|\
| A, B ⊢ (A ∧ B) ∨ (A ∧ C)
| \
|
A, B ⊢ A ∧ B
|
|\
|
| A, B ⊢ A
|
\
|
A, B ⊢ B
\
A, C ⊢ (A ∧ B) ∨ (A ∧ C)
\
A, C ⊢ A ∧ C
|\
| A, C ⊢ A
\
A, C ⊢ C
I NFERENZMETHODEN §1:
38
BY andE 1
BY orE 2
BY orI1
BY andI
BY hypothesis 1
BY hypothesis 2
BY orI2
BY andI
BY hypothesis 1
BY hypothesis 2
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Implikation und Negation
• Zerlegung einer Implikation in der Konklusion
– A ⇒ B ist gültig wenn B unter der Annahme A gültig ist
– Um A ⇒ B zu zeigen, genügt es A anzunehmen und B zu beweisen
– Die Beweisregel verschiebt A in die Hypothesen Γ ⊢ A ⇒ B BY impI
Γ, A ⊢ B
• Zerlegung einer Implikation in den Hypothesen
– Wenn eine Aussage C aus der Annahme B folgt und A gültig ist,
dann folgt C aus A ⇒ B
Γ,A ⇒ B,∆ ⊢ C BY impE i
– Um A ⇒ B ⊢ C zu zeigen, muß man
Γ,A ⇒ B,∆ ⊢ A
Γ,∆,B ⊢ C
B ⊢ C und ⊢ A beweisen
– Die restlichen Hypothesen ändern sich nicht
– Beweisregel muß A ⇒ B erhalten
• Zerlegung einer Negation
– ¬A ist dasselbe wie A ⇒ ff
– Die Regeln für Negation entsprechen denen der Implikation
– Jede Aussage folgt unter der Annahme ff (ff ⊢ C ist gültig)
I NFERENZMETHODEN §1:
39
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Currying zwischen Implikation und Konjunktion
⊢ (A ∧ B ⇒ C) ⇒ (A ⇒ B ⇒ C)
\
A ∧B ⇒ C ⊢ A ⇒ B ⇒ C
\
A ∧ B ⇒ C, A ⊢ B ⇒ C
\
A ∧ B ⇒ C, A, B ⊢ C
|\
| A ∧ B ⇒ C, A, B ⊢ A ∧ B
| |\
| | A ∧ B ⇒ C, A, B ⊢ A
| \
|
A ∧ B ⇒ C, A, B ⊢ B
\
A, B, C ⊢ C
I NFERENZMETHODEN §1:
40
BY impI
BY impI
BY impI
BY impE 1
BY andI
BY hypothesis 2
BY hypothesis 3
BY hypothesis 3
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Sonstige Inferenzregeln
• Einfügen von Zwischenbehauptungen
– C ist gültig wenn A gilt und C aus der Annahme A folgt
– Um C zu zeigen, kann man eine Zwischenbehauptung A beweisen
und C unter der Annahme A beweisen
Γ ⊢ C BY cut A
Γ ⊢ A
– A kann eine beliebige “Schnitt”-Formel sein
Γ, A ⊢ C
– Inferenzregel muß A als Parameter haben
– Beweise werden signifikant kürzer, wenn A mehrfach benutzt wird
• Ausdünnen der Annahmen
– Hypothesen, die nicht gebraucht werden,
können entfernt werden
– Beweise werden übersichtlicher
Γ, A, ∆ ⊢ C BY thin i
Γ, ∆ ⊢ C
• Klassisches Schließen
– Das Gesetz vom Ausgeschlossenen Dritten
wird als gültig postuliert
I NFERENZMETHODEN §1:
41
Γ ⊢ A ∨ ¬A BY magic
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Klassische Behandlung der doppelten Negation
⊢ ¬¬A ⇒ A
\
¬¬A ⊢ A
|\
| ¬¬A ⊢ A ∨ ¬A
\
¬¬A, A ∨ ¬A ⊢ A
|\
| ¬¬A, A ⊢ A
\
¬¬A, ¬A ⊢ A
\
¬¬A, ¬A ⊢ ¬A
I NFERENZMETHODEN §1:
42
BY impI
BY cut A ∨ ¬A
BY magic
BY orE 2
BY hypothesis 2
BY notE 1
BY hypothesis 2
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Refinement Logic: Aussagenlogische Regeln
Γ, A ∧ B, ∆ ⊢ C
Γ ⊢ A ∧B
andI
Γ, A, B, ∆ ⊢ C
Γ ⊢ A
Γ ⊢ B
orE i
Γ, A ∨ B, ∆ ⊢ C
Γ ⊢ A ∨B
orI1
Γ, A, ∆ ⊢ C
Γ ⊢ A
Γ, B, ∆ ⊢ C
Γ ⊢ A ∨B
orI2
Γ ⊢ B
impE i
Γ, A ⇒ B, ∆ ⊢ C
Γ ⊢ A⇒B
impI
Γ, A ⇒ B, ∆ ⊢ A
Γ, A ⊢ B
Γ, ∆, B ⊢ C
notE i
Γ, ¬A, ∆ ⊢ C
Γ ⊢ ¬A
notI
Γ, ¬A, ∆ ⊢ A
Γ, A ⊢ ff
falseE i
Γ, ff, ∆ ⊢ C
Γ ⊢ P ∨ ¬P
magic
hypothesis i Γ, A, ∆ ⊢ A
Γ, ∆ ⊢ C
cut i A
Γ, ∆ ⊢ A
thin i
Γ, A, ∆ ⊢ C
Γ, A, ∆ ⊢ C
Γ, ∆ ⊢ C
andE i
I NFERENZMETHODEN §1:
43
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Formale Behandlung von Quantoren
• Zerlegung eines Allquantors in der Konklusion
– ∀x:T .A ist gültig wenn ιux(A) für jeden möglichen Wert u wahr ist
– Um ∀x:T .A zu zeigen, nimmt man an x:T sei beliebig aber fest
und beweist dann A für dieses x
– Der Name x ist ein Platzhalter für einen beliebigen Wert u
– Wenn der Name x in den Hypothesen bereits vorkommt, wählt man
einen neuen Namen y und ersetzt x in A durch y
• Zerlegung eines Existenzquantors
– ∃x:T .A ist gültig wenn ιux(A) für einen Wert u wahr ist
– Um ∃x:T .A zu zeigen, beschreibt man einen konkreten Wert
durch einen Term t und beweist A für diesen Term
– Formal muß der Name x in A durch den Term t ersetzt werden
Simuliere ιu
x syntaktisch durch Substitution A[t/x]
I NFERENZMETHODEN §1:
44
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Vorkommen von Variablen präzisiert
•x
ff:
die Variable x kommt frei vor; y6=x kommt nicht vor.
die Variable x kommt nicht vor
• f (t1 , ..., tn)
t1=t2
P (t1, ..., tn)
freie Vorkommen von x in ti bleiben frei
gebundene Vorkommen von x bleiben gebunden.
• ¬A, (A)
A ∧ B, A ∨ B
A⇒B
freie Vorkommen von x in A, B bleiben frei
gebundene Vorkommen von x bleiben gebunden.
• ∀x:T .A
∃x:T .A
beliebige Vorkommen von x in A werden gebunden
Vorkommen von y6=x in A bleiben unverändert.
x frei und gebunden
}|
{
x gebunden
z
}|
{
(∀x:T. P(x)
∧ Q(x)) ∧ R(x)
| {z }
|
{z
}
x frei
x frei
z
I NFERENZMETHODEN §1:
45
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Substitution A[t/x] formal
Endliche Abbildung σ von Variablen in Terme
ˆ σ(x1)=t1,. . . , σ(xn)=tn
– σ = [t1, .., tn/x1, .., xn] =
– Aσ: Anwendung von σ auf den Ausdruck A
– τ σ: Komposition von τ und σ (σ idempotent falls σ σ = σ)
⌊x⌋[t/x]
=t
⌊x⌋[t/y]
=x
= f (t1 σ, .., tnσ)
⌊P (t1 , .., tn )⌋σ = P (t1 σ, .., tn σ)
⌊ff⌋σ
= ff
= t1 σ = t2 σ
⌊¬A⌋σ
⌊A ∧ B ⌋σ
⌊f (t1 , .., tn )⌋σ
⌊A ∨ B ⌋σ
⌊(A)⌋σ
⌊t1
= ¬Aσ
= Aσ ∨ Bσ
= (Aσ)
= t2⌋σ
⌊A ⇒ B ⌋σ
⌊∀x:T .A⌋[t/x]=
∀x:T .A
⌊∀x:T .A⌋[t/y]= ⌊∀z:T .A[z/x]⌋[t/y]
⌊∀x:T .A⌋[t/y]= ∀x:T .⌊A[t/y]⌋
(y6=x)
= Aσ ∧ Bσ
= Aσ ⇒ Bσ
⌊∃x:T .A⌋[t/x]=
∃x:T .A
⌊∃x:T .A⌋[t/y]= ⌊∃z:T .A[z/x]⌋[t/y]
⌊∃x:T .A⌋[t/y]= ∃x:T .⌊A[t/y]⌋
∗
: y6=x, y frei in A, x frei in t, z neue Variable
∗∗
: y6=x, y nicht frei in A oder x nicht frei in t
I NFERENZMETHODEN §1:
46
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
∗
∗∗
Substitution ausgewertet
⌊(∀y:T.
R(+(x,y))
= ⌊(∀y:T. R(+(x,y))
∧
∃x:T. x=y)
P(x)⌋[-(y,4)/x]
∧
∃x:T. x=y)⌋[-(y,4)/x]
∧
∃x:T. x=z⌋[-(y,4)/x])
P(-(y,4))
= (∀z:T. ⌊R(+(x,z))⌋[-(y,4)/x]
∧
∧
⌊P(x)⌋[-(y,4)/x]
= (∀z:T. ⌊R(+(x,z))
∧
∧
∧
⌊∃x:T. x=z⌋[-(y,4)/x])
P(-(y,4))
= (∀z:T. R(+(-(y,4),z))
I NFERENZMETHODEN §1:
∧
47
∃x:T. x=z)
∧
P(-(y,4))
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Refinement Logic: Prädikatenlogische Regeln
Simuliere ιu
x (A) durch ι(A[t/x])
– ι(∀x:T .A) = wahr, wenn ιux(A) = wahr für alle u ∈ ι(T )
– ∀x:T .A ist gültig, wenn A[x′/x] gültig ist für eine neue Variable x′
· Die Interpretation von x′ ist nicht weiter festgelegt
also muß A für jede Zuordnung eines Objekts u zu x′ wahr sein
– ι(∃x:T .A) = wahr, wenn ι(A[t/x]) = wahr für einen Term t
– ∃x:T .A ist gültig, wenn A[t/x] gültig ist für einen Term t
Elimination (links)
Introduktion (rechts)
Γ, ∀x:T .A, ∆ ⊢ C
Γ ⊢ ∀x:T .A
allI ∗
Γ, ∀x:T .A, ∆, A[t/x] ⊢ C
Γ, x′:T ⊢ A[x′/x]
Γ, ∃x:T .A, ∆ ⊢ C
Γ ⊢ ∃x:T .A
exI t
Γ, x′:T , A[x′/x], ∆ ⊢ C
Γ ⊢ A[t/x]
allE i t
exE i
∗∗
∗
: Die Umbenennung [x′/x] kann entfallen, wenn x nicht frei in Γ vorkommt
∗∗
: Die Umbenennung [x′/x] kann entfallen, wenn x nicht frei in C, Γ, ∆ vorkommt
I NFERENZMETHODEN §1:
48
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
Beweis für Distributivität von ∧ und ∀
∀x:T .P (x) ∧ Q(x) ⊢ (∀x:T .P (x)) ∧ (∀x:T .Q(x))
BY andI
|\
BY allI
| ∀x:T .P (x) ∧ Q(x) ⊢ ∀x:T .P (x)
| \
∀x:T .P (x) ∧ Q(x), x:T ⊢ P (x)
BY allE 1 x
|
|
\
|
∀x:T .P (x) ∧ Q(x), x:T , P (x) ∧ Q(x) ⊢ P (x) BY andE 3
|
\
|
∀x:T .P (x) ∧ Q(x), x:T , P (x), Q(x) ⊢ P (x)
|
BY hypothesis 3
\
∀x:T .P (x) ∧ Q(x) ⊢ ∀x:T .Q(x)
BY allI
\
∀x:T .P (x) ∧ Q(x), x:T ⊢ Q(x)
BY allE 1 x
\
∀x:T .P (x) ∧ Q(x), x:T , P (x) ∧ Q(x) ⊢ Q(x) BY andE 3
\
∀x:T .P (x) ∧ Q(x), x:T , P (x), Q(x) ⊢ Q(x)
BY hypothesis 4
I NFERENZMETHODEN §1:
49
F ORMALE L OGIK -
KURZGEFASST
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