L ABORATORIUMSMEDIZIN Institut für Molekularbiologie Direktor: Prof. Dr. rer. nat. Achim Gossler Forschungsprofil Der Arbeitsschwerpunkt der Abteilung liegt auf der Analyse molekularer Mechanismen, die der Ausbildung des Körperplans sowie der Differenzierung und Organogenese zugrunde liegen. Innerhalb dieser Thematik werden grundlegende musterbildende Prozesse einerseits, die Entwicklung einzelner Organe und ihrer differenzierten Zelltypen andererseits mit molekularbiologisch-molekulargenetischen Techniken untersucht. Darüber hinaus sind grundsätzliche Fragen und Mechanismen der Zellzykluskontrolle, auch im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Tumorentstehung, zentrale Themen einer Arbeitsgruppe, die in Kooperation mit der Abteilung Gastroenterologie und Hepatologie besteht. Als Modellorganismus dient die Maus. Transgene Mäuse sowie durch homologe Rekombination hergestellte Mutanten sind wesentlicher Bestandteil aller bearbeiteteten Fragenkomplexe und werden in der Abteilung hergestellt. Forschungsprojekte Untersuchungen zu molekularen Grundlagen der Somitogenese: Regulation des Notch Liganden Delta1 im präsomitischen Mesoderm Die Somitogenese stellt einen grundlegenden musterbildenden Prozess dar, der das paraxiale Mesoderm der Wirbeltiere (und der Cephalochordaten) in sich wiederholende Segmente, die Somiten, unterteilt. Somiten sind paarige Blöcke epithelialer Zellen, die sich am kranialen Ende des paraxialen Mesoderms, das während der Gastrulation beiderseits des Neuralrohrs als mesenchymales Gewebe angelegt wird, abschnüren. Aus den Somiten gehen die knöchernen Anteile der Wirbelsäule (Wirbelkörper, Wirbelbögen und Rippen), die dorsale Dermis sowie die Körper- und Gliedmaßenmuskulatur hervor. Die Segmentierung des paraxialen Mesoderms bildet die Grundlage für den metameren Aufbau des axialen Skeletts. Die Segmentierung ist ein im paraxialen Mesoderm autonom ablaufender Prozess, der von einer im präsomitischen Mesoderm (PSM) vorhandenen intrinsischen Uhr, der sogenannten ‘Segmentierungsuhr’ gesteuert wird. Die Existenz der Segmentierungsuhr wurde durch die Identifizierung verschiedener Gene, die ein zyklisches Expressionsprofil im PSM aufweisen, aufgezeigt. Die Expression dieser zyklischen Gene erfolgt in einer zeitlich streng koordinierten Abfolge. Jeder Expressionszyklus beginnt in der posterioren Region des PSM und wandert wellenartig in den anterioren Bereich, wobei je nach Gen und Spezies die Expressionsdomäne im anterioren oder posterioren Anteil des prospektiven Somiten endet. Die Zeit eines Expressions-zyklus korreliert in etwa mit der Zeit, die benötigt wird um einen Somiten zu bilden; MHH Forschungsbericht 2004 619 L ABORATORIUMSMEDIZIN in der Maus sind das etwa 90 min. Die Zellen des PSM müssen eine bestimmte Anzahl an Expressionswellen durchlaufen, bevor sie bereit sind, eine Somitengrenze zu bilden. In der Maus werden verschiedene Komponenten des Notch-Signalübertragungswegs, sowie Axin2, ein negativer Regulator der Wnt-Signalkaskade oszillierend im PSM exprimiert. Aufgrund experimenteller Befunde in verschiedenen Vertebraten ist klar, dass sowohl Notch- als auch Wnt-Signale für die Segmentierung und Musterbildung in den Somiten essentiell sind, wobei Wnt-Signale darüber hinaus generell für die Bildung des Mesoderms notwendig sind. Jedoch gibt es zur Zeit eine Reihe von unterschiedlichen Arbeitshypothesen, welche Rolle die Notch- und Wnt-Signalübertragung im Kontext der Segmentierungsuhr spielt, und welches epistatisches Verhältnis vorliegt. So wird postuliert, dass Notch die Segmentierungsuhr in benachbarten Zellen synchronisiert, oder Notch den Schrittmacher der Segmentierungsuhr darstellt, oder dass Wnt die zyklische Aktivität von Notch kontrolliert und damit den eigentlichen Schrittmacher darstellt. Abb. 1: T-Box (T) und Lef/Tcf (L) Bindestellen im “mesodermalen Enhancer” (msd) von Dll1 und Aktivierung des Dll1 Enhancers durch Tbx6 und Lef/Tcf. (A), schematische Darstellung der msd-Region mit Bindestellen. (B), relative Luciferase-Aktivität in CHO Zellen nach Transfektion von den angezeigten Expressionsvektoren und einem msd-Luciferase Reportergen. Im Kontext unserer Analysen des Notch Liganden Delta1, der für die normale Segmentierung des paraxialen Mesoderms essentiell ist, haben wir im Berichtszeitraum Untersuchungen zur Regulation der Transkription von Delta1 im präsomitischen Mesoderm durchgeführt. Aufbauend auf der Beobachtung, dass Delta1 Transkripte in einem von uns charakterisierten hypomorphen Allel des Transkriptionsfaktors Tbx6 im PSM stark reduziert vorliegen, und ein von uns hergestelltes Delta1 Null-Allel und Tbx6 Allele eine sogenannte “non-allelic non-complementation” in doppeltheterozygoten Tieren zeigen haben wir die Promotorregion von Delta1 auf potentielle Bindungsstellen für T-Box Transkriptionsfaktoren hin untersucht. Diese Analyse zeigte, dass in einem von uns charakterisierten Delta1 Promotorbereich, der ausreichend ist, heterologe Genexpression im paraxialen Mesoderm transgener Mäuse zu bewirken, mehrere potentielle T-Box Bindestellen vorliegen. Darüber hinaus wurden bei dieser Analyse auch Bindestellen für den Wnt-Effektor Lef/Tcf gefunden (Abb. 1A). Diese Befunde legten nahe, dass Delta1 im PSM möglicherweise sowohl von Tbx6 als auch von Wnt-Signalen reguliert werden könnte. Um dies weitergehend zu untersuchen, haben wir Reportergenkonstrukte mit dem Delta1 620 MHH Forschungsbericht 2004 L ABORATORIUMSMEDIZIN Promotor hergestellt, diese zusammen mit Expressionsvektoren für Tbx6 und Lef/Tcf in Zellen eingebracht, und die Transaktivierung des Reportergens gemessen. Dabei zeigte es sich, dass Tbx6 und Lef/Tcf einzeln den Delta1 Promotor nur schwach aktivierten, gemeinsam aber einen starken synergistischen Effekt hatten (Abb. 1B). Die Spezifität der Aktivierung wurde mit Hilfe von Reportergenkonstrukten, in denen T-Box bzw. Lef/Tcf-Bindestellen mutiert waren, gezeigt. Um die Bedeutung der T-Box und Lef/Tcf-Bindestellen für die transkriptionelle Aktivierung des Dll1 Promotors in vivo zu untersuchen, wurden Reportergene hergestellt, in denen etwa 4kb des Dll1 Promotors bzw. das msd-Element vor das E. coli lacZ Gen kloniert wurden (Abb. 2 A, B). Diese Konstrukte wurden in befruchtete Mauseizellen injiziert, und resultierende transgene Embryonen am Tag 10-10.5 auf lacZ Expression durch b-Galaktosidasefärbung untersucht (Abb. 2 C, D). Diese Analysen zeigten, dass die Expression in der Schwanzknospe sowie im PSM von funktionellen T-Box bzw. Lef/Tcf-Bindestellen abhängt. Abb. 2: Reportergenkonstrukte und b-Galaktosidaseaktivität in transgenen Embryonen. Schematische Darstellung der Dll1 5’ Regionen in lacZ Reportergenkonstrukten mit 4kb (A) bzw. dem msd-Element des Dll1 Promotors und der darin enthaltenen T-Box und Lef/Tcf- Bindestellen. (C) b-Galaktosidasefärbung in transgenen Embryonen mit Konstrukt (A) mit Wild- typ oder mutierten T-Box Bindestellen. (D) b-Galaktosidasefärbung in transgenen Embryonen mit Konstrukt (B) mit Wildtyp oder mutierten T-Box bzw. Lef/TcfBindestellen. Wir haben damit gezeigt, dass Wnt-Signale nicht nur für die Bildung des Mesoderms notwendig sind, sondern auch musterbildende Prozesse im paraxialen Mesoderm direkt und kooperativ mit T-Box Genen, die selber Zielgene des Wnt-Signalübertragungsweges darstellen, kontrollieren, und dass Notch-Aktivität im PSM durch die transkriptionelle Regulation des essentiellen Liganden Dll1 durch Wnt kontrolliert wird. Projektleiter: A. Gossler, Mitarbeiter: K. Schuster-Gossler, M. Rudolph; Förderung: DFG, Grundausstattung MHH Forschungsbericht 2004 621 L ABORATORIUMSMEDIZIN Weitere Forschungsprojekte Genetische Kontrolle der Notochordentwicklung: Funktionelle Charakterisierung von chordal, einem Kandidaten für das Sd-Gen der Maus Projektleiter: A. Gossler; Förderung: DFG Molekulargenetische Analyse des tc-Gens Projektleiter: A. Gossler; Förderung: DFG Untersuchungen zu molekularen Grundlagen der Somitogenese: Analyse der Biochemischen Äquivalenz der Notch Liganden Dll1 und Dll3 im paraxialen Mesoderm Projektleiter: A. Gossler; Förderung: DFG Analyse der Rolle von Notch-Signalen im paraxialen Mesoderm mittels konditioneller Notchaktivierung Projektleiter: A. Gossler; Förderung: Grundausstattung Analyse des Gprc5c-Gens der Maus Projektleiter: K. Serth; Förderung: HiLF Untersuchungen zu molekularen Grundlagen der Differenzierung und Funktion des Darmepithels: Funktionelle Charakterisierung spezifisch im Darmepithel exprimierter Gene Projektleiter: A. Gossler; Förderung: DFG (GK705), Grundausstattung Funktionelle Analyse von Tbx18: In der Entwicklung der Wirbelsäule der Maus Projektleiter: A. Kispert; Förderung: DFG In der Entwicklung des Innenohrs der Maus Projektleiter: A. Kispert; Förderung: DFG In der Entwicklung der Niere der Maus Projektleiter: A. Kispert; Förderung: DFG 622 MHH Forschungsbericht 2004 L ABORATORIUMSMEDIZIN Funktionelle Analyse von Uncx4.1: In der Entwicklung der Wirbelsäule der Maus Projektleiter: A. Kispert; Förderung: DFG In der Entwicklung der Niere der Maus Projektleiter: A. Kispert; Förderung: DFG Funktionelle Charakterisierung des Tbx8-Gens der Maus Projektleiter: A. Kispert; Förderung: DFG Funktionelle Charakterisierung des Tbx20-Gens in der Herzentwicklung der Maus Projektleiter: A. Kispert Identifizierung eines Signaltransduktionsweges der zum Abbau des Zellzyklusinhibitors p27 beim Eintritt in den Zellteilungszyklus führt Projektleiter: N.P. Malek; Förderung: DFG Untersuchung zur Bedeutung des Tumorsuppressorproteins p27 in der Entstehung von Hepatozellulären Karzinomen Projektleiter: N.P. Malek; Förderung: Deutsche Krebshilfe, Förderung im Rahmen des Max-Eder-Nachwuchsprogrammes Gemeinsame Mechanismen der Gewebshomöostase in Darm und Leberepithelien Projektleiter: N.P. Malek und A. Gossler; Förderung: DFG: Forschergruppe HCC Originalpublikationen Ben Abdelkhalek H, Beckers A, Schuster-Gossler K, Pavlova MN, Burkhardt H, Lickert H, Rossant J, Reinhardt R, Schalkwyk LC, Müller I, Herrmann BG, Ceolin M, Rivera-Pomar R, Gossler A. The mouse homeobox gene Not is required for caudal notochord development and affected by the truncate mutation. Genes Dev 2004; 18:1725-36. Bussen M, Petry M, Schuster-Gossler MHH Forschungsbericht 2004 K, Leitges M, Gossler A, Kispert A. The T-box transcription factor Tbx18 maintains the separation of anterior and posterior somite compartments. Genes Dev 2004; 18: 1209-22. Cordes R, Schuster-Gossler K, Serth K, Gossler A. Specification of vertebral identity is coupled to Notch signalling and the segmentation clock. Development 2004; 131:1221-33. 623 L ABORATORIUMSMEDIZIN Haenig B, Kispert A. Analysis of TBX18 expression in chick embryos. Dev Genes Evol 2004; 214:407-11.p. 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Mark-Oliver Trowe (Dipl.-Biol.); Thema: Funktionelle Analyse von Tbx18 in der Entwicklung des Innenohrs der Maus. Wissenschaftliche Preise Dr. med. NP Malek: HiLF-SymposiumVortragspreis Weitere Tätigkeiten in der Forschung Prof. Dr. A. Gossler: Fachgutachter für das Fach „Entwicklungsbiologie“ im Fachkollegium „Grundlagen der Biologie und Medizin“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft MHH Forschungsbericht 2004