1 Grundlagen

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1
Grundlagen
1.1
Das Rechnen mit Zahlen
Wir gehen in dieser Vorlesung mit folgenden Zahlbereichen um:
N:
natürliche Zahlen 1, 2, 3, 4, 5, . . .
Z:
ganze Zahlen . . . , −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, . . .
Q:
rationale Zahlen: das sind die Zahlen, die man als Quotient
zweier ganzer Zahlen p und q schreiben kann.
Es gibt auch nicht rationale (irrationale) Zahlen, z.B.
R:
√
p
q
2 oder π:
reelle Zahlen:
rationale und irrationale Zahlen.
Wenn wir uns auf die positiven (negativen) Zahlen beschränken wollen, setzen
wir ein hochgestelltes + (−) Zeichen hinter unser Symbol, also Z+ , Q+ und R+
sowie Z− , Q− und R− . Beachte Z+ = N. Wenn wir in unsere Zahlbereiche auch
noch die 0 einschließen wollen, schreiben wir eine tiefergestellte 0 hinter unser
Symbol, also bezeichnet z.B. N0 die Zahlen 0, 1, 2, 3, . . .. Diese Menge bezeichnet
man auch als die Menge der nichtnegativen ganzen Zahlen!
Potenzen
Wir schreiben für das n-fache Produkt von a auch an :
a · a · a · · · a = an .
a Basis, n Exponent. Für das Rechnen mit Potenzen gelten Rechenregeln, die
wir aus der Schule als bekannt voraussetzen. Der Ausdruck 00 ist nicht definiert.
Wir definieren Potenzen auch mit negativen Exponenten:
1
.
an
Es gibt auch Potenzen mit gebrochenen Exponenten. Die Zahl
a−n =
a1/n =
√
n
a
√
heißt die n-te Wurzel von a. Wir setzen hier a ≥ 0 voraus sowie n a ≥ 0. Die
n-te Wurzel aus a ist diejenige nichtnegative Zahl x mit xn = a.
Wenn wir Ausdrücke der Form xy betrachten, dann können wir entweder x als
feste Größe und y als die Variable, oder umgekehrt x als Variable und y als
fest betrachten. Im ersten Fall sprechen wir von Exponentialfunktionen, im
zweiten Fall von Potenzfunktionen.
1
Exponentialfunktionen
Man macht sich das Verhalten der Exponentialfunktion am Besten an den zugehörigen Funktionsgraphen klar. Wir zeigen Ihnen hier einige Beispiele ax mit
a > 1 sowie 0 < a < 1. Beachten Sie den Unterschied: Ist a > 1, so ist die
Funktion wachsend, ist 0 < a < 1, so ist sie fallend. Es gilt stets a0 = 1,
d.h. die Funktionsgraphen von ax gehen stets durch den Punkt x = 0, y = 1,
unabhängig davon, wie a gewählt ist. Bei Exponentialfunktionen ax setzt man
stets a > 0 voraus.
Einige Exponentialfunktionen a^x mit a>1
25
20
3^x
15
10
5
2^x
1.1^x
–3
–2
–1
0
1
2
3
x
Hier müssen wir etwas aufpassen. Der Graph der Funktion 1.1x sieht sehr flach
aus. Dem ist aber nicht so, wenn wir x groß wählen. Dann zeigt auch der Graph
von 1.1x exponentielles Wachstum:
2
1.1^x
100
80
60
40
20
–10
10
20
30
40
50
x
Einige Exponentialfunktionen a^x mit a<1
25
20
0.2^x
15
10
5
0.5^x
0.9^x
–2
–1.5
–1
–0.5
x
Wir fassen ein paar Eigenschaften zusammen:
3
0
0.5
1
• Die Exponentialfunktion ax wird nur für a > 0 definiert. Die x-Werte
können beliebige reelle Zahlen sein. Die Werte ax sind immer positiv.
• ax · ay = ax+y .
• (ax )y = axy .
• a(x−y) =
ax
ay .
• Es gilt a0 = 1 (a 6= 0).
• ax wächst, wenn a > 1.
• ax fällt, wenn 0 < a < 1.
• Es gilt 1x = 1 für alle x.
• Die Werte ax sind stets positiv.
Potenzfunktionen
Wir kommen nun zu Potenzfunktionen. Wir beginnen mit einigen Beispielen xn
mit n ∈ N. Beachten Sie dabei bitte, dass die x-Achse (manchmal auch Abszisse
genannt) und die y-Achse (Ordinate) nicht denselben Maßstab haben!
Einige Potenzfunktionen x^n
x^4
15
10
5
x^2
–2
–1
0
1
2
x
x^1
–5
x^3
Wenn wir Potenzfunktionen xn betrachten mit n ∈ Z, n < 0, so sehen die Funktionsgraphen etwas anders aus. Wir beschränken uns hierbei auf den Bereich
x > 0. Beachten Sie:
4
x−m =
1
xm ,
also z.B. x−2 = x12 . Wir erhalten den Graphen von x−2 aus dem von x2 , indem
wir einfach die Kehrwerte der y-Werte (also der Ordinatenwerte) des Graphen
von x2 bilden:
Einige Potenzfunktionen x^n, n<0
120
x^(–4)
100
80
x^(–3)
60
40
x^(–2)
20
x^(–1)
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
1.4
1.6
1.8
2
x
Hier sind nun einige Funktionsgraphen von Potenzfunktionen mit rationalen Exponenten. Wir √
müssen uns auf den Fall x > 0 beschränken, weil z.B. Ausdrücke
wie (−1)1/2 = −1 gar nicht erklärt sind. Alle Graphen von Potenzfunktionen
xn gehen durch den Punkt x = 1 und y = 1, weil stets 1n = 1 gilt.
Beachten Sie:
5
p
xq =
√
q
xp .
Einige Potenzfunktionen x^n
4
3
x^2
2
x^(–1/2)
x^(–1/5)
1
x^(1/5)
x^(1/2)
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
1.4
1.6
1.8
2
x
Auch hier fassen wir einige Eigenschaften der Potenzfunktionen zusammen:
• Die Potenzfunktion xa ist für a 6= 0 definiert. Als x-Werte dürfen wir in
der Regel aber nur Zahlen x ≥ 0 einsetzen.
• 1a = 1 für alle a.
• Sei n ∈ N. Die Funktionen xn sowie x−n sind für alle x ∈ R erklärt.
• Die Werte xa sind ≥ 0.
• Für a > 0 ist xa wachsend.
• Für a < 0 ist xa fallend.
• Es gilt x0 = 1 für alle x 6= 0.
• (xy)a = xa y a .
• x(a+b) = xa xb .
Ein Ausdruck der Form cn xn +. . .+c1 x+c0 heißt ein Polynom. Polynome sind
also Summen von Potenzfunktionen. Im Fall n = 1 sprechen wir von linearen
Funktionen. Die Funktionsgraphen solcher linearer Funktionen sind Geraden.
Wir gehen davon aus, dass Sie gut mit Polynomen und Geradengleichungen
umgehen können, insbesondere, dass Sie wissen, was Polynomdivision ist.
6
Logarithmus
Die Umkehrung des Potenzierens ist das Logarithmieren.
Gilt ax = b, a, b > 0, a 6= 1, so heißt x der Logarithmus von b
zur Basis a. Bezeichnung: x = loga (b).
Manchmal lassen wir die Angabe der Basis auch weg. Ist die Basis 10, sprechen
wir vom dekadischen Logarithmus. Ist a die Eulersche Zahl e ≈ 2, 7182 . . .,
heißt der Logarithmus natürlich. Der natürliche Logarithmus wird meistens
mit ln bezeichnet, der dekadische Logarithmus mit lg.
Wir halten noch einmal explizit fest:
aloga (b) = b
Für das Logarithmieren gelten Rechenregeln, die wir aus der Schule als bekannt
voraussetzen, hier aber noch einmal wiederholen:
• loga (xy) = loga (x) + loga (y).
• loga (xp ) = p loga (x).
• loga (x) ist nur für x > 0 definiert. Ferner muss 0 < a < 1 oder a > 1 sein.
• Es gilt loga (1) = 1 für alle a.
• loga (a) = 1.
• Der Logarithmus wächst für a > 1. Dabei schneidet der Graph die x-Achse
an der Stelle 1, ist also positiv für x > 1 und negativ für 0 < x < 1.
• Selten betrachtet man Logarithmen zu einer Basis 0 < a < 1: In dem Fall
ist die Funktion fallend, sie ist negativ für x > 1 und positiv für 0 < x < 1.
Die Funktion ist fallend.
Für die konkrete Berechnung von Logarithmen benötigt man eigentlich nur die
Kenntnis der Logarithmen zu einer bestimmten Basis:
loga (b) =
logc (b)
.
logc (a)
Üblicherweise haben Studierende mit dem Logarithmieren etwas mehr Schwierigkeiten als mit den anderen Rechenregeln. Ähnlich wie im Fall von Exponentialund Potenzfunktionen zeigen wir Ihnen hier die Funktionsgraphen einiger Logarithmusfunktionen. Man beachte, dass loga (x) nur für a, x > 0 sowie a 6= 1
definiert sind. Es fällt auf: loga (1) = 0.
7
Einige Logarithmusfunktionen
2
log_0.5(x)
log_1.5(x)
1
log_3(x)
log_0.2(x)
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
1.4
1.6
1.8
2
x
–1
–2
1.2
Verschiebungen von Graphen
Wir haben im vorherigen Kapitel die folgenden drei Klassen von Funktionen
betrachtet:
• Exponentialfunktion ax .
• Potenzfunktion xa .
• Logarithmuisfunktion loga (x).
Man kann sich fragen, warum wir nicht allgemeiner Ausdrücke der Form
K · amx+b + c,
K · (mx + b)a + c,
K · loga (mx + b) + c
betrachtet haben. Auch solche Funktionen heissen Exponential-, Potenz- und
Logarithmusfunktion.
Schauen wir uns dazu den Graphen irgendeiner Funktion an, z.B. f (x) = x sin(x).
8
Die erste Frage ist, was passiert, wenn wir x durch mx + b ersetzen. Schauen wir
uns erst einmal an, was passiert, wenn wir den Graphen von f (x+b) betrachten:
Hier verschieben wir den Graphen von f um b Einheiten nach links. Hier sind
die beiden entsprechenden Graphen, einmal mit b = 1 (rot) und einmal mit
b = −2 (blau) (in schwarz der ursprüngliche Graph):
Beim Übergang von f (x) zu f (−x) wird einfach an der y-Achse gespiegelt:
9
Der Graph von f (m·x) entsteht aus dem von f (x) dadurch, dass sich die Werte,
die man in f einsetzt, rascher (wenn m > 1) oder langsamer (wenn 0 < m < 1)
ändern. Hier sind die Bilder, einmal für m = 2 (rot) und einmal für m = 1/2
(blau). In schwarz wieder der ursprüngliche Graph:
Anders interpretiert: Die x-Werte werden zusammengepresst, wenn m > 1, und
auseinandergezogen, wenn 0 < m < 1. Das wird vielleicht deutlicher, wenn wir
die x-Werte im blauen Graphen von −16 bis 16 variieren lassen und im roten
Graphen nur von −4 bis 4:
10
Der Übergang von f (x) zu f (x)+c sollte klar sein: Wir verschieben den Graphen
einfach in y-Richtung (nach oben, wenn c > 0, und nach unten, wenn c < 0).
Hier sind die Bilder (c = 2 blau, c = 1 rot):
Wenn wir f (x) mit K multiplizieren, passiert etwas Ähnliches wie bei der Ersetzung von x durch mx: Wir strecken in y-Richtung wenn K > 1, wir stauchen
wenn 0 < K < 1, und wenn K < 0, kommt noch eine Spiegelung an der x-Achse
hinzu. Die Bilder für K = 1/2 (rot) und K = −2 (blau):
11
Etwas komplizierter wird es, wenn wir diese Verschiebungen und Stauchungen
usw. gemeinsam machen. Um den Graphen von f (2x + 3) zu erhalten, müssen
wir wie folgt vorgehen: Man verschiebt zunächst um −3 und danach wird mit
dem Faktor 2 zusammengedrückt (gestaucht). Hier ist der Graph. Dabei ist der
schwarze Graph der ursprüngliche, der rote ist der von f (2x + 3), und der blaue
der von f (2x):
Was wäre, wenn man erst zusammendrückt und dann verschiebt? Dann würden
wir den Graphen von f (2(x + 3)) erhalten: Auch hier ist der blaue Graph wieder
der von f (2x):
12
1.3
Gleichungen und Ungleichungen
Ein zentrales Thema der Algebra ist das Lösen von Gleichungen. Ganz einfach
ist dies für sogenannte lineare Gleichungen
a·x=b
Wenn hier a 6= 0 ist, können wir beide Seiten der Gleichung durch a dividieren
und erhalten als Lösung x = ab .
Die positive Lösung einer Potenzgleichung der Form
xa = b, b > 0
√
√
1
ist x = a b = b a . Beachte: Der Ausdruck a b ist vereinbarungsgemäß immer
positiv.
Man beachte den Unterschied zur Exponentialgleichung
ax = b, a, b > 0,
a 6= 1
Die Lösung der Exponentialgleichung ist x = loga (b).
Die Lösungen von quadratischen Gleichungen der Form
ax2 + bx + c = 0,
a 6= 0
sollten aus der Schule bekannt sein. Die Lösungen für a 6= 0 sind
√
−b ± b2 − 4ac
x± =
.
2a
Machen wir uns noch einmal klar, wie man auf diese Lösung kommt. Wir setzen
a 6= 0 voraus:
13
ax2 + bx + c = 0
b
c
x2 + x = −
a
a
2
2
c
b
b
b
=− +
x2 + x +
a
2a
a
2a
2
b
c
b2
x+
=− + 2
2a
a 4a
√
2
b
b − 4ac
x+
=±
2a
√ 2a
−b ± b2 − 4ac
x± =
.
2a
Weil es keine Wurzeln aus negativen Zahlen gibt, kann es passieren, dass eine
quadratische Gleichung keine oder nur eine oder zwei Lösungen hat:
• Ist b2 − 4ac > 0, so gibt es zwei Lösungen.
• Ist b2 − 4ac = 0, so gibt es eine Lösung.
• Ist b2 − 4ac < 0, so gibt es keine Lösungen.
Beachten Sie, dass sich die Lösungsformel vereinfacht, wenn a = 1 ist. Wir
erhalten dann als Lösung der Gleichung
x2 + px + q = 0
die sogenannte p-q-Formel:
x± =
−p ±
p
p2 − 4q
2
Beispiel 1.1 Finde alle x mit
x+2=
√
4 − x.
Wir quadrieren beide Seiten und erhalten so
(x + 2)2 = 4 − x.
also, weil (x + 2)2 = x2 + 4x + 4,
x2 + 4x + 4 = 4 − x
oder
x2 + 5x =
x(5 + x)
14
=
0
0.
(1.1)
Das geht nur für x = 0 oder x = −5. Wir müssen jetzt aber aufpassen! Durch
das Quadrieren der Gleichung haben wir vielleicht unerwünschte neue Lösungen
erhalten. Beispiel: x = −3, Quadrieren liefert x2 = 9, als Lösungen also x = ±3,
aber x = 3 war keine Lösung der ursprünglichen Gleichung! Wir müssen also,
wenn wir beim Lösen von Gleichungen quadrieren, mit den erhaltenen Lösungen
immer eine Probe machen, d.h. in die ursprüngliche Gleichung einsetzen.
Wir machen
√ ein, so erhalten
√ also die Probe: Setzen wir 0 in die Gleichung (1.1)
wir 2 = 4, richtig. Beim Einsetzen von −5 ergibt sich −3 = 9, was falsch ist,
da die Wurzel stets positiv ist!
Ungleichungen
Wir schreiben a < b, falls a echt kleiner als b ist, also insbesondere a 6= b. Wenn
wir den Fall a = b auch zulassen wollen, schreiben wir a ≤ b. Wenn wir a < b < c
schreiben, meinen wir a < b und b < c (und damit natürlich auch a < c). Sinnlos
ist ein Ausdruck der Form a < b > c.
In den beiden folgenden Tabellen sind die wesentlichen Regeln für das Rechnen
mit Ungleichungen zusammengefasst. Dabei steht [SU] für strikte Ungleichung,
[U] für Ungleichung:
[SU1]
Aus a < b und b < c folgt a < c.
[SU2]
Aus a < b folgt a + c < b + c.
[SU3]
Aus a < b und c < d folgt a + c < b + d.
[SU4]
Aus a < b und c > 0 folgt ac < bc.
[SU5]
Aus a < b folgt −a > −b.
[SU6]
Aus a < b, b > 0 und 0 < c < d folgt ac < bd.
1
1
Aus 0 < a < b folgt > .
a
b
1
1
Aus a < 0 < b folgt < .
a
b
Aus 0 < a < b folgt a2 < b2 .
[SU7]
[SU8]
[SU9]
15
[U1]
Aus a ≤ b und b < c folgt a < c.
[U2]
Aus a ≤ b und b ≤ c folgt a ≤ c.
[U3]
Aus a ≤ b folgt a + c ≤ b + c.
[U4]
Aus a ≤ b und c < d folgt a + c < b + d.
[U5]
Aus a ≤ b und c ≤ d folgt a + c ≤ b + d.
[U6]
Aus a ≤ b und c > 0 folgt ac ≤ bc.
[U7]
Aus a ≤ b folgt −a ≥ −b.
[U8]
Aus a ≤ b, b > 0 und 0 < c < d folgt ac < bd.
[U9]
Aus a ≤ b, b > 0 und 0 < c ≤ d folgt ac ≤ bd.
1
1
Aus 0 < a ≤ b folgt ≥ .
a
b
2
Aus 0 < a ≤ b folgt a ≤ b2 .
[U10]
[U11]
Lernen Sie diese Regeln bitte nicht stur auswendig! Der Umgang mit Ungleichungen ist weitgehend selbsterklärend, wenn man nur beachtet, dass sich das
Ungleichungszeichen “umdreht” wenn man mit einer negativen Zahl multipliziert (siehe [SU5] und [U7] sowie [SU8]). Es sei auch noch einmal auf [SU6]
hingewiesen:
Aus a < b, b > 0 und 0 < c < d folgt ac < bd
Diese Aussage ist falsch für b ≤ 0: Setze a = −2, b = −1, c = 1, d = 3: Dann ist
ac = −2 nicht kleiner als bd = −3.
Der Absolutbetrag
Sei a eine reelle Zahl. Manchmal interessiert man sich nur für den Abstand von
a zur 0, gleichgültig, ob a positiv oder negativ ist. Diesen Abstand nennt man
den Betrag von a:
(
a falls a ≥ 0
|a| :=
−a falls a < 0.
Beachte: −a > 0 falls a < 0. Das Zeichen “:=” hier in der Definition bedeutet,
das auf der linken Seite des Doppelpunktes ein neues Symbol durch Ausdrücke
definiert wird, die auf der erchten Seite stehen (also auf der Seite des Gleichheitszeichens), und die schon bekannt sind. Wir haben hier ein erstes Beispiel,
wo eine Funktion (hier die Betragsfunktion) durch eine Fallunterscheidung
definiert wird. So etwas bereitet dem mathematischen Anfänger manchmal Probleme. Sie sollten sich aber rasch an solche Fallunterscheidungen gewöhnen,
insbesondere bei der Untersuchung von Ungleichungen.
√
2
Beispiel 1.2 | − 4| = 4, |4| = 4, |0| = 0, x2 = |x|
Wir erhalten die beiden folgenden einfachen Regeln
16
| − a| =
|a|
|a · b| =
|a| · |b|.
Von großer Bedeutung ist die Dreiecksungleichung
|a + b| ≤ |a| + |b|
Beispiel 1.3
• |3 + (−5)| = 2 ≤ |3| + | − 5| = 8
• | − 2 − 6| = 8 ≤ | − 2| + | − 6| = 8 (hier haben wir Gleichheit in der
Dreiecksungleichung).
Beispiel 1.4 Bestimme die Lösungsmenge der Ungleichung
21 + x
+ 1 < 5.
2x
(1.2)
Wir formen diese Ungleichung um:
21 + x
< 4.
2x
Nun müssen wir aufpassen und zwei Fälle unterscheiden:
Fall 1: x > 0
21 + x
<
8x
21 <
7x
x
>
3
Fall 2: x < 0
21 + x
>
8x (weil x negativ ist!)
21 > 7x
3
>
x
Wir können jetzt aber nicht sagen, die Lösungsmenge besteht aus allen x mit
x < 3, weil wir die Ungleichung x < 3 ja nur unter der Voraussetzung x < 0
erhalten haben. Die Lösungsmenge besteht in diesem Fall also aus allen x < 0.
Beachte, dass der Fall x = 0 nicht auftreten kann. Wir erhalten:
Die Ungleichung (1.2) ist für alle x mit x < 0 sowie für alle x mit x > 3 gültig.
17
Beispiel 1.5 Bestimme die Lösungsmenge der Ungleichung
x−2
x+1
<
x−1
x+2
(1.3)
Wir multiplizieren beide Seiten mit (x − 1)(x + 2), um die Brüche zu beseitigen.
Wir können das aber nur dann sorglos tun, wenn dieser Ausdruck positiv ist.
Das ist der Fall für x > 1 sowie für x < −2.
Fall 1: x > 1 oder x < −2
x−2
x−1
(x − 2)(x + 2)
x2 − 4
−4
x+1
x+2
< (x − 1)(x + 1)
<
<
x2 − 1
< −1
Das bedeutet, dass die Ungleichung (1.3) für alle x mit x > 1 oder x < −2
gültig ist.
Fall 2: −2 < x < 1 Nun gilt
x−2
x−1
(x − 2)(x + 2)
x2 − 4
−4
x+1
x+2
> (x − 1)(x + 1)
<
>
x2 − 1
> −1
und das ist ganz offensichtlich nie erfüllt.
Beachte auch hier wieder, dass die Fälle x = −2 sowie x = 1 nicht behandelt
werden müssen, da die in der Ungleichung auftretenden Ausdrücke in den Fällen
gar nicht erklärt sind.
Die folgende Skizze illustriert das noch einmal: der durchgezogene Graph beschreibt die linke Seite, der gestrichelte Graph die rechte Seite der Ungleichung.
18
6
4
y
2
–6
–4
–2
2
x
4
6
–2
–4
–6
Beispiel 1.6 Bestimme alle x mit
x3 − x2 − 2x > 0.
(1.4)
Um dieses Problem zu lösen, versuchen wir, die linke Seite der Ungleichung zu
faktorisieren. Wir können zunächst x ausklammern und bekommen
x(x2 − x − 2) > 0.
Nun faktorisieren wir x2 − x − 2. Wir können das machen, indem wir die Nullstellen bestimmen. Die Nullstellen sind 2 und −1, also x2 −x−2 = (x−2)(x+1).
Wir müssen also alle x bestimmen mit x(x − 2)(x + 1) > 0. Das Produkt von 3
Zahlen (hier x, x − 2 und x + 1) ist größer als 0 wenn alle Zahlen > 0 sind oder
wenn nur eine Zahl > 0 ist, die anderen beiden < 0. Alle Zahlen sind größer als
0 wenn x > 2 ist. Zwei Zahlen sind < 0 für −1 < x < 0. Also: Die Ungleichung
(1.4) ist für x > 2 sowie für −1 < x < 0 gültig. Auch dies wird durch eine Skizze
verdeutlicht:
19
10
5
–2
–1
0
1
2
3
x
–5
Summen- und Produktzeichen
Ein großer Vorteil der sehr formalen mathematischen Sprache ist es, komplizierte
Zusammenhänge einfach und klar ausdrücken zu können. Gerade auch diese
Eigenschaft der Mathematik macht sie zu einer geeigneten Hilfswissenschaft der
Wirtschaftswissenschaften.
Seien a1 , . . . , an reelle Zahlen. Dann schreiben wir statt
a1 + a2 + · · · + an
auch
n
X
ai
i=1
(gelesen: Summe der ai mit i von 1 bis n). Der Laufindex i heißt Summationsindex, 1 und n sind die untere und obere Schranke. Die untere Schranke
muss nicht 1 sein:
5
X
i2 = 32 + 42 + 52 = 9 + 16 + 25 = 50.
i=3
Folgende einfache Regeln gelten für den Umgang mit dem Summenzeichen:
20
n
X
a
(n − k + 1)a
=
i=k
n
X
cai
= c
i=k
n
X
(ai + bi )
=
ai
ai
=
i=k
(ausklammern!)
i=k
n
X
n
X
i=k
m
X
i=k
n
X
ai +
i=k
n
X
n
X
(a ist konstant!)
ai +
bi
ai
i=m+1
i=k
für k ≤ m < n.
Ähnlich wie das Summenzeichen kann man das Produktzeichen
n
Y
Q
einführen:
ai = ak · ak+1 · · · an .
i=k
Das Produktzeichen ist etwas weniger gebräuchlich als das Summenzeichen. Hier
sind einfache Rechenregeln für den Umgang mit Π:
n
Y
a
= an−k+1
cai
= cn−k+1
i=k
n
Y
i=k
n
Y
(ai · bi )
=
i=k
n
Y
ai2
=
ai ·
i=k
n
Y
(
i=k
n
Y
ai
bi
i=k
ai )2
i=k
i=k
1.4
n
Y
n
Y
Visualisierungen von Punktmengen
Wir haben gesehen (und das macht man in der Schule ja exzessiv), dass man
Funktionen f (x) “zeichnen” kann. Genauer: Man zeichnet den Graphen der
Funktion f , also die Punktmenge {(x, y) : y = f (x), x ∈ R} (den “Definitionsbereich, also die Menge der x, die man in die Funktionsvorschrift
einsetzen
√
kann, ist vielleicht nicht ganz R, wenn z.B. f (x) = x).
Viel interessanter und spannender sind häufig Mengen, die einer Gleichung oder
Ungleichung genügen, aber keine Funktionsgraphen sind. Überlegen wir uns, wie
die Menge
S = {(x, y) : x2 = y 2 + 1, x ∈ R}
wohl aussehen könnte. Die Antwort ist hier:
21
Interessant ist auch y 2 = x3 − x:
Ganz wichtig für die Wirtschaftswissenschaft ist es, sich Ungleichungen klar
zu machen und sie zu visualisieren. Das mit dem Visualisieren funktioniert
natürlich nur, wenn in den Ungleichungen nur zwei Variablen x und y (evtl.,
wenn man dreidimensional denkt, x, y, z) vorkommen. Hier sind einige Beispiele,
die wir in der Vorlesung ein wenig erläutern werden:
Beispiel 1.7 Wir suchen alle Punkte (x, y) mit x + y ≤ 1 und 2x + 3y ≥ 1
sowie x, y ≤ 1:
22
Wenn wir hier die Bedingung y ≤ 1 weglassen, würden wir etwas Unbeschränktes
erhalten:
Beispiel 1.8 Hier sind Beispiele, wo die Restriktionen (also die Ungleichungen)
nicht linear sind: Zunächst {(x, y) : x2 + 2y 2 ≤ 2}:
23
Und jetzt ein kubisches Beispiel {(x, y) : y 2 ≤ x3 − x}:
Beispiel 1.9 Ein Unternehmen habe 20 Einheiten Arbeit zur Verfügung. Es
kann zwei verschiedene Güter herstellen und die Produktion von x und y dieser
Güter erfordern 4x2 und 3y 2 Arbeitseinheiten. Angenommen Sie machen beim
Verkauf des ersten Gutes pro Stück einen Gewinn von 3 (was auch immer), und
bei der Produktion des zweiten Gutes einen Gewinn von 1. Dann versuchen Sie,
3x + y unter der Nebenbedingung 4x2 + 3y 2 ≤ 20 zu lösen: In dem folgenden
Bild ist blau der Bereich 4x2 + 3y 2 ≤ 20, und die rote Gerade erfüllt 3x + y = 2.
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Man muss die Gerade nun möglichst weit nach rechts verschieben, damit sie
aber gerade noch den blauen Bereich berührt: Das scheint für 3x + y = 7.2 der
Fall zu sein:
Eine Lösung ist ungefähr x ≈ 2.1 und y ≈ 0.9. Stellen Sie sich jetzt vor, es gibt
staatliche Auflagen, dass von y mindestens doppelt so viel produziert werden
muss wie von x. Dann können Sie Ihre schöne Lösung vergessen:
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Optimal ist jetzt der Punkt y = 2x mit 4x2 + 3y 2 = 20, das ist x ≈ 1.12 und
y ≈ 2.24. Der Gewinn ist mit ungefähr 5.6 jetzt deutlich geringer!
Mit diesem Beispiel möchte ich Sie für zwei Dinge sensibilisieren:
• In der Wirtschaftswissenschaft treten nicht nur Funktionsgraphen auf!
• Es treten nicht nur Gleichungen, sondern auch Ungleichungen auf.
In diesem Beispiel könnte man die Optimalwerte auch genau ausrechnen. Das
ist aber oft gar nicht so wichtig: Bedenken Sie, dass wir ein Modell haben, das
mit Unsicherheiten befrachtet ist: Der Gewinn wird nicht exakt 3 und 1 für die
beiden Güter sein. Auch die Arbeitseinheiten, die zur Verfügung stehen, können
schwanken (Urlaub, Krankheit). Und schlussendlich ist auch der Arbeitsaufwand
pro produziertem Gut sicherlich nur eine mehr oder minder gute Schätzung.
Es macht deshalb überhaupt keinen Sinn, das Ergebnis, selbst wenn man es
algebraisch bis auf 100 Stellen nach dem Komma bestimmen kann, mit einer
solchen Genauigkeit anzugeben!
In diesem Beispiel konnten wir das Problem schön visualisieren. Das wird schon
dann umständlicher, wenn die Firma drei Güter produziert, und es wird gänzlich
unmöglich, wenn es mehr als drei Güter sind. Die wenigsten Probleme in dieser
Welt lassen sich durch nur 1, 2 oder 3 Variablen beschreiben, man muss in beliebigen Dimensionen rechnen, auch wenn das keine geometrische Interpretation
mehr hat. Lösen Sie sich bitte schon jetzt von der Vorstellung, dass Funktionen
immer nur von einer Variablen abhängen!
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