Wenn Arbeit krank macht....! Behandlung von berufsbezogenen Problemen bzw. Arbeitsstörungen Donnerstag, 28.August 2008, Kliniken Daun Andrea Thüringer Dipl.-Psychologin Psychol. Psychotherapeutin Bezugstherapeutin Frank Reger Dipl. Pädagoge Abteilungsleiter Berufliche Wiedereingliederung Gliederung 1. Einleitung 2. Definition berufsbezogener Probleme bzw. Arbeitsstörungen 3 Wirkfaktoren berufsbezogener Probleme bzw. Arbeitsstörungen 4. Diagnosen versus „Krankheitsbilder“ 5. Berufliche Wiedereingliederung 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 7. Diskussion 1. Einleitung - Behandlungsauftrag: Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit - Behandlungsziel: Bewältigung psychischer Beschwerden und Klärung der beruflichen Situation - Und: berufsbezogene Probleme sind in der psychosomatischen Behandlung stark vertreten 1. Einleitung - Anzahl der AU-Tage bei psychischen Erkrankungen steigt trotz generellem Rückgang der Krankmeldungen - Der Anteil psychischer Erkrankungen liegt je nach Krankenkasse zw. 6% und 13% - Deutlich längere AU-Dauer bei psychischen Erkrankungen 1. Einleitung - Vor allem Menschen im mittleren Lebensalter sind betroffen - starke Zunahme bei jüngeren Versicherten 1.Einleitung - Zusammenhang zw. Psych. Erkrankung und Arbeitsbedingungen - Es gibt u. a. branchenspezifische Häufungen 1. Einleitung Erklärungsversuche: - Reale Zunahme psychischer Erkrankungen - Mehr + bessere Diagnostik - Betroffene nehmen eher Behandlung in Anspruch 1. Einleitung Krankheitsbegünstigende Faktoren: - Wegfall sozialer Strukturen gestiegene Arbeitslosigkeit unsichere Arbeitsverhältnisse gestiegene Arbeitsbelastungen Über- / Unterforderung geringer Handlungsspielraum - mangelnde Anerkennung 1. Einleitung Zahlen 2007: - 359 Patienten in der Psychosomatischen Abteilung - 70% nehmen Beratungsangebot der Abteilung für Berufliche Integration in Anspruch. - 20% der Patienten sind arbeitslos - 12,3% nehmen eine Stufenweise Wiedereingliederung in Anspruch 2. Definition berufsbezogener Probleme bzw. Arbeitsstörungen Berufsbezogene Probleme bzw. „Arbeitsstörungen sind gravierende Probleme, die sich bei der Ausführung von Arbeit ergeben. Sie können negative Folgen für die Ergebnisse der Arbeit haben, zu einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens führen oder zu einer Schädigung des arbeitenden Menschen in körperlicher, psychischer und sozialer Hinsicht beitragen“ (Hoffmann & Hofmann, 2004, S.8) 2. Definition berufsbezogener Probleme bzw. Arbeitsstörungen Beispiele berufsbezogener Probleme und Arbeitsstörungen: „Burnout“ „Mobbing“ „Arbeitssucht“ „Arbeitsphobie“ 3. Wirkfaktoren berufsbezogener Probleme bzw. Arbeitsstörungen 1. Arbeitsfaktoren – ungünstige Arbeitsbedingungen 5. Gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen 2. Faktoren, die die Arbeitsorganisation betreffen 3. Personale Faktoren 4. Zwischenmenschliche Probleme am Arbeitsplatz Abbildung 1 (nach Hoffmann & Hofmann, 2004) 3. Wirkfaktoren berufsbezogener Probleme bzw. Arbeitsstörungen 3.1 Arbeitsfaktoren ungünstige Arbeitsbedingungen: - Zeit-/Termindruck, - Unterbrechungen/Störungen, Lärm - Fremdbestimmtheit versus - Verantwortungsdruck, - Schicht-/Nachtarbeit, Überstunden, - Angst vor Arbeitsplatzverlust 3. Wirkfaktoren berufsbezogener Probleme bzw. Arbeitsstörungen 3.2 Faktoren, die Arbeitsorganisation betreffen: - fehlende Struktur - fehlende Tagesziele und Prioritäten - inadäquate Pläne - fehlende Pausen 3. Wirkfaktoren berufsbezogener Probleme bzw. Arbeitsstörungen 3.3 Personale Faktoren: - Stressstabilität - Kritik- und Konfliktfähigkeit - Umgang mit Ärger - Veränderungsfähigkeit - Kränkbarkeit - Selbstwirksamkeit - Leistungsbereitschaft und –ansprüche - Pflichtbewußtsein 3. Wirkfaktoren berufsbezogener Probleme bzw. Arbeitsstörungen 3.4 Zwischenmenschliche Probleme am Arbeitsplatz: - fehlende Unterstützung - Konkurrenzdruck - Konflikte 3. Wirkfaktoren berufsbezogener Probleme bzw. Arbeitsstörungen 3.4.1. Definition Konflikt - zwei oder mehrere Einzelpersonen, Gruppen ….. nehmen sich in einem Interessengegensatz wahr… - mindestens eine Seite sieht sich durch die andere daran gehindert, ihre Vorstellungen oder Absichten durchzusetzen (nach Martin & Schuster, 2005) 3. Wirkfaktoren berufsbezogener Probleme bzw. Arbeitsstörungen 3.4.2 Verschiedene Konfliktebenen Wertkonflikt innerer Konflikt SachKonflikt BeziehungsKonflikt Abbildung 2 (aus Martin & Schuster, 2005, S. 67) 3. Wirkfaktoren berufsbezogener Probleme bzw. Arbeitsstörungen 1. Arbeitsfaktoren – ungünstige Arbeitsbedingungen 5. Gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen 3. Personale Faktoren 2. Faktoren, die die 4. Zwischenmenschliche Probleme Arbeitsorganisation betreffen am Arbeitsplatz Abbildung 1 (nach Hoffmann & Hofmann, 2004) 3. Wirkfaktoren berufsbezogener Probleme bzw. Arbeitsstörungen 3.5 Gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen - „wenn Arbeit krank macht, macht Arbeitslosigkeit noch kränker“ Massenarbeitslosigkeit / Verlagerung v. Arbeitsplätzen Ständige Verschlankung und Fusionen Verlust der finanziellen Sicherheit / Existenzangst 4. Diagnosen versus „Krankheitsbilder“ „Krankheitsbilder“ - keine homogene Störungsgruppe und keine zu klassifizierenden ICD-Diagnosen - Berufliche Kontexte werden „maskiert“ (Missel & Passameras, 2005) 4. Diagnosen versus „Krankheitsbilder“ Die häufigsten Diagnosen (in 2007): - Anpassungsstörung /Posttraumatische Belastungsstörung 17% Depressive Episode / rezidivierende depr.Störung unterschiedlicher Schwere 49,5% Somatoforme Störung 2,8% Angststörung 10,6% und: 35 % der Psychosomatik-Patienten weisen Komorbiditätsdiagnosen (Substanzdiagnosen) auf 5. Berufliche Wiedereingliederung in den Kliniken Daun - Frühzeitige Beratung von Patienten mit Problemen am Arbeitsplatz /Arbeitslosigkeit Enge Verzahnung mit ärztlichen und therapeutischen Team „Netzwerkarbeiter“: Einbeziehung aller für eine Eingliederung erforderlichen Gruppen Stress-Test Bist Du überarbeitet? Wenn du auf dem Bild zwei Delfine siehst, dann bist du OK und kannst weiterarbeiten. Wenn nicht, dann hast du stressbedingte Halluzinationen und es ist höchste Zeit nach Hause zu gehen! 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.1 Herr B. und sein Stress 6.1.1. 25-jähriger Patient, leichte Behinderung Aufnahme formal arbeitsunfähig Zuweisungsdiagnosen: Depression, Stimmungsschwankungen Soziale Rahmenbedingungen: Ledig, kinderlos, mit Partnerin im Elternhaus in eigener Wohnung, Arbeitsstelle infolge Überforderung selber gekündigt, Partnerschaftskonflikte GdB von 66% 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.1.1. berufliche Situation von Herrn B.: - Sonderschule ohne Abschluss, arbeitslos, - letzte Tätigkeit: landwirtschaftlicher Helfer, schwere körperliche Tätigkeit, vollschichtig, im Gehen, Stehen, Sitzen. Schweres Heben und Tragen von Lasten, Belastung durch Staub, Temperaturschwankungen und Witterung 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.1.2 Theorie: „Stress ist die Aktivierungsreaktion des Organismus auf die Anforderungen und Bedrohungen – auf die so genannte Stressoren.“ (Lietzcke & Schuh,2005, S. 6) 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.1.2 Theorie: Transaktionales Stressmodell von Lazarus (1974) Stress = Zusammenspiel zwischen situativen Anforderungen + individuellen Beurteilungen der eigenen Ressourcen Entscheidend ist die subjektive Bewertung der Anforderungen (aus Litzcke & Schuh, 2005) 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse Transaktionales Stressmodell von Lazarus (1974): „Erstbewertung“: Ist Ereignis bedrohlich? „Zweitbewertung“: Welche Bewältigungsmöglichkeiten stehen zur Verfügung? „Neubewertung“: Verstärkung/Reduzierung der wahrgenommenen Bedrohung und Anpassungsreaktionen Zwei Arten der Stressbewältigung: - problemorientiertes Coping - emotionsregulierendes Coping 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.1.2 Theorie Frontalhirn ist für Stress anfällig - Bei großem Stress funktionales Frontalhirndefizit, da keine handlungsleitenden Muster verfügbar. - Je größer der Stress, desto archaischer die Reaktionsmuster (Angriff, Flucht, Erstarrung) Hüther (2006) 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.1.3 Anwendung der Theorie, Herr B.: Arbeitsfaktoren: ungünstige Arbeitsbedingungen Zu viele Aufgaben, hohe Verantwortung, Überstunden Faktoren der Arbeitsorganisation: Fehlende Pausen, keine Tagesstruktur Personale Faktoren: Geringe Stressstabilität Emotional instabil bei Überforderung selbstverletztendes Verhalten, geringe Frustrationstoleranz 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.1.4 Diagnostik HAWIE-R • IQ = 84 knapp unterdurchschnittliche Intelligenz Symptomcheckliste (SCL-90-R) • Bei GSI-Wert von T=70 deutlich erhöhte Belastetheit 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.1.4 Diagnostik Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM): • • • • Gesundheitsgefährdendes Verhaltensmuster (Risikotyp B): geringe Distanzierungsfähigkeit, starke Resignationstendenz, Deutlich eingeschränktes Lebensgefühl 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.1.4 Diagnostik Rehabilitationsdiagnosen: - Emotional instabile Persönlichkeitsstörung, impulsiver Typus (ICD 10: F 60.3) - Mittelgradige depressive Episode (ICD 10: F 32.1) - Adipositas (ICD 10: E 66.0) 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.1.5 Therapieziele und –planung: • • • • • • • Verringerung der depressiven Symptomatik Verbesserung der Umgangsstrategien mit der Impulsivität Förderung des Selbstwertgefühls und Verbesserung der Abgrenzungsfähigkeit Verbesserung der Stressbewältigung Förderung der Entspannungsfähigkeit Klärung der partnerschaftlichen Situation Klärung der beruflichen und sozialen Situation 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.1.6 Therapiemaßnahmen (bzgl. berufsbezogener Problematik) • • • • • • • • • • Einüben sozialer Kompetenzen, Rollenspiele Stressbewältigungstraining Beratung zur beruflichen Wiedereingliederung Erarbeitung einer realistischen beruflichen Perspektive Training von Bewerbungskompetenzen Aktive Bewerbung Adaption Praktikum als landwirtschaftlicher Helfer Kontakt zum Integrationsamt am Wohnort Vermittlung ins Betreute Wohnen 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.1.7 Ergebnis: - Erfolgreiches Praktikum als Helfer auf Pferdehof Entlassung arbeitsfähig abgesprochener und “geschützter” beruflicher Wiedereinstieg mit Unterstützung des Integrationsfachdienstes Betreutes Wohnen zur weiteren Stabilisierung 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.2 Frau R. und Burnout 6.2.1 59-jährige Altenpflegerin -Aufnahme formal arbeitsfähig. -Zuweisungsdiagnose: Erschöpfung bzw. Burnout, Dysthymia und Angstzustände Soziale Rahmenbedingungen: geschieden, alleinlebend, Ausbildung nach der Trennung, finanziell angespannte Situation, belastende Arbeitssituation durch technische und formale Anforderungsveränderungen, Arbeitsüberlastung und Schwierigkeiten sich abzugrenzen, Angst vor Kündigung 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.2.1 Berufliche Situation von Frau R.: - Schichtdienst, häufig wechselnde Schichten mittelschwere bis schwere Arbeit bei wechselnden Körperhaltungen Heben von Lasten hohe Verantwortung für Menschen Zeitdruck hoher Dokumentations- und Kommunikationsaufwand 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.2.1 Subjektive Problembeschreibung - Gestiegene Arbeitsanforderungen, gestiegener Dokumentationsaufwand Definition der Problemlage: Unsicherheit gegenüber neuen Medien und Dokumentationsformen, Pflegevorgaben nicht einzuhalten, häufiges Verausgaben aus Angst vor Arbeitsplatzverlust 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.2.2 Theorie Bei Dauerstress: Körper stellt sich auf das hohe Leistungsniveau ein; Ermüdung andauernde Erschöpfung, andere psychosomatischen Symptome (Unger & Kleinschmidt, 2007) 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.2.2 Theorie Definition „Burnout“ • • • • • dauerhafter, negativer, arbeitsbezogener Seelenzustand „normaler“ Individuen. Geprägt von Erschöpfung, Unruhe und Anspannung (distress) Gefühl verringerter Effektivität, gesunkener Motivation Entwicklung disfunktionaler Einstellungen und Verhaltensweisen resultiert aus Fehlanpassung von Intentionen und Berufsrealität. (Schaufeli & Enzmann, 1998, nach Burisch, 2006) 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.2.2 Theorie: Merkmale von „Burnout“ • • • • Schwerwiegende und anhaltende psycho-physischer Erschöpfung Vielzahl vegetativer und psychosomatischer Beschwerden Verlust an Energie und sozialem Rückzug Schleichender Prozess Gefährdung: - bei ständigem hohen Einsatz nur wenig Erfolg besonders hohe Ansprüche an sich, Neigung zu Perfektionismus übermäßiges Engagement kaum Distanzierungsfähigkeit unterentwickeltes Privatleben 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.2.3 Anwendung der Theorie. Frau R.: Arbeitsfaktoren: ungünstige Arbeitsbedingungen Zeit- und Termindruck, Schichtarbeit, hohe Verantwortung, Überstunden Angst um Arbeitsplatzverlust Personale Faktoren: geringe Selbstsicherheit Faktoren der Arbeitsorganisation: und Abgrenzungsfähigkeit, Fehlende Pausen Geringe Selbstwirksamkeit, neue Dokumentationsform hohe Ängstlichkeit, geringe Stressstabilität, hohes Pflichtbewusstsein 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.2.4 Diagnostik Symptomcheckliste (SCL-90-R) • GSI-Wert von T=80 extrem erhöhte Belastetheit 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.2.4 Diagnostik Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM): • • • • Gesundheitsgefährdendes Verhaltensmuster (Risikotyp B): geringe Distanzierungsfähigkeit, starke Resignationstendenz, deutlich eingeschränktes Lebensgefühl 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.2.4 Diagnostik Rehabilitationsdiagnosen: - Mittelgradige depressive Episode (ICD 10: F 32.1) 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.2.5 Therapieziele und –planung • • • • • • Verringerung der depressiven Symptomatik Modifikation der negativen dysfunktionalen Kognitionen Förderung des Selbstwertgefühls und Verbesserung der Abgrenzungsfähigkeit Verbesserung der Stressbewältigung Förderung der Entspannungsfähigkeit Klärung der beruflichen Situation 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.2.6 Therapiemaßnahmen (bzgl. Berufsbezogener Problematik) - Stressbewältigungstraining (Zeit- und Selbstmanagement) Rollenspiele, zum Training selbstsicherer Verhaltensweisen Beratung zur beruflichen Wiedereingliederung Anforderung einer vorläufigen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung Klärung der medizinischen / therapeutischen Notwendigkeit einer stufenweisen Wiedereingliederung Antrag auf stufenweise Wiedereingliederung an alle beteiligten Stellen Vorbereitung und Durchführung eines begleiteten Arbeitgebergespräches 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.2.7 Ergebnis: - Entlassung arbeitsunfähig stufenweise Wiedereingliederung abgesprochener und “geschützter” beruflicher Wiedereinstieg Arbeitgeber ist im Rahmen des Eingliederungsmanagements mit in der Verantwortung 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.4 Frau G. und Mobbing 6.4.1 20-jährige Arzthelferin in Ausbildung (3. Lehrjahr), ungekündigt Aufnahme formal arbeitsunfähig seit ca. 2 Monaten Zuweisungsdiagnose: Anpassungsstörung (Angst und Depression, gemischt)(ICD-10: F 43.2) 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.4.1 Frau G. Soziale Rahmenbedingungen: - ledig, kinderlos, wohnt bei Eltern, massive Konflikte aus finanziellen Gründen Zusammenziehen mit Freund derzeit nicht möglich belastende Arbeitssituation durch Arbeitsplatzkonflikte wiederkehrende persönliche Angriffe 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.4.1 Berufliche Situation von Frau G.: - Tagdienst leichte Tätigkeit, im Stehen, Gehen und Sitzen Publikumskontakt Assistenz bei der Behandlung Bildschirm- Verwaltungsarbeit, multitasking Job hohe Konzentrationsanforderung und Verantwortung 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.4.1 Subjektive Problembeschreibung Willkürlich wiederkehrende Konflikte mit und verbale Angriffe durch den Arbeitgeber und einer Kollegin Definition der Problemlage: durch Arbeitsplatzsituation, hier die wiederkehrenden Konflikte, überfordert Patientin zweifelt an ihren persönlichen und fachlichen Kompetenzen, starker Rückzug 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.4.2 Theorie “Mobbing” „…beschreibt negative kommunikative Handlungen, die gegen eine Person gerichtet sind (von einer oder mehreren anderen) und die sehr oft und über einen längeren Zeitraum hinaus vorkommen und damit die Beziehung zwischen Täter und Opfer kennzeichnen.“ (Leymann, 1993, S.21) 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.4.2 Theorie Mobbing liegt vor wenn: eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz besteht die angegriffene Person unterlegen ist die Angriffe systematisch/ nicht berechenbar erfolgen mit dem Ziel und / oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis Person direkt oder indirekt angegriffen wird die angegriffene Person die Angriffe als Diskriminierung empfindet (Klein & Frank, 2008) 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.4.3 Anwendung der Theorie, Frau G.: Arbeitsfaktoren ungünstige Arbeitsbedingungen: kleines Team, Zeitdruck, Störungen, verschiedene Aufgaben gleichzeitig Zwischenmenschliche Probleme am Arbeitsplatz: Personale Faktoren: Fehlende Unterstützung geringe Konfliktund Konflikte mit Chef und Kritikfähigkeit, und einer Kollegin Ängstlichkeit 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.4.4 Diagnostik Symptomcheckliste (SCL-90-R) - Bei GSI von T=70 deutlich erhöhte Belastetheit 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.4.4 Diagnostik Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM): • Gesundheitsgefährdendes Verhaltensmuster (Risikotyp B): • geringe Distanzierungsfähigkeit • starke Resignationstendenz • deutlich eingeschränktes Lebensgefühl 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.4.4 Diagnostik Rehabilitationsdiagnose: Anpassungsstörung (Angst und Depression, gemischt)(ICD-10: F 43.2) 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.4.5 Therapieziele und –planung • • • • • • • Verringerung der depressiven Symptomatik Förderung des Selbstwertgefühls und Verbesserung der Abgrenzungsfähigkeit Verbesserung der Stressbewältigung Verbesserung des Umgangs mit Konflikten Verbesserung des Umgangs mit Gefühlen Förderung der Entspannungsfähigkeit Klärung der beruflichen und sozialen Situation 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.4.6 Therapiemaßnahmen bzgl. der berufsbezogenen Problematik • • • • Analyse des Konfliktgeschehens Auseinandersetzung mit eigenen problematischen Anteilen Förderung der „Emotionaler Intelligenz“ nach Goleman: Fähigkeit, mit eigenen Gefühlen und denen anderer richtig umzugehen. Selbsteinschätzung, Selbstmanagement, Empathie und Soziale Kompetenz Rollenspiele zur Bearbeitung der Arbeitsplatzkonflikte und Abgrenzung 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.4.6 Weitere Therapiemaßnahmen • • • • • Planung einer Arbeitsbelastungserprobung als Arzthelferin Kontaktaufnahme mit der Handwerkskammer Durchführung einer Arbeitsbelastungserprobung dazu gehört: Bewerbung, Vorstellung, Arbeitserprobung, gemeinsames Bilanzierungsgespräch Bewerbungstraining aktive Stellenrecherche und Bewerbungen 6. Praxisbezug und theoretische Exkurse 6.4.7 Ergebnis: - bezogen auf die letzte Tätigkeit arbeitsfähig entlassen Patientin hat positive Erkenntnisse aus Behandlung und Arbeitserprobung gezogen, will als Arzthelferin weiter arbeiten Aktive Bewerbung auf offene Stellen als Arzthelferin, mit Einladung zu Vorstellungsgespräch Patientin hat Fähigkeiten erworben, an neuem Arbeitsplatz konstruktiv mit Konflikten und Übergriffen Patientin plante konkret einen Arbeitsplatzwechsel 7. Diskussion - 7.1 Neuere Konzepte - 7.1.1 Arbeitssucht - 7.1.2 Arbeitsphobie - 7.1.3 Posttraumatische Verbitterungsstörung 7. Diskussion 7.1.1 Arbeitssucht - kein offiziell anerkanntes Krankheitsbild beschrieben als eine stoffungebundene Sucht zwischen die klinischen Bilder Substanzabhängigkeit und Impulskontrollstörungen gerückt 7. Diskussion 7.1.2 Arbeitsplatzängste und –phobien - als spezifische Phobie diskutiert - übertriebene und unangemesene, wiederkehrende Angstreaktionen auf eine Arbeitssitution 7. Diskussion 7.1.3 Posttraumatische Verbitterungsstörung - Neues Konzept einer Anpassungsstörung - Ausgelöst durch ein einschneidendes, nicht lebensbedrohliches Ereignis 7. Diskussion 7.2 Gesundheitsförderliche Aspekte 7.2.1 Institutionelle Aspekte der Arbeit Arbeitsplatzsicherheit Anwendung des beruflichen Leistungspotentials Passung der beruflichen Anforderung mit persönlichen Ressourcen und Neigungen Wirksame Leistungsanreize Realistische individuelle Chancen im Wettbewerb der Arbeitswelt Realistische berufliche Entwicklungsmöglichkeiten 7. Diskussion 7.2.2 Individuelle Aspekte - salutogenetische Potentiale/ Ressourcen stärken: soz. Unterstützung am Arbeitsplatz, in Familie, im Freundeskreis, Freizeit - Selbstorganisation, Team-, Dialog-, Konfliktfähigkeit, Veränderungsfähigkeit fördern die negative Belastungsfaktoren kompensieren können Ausblick Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!