Forschungsbericht - Medizinische Hochschule Hannover

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LABORATORIUMSMEDIZIN
Abteilung Molekularbiologie
Direktor: Prof. Dr. rer. nat. Achim Gossler
Forschungsprofil
Der Arbeitsschwerpunkt der Abteilung liegt auf der Analyse molekularer Mechanismen,
die der Ausbildung des Körperplans sowie der Differenzierung und Organogenese zugrunde
liegen. Innerhalb dieser Thematik werden grundlegende musterbildende Prozesse einerseits, die Entwicklung einzelner Organe und ihrer differenzierten Zelltypen andererseits
mit molekularbiologisch-molekulargenetischen Techniken untersucht. Darüber hinaus sind
grundsätzliche Fragen und Mechanismen der Zellzykluskontrolle, auch im Hinblick auf ihre
Bedeutung für die Tumorentstehung, zentrale Themen einer Arbeitsgruppe, die in Kooperation
mit der Abteilung Gastroenterologie und Hepatologie besteht. Als Modellorganismus dient die
Maus. Transgene Mäuse sowie durch homologe Rekombination hergestellte Mutanten sind
wesentlicher Bestandteil aller bearbeiteten Fragenkomplexe und werden in der Abteilung
hergestellt.
Forschungsprojekte
Funktionelle Charakterisierung des Tbx20 Gens in der Herzentwicklung der Maus
Die Entwicklung des vierkammerigen Herzens der Wirbeltiere ist ein vielstufiger Prozess,
der bereits in der frühen Embryogenese zu einem funktionellen Organ führt, das die Ernährung des wachsenden Embryos durch eine gleichmäßige Blutversorgung ermöglicht. Die
Herzentwicklung beginnt kurz nach der Gastrulation, wenn zwei Regionen im anterioren
Lateralplattenmesoderm durch den Einfluss induktiver Signale kardial spezifiziert werden.
Dieses kardiogene Mesoderm fusioniert in der Mittellinie des Embryos zu einer hufeisenförmigen Anlage, die sich verlängert, zu einem Rohr schließt und den linearen Herzschlauch
bildet. Dieser Herzschlauch beginnt eine rhythmische Kontraktion und pumpt dabei das am
posterioren Ende zusammenfließende venöse Blut vom Einflusstrakt durch einen primitiven
Ventrikel in den Ausflusstrakt am anterioren Pol, von wo es in die dorsale Aorta fließt. Der
lineare Herzschlauch zeigt bereits einen zweischichtigen Aufbau aus einer inneren Endothelschicht, dem Endokard, und einer umgebenden Muskelschicht, dem (primären) Myokard. Die
äußere Epithelschicht des Herzens, das Epikard, bildet sich erst später aus kaudal liegenden
Mesothelzellen, die das Myokard besiedeln. Kurz nach Bildung des linearen Herzschlauchs
kommt es zu einem komplexen morphogenetischen Prozess, der Herzschleifenbildung, bei
dem eine Umlagerung des kaudal-venösen Bereichs in eine dorsal-kraniale Position stattfindet.
Gleichzeitig finden lokale Erweiterungen des Herzschlauchs statt, durch die Hauptkammern
und Vorhöfe ihre Gestalt gewinnen. Die zukünftigen Kammern sind durch einen besonderen
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Typ von Myokard charakterisiert, dem sekundären oder Kammermyokard, das bereits die
elektrophysiologischen Eigenschaften des adulten Gewebes aufweist. Zwischen Atrien und
Ventrikeln (im atrioventrikulären Kanal) und an den beiden Polen (im Ausflusstrakt und im
Sinus venosus) verbleiben Bereiche mit dem ursprünglichen primären Myokard des Herzschlauchs. In diesen Bereichen gehen aus dem Endokard die Kissengewebe, die Vorläufer der
Herzklappen hervor. Aus dem primären Myokard bildet sich das Reizleitersystem des Herzens.
Durch die weitere Reifung der Kammern, die die Trabekularisierung der Ventrikel und die
Septenbildung einschließt, entsteht schließlich das funktionelle vierkammerige Herz. Neuere
Befunde zeigen, dass im linearen Herzschlauch lediglich der linke Ventrikel, der atrioventrikuläre Kanal und ein kleiner Teil der Atrien repräsentiert sind. Die anderen Herzanteile werden
während der Schleifenbildung sukzessive an den Polen aus dorsal liegenden mesenchymalen
Vorläuferzellen des sog. sekundären Herzfelds rekrutiert und danach myokardialisiert.
Abb. 1.: Tbx20 in der murinen Herzentwicklung. (A-D) In situ Hybridisierungsanalyse der Tbx20 Expression in ganzen Mausembryonen der Stadien E7.5 (A), E8.0 (B), E9.5 (C), E11.5 (D). (E-K) Morphologische (E-G) und molekulare (H-K) Charakterisierung von Tbx20 mutanten Embryonen bei E9.5 (alle außer H, I) und E8.5 (H, I). (H, I) Expression von Tbx2 (Pfeil) im Herzen.
(J, K) Expression von Bmp2 (Pfeil) im Herzen. Blicke sind von lateral (E, J, K) und ventral (F-I). AFT - Ausflusstrakt, H - Herz,
Hs- Herzschlauch, kM - kardiogenes Mesoderm, lV - linker Ventrikel, pV - primitiver Ventrikel, rV - rechter Ventrikel.
Die genetische Kontrolle der Herzentwicklung ist nur unzureichend verstanden, doch
scheinen T-Box-Gene dabei eine sehr prominente Rolle zu spielen. T-Box-Gene kodieren
für Transkriptionsfaktoren, die durch eine konservierte DNA-bindende Region, die T-Box
gekennzeichnet sind. Sie agieren je nach Kontext der konservierten DNA-Bindungsstelle als
Transkriptionsaktivatoren und/oder -repressoren. Die Familie der murinen und humanen TBox-Gene umfasst 18 Mitglieder, deren wichtige Funktionen in der Embryonalentwicklung,
besonders in der Gastrulation und der Entwicklung verschiedener Organsysteme durch genetische Analysen aufgezeigt werden konnte. Mutationen in mindestens sechs T-Box-Genen
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konnten darüber hinaus als Ursache menschlicher Erbkrankheiten identifiziert werden, was
die Bedeutung der Genfamilie in normalen und pathologischen Prozessen untermauert.
Sechs der 18 T-Box-Gene zeigen eine spezifische Expression in der Entwicklung des
Mausherzens. Genetische Analysen in Mensch und Maus konnten Tbx1, Tbx2, Tbx3 und
Tbx5 bereits eine essentielle Rolle in der Herzentwicklung zuweisen. Tbx1 ist wichtig für
die korrekte Bildung des Ausflusstrakts, Tbx2 und Tbx3 regulieren die Aufrechterhaltung
des primären Myokards des atrioventrikulären Kanals und des Ausflusstrakts, und Tbx5 ist
notwendig für die Bildung der posterioren Herzanteile.
Wir haben vor einigen Jahren eine neue Subfamilie (Tbx15, Tbx18, Tbx20 und Tbx22) der
murinen T-Box-Gene identifiziert und in der Folge die Expression der einzelnen Mitglieder
während der Mausentwicklung untersucht. Neben spezifischen extrakardialen Expressionsdomänen, deren funktionelle Bedeutung wir ebenfalls untersuchen, konnten wir zeigen, dass
Tbx18 und Tbx20 zwei neue kardiale exprimierte T-Box-Gene darstellen.
Tbx20 wird im frühen kardiogenen Mesoderm des E7.5 Mausembryos in zwei lateralen
Flügeln exprimiert. Die Expression setzt sich in den linearen Herzschlauch fort, wird aber
mit der Kammerbildung auf Regionen der primären Myokards, d.h. den atrioventrikulären
Kanal und den Ausflusstrakt beschränkt. Dort findet sie sich sowohl im Endokard als auch
im Myokard (Abb. 1A-D).
Wir setzten gezielte Mutagenese in der Maus ein, um die funktionelle Bedeutung des
Gens für die Entwicklung des Herzens zu bestimmen. Mäuse, die homozygot für ein von uns
generiertes Nullallel von Tbx20 sind, sterben am Tag 10 der Embryonalentwicklung (E10).
Tbx20 mutante Embryonen zeigen zu diesem Zeitpunkt eine starke Verzögerung des Größenwachstum, sie sind ödematös, das Herz ist dysmorph, und die Blutzirkulation ist zum Erliegen
gekommen; phänotypische Veränderungen, die eindeutig auf Defekte im kardiovaskulären
System hinweisen (Abb. 1E). Die genauere morphologische Charakterisierung der mutanten
Herzen zeigte, dass bei E8.0 ein linearer Herzschlauch angelegt worden ist. Im Gegensatz
zu Wildtypembryonen, unterbleibt jedoch die Herzschleifen- und gleichzeitig stattfindete
Kammerbildung in der Mutante (Abb. 1G). Der mutante Herzschlauch weist eine normale
anteriore-posteriore Polarität auf, molekulare Marker für das primäre und sekundäre Herzfeld
werden unverändert exprimiert. Eine weitergehende molekulare Analyse der mutanten Herzen
zeigte jedoch, dass weder kammerspezifische Gene noch Marker für sekundäres Myokard
exprimiert werden. Die Entwicklung von Tbx20 mutanten Herzen ist somit auf der Stufe des
linearen Herzschlauchs arretiert.
Wir fragten uns, ob sich der kardiale Defekt der Tbx20 Mutante in einen molekularen
Kontext bereits bekannter genetischer Faktoren bringen läßt. Interessanterweise ähnelt
dieser Defekt demjenigen einer transgenen Maus mit Überexpression von Tbx2 im linearen
Herzschlauch. Auch dort wird die Kammerbildung nicht initiiert, d.h. es tritt ein Arrest auf
der Stufe des linearen Herzschlauchs auf. Kommt es in der Tbx2 Mutante zu einer Derepression der Tbx2-Expression, d.h. beschränkt Tbx20 normalerweise die Expression von Tbx2
auf Bereiche des primären Myokards im atrioventrikulären Kanal und Ausflusstrakt? Wir
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überprüften diese Möglichkeit, in dem wir die Expression von Tbx2 in der Tbx20 Mutante
untersuchten. Wir stellten eine Ausweitung der Tbx2 Expression in den gesamten linearen
Herzschlauch fest (Abb. 1I). Wir nehmen jedoch an, dass diese Wirkung von Tbx20 nicht
auf direkter transkriptioneller Ebene erfolgt, sondern dass sie u.U. durch das Signalprotein
BMP2 vermittelt wird. BMP2 kann Tbx2 induzieren, und ist in der Tbx20 Mutante ebenfalls
in seiner Expression ausgeweitet, was in der Tat auf eine BMP2 vermittelte Derepression von
Tbx2 durch Tbx20 hindeutet (Abb. 1K).
Tbx18 wird sowohl im Epikard als auch im Sinus venosus während der kardialen Entwicklung exprimiert. Phänotypische Charakterisierung einer von uns generierten Mausmutante zeigte, dass Tbx18 zwar keine essentielle Funktion für die Entwicklung des Epikards
(und damit der Koronargefäße) hat, aber notwendig ist, um den venösen Pol des Herzens zu
etablieren.
Wir werden die genetische Analyse der Tbx18- und Tbx20 Mutanten fortsetzen. Ergänzend werden wir Proteininteraktionspartner suchen, um die biochemische Wirkungsweise
der beiden Transkriptionsfaktoren zu analysieren.
Projektleiter: A. Kispert, Mitarbeiter: M. K. Singh, M. Petry, M.-O. Trowe, A. Bürger, K.
Schuster-Gossler; Förderung: DFG, Grundausstattung
Weitere Forschungsprojekte
Die Funktion von Uncx4.1 in der anterior-posterioren Polarisierung der Somiten der Maus
Projektleiter: A. Kispert; Förderung: DFG
Funktionelle Analyse des Tbx18 Gens in der Somitogenese der Maus
Projektleiter: A. Kispert; Förderung: DFG
Funktionelle Analyse von Tbx18 in der Entwicklung des Innenohrs der Maus
Projektleiter: A. Kispert; Förderung: DFG
Funktionelle Analyse von Tbx18 in der Entwicklung des Ureters der Maus
Projektleiter: A. Kispert; Förderung: DFG
Funktionelle Analyse des Tbx18 Gens in der Entwicklung des venösen Herzpols in der
Maus
Projektleiter: A. Kispert; Förderung: DFG
Analyse der funktionellen Redundanz der T-Box-Transkriptionsfaktoren Tbx15 und
Tbx18 in der Entwicklung der Gliedmaßen in der Maus
Projektleiter: A. Kispert; Förderung: DFG
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Funktionelle Charakterisierung des Tbx8-Gens der Maus
Projektleiter: A. Kispert; Förderung: DFG
Genetische Kontrolle der Notochordentwicklung:
Funktionelle Charakterisierung von chordal, einem Kandidaten für das Sd Gen der
Maus
Projektleiter: A. Gossler; Förderung: DFG
Molekulargenetische Analyse des Homeoboxtranskriptionsfaktors Noto
Projektleiter: A. Gossler; Förderung: DFG
Untersuchungen zu molekularen Grundlagen der Somitogenese:
Analyse der biochemischen Äquivalenz der Notch Liganden Dll1 und Dll3 im paraxialen
Mesoderm
Projektleiter: A. Gossler; Förderung: DFG
Analyse der Rolle von Notch Signalen im paraxialen Mesoderm mittels konditioneller
Notchaktivierung
Projektleiter: A. Gossler; Förderung: Grundausstattung
Analyse des Gprc5c Gens der Maus
Projektleiter: K. Serth; Förderung: HiLF
Untersuchungen zu molekularen Grundlagen der Differenzierung und Funktion des
Darmepithels:
Funktionelle Charakterisierung spezifisch im Darmepithel exprimierter Gene
Projektleiter: A. Gossler; Förderung: DFG (GK705), Grundausstattung
Identifizierung eines Signaltransduktionsweges der zum Abbau des Zellzyklusinhibitors
p27 beim Eintritt in den Zellteilungszyklus führt
Projektleiter: N. P. Malek; Förderung: DFG
Untersuchung zur Bedeutung des Tumorsuppressorproteins p27 in der Entstehung von
Hepatozellulären Karzinomen
Projektleiter: N. P. Malek; Förderung: Deutsche Krebshilfe, Förderung im Rahmen des
Max-Eder-Nachwuchsprogrammes
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Gemeinsame Mechanismen der Gewebshomöostase in Darm und Leberepithelien
Projektleiter: N. P. Malek; Förderung: DFG, Forschergruppe HCC
Mechanismen der Cyclin E induzierten genetischen Instabilität in der Entstehung maligner
Tumore
Projektleiter: N. P. Malek; Förderung: Wilhelm-Sander-Stiftung
Originalpublikationen
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Christian Röhr (Dr. med.); Thema: Etablierung und Charakterisierung eines Primärkulturmodells muriner epikardialer Zellen.
Diplomarbeiten
Claudia Brockmeyer (Dipl. Biochem.);
Thema: Die Rolle konservierter Motive
des Notch Liganden mDll1 im Hinblick auf
Notchaktivierung in Zellkultur.
Henner Farin (Dipl. Biol.), Thema: Funktionelle Analyse von Uncx4.1, einem Homeobox-Gen der Maus.
Weitere Tätigkeiten in der Forschung
Prof. Dr. A. Gossler: Fachgutachter für das
Fach „Entwicklungsbiologie“ im Fachkollegium „Grundlagen der Biologie und Medizin“
der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Dr. N. P. Malek: Fachgutachter für die Deutsche Krebshilfe
Übersichten
Wedemeyer J, Malek NP, Manns MP, Bahr
MJ. Molecular therapy in gastroenterology
and hepatology. Internist (Berl) 2005; 46(8):
861-2, 864-8, 870-2.
Abstracts
2005 wurden insgesamt 3 Abstracts publiziert.
Promotionen
Markus Bussen (Dr. rer. nat.); Thema: Die
funktionelle Analyse des T-Box Transkriptionsfaktors Tbx18 in der Somitogenese der Maus.
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