Psychologie: Handout zum Thema Soziale Phobie Sascha Baumann Die Soziale Phobie aus dem Überthema: Angststörungen 1 Definitionen „Soziale Phobien (oder soziale Angststörungen) gehören zu den phobischen Störungen (Angststörungen) und werden im ICD-10 unter F40.1 klassifiziert. Das zentrale Merkmal sind ausgeprägte Ängste, in sozialen Situationen im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen und sich peinlich oder beschämend zu verhalten.“ (www.wikipedia.de, 2015) „Der Kern der sozialen Phobie ist die Befürchtung aufzufallen, sich zu blamieren, unangemessen zu wirken oder Fehler zu machen.“ (von Consbruch, Stangier, 2010, S.10) Einige Situationen, die soziale Ängste auslösen könnten sind z.B.: Leistungssituationen wie z.B. öffentliches Reden, vor anderen Essen, vor anderen Trinken, vor anderen Schreiben, Betreten eines Raumes indem bereits andere Personen sitzen, (mündliche) Prüfungen Interaktionssituationen wie z.B. eine Konversation am Telefon, Unterhaltung mit Fremden, Besuch einer Konferenz oder Feier, Kontakt mit dem anderen Geschlecht, Kontakt mit Autoritätspersonen, Reklamation in Geschäften (vgl.: Fydrich, Stangier, 2002, S.20) 2 Symptomatik Es existiert ein breites Spektrum sowohl an körperlichen, als auch an psychischen und emotionalen Symptomen, die in oder vor sozialen Situationen auftreten können: a) Körperliche Symptome: Erröten, zittern, schwitzen, stottern, trockener Mund, Herzrasen, Panikattacken, Übelkeit, Durchfall (vgl.: Fydrich, Stangier, 2002, S.16) Verkrampfen, Ohnmacht, erhöhter Harndrang, Kopf- und Magenschmerzen, Kloß im Hals (vgl.: Ambühl, Meier, Willutzki, 2001, S.29) 1 Psychologie: Handout zum Thema Soziale Phobie Sascha Baumann b) Psychische und emotionale Symptome: Scham, Unsicherheit, Selbstaufmerksamkeit, Verlegenheit, negative Sorgen, Gedanken (z.B. Depression, erhöhte Nichterfüllung von Erwartungen der anderen Personen), verzerrte Wahrnehmung der eigenen sozialen Fähigkeiten, Überempfindlichkeit gegenüber Kritik oder negativer Bewertung durch andere Personen (vgl.: Fydrich, Stangier, 2002, S.15f) Angst vor Leistungssituationen und den dort erwarteten Ansprüchen, Befürchtungen und Sorgen bereits weit im Vorfeld (Wochen oder Monate), Angst vor der eigenen Angst, Angst vor den sichtbaren körperlichen Symptomen wie z.B. erröten, zittern, stottern (vgl.: Ambühl, Meier, Willutzki, 2001, S.28f) Diese Symptome und selbst die Angst vor diesen Symptomen (Angst vor der Angst) führen dazu, dass Personen mit sozialer Phobie Leistungssituationen oder Interaktionssituationen so gut es geht vermeiden. Sozial bedrohliche Situationen werden nicht aufgesucht oder frühzeitig verlassen. Diese Vermeidungshaltung bringt jedoch weitere Nachteile mit sich. Auf der einen Seite führt dieses Handeln tatsächlich zu einer sozialen Abwertung durch andere Personen und auf der anderen Seite hat die betroffene Person keine Chance, dass ihre falschen Vorstellungen in Bezug auf ihre mangelhaften sozialen Fähigkeiten widerlegt werden. Da die Vermeidungshaltung in diesem Moment jedoch funktioniert, wird die betroffene Person sie auch in Zukunft erneut anwenden. Es handelt sich um einen Teufelskreis. (vgl.: Fydrich, Stangier, 2002, S.18f) 3 Prävalenz Zum Thema allgemeine Angststörungen gibt es eine Vielzahl an Studien und Umfragen im Hinblick auf deren Prävalenz (Häufigkeit) und Epidemiologie (Verbreitung). So litten laut einer WHO Studie aus dem Jahr 1996 z.B. 8,5% der deutschen Patienten in Allgemeinarztpraxen an einer generalisierten Angststörung (vgl.: www.wikipedia.de, 2015). Speziell für die soziale Phobie kann hier eine der größeren Studien aus den USA angeführt werden. In einer „National Comorbiditiy Survey“ wurden 8.000 US Bürger im Alter von 15 bis 54 Jahren befragt. Daraus ergaben sich folgende Ergebnisse: Jahresprävalenz: Männer: 6,6% Frauen: 9,1% Lebenszeitprävalenz: Männer: 11,1% Frauen: 15,5% 2 Psychologie: Handout zum Thema Soziale Phobie Sascha Baumann Im Durchschnitt ergibt sich also insgesamt in den USA eine Lebenszeitprävalenz von 13,3% für soziale Phobie. Damit ist sie nach Major Depression und Alkoholismus die dritt-häufigste psychische Störung in den Vereinigten Staaten. (vgl.: Ambühl, Meier, Willutzki, 2001, S.38) In Deutschland wurden leider bislang nur kleinere Studien durchgeführt. So ergab sich aus einer Studie von 1981 in der 483 Personen im Alter von 25 bis 64 in München befragt wurden eine Lebenszeitprävalenz von durchschnittlich 2,5%. Im Zeitraum von 1995 bis 1999 untersuchte das gleiche Team wieder in München eine Stichprobe von 3021 Personen im Alter von 14 bis 24 Jahren. Dort ergab sich eine Jahresprävalenz für Männer von 6,2% und für Frauen von 8,7%. (vgl.: Lieb, Müller, 2002, S.36f) 4 Erklärungsmodelle Je nachdem aus welcher Perspektive die Ursachen der sozialen Phobie betrachtet werden, existieren auch hier wieder eine große Anzahl an Erklärungsmodellen. Die psychologischen Modelle umfassen Hypothesen zu der Entwicklung sozialer Ängste aus der Lerntheorie, der kognitiven Theorie, der sozial Psychologie und auch der Entwicklungspsychologie. Auch Aspekte aus der Bindungstheorie werden dabei beachtet. Eine weitere Perspektive offerieren die Modelle aus der Neurobiologie. Die Hypothesen hier ergeben sich hauptsächlich aus Aspekten der Genetik und der Funktionsweise von Gehirn und Neurotransmittern. Diese Modelle und ihre Hypothesen wurden von Ulrich Stangier und Thomas Fydrich anschaulich und leicht verständlich in ihrem Buch zur Sozialen Phobie zusammengefasst (vgl.: Fydrich, Stangier, 2002, S.28f), würden hier jedoch den vorgegebenen Rahmen sprengen. Rechts abgebildet ist beispielsweise das kognitive Modell nach Clark und Wells. Dieses kognitiven ausgelöst Modell Prozesse werden, stellt die dar, die sobald von sozialer Angst betroffene Personen in eine für sie bedrohliche Situation gelangen. (vgl.: Clark, Ehlers, 2002, S.157ff) 3 Psychologie: Handout zum Thema Soziale Phobie Sascha Baumann 5 Diagnostik Die Soziale Phobie nach F40.1 des ICD10 wird anhand folgender Kriterien diagnostiziert (vgl.: Ambühl, Meier, Willutzki, 2001, S.33ff): Die Kriterien in der Abbildung links können durch die verschiedensten Verfahren und Fragebogen abgehandelt werden. Dies kann sowohl selbst-, als auch fremd- bestimmt erfolgen. Das CIDI ist z.B. ein standardisiertes und computergestütztes das gerne Mehrere Interview, benutzt wird. Fragebögen auf kognitiver Ebene wurden unter anderem von Clark entwickelt: der SPK, der SPV und der SPE. Weitere wichtige Verfahren und Fragebögen zur Diagnostik von sozialer Phobie: SKID-I, DIPS, MDCL, SKID-II, SPAI, SIAS, SPS, SPIN, LSAS, FNE, SAD, IAF, RSK, BQ, SISST, SIT (vgl.: Heidenreich, Stangier, 2002, S.66ff) 6 Therapie Auch hier gibt es wieder viele verschiedene Ansätze für eine Therapie. Je nachdem welches Erklärungsmodell als Ursache für die Phobie betrachtet wird, könnte z.B. eine Verhaltenstherapie, eine ressourcenorientierte Psychotherapie oder gar eine Medikamentöse Therapie ausgesucht werden. Grundsätzlich gilt jedoch, dass Therapieabbrüche bei sozialer Phobie häufiger vorkommen als bei anderen Angststörungen. Dies liegt in der Natur der Störung selbst, da der Patient oft Angst vor dem persönlichen Dialog mit dem Therapeuten hat und dies anhand seines Verhaltensmusters zu vermeiden versucht (vgl.: Peitz, Heidenreich, Stangier, 2002, S.342). Um bei dem obigen Beispiel zu bleiben, soll an dieser 4 Psychologie: Handout zum Thema Soziale Phobie Sascha Baumann Stelle kurz die kognitive Verhaltenstherapie nach Clark und Wells vorgestellt werden. Die Behandlung erfolgt in vier Schritten (vgl.: Peitz, Heidenreich, Stangier, 2002, S.344ff): a.) Exploration und Erklärungsmodell: Erkunden der Ängste des Patienten und Anfertigung individueller Modelle spezifischer Angstsituationen (nach Modell unter Punkt 4) b.) Verhaltensexperimente im Rollenspiel: Manipulation der selbstfokussierten Aufmerksamkeit und des Sicherheitsverhaltens. Reflexion durch Tonband und Videoaufnahmen. c.) Exposition in vivo: Wechsel des Aufmerksamkeitsfokus und genaues Beobachten der Umgebung. Kontrollierte Handlungen in potenziell „bedrohlichen Situationen“. d.) Kognitive Umstrukturierung: Informationsverarbeitung vor und nach sozialen Situationen. Grundlegende negative Gedanken sollen auf ihren Wahrheitsbezug geprüft werden. 7 Prävention Wegen der vielen verschiedenen Ursachen und Erklärungsmodellen gibt es auch hier nicht die „eine richtige Maßnahme“ um soziale Phobie zu vermeiden. Es gibt allerdings Forschungsergebnisse die belegen, dass eine Häufung von Risikofaktoren in der Kindheit im späteren Leben zu sozialer Phobie führen kann. Folgende Risikofaktoren spielen dabei eine besonders kritische Rolle (vgl.: von Consbruch, Stangier, 2010, S.14ff): Eltern sind selbst wenig sozial eingebunden Scham als Erziehungsmethode besonders strenger oder überbehütender Erziehungsstil starkes Mobbing oder Auslachen negative Lebensereignisse (z.B. Scheidung der Eltern, sexueller Missbrauch) 5 Psychologie: Handout zum Thema Soziale Phobie Sascha Baumann 8 Literaturangaben Buchquellen: H. Ambühl, B. Meier, U. Willutzki, 2001, „Soziale Angst verstehen und behandeln – Ein kognitiv verhaltenstherapeutischer Zugang“, Stuttgart, Pfeiffer bei Klett-Cotta Verlag, 1. Auflage D. Clark, A. Ehlers, „Soziale Phobie: Eine Kognitive Perspektive“ in: T. Fydrich (Hrsg.), U. Stangier (Hrsg.), 2002, „Soziale Phobie und soziale Angststörung“, Göttingen, Hogrefe Verlag, 1. Auflage K. von Consbruch, U. Stangier, 2010, „Ratgeber Soziale Phobie – Informationen für Betroffene und Angehörige“, Göttingen, Hogrefe Verlag, 1. Auflage T. Fydrich, U. Stangier, „Das Störungskonzept der sozialen Phobie oder der sozialen Angststörung“ in: T. Fydrich (Hrsg.), U. Stangier (Hrsg.), 2002, „Soziale Phobie und soziale Angststörung“, Göttingen, Hogrefe Verlag, 1. Auflage T. Heidenreich, U. Stangier, „Störungsspezifische Diagnostik der Sozialen Phobie“ in: T. Fydrich (Hrsg.), U. Stangier (Hrsg.), 2002, „Soziale Phobie und soziale Angststörung“, Göttingen, Hogrefe Verlag, 1. Auflage R. Lieb, N. Müller, „Epidemiologie und Komorbidität der Sozialen Phobie“ in: T. Fydrich (Hrsg.), U. Stangier (Hrsg.), 2002, „Soziale Phobie und soziale Angststörung“, Göttingen, Hogrefe Verlag, 1. Auflage M. Peitz, T. Heidenreich, U. Stangier, „Kognitive Therapie bei Sozialer Phobie: Grundlegende Techniken“ in: T. Fydrich (Hrsg.), U. Stangier (Hrsg.), 2002, „Soziale Phobie und soziale Angststörung“, Göttingen, Hogrefe Verlag, 1. Auflage Internetquellen: http://de.wikipedia.org/wiki/Angststörung, 22.02.2015 http://de.wikipedia.org/wiki/Soziale_Phobie, 22.02.2015 6