Weiterentwicklung der psychotherapeutischen Versorgung

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Weiterentwicklung der
psychotherapeutischen Versorgung
Herausforderungen und offene Fragen
Dr. Christina Tophoven
Psychotherapeutenkammer Bayern
München, 15. April 2010
Gesundheitspolitische Agenda 2010/2011
ƒ
22.04.2010: 1. Lesung des Gesetzentwurfs
„Änderung krankenversicherungsrechtlicher
Vorschriften“
ƒ
Im Werden:
ƒ
Neuregelung Arzneimittelmarkt
ƒ
Finanzierungsreform GKV/Verhältnis PKV/GKV
ƒ
Verbesserung der ärztlichen Versorgung
2
Gliederung des Vortrags
¾
Versorgungsbedarf und Behandlungskapazitäten
¾
Gedankenexperiment: Bedarfsgerechtigkeit
der psychotherapeutischen Versorgung
¾
Gedankenexperiment: Lösungspotenzial
von Kollektiv- und Selektivverträgen
¾
Position der Psychotherapeuten
3
Psychotherapeutischer
Versorgungsbedarf
ƒ
31 Prozent der Menschen zwischen 18 und
65 Jahren leiden unter einer psychischen
Störung (16,5 Millionen Erwachsene)
ƒ
Davon waren 5,1 Prozent in den letzten
12 Monaten mindestens vier Wochen
arbeitsunfähig oder konnten ihren alltäglichen Verpflichtungen nicht nachgehen
(Bundesgesundheitssurvey)
¾
Jährlich ca. 2,8 Millionen Erwachsene
mit einer psychischen Erkrankung, die
sie schwer beeinträchtigt
4
Psychotherapeutischer
Versorgungsbedarf
ƒ
18 Prozent der Kinder und Jugendlichen/
2,6 Millionen Menschen unter 18 Jahren
(Ihle und Esser, 2002)
ƒ
Bei mindestens fünf Prozent der Kinder
besteht ein umfangreicher Behandlungsbedarf
¾
Jährlich ca. 700.000 psychotherapeutisch behandlungsbedürftige Kinder und
Jugendliche
5
Psychotherapeutischer
Versorgungsbedarf
25 Prozent der Menschen im höheren Lebensalter
ƒ
ƒ
Antidepressiva erhalten laut GEK-Arzneimittelreport
ƒ
¾
3,7 Millionen Menschen über 65 Jahre (Bickel et
al. 2003)
ƒ
Fünf Prozent der 65- bis 69jährigen und neun
Prozent der 85- bis 89jährigen Männer
ƒ
Elf Prozent der 65- bis 69jährigen und 18 Prozent
der 85- bis 89jährigen Frauen
Jährlich ca. 1,5 Millionen Menschen über 65 Jahren (zehn Prozent) sind potenziell psychotherapeutisch behandlungsbedürftig
6
Psychotherapeutischer
Versorgungsbedarf
Pro Jahr sind in Deutschland mindestens
fünf Millionen Menschen durch eine psychische Erkrankung schwer beeinträchtigt
bzw. behandlungsbedürftig
7
Psychotherapeutischer
Versorgungsbedarf
Bei den meisten psychischen Erkrankungen
ist gemäß evidenzbasierter Leitlinien Psychotherapie die erste Wahl bzw. gleichrangig zu anderen Behandlungsmöglichkeiten
8
Behandlungskapazitäten
ƒ
20.000 Vertragspsychotherapeuten (PP,
KJP, Ärzte), KBV 2008
ƒ
Annahmen:
¾
ƒ
30 Behandlungsstunden pro Woche und 46
Arbeitswochen pro Jahr
ƒ
Ausschließlich Kurzzeitbehandlung (25 Stunden
pro Patient)
Eine maximale ambulante Behandlungskapazität für 1,1 Millionen Patienten pro
Jahr
9
Behandlungskapazitäten
ƒ
400.000 psychisch kranke Menschen
werden jährlich stationär behandelt
ƒ
5.000 PP/KJP in Psychiatrie, Psychosomatik, medizinischer Rehabilitation
¾
In der Summe: Psychotherapeutische
Behandlung maximal für etwa 1,5 Millionen Patienten pro Jahr
10
Behandlungskapazitäten ↔ Versorgungsbedarf
¾
Höchstens 1,5 Millionen Behandlungsplätze für mindestens fünf Millionen
psychotherapeutisch behandlungsbedürftige Patienten!
¾
Gravierende Unterversorgung psychisch
kranker Menschen
11
Statistik vdek 12/2009 – Unterversorgung?
Planungsbereiche
Unterversorgung II
Unterversorgung I
Regelversorgung
Überversorgung I
Überversorgung II
Drohende Unterversorgung
Fehlende Psychotherapeuten
bis 100 Prozent
Psychotherapeuten
(gesamt)
0
0
32
183
187
0
-14
Überzählige Psychotherapeuten
über 100 Prozent
7.046
Differenz
7.032
12
Behandlungskapazitäten ↔ Versorgungsbedarf
¾
Bedarfsplanung: Gegenüberstellung von
Ärzten/ Einwohnern bzw. Psychotherapeuten/Einwohnern (Verhältniszahlen)
¾
Reflektiert Niederlassungsentscheidungen
von Ärzten und Psychotherapeuten
¾
Psychotherapeuten Status quo 1999
¾
Kernstädte 1 : 2.577
¾
Ländliche Regionen 1 : 23.106
¾
„… in seiner derartigen Ausprägung
ge-scheitertes
Sicherstellungskonzept …“
(CDU/CSU-Bundestagsfraktion)
13
Behandlungskapazitäten ↔ Versorgungsbedarf
¾
Wird die psychotherapeutische Unterversorgung gesundheitspolitisches Thema?
14
Behandlungskapazitäten ↔ Versorgungsbedarf
„Der Sozialstaat als Idee steht nicht zur Disposition. Aber das bedeutet nicht, dass man ihn
immer mit der gleichen Menge Geld finanzieren
muss.“
„Bleibt die Gesundheitspolitik und die Frage, ob
es dort Spielräume gibt.“
Wolfgang Schäuble, Handelsblatt 06.04.2010
15
Gedankenexperiment:
Bedarfsgerechtigkeit der
psychotherapeutischen
Versorgung
16
Bedarfsgerechtigkeit der
psychotherapeutischen Versorgung
Wer erhält eine Psychotherapie?
ƒ
Zugang nach Systemkompetenz oder
medizinischer Notwendigkeit?
¾
Diskussion:
Zugangssteuerung/Direktzugang
17
Bedarfsgerechtigkeit der
psychotherapeutischen Versorgung
Wer erhält wie viel Psychotherapie?
ƒ
¾
Flexibilisierung des psychotherapeutischen
Versorgungsangebots
¾
Differenzierung nach Umfang
¾
Differenzierung nach Format (Einzel/Gruppe)
¾
Differenzierung nach Verlauf (akut/chronisch)
Diskussion: Psychotherapie-Richtlinien
18
Bedarfsgerechtigkeit der
psychotherapeutischen Versorgung
Wer versorgt wen?
ƒ
Differenzierung des Versorgungsangebots
¾ Patienteninformation, Selbstmanagement,
Selbsthilfe
¾ Psychosomatische Grundversorgung
¾ Psychotherapie
¾ Leitlinienbasierte, qualitätsgesicherte,
multiprofessionelle Kooperation
¾
Diskussion: Integrierte Versorgung/
Selektivverträge
19
Zwischenfazit I
¾
Braucht das Gesundheitssystem
mehr vom Gleichen?
20
Gedankenexperiment:
Lösungspotenzial von Kollektivund Selektivvertragssystem
21
Lösungspotenzial Kollektivvertragssystem?
¾
Was ist die adäquate Antwort auf die Unterversorgung?
¾
Zulassung weiterer Psychotherapeuten/Kollektivvertrag?
¾
Oder gezielter Ausbau einer bedarfsorientierten
berufs- und sektorenübergreifend abgestimmten
Versorgung/Selektivvertrag?
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Lösungspotenzial Kollektivvertragssystem?
ƒ
Zugangssteuerung?
ƒ
Flexibilisierung?
ƒ
Gestufte, multiprofessionelle und sektorenübergreifende Versorgung?
Ritualisierte Konflikte in KVen, mit Krankenkassen, im G-BA …
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Zwischenfazit II
¾
Eine problemorientierte Weiterentwicklung
von Versorgungsstrukturen und -angeboten
im Selektivvertragssystem?
24
Position der
Psychotherapeuten?
25
Position der Psychotherapeuten?
ƒ
Sollte der Zugang zur Psychotherapie gesteuert
werden und wenn ja, wie?
ƒ
Ist die Profession bereit, die PsychotherapieRichtlinien zu diskutieren, evtl. zu flexibilisieren?
ƒ
Wie sollen stärker differenzierte Versorgungsangebote aussehen und wie lassen sie sich organisieren?
ƒ
Wie bewertet die Profession Selektiv- und Kollektivverträge?
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Position der Psychotherapeuten?
Die Positionierungen der Profession
hängen ab von
ƒ
¾
ƒ
Verfahren
ƒ
Tätigkeitsfeld
ƒ
zeitlicher Perspektive
Sehr heterogene Ausgangslage
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Position der Psychotherapeuten?
¾
Der kleinste gemeinsame Nenner ist in der
Regel der Status quo
¾
Zeitlich befristet ist das eine Erfolg versprechende Strategie
¾
¾
Für den Einzelnen!
¾
Aber für die Profession?
Berufs- und gesundheitspolitisches
Dilemma
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Der beste Weg,
die Zukunft vorauszusagen,
ist, sie zu gestalten.
(Willy Brandt)
29
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