20 1 Informationsgrundlage des wertorientierten Controllings Zur Interpretation der Umsatzwachstumsrate Die „Autohaus DUCK AG“ gründet von der Periode t-3 bis t+2 in jeder Periode ein Autohaus. Durch die Expansion wächst hier die absolute Kennzahl Umsatzerlöse in jeder Periode um den gleichen Betrag. Die relative Kennzahl Umsatzwachstum sinkt aber im Zeitablauf, weil bei wachsenden Unternehmen die Bezugsgröße zur Berechnung des Umsatzwachstums steigt. Folglich gilt: Je größer ein Unternehmen wird, desto schwieriger wird es, hohe Umsatzwachstumsraten zu erzielen. Das Unternehmenswachstum ist darüber hinaus abhängig vom Marktwachstum (Marktpotential) und von der Möglichkeit der Steigerung des eigenen Marktanteils (Wettbewerbsstärke). Folglich gilt: Je höher das Marktpotential und die Wettbewerbsstärke sind, desto größer ist auch das Wachstumspotential des Unternehmens. Kurzfristiges Umsatzwachstum kann hingegen auch durch konjunkturelle oder wettbewerbsbedingte Beschäftigungsschwankungen zustande kommen. Reales Umsatzwachstum entsteht erst dann, wenn die Umsatzwachstumsrate höher ist als die Inflationsrate. 1.1.2.3 Analyse und Prognose der Aufwandsstruktur Bei der Analyse und Prognose der Aufwandsstruktur ist zwischen den betrieblichen Aufwendungen, den sonstigen Aufwendungen, den Finanzaufwendungen und den Steueraufwendungen zu unterscheiden. Die betrieblichen Aufwendungen und die sonstigen Aufwendungen sind Teil des Betriebsergebnisses; die Finanzaufwendungen und die Steueraufwendungen werden getrennt vom Betriebsergebnis ausgewiesen. +/= + = = GuV in GE Umsatzerlöse betriebliche Aufwendungen sonstige Erträge/Aufwendungen Betriebsergebnis (oEBIT) Finanzerträge Finanzaufwendungen Finanzergebnis Steueraufwand Gewinn (EAT) Abb. 8: t-3 2.000 -1.932 -13,2 54,8 0,0 -15 -15,0 -11,9 -26,9 Vergangenheitsanalyse t-2 t-1 4.000 6.000 -3.864 -5.796 -26,4 -39,6 109,6 164,4 3,0 9,0 -30 -45 -27,0 -36,0 -24,8 -38,5 -51,8 -74,5 t 8.000 -7.728 -152,8 119,2 18,0 -60 -42,0 -23,2 -65,2 t+1 Prognose t+2 t+3 Analyse der Aufwandsstruktur Bei der Analyse der betrieblichen Aufwendungen geht es um die Frage, wie sich Preis und Menge der Inputfaktoren in der Vergangenheit entwickelten und zukünftig entwickeln werden. Die betrieblichen Aufwendungen können in der Gewinn- und Verlustrechnung nach Kostenarten (Gesamtkostenverfahren) oder nach Funktionen (Umsatzkostenverfahren) untergliedert werden (vgl. Ballwieser 2011, S. 25). Bei der Erwirtschaftung der Umsatzerlöse fallen nach Kostenarten gegliedert Materialaufwendungen, Personalaufwendungen und Abschreibungen an, d.h. das Material, die Arbeit des Personals und die Nutzung des Anlagevermögens sind Mittel zur Erwirtschaftung der Umsatzerlöse. Ändern sich die Umsatzerlöse, so können die eingekauften Materialien (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe bzw. unfertige und fertige Erzeugnisse) zeitnah angepasst werden, während das Personal (Lohn und Gehalt inklusive der Sozialversicherungs- und Rentenbeiträge) und das Anlagevermögen (Abschreibungen) sich nur über längere Zeit und mit zusätzlichen Kosten anpassen lassen (Kostenremanenz). uvk-lucius.de/wert-controlling 1.1 Konzeptioneller Zusammenhang von Bilanz, GuV und KFR 21 Umsatzwachstum erhöht einerseits die Aufwendungen, andererseits verändert es die Aufwandsstruktur, weil durch die Remanenz der Kosten die Kapazität über die Zeit unterschiedlich ausgelastet wird (Fixkostendegression). Bei der Prognose der Umsatzerlöse ist darauf zu achten, dass ein steigender Beschäftigungsgrad mit einer höheren Personalproduktivität sowie einer höheren Umschlagshäufigkeit des Anlagevermögens und des Working Capital einhergeht. Darüber hinaus kann sich die Aufwandsstruktur durch zu hohe bzw. zu niedrige Abschreibungen oder wegen sinkender bzw. steigender Einkaufspreise (z.B. Rohstoffpreise) periodisch unterschiedlich entwickeln. Die sonstigen Aufwendungen bilden zusammen mit den sonstigen Erträgen das sonstige Ergebnis und sind Teil des Betriebsergebnisses. Die Bezeichnung „sonstige“ Aufwendungen verdeutlicht, dass es sich um den Rest der Aufwendungen handelt, der nicht dem Materialaufwand, Personalaufwand oder den Abschreibungen im Gesamtkostenverfahren zugeordnet werden kann (vgl. Ballwieser 2011, S. 30). Bei der Analyse der sonstigen Aufwendungen geht es um die Frage, inwieweit regelmäßig und unregelmäßig anfallende Aufwendungen das Betriebsergebnis belasten (vgl. Küting/Weber 2015, S. 271f.). Regelmäßige sonstige Aufwendungen sind z.B. Werbeaufwendungen oder Lizenzaufwendungen. Unregelmäßig anfallende sonstige Aufwendungen, d.h. aperiodische oder außerordentliche Aufwendungen, kommen z.B. durch Buchverluste beim Abgang von Vermögenswerten des Anlagevermögens oder durch die Bildung einer Prozessrückstellung zustande. Bei der Prognose der sonstigen Aufwendungen ist zu berücksichtigen, dass einerseits einige sonstige Aufwendungen einen Bezug zur Erwirtschaftung der Umsatzerlöse (z.B. Werbeaufwand) haben; andererseits aber auch nicht betriebsnotwendige, aperiodische und außerordentliche Größen in die sonstigen Aufwendungen hineinfließen können, die in keinem direkten Bezug zu den erwirtschafteten Umsatzerlösen stehen. Die Prognose der betrieblichen Aufwendungen und die Prognose der sonstigen Aufwendungen können auf direkte und indirekte Weise vorgenommen werden (vgl. Ernst/Schneider/Thielen 2012, S. 13 und S. 17). Bei der direkten Prognose werden die Aufwendungen als absolute Größe prognostiziert. Bei der indirekten Prognose werden relative Kennzahlen prognostiziert, aus denen sich dann indirekt die prognostizierten Aufwendungen ergeben. Die folgende Abbildung veranschaulicht die direkte und indirekte Vorgehensweise bei der Prognose der betrieblichen Aufwendungen und der sonstigen Aufwendungen: uvk-lucius.de/wert-controlling 22 = +/= + = = = = +/= 1 Informationsgrundlage des wertorientierten Controllings GuV in GE Umsatzerlöse Materialaufwand Rohertrag Personalaufwand Abschreibungen Sonstige Erträge/Aufwendungen Betriebsergebnis (oEBIT) Finanzerträge (FA×0,06+WP×0,03) Finanzaufwendungen (FK×0,05) Finanzergebnis Gewinn vor Steuern (EBT) Steueraufwand (EBT×0,3) Gewinn nach Steuern (EAT) t-3 2.000 -1.760 240 -72 -100 -13,2 54,8 0,0 -15,0 -15,0 39,8 -11,9 27,9 Vergangenheitsanalyse t-2 t-1 4.000 6.000 -3.520 -5.280 480 720 -144 -216 -200 -300 -26,4 -39,6 109,6 164,4 3,0 9,0 -30,0 -45,0 -27,0 -36,0 82,6 128,4 -24,8 -38,5 57,8 89,9 t 8.000 -7.040 960 -288 -400 -152,8 119,2 18,0 -60,0 -42,0 77,2 -23,2 54,0 t-3 t-2 t-1 t Aufwandsanalyse Umsatzwachstum in % zum Vorjahr 100,0% 50,0% 33,3% Materialaufwand in % zum Umsatz -88,00% -88,00% -88,00% -88,00% Rohertragsmarge 12,00% 12,00% 12,00% 12,00% Personalaufwand in % zum Umsatz -3,60% -3,60% -3,60% -3,60% Abschreibungen in % zum Umsatz -5,00% -5,00% -5,00% -5,00% Sonstiges Ergebnis in % zum Umsatz -0,66% -0,66% -0,66% -1,91% Betriebsergebnis-Marge 2,7% 2,7% 2,7% 1,5% (oEBIT-Marge) Bilanz in Tsd. € Fremdkapitalbestand Kapitalanlagen (kurz. und lang. FA) t-3 600 100 t-2 900 300 t-1 1.200 600 t 1.500 600 t+1 Prognose t+2 t+3 t+1 t+2 t+3 t+1 t+2 t+3 Abb. 9: Direkte und indirekte Prognose der Aufwandsstruktur Die Finanzaufwendungen bestehen aus den Zinsaufwendungen und den sonstigen Finanzaufwendungen. Die Zinsaufwendungen fallen für das Fremdkapital an, das ein Unternehmen zu einem vertraglich fixen oder variablen, jedenfalls gewinnunabhängigen, Zinssatz für eine festgelegte Dauer aufgenommen hat (vgl. Wöhe 2013, S. 541). Die Zinsaufwendungen müssen daher in Zusammenhang mit der Fremdkapitalaufnahme prognostiziert werden. Zu beachten ist, dass bei einer Unternehmensexpansion Erweiterungsinvestitionen entstehen, die u.U. mit weiteren Fremdkapitalaufnahmen finanziert werden müssen. In den sonstigen Finanzaufwendungen werden Wertverluste, die im Zusammenhang mit den Finanzinstrumenten entstehen, abgebildet. Im Gegensatz zu einem internen Analysten (z.B. dem Controller) können externe Analysten die künftigen Finanzaufwendungen, die durch die Risiken der erworbenen Finanzinstrumente entstehen, nur im Zusammenhang mit den zusätzlichen Informationen im Anhang und im Lagebericht (z.B. Risikobericht) prognostizieren. Vom Gewinn vor Steuern (Earnings Before Tax, EBT) ist der Steueraufwand abzuziehen, um zum Gewinn nach Steuern (Earnings After Tax, EAT) zu gelangen. Als Steuerbemessungsgrundlage dient in der Planungsrechnung der Gewinn vor Steuern. In Deutschland beträgt der durchschnittliche Unternehmenssteuersatz ca. 30%, bestehend aus dem Kapitalertragssteuersatz i.H.v. 15%, dem Solidaritätszuschlag i.H.v. 5,5% auf die Kapitalertragssteuer (0,825%) und dem Gewerbesteuersatz i.H.v. ca. 14% (vgl. Ernst/Schneider/Thielen 2012, S. 89). In der Planungsrechnung wird einfachheitshalber ein pauschaler Unternehmenssteuersatz i.H.v. 30% angenommen. Der uvk-lucius.de/wert-controlling 1.1 Konzeptioneller Zusammenhang von Bilanz, GuV und KFR 23 wertsteigernde Effekt geringerer zukünftiger Steuerzahlungen ist dann in einer getrennten Rechnung zu ermitteln. 1.1.2.4 Fallstudie zur Analyse und Prognose der Aufwandsstruktur Ziel dieser Fallstudie ist es, die Analyse und Prognose der Aufwandsstruktur zu veranschaulichen. Die folgenden inhaltlichen Aspekte werden in dieser Fallstudie beleuchtet: zur Analyse der Aufwandstruktur, zur Prognose der Aufwandsstruktur und zur Entwicklung der Betriebsergebnis-Marge und der Rohertragsmarge. Die „Autohaus DUCK AG“ wird hier am Anfang der Periode t-3 gegründet. Die Aufwendungen, die die „Autohaus DUCK AG“ von der Periode t-3 bis t erwirtschaftete, werden analysiert und für die Perioden t+1 bis t+3 prognostiziert. Ausgangsdaten (Periode t-3 bis Periode t): Materialaufwand: Die „Autohaus DUCK AG“ verkauft je Autohaus pro Periode 40 Autos zu einem Preis von 50 GE. Der Einkaufspreis der Autos beträgt 44 GE (40 × 44 GE = 1.760 GE Materialaufwand). Personalaufwand: Je Autohaus sind zwei Mitarbeiter angestellt mit einem Bruttogehalt i.H.v. 3 GE pro Monat (3 GE × 2 × 12 = 72 GE Personalaufwand). Abschreibungen: Pro Periode verringert sich der Wert des Anlagevermögens in den einzelnen Autohäusern um 100 GE (Abschreibungen). Sonstiger Aufwand: Pro Monat fallen 0,5 GE Werbeaufwand und 0,6 GE Pachtaufwand an (1.1 GE × 12 = 13,2 GE sonstiger Aufwand). In der Periode t wird eine Prozessrückstellung i.H.v. 100 GE gebildet. Zinsaufwand und Steueraufwand: Für die Gründung eines neuen Autohauses nimmt die „Autohaus DUCK AG“ jeweils einen Kredit i.H.v. 300 GE zu einem Zinssatz von 5% und Eigenkapital i.H.v. 300 GE auf. Der Unternehmenssteuersatz beträgt konstant 30%. Prognoseannahmen (Periode t+1 bis Periode t+3): Materialaufwand: Wir erwarten, dass die „Autohaus DUCK AG“ ab der Periode t+1 41 Autos zu einem Preis von 50 GE je Autohaus absetzen kann. Der Einkaufspreis bleibt konstant bei 44 GE pro Auto (41 × 44 GE = 1.804 GE Materialaufwand pro Autohaus). Personalaufwand, Abschreibungen, sonstiger Aufwand: Wir nehmen an, dass der höhere Absatz pro Autohaus nicht zu höheren Abschreibungen, zu einem höheren Personalaufwand oder zu einem höheren sonstigen Aufwand führt. Die Prozessrückstellung in t+1 wird erfolgsneutral aufgelöst. Zinsaufwand und Steueraufwand: Wir nehmen an, dass die Erweiterungsinvestitionen – wie in der Vergangenheit – mit Eigen- und verzinslichem Fremdkapital finanziert werden. Der Fremdkapitalkostensatz beträgt konstant 5%; der Unternehmenssteuersatz 30%. Die folgende Abbildung fasst die Faktoren zusammen, die die Aufwendungen der „Autohaus DUCK AG“ beeinflussen: uvk-lucius.de/wert-controlling 24 1 Informationsgrundlage des wertorientierten Controllings GuV in GE Absatz Autos (Menge) Verkauf Kaufpreis Personalbestand (Menge) Gehalt pro Monat Gebäude 400 Abschreibungen Werbung pro Monat Pacht pro Monat erfolgswirksame Rst-Bildung zahlungswirksame Rst.-Auflösung Bestand Rückstellungen 0 lang. FA (rFA=6%) 0 kurz. FA/WP (rWP=3%) Fremdkapital (rFK=5%) 300 Eigenkapital 300 t-3 40 50 44 2 3 400 100 0,6 0,5 0 0 0 0 100 600 600 Vergangenheitsanalyse t-2 t-1 t 80 120 160 50 50 50 44 44 44 4 6 8 3 3 3 400 400 800 200 300 400 1,2 1,8 2,4 1,0 1,5 2,0 0 0 -100 0 0 0 0 0 100 0 0 0 300 600 600 900 1.200 1.500 900 1.200 1.500 t+1 205 50 44 10 3 800 500 3,0 2,5 0 -100 0 0 700 1.800 1.800 Prognose t+2 246 50 44 12 3 800 600 3,6 3,0 0 0 0 0 900 2.100 2.100 t+3 287 50 44 14 3 700 700 4,2 3,5 0 0 0 0 900 2.100 2.100 Abb. 10: Darstellung der Einflussfaktoren bei der Analyse und Prognose der Aufwendungen Zur Analyse der Aufwandstruktur: Bei der Analyse der Aufwandsstruktur wird die Entwicklung der betrieblichen Aufwendungen, der sonstigen Aufwendungen, der Finanzaufwendungen und der Steueraufwendungen analysiert. Der Materialaufwand hängt bei der „Autohaus DUCK AG“ von der Menge der verkauften Autos pro Periode ab (44 GE pro Auto). Der Personalaufwand, die Abschreibungen und der sonstige Aufwand entstehen hier in Abhängigkeit der zur „Autohaus DUCK AG“ gehörenden Autohäusern. Der Preis der Inputfaktoren bildet sich grundsätzlich am Markt. Art und Menge der Inputfaktoren kann das Unternehmen selbst verändern. In einem zweiten Schritt kann die Entwicklung der Inputfaktoren im Zusammenhang mit der Entwicklung der Preise am Markt interpretiert werden (z.B. Entwicklung der Rohstoffpreise). Zur Prognose der Aufwandsstruktur: Bei der Prognose der Aufwandsstruktur wird die Entwicklung der betrieblichen Aufwendungen, der sonstigen Aufwendungen, der Finanzaufwendungen und der Steueraufwendungen prognostiziert. Theoretisch sind für die Prognose unterschiedliche Szenarien zu bilden (z.B. „best case“, „base case“, „worst case“), die mit Wahrscheinlichkeiten gewichtet werden, um zu der erwarteten Entwicklung der einzelnen Aufwendungen, d.h. dem Erwartungswert der Aufwendungen, zu kommen (vgl. auch Ernst/Schneider/Thielen 2012, S. 103). Der Übersicht halber wird hier nur ein wahrscheinliches Szenario („base case“) prognostiziert. Aus den Prognoseannahmen ergibt sich die folgende erwartete Entwicklung der Aufwendungen: uvk-lucius.de/wert-controlling