Je trauriger der Patient, desto schlechter die

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Depressionen sind eine Barriere in der Diabetestherapie
Je trauriger der Patient, desto
schlechter die Blutzuckereinstellung
Von B. Kulzer
Ob nun der Diabetes die Depression begünstigt oder umgekehrt – das
Ergebnis ist das gleiche. Depressive Diabetiker leiden doppelt und verursachen im Vergleich mit einem nicht depressiven Diabetiker mehr
als das Vierfache an Kosten für Medikamente und Behandlung. Umso
wichtiger ist es, die depressive Symptomatik bereits in ihrer subklinischen Form zu erkennen. Mit einfachen Verfahren ist dies auch beim
Hausarzt möglich. So entsteht die Chance, früh gegenzusteuern.
– Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung leiden Menschen mit Diabetes
etwa doppelt so häufig an einer Depression [1–3]. Somit kann für die
klinische Praxis davon ausgegangen
werden, dass fast jeder vierte Diabetiker
unter depressiven Symptomen leidet
und bei jedem achten Patienten eine
klinisch relevante Depression vorliegt.
Eine Vielzahl von Studien hat mittlerweile gezeigt, dass die Stoffwechseleinstellung bei Patienten mit einem
depressiven Syndrom deutlich schlechter ist. Dies zieht eine erhöhte Rate an
Folgekomplikationen sowie eine deutlich schlechtere Prognose nach sich.
Die Diagnose einer Depression bei Diabetespatienten ist nicht schwierig,
wird jedoch in der Praxis noch immer
viel zu häufig übersehen.
Dr. phil. Dipl.-Psych.
Bernhard Kulzer
Psychodiabetologe
Diabetes-Zentrum
Bad Mergentheim
öfter an Depressionen leiden. Auch Diabetiker mit schwer wiegenden emotionalen Problemen im Umgang mit
der Erkrankung (z. B. Akzeptanzproblemen) haben ein höheres Risiko, depressiv zu werden. Auf der anderen Seite
erschwert eine depressive Stimmung
Betroffenen, sich ausreichend um die
Erkrankung zu kümmern und die Therapiemaßnahmen im Alltag umzusetzen.
Andersherum gilt als gesichert, dass
Depressionen einen eigenständigen
Risikofaktor für das Auftreten eines
Typ-2-Diabetes darstellen. Fasst man
die Studienlage zu dieser Thematik zusammen, so ergibt sich ein um etwa
1,5- bis 2-fach erhöhtes Risiko für depressive Menschen, an einem Typ-2Diabetes zu erkranken [4].
schweren Depressionen um das Elffache im Vergleich zu Diabetikern
ohne eine Depression [7]. Das Risiko,
frühzeitig zu versterben, ist fast fünfmal so hoch wie bei Diabetikern, die
nicht depressiv sind. Berücksichtigt
man die Tatsache, dass Diabetiker per
se ein erhöhtes Mortalitätsrisiko aufweisen, so wird deutlich, dass die Kombination Depression/Diabetes prognostisch sehr ungünstig ist. Selbst bei
leichteren Formen der Depression ist
dieser Zusammenhang bereits nachzuweisen (Abb. 1).
Ob tatsächlich ein ungünstigeres
Krankheitsverhalten für die schlechte-
Mehr Folgeerkrankungen
Depressionen sind ein Risikofaktor
für Typ-2-Diabetes
Die Frage, ob Depressionen eine Reaktion auf die Diabeteserkrankung darstellen, oder depressive Menschen
häufiger an Diabetes erkranken, wird
nach wie vor kontrovers diskutiert.
Viele Hinweise sprechen jedoch dafür,
dass krankheitsspezifische Belastungen
einen depressionsfördernden Faktor
darstellen. So ist gesichert, dass Diabetiker mit Folgekomplikationen oder
häufigen, schweren Unterzuckerungen
MMW-Fortschr. Med. Nr. 17 / 2005 (147. Jg.)
Eine Vielzahl aktueller Studien, die
mittlerweile auch in zwei Metaanalysen [5, 6] publiziert wurden, belegen,
dass Diabetiker mit einer Depression
im Vergleich zu nicht depressiven Patienten eine schlechtere Blutzuckereinstellung aufweisen und damit ein
deutlich erhöhtes Risiko für Folgekomplikationen des Diabetes haben.
So erhöht sich das Risiko für mikrovaskuläre Komplikationen für Diabetiker
mit leichteren Formen der Depression
um das Achtfache, für Patienten mit
Foto: Science foto library / Focus
ó
fortbildung –schwerpunkt
–
fortbildung –schwerpunkt
re Blutzuckereinstellung depressiver
Diabetiker verantwortlich ist oder die
depressive Symptomatik die Stoffwechsellage direkt negativ beeinflusst, ist
noch nicht geklärt.
einer Depression gleichermaßen Beachtung zu schenken.
Betrachtet man die Ergebnisse zur
Lebensqualität von Diabetikern, zeigt
sich in fast allen Untersuchungen, dass
diese im Vergleich zur Normalbevölkerung reduziert ist. Kommt zu dem Diabetes eine depressive Erkrankung hinzu, so reduziert sich die Lebensqualität
noch einmal deutlich [9].
Barrieren bei der Diabetestherapie
Eine wesentliche Ursache für die
schlechtere Prognose depressiver Diabetiker liegt darin, dass eine erhöhte
Depressivität oft mit einem ungünstigen Krankheitsverhalten des Patienten
einhergeht. Diabetiker, die gleichzeitig
an einer Depression erkrankt sind,
zeigen häufiger ein gesundheitsschädigendes Verhalten (z. B. Rauchen,
Nichteinnahme von Medikamenten)
und nehmen seltener an gesundheitsfördernden Maßnahmen (z. B. Gewichtsreduktionsprogrammen, Sport)
teil. Vergleicht man die Fähigkeit von
Diabetikern, mit den verschiedenen
Anforderungen ihrer Erkrankung zurechtzukommen, so zeigt sich, dass
Patienten mit depressiven Anzeichen
– vor allem aber Patienten mit einer
klinischen Depression – deutlich mehr
Schwierigkeiten haben [3]. Dieser Zusammenhang besteht auch schon bei
Personen, die noch nicht an einer
klinischen Depression erkrankt sind.
Es ist daher durchaus sinnvoll, Patienten mit einer subklinischen Form
Diagnostik der Depression
In der Praxis steht der Arzt vor der
schwierigen Aufgabe, die Depression
zu erkennen. Da depressive Patienten
sich oft gar nicht bewusst sind, dass sie
unter einer psychischen Störung leiden, werden von den Patienten häufig
körperliche Beschwerden wie erhöhte
Müdigkeit, Erschöpfung, Appetitverlust oder Ein- und Durchschlafstörungen geäußert, während psychische
Symptome wie Niedergeschlagenheit
oder Hoffnungslosigkeit eher nicht
angesprochen oder gar bagatellisiert
werden. Daher nimmt der Hausarzt bei
der Früherkennung der Depression
eine Schlüsselfunktion ein.
Bei Diabetikern sollte man besonders dann, wenn der HbA1c-Wert dauerhaft erhöht ist, an eine unerkannte
Depression denken. Ebenso bei Patienten mit emotionalen Problemen der
Abbildung 1
Einfluss depressiver Störungen auf die Prognose des Diabetes
12
11,32
10
Relatives Risiko
8,63
8
6,89
6
4,94
4,59
3,94
4
2,4 2,64
2
1,91
1,65
1
Mod. nach Black et al. 2003
2,31
1,35
1
1
1
0
Makrovaskuläre
Komp.
Mikrovaskuläre
Funktionelle
Komp.
Einschränkungen
Kein Diabetes
Diabetes mit leichter Depression
Diabetes ohne Depression
Diabetes mit schwerer Depression
Längsschnittstudie (7 Jahre) n = 2830 > 65 Jahre
38 | 375
Mortalität
Krankheitsverarbeitung, bestehenden
Folgekomplikationen und häufigen
schweren Unterzuckerungen. Dabei ist
das Risiko für Frauen mit Diabetes,
eine depressive Störung zu entwickeln,
höher als für Männer [10].
Stellen Sie die richtigen Fragen
Zentrales Diagnostikinstrument ist das
Gespräch. Im ersten Schritt sollten die
drei Hauptsymptome der Depression
ó depressive Stimmung (Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit),
ó Antriebsminderung sowie
ó Verlust an Interesse bzw. Freude an
Tätigkeiten
einfühlsam erfragt werden. Als Einstiegsfrage hat sich die Frage nach dem
Schlaf bewährt („Schlafen Sie schlechter als früher?“), um dann die Hauptanzeichen einer Depression abzufragen. („Fühlen Sie sich in letzter Zeit
bedrückt, fällt es Ihnen schwerer,
Ihren Alltag zu bewältigen, oder tun
Sie seltener Dinge, die Sie sonst gerne
gemacht hatten, die Ihnen Freude
bereiteten?“). Antwortet ein Patient
auf zwei dieser Fragen mit „ja“, besteht
eine erhöhte Wahrscheinlichkeit,
stimmt er allen drei Fragen zu, liegt
mit hoher Wahrscheinlichkeit eine
Depression vor. Für die Differenzialdiagnostik einer depressiven Störung
sind neben diesen Hauptkriterien und
weiteren Zusatzsymptomen auch der
Schweregrad, die Dauer und der Verlauf der Depression entscheidend [11].
Da bezogen auf den Diabetes
„depressive Episoden“ (F 32) die häufigste Diagnoseform ist, sollten in
einem zweiten Schritt die diagnoserelevanten Zusatzsymptome abgefragt
werden, um den Schweregrad zu
bestimmen. Diese betreffen den Affekt
(z. B. gedrückte Stimmung, mangelnde
emotio nale Schwingungsfähigkeit),
das Denken (verminderte Konzen tration/Aufmerksamkeit, negative,
pessimistische Zukunftsperspektive,
Schuldgefühle), den Antrieb (z. B. morgendliches Stimmungstief, erhöhte
Erschöpfbarkeit) wie auch vegetative
Symptome (z. B. Schlafstörungen, verminderter Appetit). Die Haupt- wie
Zusatzsymptome müssen länger als
MMW-Fortschr. Med. Nr. 17 / 2005 (147. Jg.)
zwei Wochen bestehen und erstmalig
auftreten. Sind zwei Hauptsymptome
und zwei weitere Zusatzsymptome
vorhanden, so liegt eine „leichte
depressive Episode“ vor. Bei mehr als
drei Zusatzsymptomen ist von einer
„mittelgradigen depressiven Episode“
auszugehen. Eine „schwere depressive
Episode“ ohne psychotische Anzeichen
ist durch das Vorhandensein von drei
Hauptsymptomen und mehr als vier
Zusatzsymptomen gekennzeichnet.
Hypoglykämien aussschließen
Bestehen zusätzlich wahnhafte Ideen
und/oder Halluzinationen (psychotische Symptome), sollte sichergestellt
sein, dass nicht rezidivierende Hypoglykämien oder eine ketoazidotische
Stoffwechsellage hierfür verantwortlich sind. Entwickelt sich die „depressive Episode“ zu einem chronischen
Verlauf, spricht man von einer rezidivierenden, depressiven Störung.
Foto: Corbis
fortbildung –schwerpunkt
Auch erzwungene Inaktivität nach einer
Amputation kann eine Depression fördern.
Besonders bei Patienten mit chronischen Belastungen oder fortschreitenden Akut- oder Folgekomplikationen
des Diabetes kann auch eine anhaltende affektive Störung im Sinne einer Zyklothymie oder Dysthymie bestehen.
Zeigen Patienten nach der Diabetesdiagnose, schweren Hypoglykämien,
lebensbedrohlichen Ketoazidosen oder
dem Auftreten von Folgekomplikationen (z. B. Verlust des Augenlichtes,
Amputationen, Dialysepflicht) eine
andauernde depressive Reaktion, so ist
– Tabelle 1
Diagnostik und Therapie der Depression bei Diabetes
Screening:
_ Klinischer Eindruck (Abfrage der depressiven Kernsymptome: depressive
Stimmung,Verlust von Interesse und Freude, erhöhte Ermüdbarkeit)
_ WHO-5-Fragebogen zum Wohlbefinden [13] (Score < 13)
_ PAID-Fragebogen [14] (Score > 33 V. a. subklin. Depression, > 40 V. a. klin. Depression)
Diagnose:
_ Abfrage der Zusatzsymptome (verminderte Konzentration oder Aufmerksam-
keit, vermindertes Selbstvertrauen, Schuldgefühle und Gefühle der Wertlosigkeit,
negative und pessimistische Zukunftsperspektive, Selbstverletzungen/Suizidalität, Schlafstörungen, verminderter Appetit) und weitere Differenzialdiagnostik
affektiver Störungen
_ Abfragen von besonderen krankheitsspezifischen Belastungen (z. B. Auftreten
und Umgang mit drohenden/bestehenden Folgeerkrankungen, Hypoglykämien,
chronischen Schmerzen)
_ Evtl. Einsatz eines spezifischen Depresssionsfragebogens (z. B. BDI [15], ADS [16])
_ Abklärung anderer psychischer oder somatischer Erkrankungen
Therapieoptionen:
_ Psychotherapie (nach Möglichkeit von Therapeut/in mit zusätzlicher Expertise
in der Behandlung des Diabetes)
_ Antidepressivum (nach Möglichkeit SSRI-Hemmer)
_ Fachärztliche psychiatrische Mitbehandlung (besonders bei akuter Suizidalität,
bipolaren Störungen, Komorbidität anderer psychischer Erkrankung, Komedikation, Therapieresistenz, behandlungsgefährdenden psychosozialen Problemen)
_ Fachärztliche diabetologische Mitbehandlung (besonders bei längerfristiger
hyperglykämischer Stoffwechselentgleisung (HbA1c > 8,5 %), ausgeprägten
Problemen der selbstständigen Therapiedurchführung, gravierenden krankheitsspezifischen Belastungen).
MMW-Fortschr. Med. Nr. 17 / 2005 (147. Jg.)
–
auch an eine Anpassungsstörung zu
denken. Sie wird je nach Dauer in eine
„kurze depressive Reaktion“ (< 1 Monat), eine „längere depressive Reaktion“
(bis zu 2 Jahren) oder bei gleichzeitig
bestehender Angst als „Angst und Depression gemischt“ diagnostiziert.
Bipolare affektive Störungen sowie
manische Episoden kommen bei Diabetespatienten nicht gehäuft vor, sollten jedoch wegen der deutlich erhöhten Suizidgefahr besondere Beachtung
finden. Immerhin 20–30 % aller depressiv Erkrankten haben bereits einen
Suizidversuch unternommen, rund
40–60 % aller Patienten hegen während
einer akuten Depression Selbsttötungsgedanken [11]. Daher ist es wichtig,
den Patienten zu befragen, ob Todesgedanken, Suizidabsichten oder bereits
vorbereitete Suizidpläne bestehen.
Fragebögen
zur ergänzenden Diagnostik
Aufgrund der hohen Prävalenz depressiver Störungen bei Diabetes wird in
den Diabetesleitlinien der Deutschen
Diabetes Gesellschaft ein routinemäßiges Screening auf Depression gefordert
(nach Möglichkeit einmal im Jahr).
Hierfür stehen ökonomische Fragebögen zur Verfügung, die vom Patienten
im Wartezimmer ausgefüllt werden
können. Vor allem der „WHO-5“ [13]
hat sich als ein sehr brauchbares, ökonomisches und nicht psychiatrisierendes Instrument erwiesen. Ebenfalls zur
Depressionsdiagnostik gut geeignet ist
der 20 Fragen umfassende Fragebogen
„Probleme im Umgang mit der Diabeteserkrankung“ (PAID) [14]. Hiermit
können sowohl Schwierigkeiten im
Umgang mit dem Diabetes erfasst als
auch Hinweise für das Vorliegen einer
Depression (bereits in der subklinischen Phase) gesammelt werden.
Wie mehrere Untersuchungen bestätigt haben, sind trotz möglicher
Überlappungen von Symptomen der
Depression und einer diabetischen
Stoffwechsellage (Hypo-, Hyperglykämie) auch die gängigen Diagnostikinstrumente zur Depression wie das BeckDepressions-Inventar (BDI) [15] oder
die Allgemeine Depressionskala (ADS)
376 | 39
–
fortbildung –schwerpunkt
[16] zur validen Diagnostik von Depressionen bei Diabetikern geeignet.
Besonderheiten bei der Therapie
Für die Behandlung von Depressionen
bei Diabetikern gelten die Prinzipien der
modernen Depressionsbehandlung, wie
sie in verschiedenen Leitlinien festgelegt
wurden [10]. Allerdings gibt es bei Diabetikern einige Besonderheiten zu
beachten, die in der Leitlinie „Psychosoziales und Diabetes“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) beschrieben
werden (www.diabetes-psychologie.de).
Bereits ein strukturiertes Ansprechen der depressiven Stimmung durch
das Diabetesteam bei Diabetikern mit
einer depressiven Symptomatik kann
eine antidepressive Wirkung haben.
Auch die regelmäßige, zweiwöchentliche telefonische Kontaktaufnahme
einer Pflegekraft im Rahmen eines
„automated telefone disease managements“ konnte in einer Studie die Depressivität senken. Zudem verbesserte
sich die de pressive Symptomatik,
wenn Diabetiker mit einem modernen
Schulungsprogramm (MEDIAS 2), statt
mit einem eher traditionellen, primär
auf Wissensvermittlung ausgerichteten
Schulungsprogramm geschult wurden.
Psychosomatische Basisversorgung,
Psychotherapie
Ist der Patient nicht akut suizidal und
liegt keine akute Krise vor, so kann
auch der Hausarzt eine psychosomati-
sche Basisbehandlung zur Symptomreduktion durchführen. Diese umfasst
den Aufbau einer vertrauensvollen,
verlässlichen und konstanten Beziehung zum Patienten, die Vermittlung
von Hoffnung und Ermutigung sowie
die Entlastung von Vorwürfen, Schuldgefühlen und Versagensgefühlen.
Nach Möglichkeit sollten positive
Gedanken verstärkt und erste Schritte
überlegt werden, wie der Patient den
sozialen Rückzug vermeiden und wieder aktiv werden kann. Einen wichtigen Bestandteil der Gespräche bilden
auch die intensive Aufklärung über die
Erkrankung sowie mögliche Wechselwirkungen mit dem Diabetes.
Stehen bei Diabetespatienten krankheitsspezifische Belastungen in ursächlichem Zusammenhang mit der depressiven Stimmungslage, so sollten möglichst psychotherapeutische Gespräche
mit dem Ziel einer besseren Krankheitsverarbeitung angeboten werden (Therapeutenliste: www.diabetes-psychologie.
de). Erfolgt keine rasche Symptomlinderung, sollte eine fachspezifische Psychotherapie und/oder eine Pharmakotherapie eingeleitet werden [10, 11].
Medikamentöse Therapie
Eine medikamentöse Behandlung ist
vor allem bei mittelgradigen oder schweren depressiven Störungen indiziert [10,
11]. Hier ist Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI) vor den trizyklischen Antidepressiva der Vorzug zu ge-
ben, da die Einnahme von trizyklischen
Antidepressiva mit Gewichtszunahme
und Hyperglykämien einhergehen
kann. Ansonsten richtet sich die Psychopharmakotherapie nach den Richtlinien der DGPPN unter Beachtung der
für die diabetische Stoffwechseleinstellung relevanten Nebenwirkungsprofile.
Integrierte Versorgung
Maßgeblich durch das Kompetenznetz
„Depression und Suizidalität“ wurde
der Fokus auch in Deutschland auf die
Tatsache gelenkt, dass die Situation
depressiver Menschen durch rechtzeitige, zielgerichtete und leitlinienorientierte Interventionen wesentlich
verbessert werden könnte. Denn trotz
guter Therapieerfolge werden zu wenige Patienten adäquat behandelt, was
neben vermeidbarem Leid nicht zuletzt auch zu hohen Kosten für das
Gesundheitssystem führt. Es wäre daher zu wünschen, dass die besonderen
Probleme depressiver Diabetespatienten in der Neufassung der DMP-Programme Diabetes und den geplanten
Konzepten zur integrierten Versorgung
Depression [17] berücksichtigt werden.
Literatur beim Verfasser
Anschrift des Verfassers:
Dr. phil Dipl.-Psych. Bernhard Kulzer
Diabetes-Zentrum Bad Mergentheim
Theodor-Klotzbücher-Str. 12
D-97980 Bad Mergentheim
Tel.: 07931/594-151, Fax: 07931/594-89-151
E-Mail: [email protected]
– Zusammenfassung | MMW-Fortschr. Med. 147 (2005), 374–377
Depressionen – eine entscheidende
Barriere der Diabetestherapie
Depressionen stellen bei Diabetespatienten eine wesentliche Behandlungsbarriere dar. Dies gilt gleichermaßen für
Menschen mit depressiver Stimmungslage (subklinisch) wie auch Patienten
mit klinisch manifester Depression. Besonders bei Patienten mit emotionalen
Problemen im Zusammenhang mit der
Erkrankung, rezidivierenden schweren
Hypoglykämien und Folgeerkrankungen ist auf eine Depression zu achten.
Die Diagnose ist relativ einfach mithilfe eines strukturierten Gesprächs oder
unkompliziert auszufüllenden Fragebögen möglich. Das Ansprechen der
40 | 377
Problematik und der Besuch einer Diabetesschulung können ein erster Schritt
zur Behandlung der Depression sein. Bei
der medikamentösen Therapie ist auf
mögliche Neben-/Wechselwirkungen
mit der Diabetestherapie zu achten.
Schlüsselwörter: Diabetes mellitus
– Depression – Therapie – Leitlinie
Depression – An Important Obstruction to the Treatment of Diabetes
In diabetics, depressive states represent a major impediment to treatment. This applies equally to persons
with depressive mood (subclinical)
and patients with clinically manifest
depression. Particular consideration
should be given to the possibility of
depression in patients with emotional
problems associated with the disease,
recurrent episodes of severe hypoglycemia, and sequelae. The diagnosis is
relatively easy to establish with the
aid of a structured talk or an easy-tocomplete questionnaire. Discussing
the problem with the patient and
referring him/her to a teaching program may be the first step towards
treating the depression. When considering medication, possible side effects
and interactions with diabetic therapy
must be taken into account.
Keywords: Diabetes mellitus – Depression – Therapy – Guidelines
MMW-Fortschr. Med. Nr. 17 / 2005 (147. Jg.)
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