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Entscheidungshilfe Psychose:
Schritt 1: Was ist eine Psychose?
Was ist eine Psychose?
Menschen mit einer Psychose steigen vorübergehend aus der
Realität aus. Bei einer Psychose können das Denken, die Gefühle,
die Wahrnehmung (Sehen, Hören, Riechen, Tasten) – auch das
Empfinden zum eigenen Körper – und der Kontakt zu anderen
Menschen verändert sein. Eine Psychose ist wie eine extreme
Dünnhäutigkeit.
Was Menschen in ihrem Inneren fühlen, denken oder sich vorstellen und das, was in der
äußeren Welt passiert, kann in einer Psychose kaum noch unterschieden werden. Das kann
dazu führen, dass Betroffene Stimmen hören, die andere nicht hören oder dass sie sich
verfolgt oder bedroht fühlen - auch von Menschen, die ihnen nahestehen. Es kann sein, dass
sie Botschaften aus einer Welt erhalten, die anderen nicht zugänglich ist, oder das Gefühl
haben, sie würden sich körperlich verändern.
Das psychotische Erleben kann davon abhängig sein, was für innere Wünsche und Ängste
ein Mensch hat oder in welcher Lebenswelt er sich befindet, ganz verschiedene Formen
annehmen. Die Veränderungen und Probleme (in der Fachsprache: Symptome), die
Menschen in einer Psychose erleben, werden von den Fachexperten grob in drei Bereiche
eingeteilt:
Positive Symptome
Positive Symptome
Halluzinationen
Wie Sie das empfinden können
"Ich kann Geräusche, Gespräche oder Stimmen hören, obwohl ich alleine in einem ruhigen
Zimmer bin. Andere Personen sagen, sie würden nichts hören. Ich bin mir aber sicher."
„Ich beziehe alles auf mich, erlebe ein starkes Gefühl von Verunsicherung.“ „Ich weiß, dass es
Wahnvorstellungen
Personen gibt, die es auf mich abgesehen haben und mich nicht in Ruhe lassen.“ „Ich bin für das
Glück aller Menschen auf diesem Planeten verantwortlich.“
Negative Symptome
Negative Symptome
Wie Sie das empfinden können
Antriebsarmut
„Manchmal habe ich keine Motivation, überhaupt rauszugehen oder meine Dinge zu erledigen.“
Sozialer Rückzug
„Ich habe große Angst vor Kontakt, vor anderen Menschen, auch vor denen, die ich schon lange
kenne.“ „Am Kontakt zu anderen Menschen habe ich das Interesse verloren.“
Einschränkungen der
„Es fühlt sich so an, als wäre mir alles gleichgültig. Ich fühle mich teilweise wie betäubt, wie unter
Stimmung
einer Glocke.“
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Kognitive Symptome
Kognitives Symptom
Wie Sie das empfinden können
Denkstörung
„Manchmal springe ich von einem Thema zum nächsten.“ „Ich habe zu viele Gedanken gleichzeitig
im Kopf.“
Welche Formen und Verläufe von Psychosen gibt es?
Der Begriff ‚Psychose‘ ist ein Überbegriff für verschiedene psychische Erkrankungen, bei
denen Halluzinationen oder Wahn zu den auffälligsten Problemen gehören.
Wenn Sie solche oder ähnliche Veränderungen in Ihrer Wahrnehmung und Ihrem Denken
erleben, kann es sein, dass Ihr Arzt oder Psychotherapeut z.B. eine „Schizophrenie“,
„Schizoaffektive Störung“ oder „Bipolare Störung“ feststellt (in der Fachsprache:
diagnostiziert).
Überblick über die unterschiedlichen Formen von Psychosen
Psychiatrische
Diagnose
Erscheinungsbild
Akute vorübergehende
psychotische Störung
Psychotische Symptome treten dabei meistens plötzlich und häufig als Reaktion auf einen
großen persönlichen Stress auf, zum Beispiel ausgelöst durch den Tod eines nahen
Angehörigen. Die Symptome sind häufig sehr schwer, jedoch genesen die meisten Patienten
wieder schnell.
Im Rahmen von bipolaren Störungen erleben manche Menschen auch psychotische Symptome.
Menschen mit bipolaren Störungen (manisch-depressiven Erkrankungen) erleben sehr starke
Schwankungen im Antrieb, im Denken und in der Stimmung. Sie erleben depressive Phasen und
sehr aktive Phasen mit euphorischer oder ungewöhnlich gereizter Stimmung.
Der Gebrauch oder das Absetzen von Drogen und/oder Alkohol kann mit dem Auftreten
psychotischer Symptome verbunden sein. Normalerweise verschwinden die Symptome nach
Absetzen der Drogen.
Manchmal treten psychotische Symptome im Rahmen von Erkrankungen auf, bei denen die
Gehirnfunktion gestört wird, zum Beispiel bei Enzephalitis (Entzündung des Gehirns), AIDS,
Tumoren oder Epilepsie. Normalerweise sind dabei auch andere körperliche Symptome
vorhanden.
Es gelten dieselben Kriterien wie bei der Schizophrenie, nur dass gleichzeitig
Stimmungsveränderungen wie Manie und/oder Depression vorliegen. Im Vergleich zu bipolaren
Störungen treten psychotische Symptome auch außerhalb von manischen und depressiven
Phasen auf.
Beschreibt eine psychotische Erkrankung, bei der das psychotische Erleben und die damit
verbundenen Änderungen im Verhalten über mindestens sechs Monate bestehen. Die
Symptome und die Dauer der Erkrankung sind von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich.
Es gelten die gleichen Kriterien wie bei der Schizophrenie, nur dass das psychotische Erleben
und die damit verbundenen Änderungen im Verhalten weniger als sechs Monate bestehen.
Menschen mit einer wahnhaften Störung erleben vor allem Wahnvorstellungen. Andere
Symptome treten nur vorübergehend und in milder Form auf.
Bipolare Störung
Drogeninduzierte
Psychose
Organische Psychose
Schizoaffektive Störung
Schizophrenie
Schizophreniforme
Störung
Anhaltende wahnhafte
Störung
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Psychosen können plötzlich oder auch schleichend entstehen. Sie beeinflussen das Leben
der Betroffenen auf sehr unterschiedliche Weise. Die verschiedenen Formen von Psychosen
haben sehr unterschiedliche Ursachen und Symptome. Sie können eine kurze, aber auch sehr
lange Zeit anhalten. Viele Menschen führen trotz schwerer psychischer Erkrankungen - etwa
einer Schizophrenie - ein glückliches und erfülltes Leben.
Verläufe von Psychosen
Der Verlauf von Psychosen ist von vielen Faktoren abhängig und kann sehr
unterschiedlich sein:

Manche Menschen werden einmal psychotisch und nie wieder. Oder sie haben nach
dem zweiten oder dritten Mal bestimmte Spannungen und Konflikte bewältigt und zu
mehr innerer Ruhe gefunden.

Andere müssen damit rechnen, in tiefen Lebenskrisen wieder psychotisch zu werden.
Sie können aber unter Umständen lernen rechtzeitig gegenzusteuern.

Wieder andere erleben über längere Zeit psychotische Symptome oder haben häufig
bestimmte psychotische Wahrnehmungen. Auch sie können unter Umständen lernen,
dass diese besondere Form der Wahrnehmung nicht nur einschränkend, sondern auch
eine Bereicherung sein kann.
Niemand weiß genau, wie viele Menschen in welche Gruppe gehören. Niemand kann den
Krankheitsverlauf eines Einzelnen vorhersagen (in der Fachsprache: Prognose).
In der Regel gilt jedoch: Je schneller eine Psychose behandelt wird, desto günstiger
ist die Prognose. Es bleibt immer Hoffnung!
Wie häufig sind Psychosen?
1 bis 2% der deutschen Gesamtbevölkerung erleben mindestens einmal im Leben eine
Psychose. Allein an Schizophrenie sind derzeit 51 Millionen Menschen weltweit erkrankt.
Meistens haben Menschen zum ersten Mal zwischen 12 und 29 Jahren eine Psychose.
Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.
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Wer bekommt eine Psychose?
Grundsätzlich kann jeder Mensch eine Psychose bekommen!
Sie ist sogar ein Schutzmechanismus, wenn die Realität zu schmerzhaft, die Widersprüche
zwischen innerer und äußerer Welt zu stark, Entscheidungen unmöglich oder Gefühle nicht
auszuhalten sind.
Ob und in welchen Situationen Menschen mit einer Psychose reagieren, hängt von ihrer
Dünnhäutigkeit oder Verletzlichkeit (in der Fachsprache: Vulnerabilität) ab. Bei extremer
Belastung – wie z.B. einer Traumatisierung – können auch sehr stabile Menschen so
reagieren. Bei Menschen mit einer ausgeprägten Dünnhäutigkeit können aber weit weniger
Belastungen zu psychotischen Reaktionen führen, vor allem in instabilen Zeiten wie der
Pubertät, nach der Geburt eines Kindes oder nach dem Verlust eines nahestehenden
Menschen.
Wie entsteht Dünnhäutigkeit?
Eine ausgeprägte Dünnhäutigkeit kann durch verschiedene Risikofaktoren beeinflusst
werden, etwa traumatische Erlebnisse, frühe Entwicklungsstörungen, familiäre
Vorbelastungen (z.B. genetisch), eine Verletzung oder schwere Infektion des Gehirns oder
sehr früher und massiver Cannabiskonsum (auch: Marihuana oder Haschisch).
Trotzdem ist eine Erkrankung nicht immer unvermeidbar. Durch die schützende Wirkung
anderer Faktoren - etwa eine gute soziale Einbindung, eine stabile Partnerschaft oder gute
Bewältigungsfähigkeiten - kann der Ausbruch einer Psychose ausbleiben.
Warum Psychosen zutiefst menschlich sind
Wir Menschen müssen im Unterschied zu anderen Lebewesen um unser Selbstverständnis
ringen. D.h. wir können an uns zweifeln, an anderen zweifeln und dabei auch verzweifeln. Wir
können über uns hinaus denken und uns dabei auch verlieren. Wer darüber psychotisch wird,
kann auf andere befremdlich wirken, ist aber kein Wesen vom anderen Stern, sondern zutiefst
menschlich. Denn jeder Mensch kann psychotisch werden. Ab einer bestimmten Überreizung
(Traumatisierung) steigt jeder aus der Wirklichkeit aus. Wenn alle Reize entfernt werden, fängt
jeder an „zu spinnen“. Das ist ein Schutzmechanismus. Nur die Schwelle ist verschieden, ab
der wir so reagieren.
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Ein Mensch in einer Psychose greift auf eine kindliche Wahrnehmungsform zurück. Er nimmt
die Welt „egozentrisch“ war (d.h. er hält seine eigene Wahrnehmung/Ansicht für die einzig
richtige, nicht eine unter vielen) und versucht so die unübersichtliche Welt zu ordnen.
Psychosen haben Ähnlichkeiten mit Träumen, nur dass wir im Traum durch den Schlaf
geschützt sind. Wie in Träumen so werden wir auch in Psychosen von unbewussten
Wünschen und Ängsten berührt. Insofern kann es sich lohnen, die Erfahrungen in einer
Psychose zu verstehen und zu entschlüsseln. Das gelingt vielleicht nicht im akuten Moment.
Später kann es aber Sinn machen, über diese Erfahrungen nachzudenken.
Psychotherapeuten oder Peer-Berater können dabei helfen.
Quelle: http://entscheidungshilfen.psychenet.de/index.php?id=893
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