Varia 151 Zystische Nierenerkrankungen und Ziliopathien Carsten Bergmann Übersicht Video online! Sie finden das Video unter 151 www.thieme-connect.de/products bei Ihrer Pädiatrie up2date 153 161 164 173 175 Einleitung Merke: Zystische Nierenerkrankungen umfassen eine klinisch und genetisch heterogene Erkran- Fehlbildungen der Nieren und des übrigen Urogenital- kungsgruppe und zählen zu den häufigsten traktes stellen mit einer Prävalenz von etwa 10 % die Erbkrankheiten überhaupt, jede 200. Person ist häufigsten Fehlbildungen des Menschen dar. Maß- betroffen. geblichen Anteil hat die komplexe Organentwicklung während der frühen Embryonalentwicklung. Im Folgenden werden insbesondere die zystischen Nieren- █ Zystoproteine und Zystennieren Die Produkte der verantwortlichen Gene werden unter erkrankungen und hiermit überlappende bzw. assozi- dem Begriff „Zystoproteine“ zusammengefasst und ierte Krankheitsbilder dargestellt. sind primär im Bereich des Zilium-Zentrosomen-Komplexes lokalisiert [2]. Zilien sind antennenartige Aus- Merke: Fehlbildungen der Nieren und des übrigen stülpungen auf der Oberfläche der meisten Zellen, die Urogenitaltraktes stellen die häufigsten Fehlbil- einen intensiven Informationsaustausch in und zwi- dungen des Menschen dar. schen Zellen erlauben und für die Kontrolle des Zellzyklus essentiell sind [3]. Strukturelle und funktionelle Störungen dieser Strukturen führen zu einer Vielzahl Einteilung sehr unterschiedlicher, kollektiv als Ziliopathien bezeichneter Krankheitsbilder, die praktisch alle Orga- Zystische Nierenerkrankungen umfassen eine klinisch ne isoliert oder im Rahmen von Syndromen (Jeune-, und genetisch heterogene Erkrankungsgruppe und Bardet-Biedl-, Joubert-, Meckel-Gruber-Syndrom) zählen mit einer Prävalenz von etwa 1:200 zu den betreffen können (Abb. 1) [4, 5]. Den Zystennieren kam häufigsten Erbkrankheiten überhaupt [1]. Die wich- eine Vorreiterrolle in der Charakterisierung der Zilio- tigsten Formen umfassen die als Zystennieren bezeich- pathien zu Beginn dieses Jahrhunderts zu. Mittlerweile nete autosomal-dominante polyzystische Nierener- wird deutlich, dass die meisten Ziliopathien Nieren- krankung (ADPKD) mit einer Mutation im PKD1- oder zysten aufweisen können. Die meist progredienten PKD2-Gen und die autosomal-rezessive polyzystische renalen Veränderungen werden oft (im Fall der ARPKD Nierenerkrankung (ARPKD) mit PKHD1-Mutationen. immer) von fibrozystischen Veränderungen der Leber Es folgt die heterogene Gruppe der zystisch-dysplasti- und Gallenwege begleitet [6]. schen Nierenerkrankungen sowie der Nephronophthisen (NPHP). Pädiatrie up2date 2 ê 2014 ê DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1365722 ê VNR 2760512014144212031 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Einleitung Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) Autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkankung (ARPKD) Differenzialdiagnosen zystischer und polyzystischer Nierenerkrankungen Wichtigkeit der zugrunde liegenden genetische Diagnose Fazit 152 Zystische Nierenerkrankungen und Ziliopathien Die Abgrenzung der verschiedenen Entitäten voneinander kann im Einzelfall sehr schwierig sein. Einen wertvollen Beitrag zur klinischen und genetischen Einordnung kann neben Informationen zur Familienanamnese, Klinik und Morphologie der Fehlbildungen insbesondere die in den vergangenen Jahren stark verbesserte molekulargenetische Diagnostik liefern (Abb. 2). Nomenklatur, Klassifikation und Morphologie zystischer Nierenerkrankungen Unter der Bezeichnung „polyzystisch“ werden traditionell sowohl die autosomal-dominante (ADPKD) als auch die autosomal-rezessive Form (ARPKD) der zystischen Nierenerkrankungen zusammengefasst, wobei sich die genetisch basierten Bezeichnungen – wie auch in anderen Bereichen der Medizin – zunehmend durchsetzen. Die historischen Bezeichnungen „infantil“ und „adult“ sollten in Anbetracht überlappender klini- Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung scher Verläufe vermieden werden. Merke: Als Zystennieren im engeren Sinne werden die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) und die autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARPKD) bezeichnet. Abb. 1 Breites klinisches Spektrum der Ziliopathien. Praktisch alle Organe können im Rahmen dieser Erkrankungsgruppe betroffen sein, die wichtigsten seien hier schematisch dargestellt. Diagnostik █ Histopathologie Histopathologisch stellen Nierenzysten flüssigkeitsgefüllte epithelialisierte Hohlräume dar, die aus den verschiedenen glomerulären und tubulären Segmenten des Nephrons hervorgehen [1]. Die ADPKD ist Zur diagnostischen Abklärung wird als erster Schritt gekennzeichnet durch eine progrediente Größen- eine abdominale Ultraschalluntersuchung empfohlen zunahme der Zysten in allen Nephronabschnitten, (siehe während bei der ARPKD gemeinhin die Glomerula Video 1 online). Untersucherunabhängiger, häufig leichter zu interpretieren, aber auch teurer und blande sind und die Zysten sich primär in den distalen aufwändiger sind Computer- (CT) und Kernspintomo- Tubuli und Sammelrohren entwickeln. Ein häufiger grafie (MRT). Kleinere Zysten sind im Vergleich zum insbesondere in fortgeschrittenen Krankheitsstadien Ultraschall hiermit meist besser und präziser zu ent- zu beobachtender Unterschied ist, dass die Zysten bei decken. der ARPKD in aller Regel mit dem Tubuluslumen verbunden bleiben, während sie sich bei der ADPKD häufig Merke: Die genetische Diagnostik nimmt eine hiervon abkoppeln. zunehmend wichtige Rolle in der Klassifizierung und Diagnostik ein. █ Klassifikation Die morphologisch basierte Klassifikation nach Potter und Osathanond wird weiterhin häufig zur Charakterisierung der grundlegenden Nierenveränderungen genutzt, gleichwohl auch hier gewisse Überlappungen Ein Video zur Ultraschalluntersuchung bei zystischen Nierenerkrankungen finden Sie unter www.thieme.connect.de/products bei Ihrer Pädiatrie up2date. Pädiatrie up2date 2 ê 2014 der Formen im Einzelfall zu beobachten sind. Dysplasien (multizystisch-dysplastische Nieren, Typ Potter II) sind ätiologisch heterogen (Tab. 1). Varia 153 Art der Nierenveränderungen beim Kind/Feten im Ultraschall Multizystisch-dysplastisch: Nierengröße variabel, Nierenstruktur gestört, unruhiges Muster mit unterschiedlich großen Zysten, ggf. später Rückbildung der Niere („Nierenagenesie“, cave FA: ggf. klinisch gesunde Familienmitglieder mit unilateraler Nierenagenesie) Markzysten: Nieren eher normal groß oder klein mit erhöhter Echogenität und verminderter CMD. Zysten meist erst sekundär bei Nierenversagen, dann typischerweise am Mark-Rinden-Übergang lokalisiert. Polyzystisch: Nieren vergrößert mit erhöhter Echogenität und verwaschener CMD. Im Säuglings- und frühen Kindesalter oft keine Einzelzysten abgrenzbar (v.a. bei ARPKD); mit zunehmendem Alter unterschiedlich große, abgrenzbare Zysten. Normaler elterlicher US u./o. negative FA: Auffälliger elterlicher US u./o. positive FA: Normaler elterlicher US u./o. negative FA: Auffälliger elterlicher US u./o. positive FA: Normaler elterlicher US u./o. negative FA: Auffälliger elterlicher US u./o. positive FA: ARPKD (PKHD1, PKD1, PKD2) ADPKD (PKD1, PKD2) NPH (NPHP1-20) ADMCKD (MUC1, UMOD) HNF1ß-Neumutation (häufig auch i.R. von Syndromen u. CAKUT) RCAD (HNF1ß) Abb. 2 Formen zystischer und polyzystischer Nierenerkrankungen und typischerweise betroffene Gene. Wie im Text näher erläutert, sind zahlreiche Überlappungen zu beachten, sodass es sich hierbei nur um eine simplifizierte Darstellungsform handeln kann. Dominant erbliche Erkrankungen mögen aufgrund stark variabler Krankheitsausprägung in der Familie („variable Expressivität“) oder einer Neumutation beim Kind sporadisch oder autosomal-rezessiv erscheinen. Im Algorithmus der genetischen Abklärung sollten neben dem klinischen, ultrasonografischen und morphologischen Bild der Nierenerkrankung weitere Organfunktionsstörungen oder Fehlbildungen sowie die Familienanamnese und eine Ultraschalluntersuchung der Eltern besonders berücksichtigt werden. ADPKD, autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung; ARPKD, autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung; ADMCKD, autosomal-dominante medullär-zystische Nierenerkrankung; BBS, Bardet–Biedl-Syndrom; BOR, branchio-oto-renales Syndrom; CAKUT, Congenital Anomalies of the Kidney and the Urinary Tract; CMD, kortiko-medulläre Differenzierung; FA, Familienanamnese; JSRD, Joubert-Syndrom-verwandte Erkrankungen; NPH, Nephronophthise; MKS, Meckel-GruberSyndrom; RCAD, Renal Cysts and Diabetes syndrome; RHPD, reno-hepato-pankreatische Dysplasie (Ivemark-Syndrom); SLS, Senior–Løken-Syndrom; SRPS, short rib (Kurzrippen)-Polydaktylie-Syndrom (Jeune-Syndrom und andere); TSC, Tuberöse Sklerose; VHL, von Hippel–Lindau-Syndrom; ZS, Zellweger Syndrom. █ Potter-Sequenz Als Potter-Sequenz wird der Folgezustand eines intrauterinen Fruchtwassermangels unabhängig von der Ursache verstanden. Häufige renale Ursachen sind Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) ARPKD-Zystennieren aber auch Nierendysplasien und -agenesien. Epidemiologie und Klinik Merke: Zur Einordnung und der Möglichkeit einer Die ADPKD ist die häufigste lebensbedrohliche geneti- genauen humangenetischen Beratung mit Ein- sche Krankheit mit weltweit 10 – 15 Millionen Betrof- schätzung des Wiederholungsrisikos ist bei Ver- fenen [7]. In der westlichen Welt ist die ADPKD Ursache sterben des Feten mit Potter-Sequenz eine patholo- des Nierenversagens bei 5 – 10 % aller dialysepflichtigen gisch-anatomische Abklärung dringend anzuraten. Patienten. Neben der Abklärung von Nieren- und Leberveränderungen kommt auch der Erfassung möglicherweise Diagnostik vorliegender weiterer Fehlbildungen besondere Bedeutung im Rahmen der Syndromeinordnung zu Obgleich die genetische Diagnostik an Bedeutung (Tab. 2). gewinnt, gilt der ultrasonografische Nachweis von 3 oder mehr Nierenzysten (uni- oder bilateral) im Alter Merke: Als Potter-Sequenz wird der Folgezustand von unter 40 Jahren als diagnosebeweisend bei Perso- eines intrauterinen Fruchtwassermangels unab- nen, die aufgrund der Familienanamnese ein erhöhtes hängig von der Ursache verstanden. Risiko für die Entwicklung einer ADPKD haben. Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Bei zusätzlichen Fehlbildungen eher denken an: – Chromosomenstörungen (praktisch immer mit mentaler Retardierung) – Ziliopathien und andere syndromale Erkrankungen: – Dominant erblich: z. B. TSC, VHL, BOR (cave Neumutation und variable Expressivität) – Rezessiv erblich: z. B. BBS, JSRD, MKS, SRPS, SLS, RHPD, ZS 154 Zystische Nierenerkrankungen und Ziliopathien Tabelle 1 Kriterien zur Klassifikation der polyzystischen Nierenerkrankungen und der Nierendysplasie: Typenklassifikation der Nierenbeteiligung nach Potter in Typ I – III. Polyzystische Nierenerkrankungen Nierendysplasie Autosomal-rezessive PKD Autosomal-dominante PKD Typ I Typ III Typ II Pathologie/Größe vergrößert vergrößert, zu Beginn häufig normal verkleinert-vergrößert Symmetrie symmetrisch zu Beginn/z. T. über Jahre, asymmetrisch häufig asymmetrisch z. T. in Kombination mit Nierenagenesie Zystenmorphologie Fusiform erweiterte Sammelrohre, Mark-Rinden-Differenzierung aufgelöst Zysten in allen Bereichen des Nephrons, Mark-Rinden Differenzierung anfänglich erhalten meist keiner anatomischen Struktur mehr zuzuordnen Zystendurchmesser zu Beginn stecknadelkopfgroß bis 2 mm, bei längerer Überlebenszeit bis zu Zentimetern zu Beginn ggf. gering, später bis zu mehreren Zentimetern bis zu mehreren Zentimetern Leberveränderungen kongenitale Leberfibrose (obligat), Caroli-Syndrom Leberzysten bei 70 – 80 % der dialysepflichtigen Patienten, sehr selten auch kongenitale Leberfibrose im Rahmen von Syndromen Weitere Symptome selten Aneurysmen und Pankreasbeteiligung Mitralklappenprolaps, Colondivertikel, intrakranielle Aneurysmen, Pankreaszysten, Arachnoidzysten, und weitere seltene häufig im Rahmen komplexer Fehlbildungssyndrome Hauptsymptome Neugeborenenperiode: respiratorische Störungen; Kindes-, Jugend-, Erwachsenenalter: Niereninsuffizienz, portale Hypertension (sehr variabel, bei ca. 80 % der Patienten) Erwachsenenalter (2. – 4. Dekade): Hypertension, Volumenzunahme der Nieren, später Niereninsuffizienz; bei ca. 2 % bereits pränatal oder perinatal: respiratorische Störungen, Niereninsuffizienz, Hypertension meist vollständiger Funktionsverlust der betroffenen Niere. Bei bilateralem Befall Anhydramnie mit Potter Sequenz Manifestation bei betroffenen Familienangehörigen oft ähnlicher Verlauf bei betroffenen Geschwistern, unterschiedliche Verläufe jedoch möglich variabel, hohes Wiederholungsrisiko für Frühmanifestationen bei bereits betroffenen Familien im Rahmen des RCAD unilaterale bzw. bilaterale Nierenagenesie/-dysplasie Elterliche Nieren keine Auffälligkeiten Zysten bei einem Elternteil je nach Lebensalter, bei 5 – 10 % kein Elternteil betroffen s. o. Potter Typ Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung NIERE WEITERE ORGANE Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Varia 155 Tabelle 2 Auswahl syndromaler Krankheitsbilder mit zystischen Nierenveränderungen. Die meisten der genannten Erkrankungen zeigen Syndrom Leitsymptome Nierenbeteiligung Genetik Axiale mesodermale Dysplasie (VACTERL, Klippel-Feil, MURCSAssoziation) Vertebralanomalien, Analatresie, Herzfehler, Tracheoösophagealfistel, Radiusdys-/-aplasie, Fehlbildungen des Müller-Gangs meist aus dem Spektrum Agenesie/ Hydronephrose meist sporadisch, nur vereinzelt familiär (dann wahrscheinlich zumeist autosomal-rezessiv) Bardet-Biedl-Syndrom Retinopathie, Adipositas, mentale Retardierung, Polydaktylie, hypoplastisches Genitale häufig polyzystisch imponierende Nierenerkrankung autosomal-rezessiv Branchio-oto-renales Syndrom Präaurikularfisteln, Halsfisteln, Hörstörungen, Ohrmuscheldysplasie Typ II-Zystennieren bei ca. 5 – 10 % der Patienten, Nierenagenesie autosomal-dominant Chromosomenstörungen je nach Chromosomenstörung weitere Fehlbildungen, faziale Dysmorphie, mentale Retardierung verschiedene Formen, meist Agenesie/Nierendysplasie meist de-novo-Chromosomenstörung, gelegentlich als Folge einer familiären Translokation Jeune-Syndrom (Asphyxierende Thoraxdysplasie) enger Thorax, kurze Extremitäten, hypoplastische Beckenknochen, Gallengangs- und Pankreasdysgenesie verschiedene Formen der Nierenbeteiligung autosomal-rezessiv Joubert-Syndrom (JS) und „Joubert syndrome related disorders“ (JSRD) Kleinhirnfehlbildungen, neonatal auffällige Atmung, Retinopathie, okuläre Motilitätsstörungen, mentale Retardierung, Polydaktylie Nierendysplasie, Markzysten autosomal-rezessiv Meckel-Gruber-Syndrom okzipitale Enzephalozele, Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte, Hirnfehlbildungen, Genitalanomalien, Polydaktylie meist aus dem Spektrum Agenesie/ Hydronephrose, auch Typ I oder IIIZystennieren autosomal-rezessiv Oro-Fazio-Digitales-Syndrom Typ I Lobulierte Zunge, mediane Lippenspalte, Gaumenspalte, hypoplastische Nasenflügel, Handfehlbildungen, mentale Retardierung meist Typ III-Zystennieren X-chromosomal RCAD (renal cysts and diabetes)Syndrom, HNF1ß-assoziierte Erkrankungen Harntrakt- und Genitalanomalien, familiärer Diabetes mellitus (MODY Typ 5), Gicht verschiedene Formen, meist Typ IIZystennieren Agenesie/Nierendysplasie, seltener auch polyzystisch autosomal-dominant (fast 50 % de novo) Kurz-Rippen-PolydaktylieSyndrome (mehrere Typen) kurze Rippen, kurze Extremitäten, Polydaktylie, Gallengangs- und Pankreasdysgenesie meist Typ II-Zystennieren, Nierendysplasie autosomal-rezessiv Senior-Løken-Syndrom Retinitis pigmentosa, Kleinhirnveränderungen, Leberfibrose Markzysten, Nephronophthise autosomal-rezessiv Tuberöse Sklerose Adenoma sebaceum, hypopigmentierte Hautflecken (white spots), Epilepsie, mentale Retardierung Typ III-Zystennieren, Nierendysplasie, renale Angiomyolipome (40 – 80 %) autosomal-dominant, variable Expressivität von Hippel-Lindau-Syndrom Angiomatosis retinae, zerebelläre Hämangioblastome, Hämangiome Typ III-Zystennieren, Hypernephrome autosomal-dominant, variable Expressivität Zellweger-Syndrom (zerebrohepato-renales Syndrom) Muskelhypotonie, Hirnfehlbildungen, Gesichtsdysmorphien, Hepatomegalie, erhöhte überlangkettige Fettsäuren (VLCFA) verschiedene Typen autosomal-rezessiv Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung eine ausgeprägte klinische und genetische Heterogenie und sind oftmals der Gruppe der Ziliopathien zuzuordnen. 156 Zystische Nierenerkrankungen und Ziliopathien Merke: Im Kindesalter sollte bereits der Nachweis bedingt ist, nicht jedoch durch ein schnelleres Wachs- einer Nierenzyste an eine ADPKD denken lassen, da tum der Zysten. Zysten ansonsten in diesem Alter ausgesprochen Eine kürzlich publizierte Studie von mehr als 500 selten sind. Familien mit ADPKD zeigte, dass nicht nur das betrofEr ist praktisch diagnosesichernd, wenn aufgrund eines fene Gen, sondern auch die Art der PKD1-Mutation sig- betroffenen Elternteils ein 50 %iges Wiederholungsrisi- nifikant mit der absoluten Nierenüberlebenszeit korre- ko besteht. liert [8]. Patienten mit einer zum Kettenabbruch führenden, sog. trunkierenden Mutation wurden im Merke: Nierenzysten sind flüssigkeitsgefüllte epi- Durchschnitt gut 12 Jahre früher terminal niereninsuf- thelialisierte Hohlräume, die aus den verschiede- fizient als Patienten mit einer nicht zum Kettenabbruch nen glomerulären und tubulären Segmenten des führenden PKD1-Mutation (55,6 vs. 67,9 Jahre). Nephrons hervorgehen. Die ADPKD zählt zu den sog. spätmanifesten genetischen Erkrankungen, d. h. klinische Symptome treten Diagnostik der ADPKD gewöhnlich nicht vor dem Erwachsenenalter auf. Die Mit Hilfe einer Ultraschalluntersuchung der Nieren Variabilität selbst innerhalb der Familie ist allerdings können bis zum 30. Lebensjahr ca. 98 % und bis zum erheblich. So zeigen ca. 2 % der Patienten bereits im 40. Lebensjahr praktisch alle Anlageträger für ADPKD identifiziert werden. Kindesalter klinische Zeichen [9], darunter solche mit Eine Mutationsanalyse bei ADPKD sollte bei folgen- dität und Mortalität. Potter-Sequenz und beträchtlicher perinataler Morbi- den Konstellationen diskutiert werden: Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung █ Patienten mit zystischen Nierenveränderungen, Merke: Frühmanifeste Formen der ADPKD stellen aber negativer Familienanamnese █ daher die wichtigste Differentialdiagnose zur zur Diagnosesicherung und Risikobeurteilung in der ARPKD dar. genetischen Beratung █ Lebendnierenspende zum Ausschluss einer Anlageträgerschaft bei jüngeren Spendern Wichtigstes diagnostisches Kriterium ist der Nachweis von Zystennieren bei einem Elternteil. Nicht selten sind bei den Eltern Zystennieren bis zur Diagnosestellung Merke: Die Pränataldiagnostik spielt für ADPKD- nach der Geburt eines betroffenen Kindes nicht Familien praktisch keine Rolle. bekannt. Familienstudien zeigen, dass ein hohes Wiederholungsrisiko von ca. 50 % für Geschwister von frühmanifesten ADPKD-Patienten besteht. Kürzlich Symptome konnte ein genetisches Prinzip beschrieben werden, welches das hohe Wiederholungsrisiko in Familien mit Klinisch steht eine Hypertension und eine progrediente frühmanifester Verlaufsform erklären hilft [10]. Dem- Nierenfunktionsverschlechterung mit Volumenzunah- nach trägt ein Teil der früh und schwer betroffenen me beider Nieren bedingt durch massive Zystenbildung Patienten Mutationen in nur mehr als einer Genkopie im Vordergrund. Das CRISP (Consortium for Radiologic bzw. einem Gen im Sinne einer erhöhten Mutations- Imaging Studies of Polycystic Kidney Disease)-Konsor- last. tium konnte zeigen, dass Nieren von ADPKD-Patienten exponentiell an Größe zunehmen; so stieg das Nieren- Merke: Erster Schritt in der diagnostischen Ab- volumen in einem Kollektiv von mehr als 200 Patienten klärung ist in der Regel eine abdominale Ultra- pro Jahr um durchschnittlich 63 ml (5,3 %). Die Hälfte schalluntersuchung. Bei einem Kind mit zystischer aller Patienten ist im Alter von 60 Jahren chronisch Nierenerkrankung unklarer Genese ist die Ultra- niereninsuffizient. Patienten mit einer PKD2-Mutation schalluntersuchung der Eltern wichtig und liefert zeigen im Durchschnitt einen signifikant milderen häufig weitere Erkenntnisse bzgl. der Einordnung. Krankheitsverlauf als PKD1-Patienten mit einer niedrigeren Prävalenz von Harnwegsinfektionen und arte- █ Extrarenale Manifestationen rieller Hypertonie. PKD1-Patienten werden durch- Obgleich in erster Linie die Nieren betroffen sind schnittlich 20 Jahre früher als PKD2-Patienten terminal (Abb. 3), stellt die ADPKD eine progressiv verlaufende niereninsuffizient (58,1 vs. 79,9 Jahre), was durch die Multisystemerkrankung mit profunder extrarenaler Entwicklung von mehr Zysten in einem frühen Alter Beteiligung dar [1]. Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Varia Zysten der Leber sind die mit Abstand häufigste extrarenale Manifestation. Klinisch verhalten diese sich zumeist benigne und führen zu keinen größeren Komplikationen. Zysten in anderen epithelialen Organen (z. B. Samenblase, Pankreas, Arachnoidia) und Divertikulose sind ebenfalls recht häufig. Leberzysten treten vermehrt bei Frauen und ca. 75 % der ADPKD-Patienten mit Mitte 60 auf. Die polyzystische Lebererkrankung (ADPLD) kann aber auch als eigenständige Erkrankung mit Mutationen in bislang zwei beschriebenen Genen (PRKCSH und SEC63) auftreten [8]. Kardiovaskuläres System Kardiovaskuläre Komplikationen der ADPKD sind gefürchtet. Während die Diagnose eines Mitralklappenprolaps zwar häufig (jeder vierte ADPKD-Patient), jedoch klinisch meist unbedeutend ist, stellen die bei ca. 8 % der Patienten auftretenden intrazerebralen Aneurysmen eine potenziell lebensbedrohliche Manifestation mit der Gefahr der Hirnblutung dar. Merke: Patienten mit positiver Familienanamnese zeigen ein signifikant erhöhtes Risiko für intrazerebrale Aneurysmen, worauf im Rahmen der Betreuung hingewiesen werden sollte. Intrazerebrale Aneurysmen. Goldstandard für die Detektion intrazerebraler Aneurysmen ist die MRAngiografie, von einem breiten Massenscreening aller ADPKD-Patienten sollte jedoch Abstand genommen werden. Eine differenzierte Betrachtungsweise mit umfassender Erläuterung der Pros und Kontras sowie möglicher Konsequenzen für den Patienten sollte vor Untersuchung erfolgen. Gleiches gilt in noch viel höherem Umfang für das Kindes- und Jugendalter, für das extrarenale Komplikationen im Allgemeinen keine Histologie Histologisch werden die unterschiedlich großen Zysten █ Morphologie von variabel breiten, oft ausgeprägt fibrosierten Binde- Makroskopisch sieht man bei ADPKD im Endstadium gewebsbändern, bzw. komprimierten Parenchymres- große komplett zystisch umgebaute Nieren (Abb. 3), die ten umgeben und in der Regel von einreihigem, kubi- unterschiedlich flüssigkeitsreich und über 1 kg schwer schem bis flachem Epithel ausgekleidet. Eine Tumo- sein können. Die Zystenbildung beginnt üblicherweise rentstehung in einer ADPKD-Niere ist eine ausgespro- zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Die Zysten neh- chene Rarität. men im Laufe der Erkrankung an Zahl und Größe zu, kommen in allen Nephronabschnitten (somit auch glo- █ Genetik merulär) bevorzugt im Bereich der Henle-Schleife und Die Mehrzahl der Patienten weist eine Mutation im der Sammelrohre vor, sind variabel groß, teils abge- PKD1-Gen auf, etwa 20 % zeigen eine Mutation im kapselt, teils sehr dünnwandig und hämorrhagisch PKD2-Gen. Bis vor kurzem wurde angenommen, dass inhibiert oder auch superinfiziert; sie können unter- Mutationen in diesen beiden Genen ausschließlich schiedlich große Konkremente enthalten. dominant mit variabler Expressivität und stets kompletter Penetranz vererbt werden. Wie man seit weni- Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Abb. 3 a, c Makroskopisches Erscheinungsbild der autosomal-dominanten polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD) im fortgeschrittenen Stadium. Die Nieren sind vergrößert und weisen deutlich multiple Zysten auf, die das Nierenparenchym beinahe komplett zerstört und ersetzt haben. b Im Querschnitt sind multiple Zysten im Kortex und der Medulla zu sehen; die Zysten variieren beträchtlich in Größe und Erscheinungsbild und reichen von wenigen Millimetern bis zu vielen Zentimetern [31]. Leber Rolle spielen. 157 158 Zystische Nierenerkrankungen und Ziliopathien gen Jahren aber weiß, können sich PKD1- und PKD2- machen nur einen geringen Anteil der Mutationen aus Mutationen auch inkomplett penetrant und rezessiv (ca. 5 %). Insgesamt weist das PKD1-Gen eine sehr hohe hinsichtlich ihres Vererbungsmusters verhalten [10, Variabilität und Mutabilität auf, was die Beurteilung 11]. Diese primär hypomorphen Veränderungen von Veränderungen im PKD1-Gen erschwert. Bei bedingen zumeist bei alleinigem heterozygoten Auf- Patienten mit tuberöser Sklerose und Zystennieren treten keinen oder allenfalls einen sehr milden Phäno- konnten große Deletionen nachgewiesen werden, die typ, während sie in homozygoter (auf beiden Gen- sowohl das PKD1- als auch das TSC2-Gen einschließen kopien die gleiche Mutation) oder compound hetero- (TSC2-PKD1 contiguous gene syndrome). Hierbei han- zygoter (auf beiden Genkopien eine jeweils andere delt es sich um nahezu ausschließlich schwere Mani- Mutation) Form zu einer klinischen Manifestation füh- festationsformen des Kindesalters, die in der Regel als ren. In trans (sprich auf dem anderen elterlichen Allel) Neumutation auftreten. mit einer pathogenen Mutation können sie auf diese Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Weise eine Aggravierung des Phänotyps und somit ein PKD2-Gen und Protein deutlich früheres Erkrankungsalter bedingen. Es ist Das ca. 5 kb große Transkript des PKD2-Gens auf Chro- anzunehmen, dass diesen Veränderungen eine prog- mosom 4q21 umfasst 15 Exons und kodiert ein Protein nostische Bedeutung für den klinischen Verlauf (Polycystin-2) von 968 Aminosäuren. Wie Polycystin-1 zukommt und sie eine zumindest partielle Erklärung stellt auch Polycystin-2 ein ziliäres Multipass-Trans- für variable intrafamiliäre Verläufe und Frühmanifes- membranprotein mit intrazellulärem C-Terminus dar tationen liefern. Weitere Erklärungsmodelle für die (Abb. 4) [12]. Polycystin-2 (TRPP2) ist als Mitglied der große klinische Variabilität stellen zelluläre Mosaike, TRP-Kanal-Familie (transient receptor potential chan- epigenetische Mechanismen und andere modifizieren- nels) ein nicht-selektiver Kationenkanal und z. B. für die de Gene dar. Pathogenetisch wird auf zellulärer Ebene Kalziumhomöostase der Zelle bedeutsam. Die beiden in den Zysten seit vielen Jahren eine rezessive Situation ADPKD-Proteine interagieren über ihre kurzen intra- mit einem „second hit“ Ereignis im vermeintlichen zellulären C-Termini miteinander. Für Polycystin-2 Wild-Typ Allel postuliert. Neuere Erkenntnisse gehen wurde zudem eine Interaktion mit dem ARPKD-Protein dahingehend sogar von einem „three-hit“ oder „multi- Fibrocystin/Polyductin gezeigt (Abb. 4). PKD2 wird in hit“ Geschehen aus. zahlreichen Geweben exprimiert, subzelluläre Lokalisationen sind neben der Zilienmembran vor allem das PKD1-Gen und Protein endoplasmatische Retikulum, Zentrosom und Mitose- Das aus 46 Exons bestehende Gen erstreckt sich geno- spindel. Die Analyse mittels Direktsequenzierung misch über ca. 50 kb auf Chromosom 16p13, das ent- ermöglicht die Identifizierung eines Großteils der sprechende Transkript ist ca. 14 kb groß. Das hierdurch PKD2-Mutationen. Auch hier ergibt sich kein Hinweis kodierte Polycystin-1 Protein besteht aus 4303 Amino- für überzeugende „Mutationshotspots“. Die Interpre- säuren und ist ein integrales Membranprotein der pri- tation ist jedoch deutlich weniger komplex als bei mären Zilienmembran (Abb. 4). Im Komplex mit Poly- PKD1, auch weil ein Großteil der PKD2-Mutationen cystin-2 wurden neben anderen eine Funktion als zum Kettenabbruch führt, sprich trunkierenden Cha- Mechanorezeptor sowie im Rahmen der Zellzyklus- rakter besitzt. Regulation, planaren Zellpolarität (PCP) und Zell-Zellsowie Zell-Matrix-Interaktionen beschrieben. PKD1 wird in erster Linie in Niere, Leber und Pankreas, aber █ Klinisch-ultrasonografische und genetische Diagnostik auch einer Vielzahl weiterer Gewebe wie Gehirn, Lunge Mit Hilfe einer Ultraschalluntersuchung der Nieren und Gefäßen exprimiert. Die Mutationsanalyse des können bis zum 30. Lebensjahr ca. 98 % und bis zum PKD1-Gens wird dadurch erschwert, dass die verant- 40. Lebensjahr praktisch alle Anlageträger identifiziert wortliche Region in mehreren nahezu identischen werden. Werden bei einer Person unter 40 mittels Kopien vorliegt [7]. Die insgesamt sechs Pseudogene Ultraschall drei oder mehr Nierenzysten uni- oder grenzen unmittelbar an das PKD1-Gen auf Chromosom bilateral beobachtet, so ist die Diagnose ADPKD sehr 16 p an und weisen eine 98 – 99 %ige Homologie zu den wahrscheinlich. Das Vorkommen von weniger als Exons 1 – 33 des PKD1-Gens auf. Das Vorkommen die- zwei Nierenzysten im Alter von 40 Jahren schließt die ser nahezu sequenzhomologen Pseudogene macht die Erkrankung hingegen weitgehend aus [13]. In einer Analytik komplex und erfordert eine Voramplifikation Studie von Kindern und Jugendlichen mit bekannter mittels spezifischer Long-range-PCRs. Mutationen ver- PKD1-Mutation hatten bereits 60 % der unter 5-jähri- teilen sich über das komplette Gen, eigentliche „hot- gen Nierenzysten, in der Gruppe der 5 – 18-jährigen spots“ werden nicht beobachtet. Größere Deletionen waren dies bereits 75 – 80 % [14]. Eine prädiktive Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Varia Mutationsanalyse ist zumeist besonderen Fällen vor- NH2 NH2 Nierenveränderungen bei negativer Familienanamnese WSC homology Lipoxygenase Homology 2 Coiled coil (unauffälliger elterlicher Ultraschall) zur Diagnose- PKD domain EF hand sicherung und Risikobeurteilung in der genetischen C-type lectin ER retention signal Beratung. Im Fall einer vermeintlichen Neumutation ist LDL-A-related IPT domain auch das Vorliegen eines Mosaiks in Betracht zu ziehen, REJ domain PbH1 domain was besondere Anforderungen an die genetische Diag- GPS domain enthalten und gilt z. B. für Patienten mit zystischen 159 Leucine-rich repeats nostik mit sich bringt und verlässlich nur mittels neuer Sequenziertechniken (Next-Generation Sequencing, NGS) und entsprechend hoher Abdeckung (coverage) zu gewährleisten ist. Eine weitere wichtige Indikationsstellung zur Mutationsanalyse ist die Frage der COOH Anlageträgerschaft bei möglichen Nierenspendern aus betroffenen Familien. Vor allem bei jüngeren Spendern (< 25 Jahre) schließt eine unauffällige Ultraschallunter- COOH NH2 Polycystin-1 Polycystin-2 COOH suchung die Anlageträgerschaft noch nicht sicher aus. Fibrocystin/ Polyductin sem Zusammenhang in Abhängigkeit vom Lebensalter eine Testung auf die zuvor identifizierte familiäre Mutation sinnvoll erscheinen. In Anbetracht der zunehmenden Identifizierung und Charakterisierung pathogenetisch bedeutsamer Faktoren und modifizierender Gene könnte eine molekulargenetische Diagnostik auch in Hinblick auf eine weitere Abschätzung des klinischen Verlaufs und Verlaufsprognose denkbar werden. In Familien mit Frühmanifestation könnte beispielsweise der Nachweis hypo- Abb. 4 Proteinnetzwerk bei Zystennieren. Alle drei der hier abgebildeten für die autosomal-dominante (ADPKD) und rezessive (ARPKD) polyzystische Nierenerkrankung verantwortlichen Proteine interagieren miteinander. Beide ADPKD-Proteine (Polycystin-1 und Polycystin-2) stellen ziliäre Multipass-Transmembranproteine, das ARPKD-Protein Fibrocystin/Polyductin ein Typ 1-Membranprotein jeweils mit intrazellulärem C-Terminus dar. Die Funktionen der einzelnen Proteine sind weiterhin nicht restlos aufgeklärt; Funktionen als Mechanorezeptor, im Rahmen der Zellzyklus-Regulation, planaren Zellpolarität (PCP) sowie Zell-Zell- und Zell-Matrix-Interaktionen, sind beschrieben bzw. werden diskutiert. Polycystin-2 (synonyme Bezeichnung TRPP2) ist zudem als Mitglied der TRP-Kanal-Familie (transient receptor potential channels) ein nicht-selektiver Kationenkanal und u. a. auch für die Homöostase des Ca2+-Haushalts bedeutsam. Sowohl für Polycystin-1 als auch für Fibrocystin/Polyductin wurden prozessierte Isoformen im Zytoplasma und Zellkern beschrieben, die einem sog. RIP (Regulated Intramembrane Proteolysis) Mechanismus unterliegen und im Zellkern möglicherweise als Transkriptionsfaktoren fungieren. morpher Allele und weiterer aggravierender Mutationen Bedeutung für eine eventuelle Pränataldiagnostik eine Kontrolluntersuchung erfolgen. Werden hingegen erlangen. Es ist zudem sehr wahrscheinlich, dass mög- Nierenzysten festgestellt, ist es in jedem Falle sinnvoll, liche zukünftige therapeutische Optionen eine vor- die betreffende Person in eine kontinuierliche pädia- herige molekulargenetische Charakterisierung mit trisch-nephrologische Betreuung zu überführen. entsprechendem Mutationsnachweis erforderlich machen [15]. Die Pränataldiagnostik spielt in Deutschland in ADPKD- Klinische Studien und potenzielle zukünftige Therapieoptionen Familien, abgesehen von seltenen Ausnahmen frühmanifester Fälle, praktisch keine Rolle. Nach dem Gen- Aktuell beschränkt sich die Therapie von Patienten mit diagnostikgesetz wäre sie in spätmanifesten Familien Zystennieren primär auf die konsequente Behandlung nicht erlaubt. Eine molekulargenetische prädiktive des prognostisch ungünstigen Blutdrucks, die Vermei- Testung bei Kindern und Jugendlichen ist ebenfalls, dung und konsequente Behandlung von Harnwegs- zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt ohne sich infekten sowie im weiteren Verlauf Behandlung der direkt daraus ableitender Therapieoption bzw. Ände- Niereninsuffizienz. Durch das verbesserte Verständnis rung des klinischen Regimes, nicht sinnvoll und daher der Pathogenese der Zystenbildung mit Identifizierung zu unterlassen. Wegen der Möglichkeit von Komplika- der verantwortlichen Gene und Charakterisierung der tionen bei bisher nicht erkannten Zystennierenträgern Funktion der verantwortlichen Proteine haben sich im Kindesalter sollten Kinder betroffener Personen neue Behandlungsstrategien eröffnet (Abb. 5) [15, 16]. einer weitmaschigen ultrasonografischen Untersu- Nachfolgend sollen von den zahlreichen Ansätzen nur chung unterzogen werden. Finden sich keine Hinweise diejenigen erwähnt werden, die bereits zu klinischen auf Komplikationen sollte in großzügigen, mit dem Studien geführt haben. Eine erste Schwierigkeit besteht betreuenden Kliniker abzustimmenden Abständen in der Wahl geeigneter Biomarker, d. h. Parameter zur Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Auch beim Vorkommen einzelner Zysten kann in die- 160 Zystische Nierenerkrankungen und Ziliopathien Downregulated in PKD (2) (1) PC-1 Cl Upregulated in PKD PC-2 (3) CFTR TNF α EGF IGF VEGF FC ten erhöhte Vasopressin-Werte im Serum und erhöhte (?) PKA cAMP-Level in Tubuluszellen nachgewiesen werden. Es lag daher nahe, die Wirkung von Vasopressin PC-1 SHH Signaling? ER (4) SRC β-Catenin Ca2+ PC-2 (9) PC-2 (5) Ras/B-Raf/MEK/ERK cAMP (6) (7) AMPK mTOR ATP (Tolvaptan Efficacy and Safety in the Management of PKD and Outcomes) untersucht, einer großen Phase 3, TNF antagonists (7) Metformin Tyrosine kinase inhibitors (8) CDK inhibitors CFTR inhibitors (9) Triptolide SRC inhibitors (10) Somatostatin MEK inhibitors (11) V2 receptor antagonists mTOR inhibitors ren zeigten die mit Tolvaptan behandelten Patienten vs. 5,5 % in der Kontrollgruppe), eine geringere Nierenfunktionsverschlechterung und weniger ADPKD-asso- SSTR Potential Interventions: eines progressiven Krankheitsverlaufes. Nach drei Jahein signifikant langsameres Nierenwachstum (2,8 % ziierte unerwünschte Ereignisse, jedoch andererseits AC VI Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Tolvaptan wurde in der klinischen Studie TEMPO 3/4 und deutlich vergrößerten Nieren > 750 ml als Indikator Proliferative Transcription Stats, Myc, jun, phos Cyclin D (8) (10) (1) (2) (3) (4) (5) (6) Tiermodellen zu untersuchen. Der VPV2R-Antagonist 18 – 50-jährigen Patienten mit einer GFR > 60 ml/min Ca2+ TSC1/TSC2 PC-1 V2-Rezeptor (VPV2 R)-Antagonisten in verschiedenen Placebo-kontrollierten, doppelblinden Studie bei GSK3β Rheb über den V2-Rezeptor ist ein zentraler Mechanismus der Zystenentstehung. So konnten bei ADPKD-Patien- Ca2+ Ca2+ IKKβ Vasopressin V2-Rezeptor (VPV2 R)-Antagonisten. Der Effekt von Vasopressin auf cAMP in Sammelrohrzellen (11) V2R Vasopressin auch eine höhere Abbruchrate (23 % vs. 14 % in der Kontrollgruppe) aufgrund hepatischer Nebenwirkungen und Aquarese [17]. Obgleich weitere Langzeitstudien den nützlichen Effekt von Tolvaptan noch bestätigen müssen und die Nebenwirkungsrate reduziert werden sollte, war die TEMPO 3/4 Studie doch ermutigend und konnte die effektive Behandlung der ADPKD nachweisen. Abb. 5 Schematische Darstellung einer Nierenepithelzelle mit primärem Zilium an der Oberfläche und der bei Zystennieren alterierten Signalwege mit Kennzeichnung potenzieller pharmakologischer Zielmoleküle („drug targets“). Alle Zystennierenproteine [Polycystin-1 (PC-1), Polycystin-2 (PC-2), und Fibrocystin/Polyductin (FC)] sind subzellulär u. a. im Bereich primärer Zilien lokalisiert. PC-2 spielt zudem eine wichtige Rolle im endoplasmatischen Retikulum (ER). Der Polycystin-Komplex reguliert ziliäre Ca2+-Signale und steuert hierdurch die Ca2+-Freisetzung aus dem ER. Eine Reduzierung des intrazellulären Ca2+-Spiegels führt zu gesteigerter cAMP-Konzentration in der Zelle. Die Aktivierung des V2-Rezeptors (V2R) unterstützt dies, während eine Aktivierung des Somatostatin-Rezeptors (SSTR) einen gegenteiligen Effekt hat. Eine gesteigerte cAMP-Konzentration hat eine vermehrte chloridabhängige Flüssigkeitssekretion und verstärkte Zellproliferation bei Zystennieren zur Folge, u. a. durch Aktivierung des mTOR-Signalwegs. AC-VI, Adenylylzyklase Typ VI; ATP, Adenosintriphosphat; CFTR, Cystic Fibrosis Transmembrane conductance Regulator; ER, Endoplasmatisches Retikulum; ERK, Extrazelluläre Signal–Regulierte Kinase; MEK, mitogen-activated protein kinase kinase (MAPKK); PKA, Protein Kinase A; EGF, Epidermal Growth Factor; IGF, Insulin-like Growth Factor; VEGF, Vascular Endothelial Growth Factor; AMPK, AMP-activated protein kinase; SHH, Sonic Hedgehog Signalweg. Somatostatin-Analoga. Eine weitere Möglichkeit via SST2-Rezeptor in Leber und Niere den intrazellulären cAMP-Spiegel zu senken, ist der Gebrauch lang wirkender Somatostatin-Analoga. So führte Octreotid zu vermindertem Zystenwachstum in Niere und Leber in der PCK Ratte als Tiermodell für ARPKD sowie mehreren kleinen klinischen Studien von Patienten mit ADPKD und ADPLD, während eine Verbesserung der Nierenfunktion jeweils nicht erreicht werden konnte. In einer randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie von 42 Patienten mit ADPKD oder ADPLD mit einer GFR von 70 ml/min [18] zeigten ADPKD-Patienten im Gegensatz zur Kontrollgruppe nach einem Jahr Behandlung mit Octreotid keine wei- Messung des Therapieeffektes. Systematische Studien tere Zunahme des absoluten Nierenvolumens. Auch in ließen das mittels MRT bestimmte absolute Nieren- dieser Studie wurde jedoch kein signifikanter Unter- volumen (TKV, total kidney volume) als den best- schied in der GFR zwischen Octreotid- und Placebo- möglichen Parameter hierfür erscheinen. Wie zumeist Gruppe identifiziert. Octreotid wurde als Substanz gut üblich wurden die derzeit bei Patienten mit ADPKD toleriert. in klinischen Studien geprüften Substanzen zuvor in meist mehreren Tiermodellen erfolgreich getestet. Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Varia mTOR-Inhibitoren. Ein anderer mit der Pathogenese der ADPKD in Verbindung gebrachter Signalweg ist mTOR. So wirkt Polycystin-1 als negativer Regulator des mTOR-Signalwegs. Folgerichtig weisen Zystenepithe- 161 Autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkankung (ARPKD) Epidemiologie und Klinik lien der Nieren von ADPKD-Patienten eine erhöhte mTOR-Aktivität auf. Nachdem mehrere PKD-Tiermo- Die Häufigkeit der ARPKD ist regional unterschiedlich. delle ermutigende Resultate gezeigt hatten, wurden In Mitteleuropa erscheint eine Prävalenz von 1 : 20 000 schließlich vier verschiedene klinische Studien zu realistisch, was einer Heterozygoten-Frequenz von mTOR-Inhibitoren (Sirolimus, Everolimus) bei ADPKD ca. 1 : 70 entspricht. In isolierten Kohorten und Bevöl- initiiert. Dabei konnten die zwei großen, in der Schweiz kerungsgruppen mit hohem Anteil konsanguiner Ver- und Deutschland durchgeführten klinischen Studien bindungen ist die ARPKD entsprechend häufiger. Schweizer Studie (open-label, randomisiert und kon- Im Gegensatz zur ADPKD ist die ARPKD typischerweise trolliert) über 18 Monate schloss 100 sich in einem eine pädiatrische Erkrankung, obwohl das klinische frühen Krankheitsstadium befindenden Patienten zwi- Spektrum sehr viel variabler ist als ehemals angenom- schen 18 und 40 Jahren mit einer Kreatinin-Clearance men, und mittlerweile auch moderat betroffene von mindestens 70 ml/min ein. Die Verum-Gruppe Erwachsene beschrieben sind [21]. Dennoch sind die hatte zu Studienbeginn ein mittleres TKV von 907 cm3, meisten Verläufe schwer und resultieren bei bereits die Kontrollgruppe ein mittleres TKV von 1003 cm3. prä- oder perinatal massiv vergrößerten Nieren in Sirolimus wurde in einer Zieldosis von 2 mg/Tag verab- einer Potter-Oligohydramnion-Sequenz und nach- reicht. Nach Abschluss der Studie konnte kein signifi- folgender respiratorischer Insuffizienz, die in etwa kanter Unterschied für TKV und GFR zwischen Verum- 30 – 50 % neonatal zum Tode führt. Im Ultraschall haben und Placebo-Gruppe beobachtet werden, jedoch zeigte Kinder mit ARPKD typischerweise beidseits große sich ein Anstieg der Albuminurie in der Sirolimus- echogene Nieren mit reduzierter oder aufgehobener Gruppe [19]. Die deutsche Studie schloss insgesamt 433 kortikomedullärer Differenzierung [22] (Abb. 6). Patienten mit fortgeschrittenerer ADPKD in einer randomisierten, doppelblinden, placebo-kontrollierten Merke: Im Gegensatz zur ADPKD ist die ARPKD Studie über zwei Jahre ein [20]. Die Patienten der typischerweise eine pädiatrische Erkrankung. Verum-Gruppe wiesen zu Studienbeginn im Mittel eine eGFR von 53 ml/min/1,73 m2 bei einem TKV von 2028 cm3 auf, die Kontrollgruppe entsprechend 56 ml/ Morphologie min/1,73 m2 und 1911 cm3. Everolimus wurde zweimal täglich in einer Dosis von 2,5 mg verabreicht. Nach Die morphologischen Veränderungen bei ARPKD kön- einem Jahr konnte eine signifikante Abnahme des TKV nen abhängig vom Alter und Krankheitsstadium stark in der Verum-Gruppe beobachtet werden, dieser variieren. Unterschied verlor jedoch nach zwei Jahren seine statistische Signifikanz. Mit Everolimus behandelte Makroskopisch zeigen sich radiär die Niere von der Patienten zeigten zudem eine raschere Abnahme der Medulla zum Kortex durchziehende fusiforme Zysten eGFR nach zwei Jahren (8,9 ml/min vs. 7,7 ml/min in der in beiden Nieren (Abb. 7 a). Größere Einzelzysten lassen Placebo-Gruppe). Obgleich die Ergebnisse dieser gro- sich im Allgemeinen nicht nachweisen, diese treten ßen Studien für alle überraschend und außerordentlich meist erst im Laufe des weiteren Lebens auf. Mikro- ernüchternd waren, so mag dennoch die Substanz- skopisch sieht man teils langgestreckte, teils zystisch gruppe der mTOR-Inhibitoren zukünftig eine thera- erweiterte distale Tubuli und Sammelrohre innerhalb peutische Option für eine bestimmte Patientengruppe einer nur rudimentär angelegten Nierenstruktur mit darstellen, ob alleine, in Kombination mit weiteren insgesamt schwammartigem Aspekt (Abb. 7 b, c). Die Wirkstoffen oder in anderer Weise (z. B. tubulus-spezi- proximalen Tubuli und die Glomeruli sind von der fisch) appliziert müssen weitere Studien zeigen. Erkrankung nicht betroffen. Die Zysten und zystisch erweiterten Tubuli werden von einem kubischen Epithel ausgekleidet. Heterologe Gewebselemente wie Knorpel oder Knochen sind ebenso wie bei der ADPKD nicht zu erkennen und unterscheiden die polyzystischen Nierenerkrankungen von frühembryonal zystisch-dysplastischen Entitäten. Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung wider Erwarten keinen Durchbruch erzielen. Die Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung 162 Zystische Nierenerkrankungen und Ziliopathien Abb. 6 a – d Autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARPKD). a Säugling mit ausladendem Abdomen aufgrund stark vergrößerter Nieren, Atemprobleme und früher Tod waren die Folge. b Abdominaler Situs eines vor der Geburt verstorbenen ARPKD-Patienten mit symmetrisch vergrößerten Nieren, die typische Nierenform ist erkennbar. c, d Nierenultraschall eines Säuglings mit ARPKD. Symmetrisch vergrößerte Nieren mit fusiformen Zysten von Sammelrohren und distalen Tubuli, die das Nierenparenchym radial von der Medulla bis zum Kortex durchziehen [31]. █ Verlauf Komorbidität der Leber Mit fortschreitendem klinischen Verlauf und Bildung größerer Zysten sowie mit zunehmender interstitieller Während die Niere und hierdurch bedingte Komorbi- Fibrose ähnelt die Nierenstruktur mehr und mehr der- ditäten zumindest in den ersten Lebensjahren meist im jenigen bei ADPKD. Eine trotz Mehrfachmedikation Mittelpunkt stehen, entwickelt jeder ARPKD-Patient häufig schwer zu kontrollierende arterielle Hypertonie bereits embryonal eine histologisch nachzuweisende entwickelt sich meist bereits in den ersten Lebensmo- Leberbeteiligung in Form einer kongenitalen Leber- naten und betrifft ca. 80 % der Kinder [22]. Eine eng- fibrose (CHF) mit Duktalplattenmalformation, was die maschige Blutdrucküberwachung ist daher unabding- angelsächsische Krankheitsbezeichnung Polycystic bar, um kardiale Spätfolgen und eine Verschlechterung Kidney and Hepatic Disease 1 (PKHD1) ausdrückt [8]. der Nierenfunktion zu vermeiden. Abgesehen von den Periportalfeldern entwickelt sich das übrige Leberparenchym normal, weshalb außer Merke: Eine Hypertonie tritt bei ARPKD häufig früh erhöhten Cholestaseparametern die übrigen Leberen- auf und ist oftmals schwer zu kontrollieren. zyme gewöhnlich im Referenzbereich liegen. Hepatobiliäre Komplikationen können jedoch das klinische Bild insbesondere bei älteren Patienten dominieren und der fortschreitende Pfortaderhochdruck zu konsekutiven Komplikationen wie Hypersplenismus und Ösophagusvarizen führen. Die kongenitale Leberfibrose mit Duktalplattenmalformation tritt obligat im Rahmen der ARPKD auf, kann aber auch bei anderen zysti- Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Varia 163 schen Nierenerkrankungen vorkommen. Bei praktisch allen Zilienerkrankungen, wie den Nephronophthisen, dem Jeune-, Bardet-Biedl-, Joubert- oder Meckel-Gruber-Syndrom ist sie ein häufiges Merkmal. In sehr seltenen Fällen kann sie auch in Verbindung mit der ADPKD auftreten. Merke: Die kongenitale Leberfibrose mit Duktalplattenmalformation tritt bei allen Patienten mit ARPKD auf, kann aber auch bei anderen zystischen Nierenerkrankungen und Ziliopathien vorkommen. Das Caroli-Syndrom beschreibt eine Erweiterung der großen Gallengänge heterogener Ätiologie und kann Manifestation der Leberbeteiligung im Rahmen der ARPKD sein. Selten können ARPKD-Patienten auch einen (nahezu) organspezifischen Phänotyp aufweisen, der sich klinisch auf die Niere oder die Leber beschränkt. Merke: Die ARPKD wird primär durch Mutationen Mutationen in anderen Genen (z. B. PKD1, PKD2, HNF1ß) können klinisch wie ARPKD imponieren. Merke: Eine sichere und frühe Pränataldiagnostik für ARPKD ist nur mittels direkter Mutationsanalyse und Nachweis des zugrunde liegenden genetischen Defektes möglich. Komorbidität der Leber bei ARPKD Jeder ARPKD-Patient zeigt feingeweblich eine kongenitale Leberfibrose mit Gallengangshyperplasien. Die Lebersyntheseleistung ist in der Regel nicht beeinträchtigt. Hepatobiliäre Komplikationen können das Abb. 7 a – c Mikroskopische und makroskopische Merkmale der autosomal-rezessiven, polyzystischen Nierenerkrankung (ARPKD). a, b Querschnitte von ARPKD-Nieren zeigen kortikale Extensionen durch fusiforme oder zylindrische Zysten, welche radiär die Niere von Medulla bis Kortex durchziehen. c Mikroskopische Darstellung von fusiformen Zysten der Nierensammelrohre und distalen Tubuli ausgekleidet von kubischem Epithel. Die zystischen Sammelrohre verlaufen senkrecht zur Nierenkapsel [31]. klinische Bild insbesondere bei älteren Patienten dominieren und der fortschreitende Pfortaderhochdruck kann zu konsekutiven Komplikationen wie Hypersplenismus und Ösophagusvarizen führen. Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung im PKHD1-Gen verursacht. 164 Zystische Nierenerkrankungen und Ziliopathien Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung PKHD1-Gen und Fibrocystin-/Polyductin-Protein Die ARPKD wird primär durch Mutationen gegenüber seltenen Varianten stellt eine ausgeschlossen werden, weshalb Locus- des sich genomisch über nahezu 500 kb auf Chromosom 6p12 erstreckenden stetige Herausforderung dar. Der Anteil an größeren Deletionen ist gering und liegt Heterogenie zu postulieren ist [4]. Darüber hinaus können neben Mutationen in PKHD1-Gens verursacht [6]. Das Transkript unter 5 %. Zur Optimierung der PKHD1- einem der ADPKD-Gene auch Veränderun- des längsten offenen Leserahmens Analytik wurde ein Algorithmus entwi- gen in anderen Genen klinisch wie ARPKD umfasst 67 Exons und kodiert ein Typ 1- ckelt, bei dem mit der Analyse von 27 imponieren. Membranprotein von 4074 Aminosäuren Fragmenten ca. 80 % der detektierbaren (Fibrocystin/Polyductin), dessen Funktion Mutationen in Mitteleuropa erfasst wer- Pränataldiagnostik noch nicht restlos aufgeklärt ist (Abb. 4). den [22]. Aufgrund der Schwere des Krankheits- Neben dem Vorkommen in primären Zilien wahrscheinlich als Rezeptor wurden pro- Eine Genotyp-Phänotyp-Korrelation existiert insofern, als dass Patienten mit 2 zu bildes besteht bei betroffenen Familien häufig der Wunsch nach Inanspruchnah- zessierte Formen des Fibrocystin-/Poly- einem Kettenabbruch führenden Mutatio- me einer sicheren und frühzeitigen vorge- ductin-Proteins auch im Zytoplasma und nen in der Regel eine sehr schwere peri- burtlichen Diagnostik. Eine ultrasonogra- im Zellkern beschrieben. In diesem Kon- natale Verlaufsform zeigen und die Neu- fische Pränataldiagnostik bietet keine aus- text konnte gezeigt werden, dass auch geborenen-Periode zumeist nicht über- reichende Sicherheit, da Veränderungen Fibrocystin/Polyductin einem durch leben. Ca. 20 % der Geschwisterfälle wei- häufig erst spät in der Schwangerschaft Polycystin-1 und den Notch-Rezeptoren sen jedoch unterschiedliche Verläufe auf, (ggf. erst perinatal) erkannt werden kön- bekannten RIP (Regulated Intramembrane Proteolysis) Mechanismus unterliegt und die auf modifizierende genetische oder exogene Einflussfaktoren hindeuten. nen. In Anbetracht nicht sicher auszuschließender Locus-Heterogenie und der im Zellkern möglicherweise als Transkrip- Überzeugende klinische Daten, gegebe- großen Fortschritte im Bereich der tionsfaktor fungiert. nenfalls eine pathologisch-anatomische Sequenzanalytik sollte von einer indirek- Neben einigen wenigen rekurrenten Untersuchung eines verstorbenen Kindes ten, auf Kopplung basierenden Methodik Mutationen wie etwa der T36M-Missense- und ein negativer elterlicher Ultraschall- Abstand genommen werden und ein mutation, ist ein Großteil der Mutationen befund zum Ausschluss autosomal-domi- direkter Mutationsnachweis in betroffe- privat, d. h. individuell auftretend. Etwa nanter Formen sind Voraussetzungen für nen Familien als Grundlage für eine siche- 30 – 40 % der beschriebenen Veränderungen sind Missensemutationen. Die die Mutationsanalytik. In wenigen Familien mit klinischer Diagnose einer ARPKD re Pränataldiagnostik angestrebt werden. Abgrenzung von pathogenen Mutationen konnte eine Kopplung zum PKHD1-Lokus Differenzialdiagnosen zystischer und polyzystischer Nierenerkrankungen eine Frühmanifestation der ADPKD zugrunde. Im engeren Sinne sollte der Terminus für Erkrankungen mit glomerulären Zysten, die nicht durch Mutationen in den ADPKD-Genen verursacht werden, vorbehalten bleiben. TCF2/HNF1ß-Mutationen des Transkriptions- Von den polyzystischen Nierenerkrankungen müssen faktors HNF1ß können ebenfalls zum klinischen Bild vor allem dysplastische Formen sowie zystische glomerulärer Zysten führen und mitunter einen Nierenveränderungen im Rahmen von Syndromen und ARPKD-ähnlichen, meist jedoch einen zystisch-dys- dem großen Komplex der Nephronophthisen und plastischen Phänotyp bedingen. medullär-zystischer Nierenerkrankungen abgegrenzt werden. Glomeruläre zystische Nierenerkrankung (GCKD) Zystisch-dysplastische Nierenveränderungen (Renaler AdysplasieKomplex) Die Nierendysplasie (Zystennieren Typ Potter II) ist eine Der Terminus GCKD (Glomerular Cystic Kidney Dis- frühembryonale Entwicklungsstörung, die bei beid- ease) im Sinne glomerulärer Zystennieren wird vor seitigem Auftreten zur Potter-Sequenz führt und dann allem im angloamerikanischen Raum verwendet und häufig nicht mit dem Leben vereinbar ist. Die ultra- bezeichnet unterschiedliche Entitäten, denen glome- sonografische Abgrenzung zu den polyzystischen ruläre Zysten gemein sind. Vielfach liegt diesen Fällen Nierenerkrankungen ist meist unproblematisch. Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Varia █ 165 Dysplasien und Nierenagenesien Dysplasien und Nierenagenesien sind typische Manifestationen des äußerst variabel verlaufenden autosomal-dominant erblichen Renal Cyst and Diabetes Syndroms (RCAD), dem Mutationen des TCF2/HNF1ßGens zugrunde liegen. Grundsätzlich muss bei Patienten mit Nierendysplasie und -agenesie eine Vielzahl von Genen diskutiert werden. Weitere klinische Auffälligkeiten jenseits der Niere können den Weg zu einem der vielen genetischen Syndrome mit zystischer Nierendysplasie weisen. Bei isolierter zystischer Nierendysplasie zeigt abgesehen von HNF1ß kein anderes Gen eine hohe Detektionsrate, die eine Einzelgen-Analytik in der Regel rechtfertigt, sodass sich auch hierbei in Anbetracht ausgeprägter Heterogenität eine MultiGen-Panel Diagnostik mittels NGS anbietet. Das Manifestationsspektrum bei einer Mutation des HNF1ß-Gens ist sehr breit und umfasst neben zystischen Nierenveränderungen und MODY Diabetes eine Reihe weiterer potenzieller Veränderungen, wie z. B. enzyme, Hypomagnesiämie sowie Pankreasatrophie mit endokriner und exokriner Insuffizienz. Ein beträchtlicher Anteil der Mutationen (ca. 30 – 50 %) sind große Deletionen, die gewöhnlich einen Bereich von 1,4 Mb auf dem langen Arm von Chromosom 17 (17q12) umspannen und neben HNF1ß noch 14 weitere Gene beinhalten. Überraschenderweise zeigen Patienten mit dieser 17q12 Mikrodeletion oftmals keinen schwereren Phänotyp als Patienten mit einer Punktmutation im HNF1ß-Gen. Jedoch ist mittlerweile Abb. 8 a Zystische Nierendysplasie aufgrund von Fehlentwicklungen im frühen embryonalen Stadium (Potter Typ II). Beide Nieren haben ihre nierenförmige Struktur verloren. Die Darstellung im Ultraschall (b) sowie die histologische Darstellung (c) ist irregulär mit übermäßig viel Bindegewebe zwischen Zysten verschiedener Größe und unterschiedlicher Lokalisation [31]. bekannt, dass einige wenige Patienten mit 17q12Mikrodeletion sehr wohl auch kognitive Defizite mit Entwicklungsverzögerung, Epilepsie und Autismus aufweisen können. Merke: Fast die Hälfte aller HNF1ß-Mutationen ist Makroskopisch erscheint die Abgrenzung von Mark zu auf eine dominante Neumutation zurückzuführen Rinde aufgehoben und die Nierenstruktur gestört und (häufig große Deletionen). In diesen Fällen besteht unterschiedlich zystisch verändert (Abb. 8). Mikrosko- praktisch kein erhöhtes Wiederholungsrisiko für pisch findet sich ein insgesamt unruhiges Muster mit die Eltern für ein weiteres betroffenes Kind. einer Kombination von unreifem Nierengewebe und bindegewebigen Anteilen sowie vermehrt Anteilen weiterer Keimblätter wie Knorpel, Knochen, Blutbildung und Plattenepithel, die normalerweise nicht in der Niere vorkommen (sog. heterologe Elemente). Merkmale, die an eine HNF1ß-Mutation denken lassen sollten zystische Nierenveränderungen MODY Diabetes █ █ Genitalauffälligkeiten █ █ Hyperurikämie/Gicht █ █ █ erhöhte Leberenzyme Hypomagnesiämie Pankreasatrophie mit endokriner und exokriner Insuffizienz Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Genitalauffälligkeiten, Hyperurikämie, erhöhte Leber- 166 Zystische Nierenerkrankungen und Ziliopathien Bedeutung der Genetik beidseits hyperechogener Nieren dar. Viele dieser Feten zeigen normal große Nieren mit kortikal lokalisierten Die genetische Einordnung ist auch deshalb in betrof- Zysten bei normaler Fruchtwassermenge. Es ist jedoch fenen Familien mit weiterem Kinderwunsch von gro- ebenso möglich, dass die Nieren wie bei ARPKD massiv ßer Bedeutung, da nicht weniger als knapp die Hälfte vergrößert polyzystisch mit Potter-Sequenz und aller TCF2/HNF1ß-Mutationen de novo entsteht und in Fruchtwassermangel erscheinen. Die klinische Über- diesen Fällen somit praktisch (abgesehen vom theo- lappung zu den polyzystischen Nierenerkrankungen retisch nicht sicher auszuschließenden Risiko eines erklärt sich aus der Funktion des HNF1ß-Proteins. So Keimbahnmosaiks) kein erhöhtes Wiederholungsrisiko reguliert HNF1ß als Transkriptionsfaktor eine Reihe besteht, was im Einzelfall eine große Entlastung der unterschiedlicher Gene, deren Ausfall zu zystischen Familie darstellen kann. In Familien, in denen die Nierenerkrankungen führt, darunter PKHD1, PKD2 und Erkrankung autosomal-dominant segregiert, d. h. sich UMOD. In Einklang hierzu stehen die Daten eines über mehrere Generationen vererbt, ist eine ausge- Mausmodells mit Hnf1ß-Mutation und einem poly- prägte variable Expressivität der Anlageträger zu beob- zystischen Phänotyp bei reduzierter Expression des achten. Diese unterschiedliche Schwere in der Ausprä- ARPKD-Gens Pkhd1. gung des Krankheitsbildes kann durchaus von letalfetalen Verläufen mit Potter-Sequenz bis hin zu nur mild betroffenen Familienmitgliedern reichen. In seltenen Fällen können selbst die Nieren derselben Person Obstruktive zystische Nierendysplasie (Potter Typ IV) Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung in Anbetracht einer HNF1ß-Keimbahnmutation phänotypisch unterschiedlich imponieren. So mag die eine Hierunter versteht man durch Harnstauung verursach- Seite zystisch-dysplastisch verändert sein (bzw. zu te sekundäre Veränderungen der primär regelrecht einem späteren Zeitpunkt oftmals auch als Agenesie angelegten Niere; häufige Ursachen sind Ureterab- erscheinend), während die kontralaterale Niere ein gangsstenosen und Urethralklappen. Leitsymptom ist polyzystisches Muster aufweist. HNF1ß-Mutationen meist eine Hydronephrose. Makroskopisch und mikro- stellen die häufigste Ursache pränatal diagnostizierter skopisch zeigt das Nierenparenchym peripher kortikale, im Bereich der subkapsulären Nephrogenesezone lokalisierte glomeruläre zystisch-dysplastische Veränderungen. HNF1β als Tumorsuppressor Es mehren sich die Hinweise in der Homo- oder Heterodimer zur Tran- Literatur für eine Funktion von HNF1ß als Tumorsuppressor. Nach- skription bestimmter Zielgene bindet, gut bekannt (z. B. bei der dem bei einer 50-jährigen Patientin Hepatokarzinogenese und Ent- mit HNF1ß-Mutation ein Ovarial- wicklung anderer Tumoren wie Erworbene Zystennieren (acquired cystic kidney dis- karzinom sowie ein chromophobes kolorektaler und klarzelliger Nie- ease) treten bei etwa der Hälfte aller Dialysepatienten Nierenzellkarzinom detektiert wur- renzellkarzinome). Neuere Publika- in Abhängigkeit von der Dauer ihrer Dialysepflichtig- de, untersuchte die gleiche tionsdaten lassen auch für HNF1ß keit auf. Die Nieren sind im Gegensatz zur ADPKD nor- Arbeitsgruppe eine Serie von 12 ein breiteres Spektrum und eine mal groß oder sogar größengemindert. Eine vermehrte chromophoben Nierenzellkarzinomen auf HNF1ß-Mutationen hin kausale Rolle z. B. bei Ovarial- und Prostatakarzinomen vermuten. Entstehung von Nierentumoren innerhalb der Zysten und konnte bei zweien einen Aus- Obgleich es sicherlich unverhält- ciated renal cell carcinoma (RCC)) [23]. Eine rein mor- fall beider Genkopien im Sinne des nismäßig erscheint, ein beträcht- phologische Abgrenzung der Zysten kann schwierig Zwei-Treffer-Modells für Tumorsup- liches Tumorrisiko bei Kindern mit sein. Solitärzysten sind je nach Alter häufige Befunde. pressorgene nachweisen (Kombi- einer HNF1ß-Keimbahnmutation zu In einer entsprechenden Übersicht wurden unilaterale nation aus einer HNF1ß-Keimbahn- postulieren, so erscheint es jedoch mutation und einer somatischen, durchaus sinnvoll, erwachsene d. h. im Organ selbst aufgetretenen, HNF1ß-Mutation, meist in Mutationsträger über das oben Gesagte zu informieren, um im Form einer Deletion). Eine Funk- Einzelfall gemeinsam mit dem tion als Tumorsuppressor ist für Patienten ein angemessen erschei- den eng verwandten Transkrip- nendes Kontroll- und Vorsorge- tionsfaktor HNF1α, mit dem programm (bei bislang fehlenden gemeinsam HNF1ß die DNA als Leitlinien hierzu) zu diskutieren. Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Erworbene Zystennieren und Solitärzysten wird beschrieben (acquired cystic disease (ACD)-asso- Solitärzysten in der Altersgruppe zwischen 31 – 40 Jahren bei ca. 4 %, bei Personen von 41 – 50 Jahren bereits bei ca. 8 % und in der Gruppe zwischen 51 – 60 Jahren bei ca. 12 % der Probanden diagnostiziert. Varia Familiäre Tumorsyndrome mit zystischen Nierenveränderungen 167 Die TSC und die VHL-Erkrankung können ebenfalls als Ziliopathien bezeichnet werden und zeigen wie die ADPKD und viele Tumoren eine verstärkte Aktivität des Jared J. Grantham bezeichnete die ADPKD als „neopla- mTOR-Signalwegs (Abb. 5). Die mTOR-Aktivität wird sia in disguise“ (verkappte/maskierte Neoplasie) und durch das PKD1-Genprodukt Polycystin-1 und den wies so auf die zellbiologischen Gemeinsamkeiten TSC1/TSC2-Tumorsuppressorkomplex kontrolliert. Die zwischen Zysto- und Tumorgenese hin [1, 24]. Trotz der synergistische Funktion von Polycystin-1 und dem Häufigkeit hyperplastischer Polypen und mikroskopi- TSC2-Genprodukt Tuberin wird auch bereits durch die scher Adenome der urothelialen Schleimhaut treten klinische Beobachtung eines in der Regel schweren und Karzinome bei der ADPKD jedoch glücklicherweise sel- frühen Phänotyps von Patienten mit einer Deletion der ten auf. Der Begriff „neoplasia in disguise“ zielt darüber benachbarten Gene TSC2 und PKD1 auf Chromosom hinaus auch auf gewisse Ähnlichkeiten und Überlap- 16p13 nahegelegt. Molekular kann dies zudem durch pungen zwischen ADPKD und hereditären Tumorsyn- die direkte Interaktion der beiden Proteine erklärt dromen wie der von Hippel-Lindau (VHL)-Erkrankung werden, bei der Tuberin Polycystin-1 an die Plasma- und der tuberösen Sklerose (TSC) hin [5]. membran transportiert. von Hippel-Lindau (VHL)-Erkrankung Zystische Nierenveränderungen im Rahmen weiterer Ziliopathien inaktivierende Mutationen des VHL-Tumorsuppressor- Zystische Nierenveränderungen können zudem im Gens verursacht und geht mit der charakteristischen Rahmen einer Vielzahl weiterer Syndrome auftreten Entwicklung von Hämangioblastomen in Gehirn (pri- [5]. Besondere Bedeutung haben dabei neben den mär des Kleinhirns), Rückenmark und Retina, oft in Nephronophthisen (NPHs) und medullär-zystischen Kombination mit Phäochromozytomen, klarzelligen Nierenerkrankungen (MCKDs) insbesondere die syn- Nierenzellkarzinomen und Zysten in Nieren und Pan- dromalen Ziliopathien, die klinische und genetische kreas einher. Es wurde gezeigt, dass das VHL-Protein Überlappungen erkennen lassen können [5, 25, 26]. die Ziliogenese kontrolliert. Merke: Zilien sind antennenartige Ausstülpungen auf der Oberfläche der meisten Zellen, die einen Tuberöse Sklerose (TSC) intensiven Informationsaustausch in und zwischen Zellen erlauben. Beeinträchtigungen der Zilien füh- Die tuberöse Sklerose (TSC) ist klinisch ebenfalls sehr ren zu einer Vielzahl sehr unterschiedlicher, kollek- variabel und tritt mit einer Prävalenz von 1 : 6000 auf. tiv als Ziliopathien bezeichneter Krankheitsbilder. Sie wird durch Mutationen in TSC1 oder TSC2 verursacht. Etwa 90 % der Patienten leiden an Epilepsie, die Allen Zilien ist ein Axonem gemein, das aus neun Hälfte weist kognitive Beeinträchtigungen, Autismus Mikrotubuli-Doubletten besteht, das dem Basalkörper oder andere Verhaltensstörungen auf. Renale Manifes- und der Mutterzentriole des Zentrosoms entstammt. tationen sind die Haupttodesursache bei erwachsenen Verschiedene Zilientypen sind bekannt, die sich in Patienten: Zystische Nierenveränderungen treten bei Struktur und Beweglichkeit unterscheiden: Die beiden 50 % auf, Angiomyolipome gar bei 80 %. Andere Organe Haupttypen sind motile Zilien mit einem zusätzlichen wie Herz und Gehirn können ebenfalls von primär zentralen Mikrotubuli-Paar („9 + 2-Struktur“) sowie benignen Tumoren befallen sein. Ein Drittel aller weib- primäre immotile Zilien mit „9 + 0-Struktur“ der lichen Patienten zeigt pulmonale Veränderungen, Mikrotubuli. Für Bildung und Funktion der evolutionär meist in Form einer Lymphangiomyomatose. Kutane hochkonservierten Zilien ist der sog. intraflagellare Manifestationen sind bei TSC häufig und umfassen z. B. Transport (IFT) entlang der Mikrotubuli-Strukturen white spots, faziale Angiofibrome und peri-/subungua- essentiell. le Fibrome. Merke: Die meisten Ziliopathien können zystische Veränderungen der Nieren aufweisen. Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Die von Hippel-Lindau (VHL)-Erkrankung wird durch 168 Zystische Nierenerkrankungen und Ziliopathien Situs solitus Lunge Situs inversus totalis Left isomerism (polysplenia) Situs inversus abdominalis Right isomerism (asplenia) Lunge Herz Leber Milz Magen Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Situs inversus thoracalis a Lateralitätsdefekte Right NVP Extra-embryonic fluid Left Right Left Extra-embryonic fluid Nodal flow Nodal flow Sensory Epithelial cell Intracellular Ca2+ release b Intracellular Ca2+ release cilia Motile cilia c Sensor y ci lia Abb. 9 Lateralitätsdefekte (Heterotaxien) bei Ziliopathien und gängiges Modell der Links-Rechts-Achsenausbildung. a Schematische Darstellung der normalen Links-Rechts-Achsenasymmetrie des menschlichen Körpers (Situs solitus) und verschiedene Lateralitätsdefekte, die die Lungen, Herz, Leber, Magen und Milz betreffen. b Durch den Schlag motiler Zilien im Bereich des Primärknotens während der frühen Embryonalperiode wird ein linkswärts gerichteter Fluss extraembryonaler Flüssigkeit erzeugt (sog. „nodaler Fluss“). Das „nodal vesicular parcel (NVP)“-Modell hat zum Inhalt, dass mit bestimmten morphogenen Substanzen/ Signalmolekülen (z. B. Sonic Hedgehog, Retinsäure) gefüllte Vesikel von der rechten Seite des Embryonalknotens sezerniert und durch nodalen Fluss auf die linke Seite transportiert werden, wo sie durch Einwirkung äußerer Kräfte aufgebrochen werden. Der entladene Vesikelinhalt bindet wahrscheinlich an spezifische Transmembranrezeptoren der Zilien auf der linken Seite. Hierdurch kommt es in diesen Zilien zur intrazellulären Ca2+-Freisetzung, was zur Aktivierung nachgeschalteter Signalwege führt, die letztlich die bilaterale Symmetrie aufbrechen. c Im Zwei-Zilien-Modell erzeugen hingegen motile Zilien im Zentrum des Embryonalknotens einen linkswärts gerichteten Fluss, der eine passive Beugung nicht-motiler sensorischer Zilien in der Peripherie des Embryonalknotens zur Folge hat. Die Beugung der Zilien auf der linken Seite führt zur Ca2+-Freisetzung in diesen Zellen, was wiederum die Ausbildung der physiologischen Körperachsenasymmetrie initiiert. Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Varia 169 Nephronophthise (NPH) und der Komplex medullär-zystischer Nierenerkrankungen (MCKD) Nephronophthisen (NPHs) sind die häufigste genetische Ursache für Nierenversagen bei Kindern und jungen Erwachsenen und beginnt typischerweise mit einem Konzentrierungsdefekt [16, 27]. Klinisch und genetisch ausgesprochen heterogen, ist allen NPHs ein autosomal-rezessiver Erbgang und der tubulointerstitiell-zystische Charakter gemein (Abb. 10). Aktuell sind etwa 20 NPHP-Gene bekannt, weitere Heterogenität ist sicher. NPHP1 ist das häufigst betroffene Gen, 20 – 40 % der Patienten tragen eine homozygote NPHP1Deletion; der Anteil der anderen Gene ist durchweg Merke: Die Gruppe der Nephronophthisen bildet die häufigste genetische Ursache für Nierenversagen bei Kindern und jungen Erwachsenen. █ Verlauf Die juvenile Form ist am häufigsten und beginnt gewöhnlich in der ersten Lebensdekade mit Polyurie, Polydipsie und Anämie. Im Gegensatz zu ADPKD und ARPKD ist der Blutdruck im frühen Krankheitsstadium und normaler Nierenfunktion jedoch im Allgemeinen Abb. 10 a – d Ultraschallbilder von Patienten unterschiedlichen Alters mit Nephronophthise (NPH). Alle Patienten zeigen typische NPH-Strukturen mit normal großen oder verkleinerten Nieren, erhöhter Echogenität des Nierenkortex und reduzierter kortikomedullärer Differenzierung (fortschreitend mit Nierenversagen); Zysten (z. B. Patient in b) sind normalerweise ein spätes Merkmal und treten sekundär auf, nachdem die Patienten das Endstadium der Nierenerkrankung erreicht haben; Zysten sind typischerweise in der kortikomedullären Grenzzone lokalisiert. a 10-jähriger Junge mit homozygoter NPHP1Deletion, Serumkreatinin von 3 mg/dl, glomerulärer Filtrationsrate von 20 ml/min und milder arterieller Hypertension. b, c 10- und 15-jährige Patienten mit fortgeschrittenem klinischen Verlauf. d 14-jähriger Patient mit Senior-Loken-Syndrom und homozygoter NPHP1Deletion [31]. normal. Ultrasonografisch imponieren die Nieren eher klein und echogen mit verminderter kortikomedullärer Differenzierung. Zysten bzw. zystisch dilatierte oder irregulär konfigurierte Tubuli treten typischerweise erst sekundär nach eingetretenem Nierenversagen und dann lokalisiert im kortikomedullären Übergangsbereich auf. Charakteristische histologische Merkmale sind weiterhin eine ausgeprägte Tubulusatrophie mit verdickten, wiederkehrend auch lammelierten oder aufgespleissten tubulären Basalmembranen, eine Bedeutung der Zilien Zilien sind in praktisch allen Orga- frühen, in der Regel schweren nen vorhanden, was das breite klinische Spektrum der Ziliopathien Defekten der Embryonalentwicklung. Diese Signalkaskaden sind erklärt (Abb. 1). Sie gelten als Sig- z. B. auch bei Tumorerkrankungen nalzentren der Zellen mit vielfälti- alteriert, was die Funktion des gen Funktionen wie etwa der Wei- Ziliums in der Kontrolle und Regu- terleitung sensorischer Reize. So lation des Zellzyklus unterstreicht. fungieren Zilien z. B. als Mechano-, Tab. 2 fasst eine Auswahl wichtiger Chemo-, Osmo- und Photorezepto- Syndrome zusammen, in deren lusveränderungen. Die typischen Veränderungen der ren. Eine Vielzahl komplexer und für die Entwicklung unverzichtba- Rahmen zystische Nierenveränderungen auftreten können. tubulären Basalmembranen sind auch in der Elektro- rer Signalwege (Wnt, Hedgehog, Die Nierenmorphologie selbst nenmikroskopie gut zu erkennen. Notch etc.) ist unmittelbar mit kann sehr unterschiedlich und die Zilien verwoben (Abb. 5). Störun- Veränderungen mitunter sehr dis- gen dieser Signalwege führen zu kret sein. tubulointerstitielle Fibrose mit minimalen Entzündungszeichen sowie sekundäre sklerotische Glomeru- Wichtig zu wissen ist, dass die meisten NPHP-Gene sich pleiotrop verhalten, d. h. ein sehr viel breiteres phänotypisches Spektrum als nur eine isolierte Nephronophthise verursachen können. So können Mutationen in vereinzelt pränataler Manifestation mit Potter- vielen der bekannten NPHP-Gene auch zu anderen Sequenz. Die von diesen NPHP-Genen gebildeten Pro- Ziliopathien wie Senior-Loken. Joubert, Ivemark und/ teine bilden untereinander ein eigenes Netzwerk mit oder Jeune-Syndrom führen. Mutationen in einer direkten Interaktionen aus, welches die phänotypi- Untergruppe von NPHP-Genen (INVS, NPHP3, NEK8, schen Überlappungen erklären hilft [28]. ANKS6) mögen zudem vom Aspekt her wie Zystennieren imponieren, d. h. mit vergrößerten Nieren und Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung gering. 170 Zystische Nierenerkrankungen und Ziliopathien Die medullär-zystische Nierenerkrankung (MCKD) satz betroffener Patienten erklären. Überzeugende wird oft als autosomal-dominantes Pendant der NPH Genotyp-Phänotyp-Korrelationen liegen nur in weni- bezeichnet (NPH-MCKD-Komplex) und zeigt einen im gen Fällen vor: Bei Patienten mit klassischem Joubert- Allgemeinen weniger schweren Verlauf als die rezessiv Syndrom sind relativ häufig AHI1-Mutationen zu erblichen Formen mit Erstmanifestation zumeist erst beobachten. Bei JBTS-Patienten mit Netzhaut- und im Erwachsenenalter. Das lange Zeit einzige bekannte Nierenbeteiligung (CORS, Cerebello-Oculo-Renal-Syn- Gen für MCKD war UMOD (MCKD2). Dies kodiert Uro- drom) ist die initiale Analyse des CEP290-Gens am modulin, auch bekannt als Tamm-Horsfall-Protein, ehesten erfolgsversprechend, während TMEM67 das dem im Urin gesunder Personen in der höchsten Kon- wichtigste Gen bei Patienten mit deutlicher Leber- zentration vorkommenden Eiweiß. UMOD-Mutationen symptomatik (COACH, Cerebellar vermis hypo-/aplasia, können zu verschiedenen tubulointerstitiellen Erkran- Oligophrenia, congenital Ataxia, Coloboma und Hepatic kungsbildern einschließlich glomerulozystischer Nie- fibrosis) ist. renerkrankung und familiärer juveniler hyperurikämischer Nephropathie führen. Mit MUC1 konnte kürzlich nun auch das für MCKD1 ursächliche Gen identifiziert Joubert-Syndrom (JBTS) werden. Das Joubert-Syndrom (JBTS) und verwandte Krankheitsbilder (JSRD) sind durch folgende Merkmale gekennzeichnet: Joubert-Syndrom (JBTS) und verwandte Krankheitsbilder (JSRD) Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Über die Nierenbeteiligung hinausgehende klinische Merkmale sind bei NPH-Patienten sehr häufig und finden sich bei einer Vielzahl von Ziliopathien wie dem Senior-Loken-Syndrom (NPH mit Retinadegeneration) und dem Joubert-Syndrom (JBTS). Charakteristisch für das Joubert-Syndrom ist als Folge einer komplexen Hirnstamm- und Kleinhirn-Fehlbildung das sog. █ Kleinhirn-Fehlbildung (oftmals im axialen MRT „Backenzahnzeichen“ (Molar Tooth Sign, MTS) bei Vor- █ liegen weiterer Hirnanomalien) Entwicklungsverzögerung/geistige Behinderung █ unregelmäßiges neonatales Atemmuster █ Hypotonie, Ataxie und Nystagmus █ zystische Nierenveränderungen █ kongenitale Leberfibrose █ Augenveränderungen (häufig Retinitis pigmentosa) █ Polydaktylie Backenzahnzeichen (Molar Tooth Sign, MTS) im axialen MRT [25]. Klinisch gehen diese strukturellen Hirnveränderungen meist mit Entwicklungsverzögerung/ Meckel-Gruber-Syndrom (MKS) geistiger Behinderung, unregelmäßigen neonatalen Atemmustern, Hypotonie, Ataxie und Nystagmus ein- Das Meckel-Gruber-Syndrom (MKS) verhält sich alle- her. Der Diagnosestellung sollte eine interdisziplinäre lisch zur Gruppe der JSRD, d. h. Mutationen im gleichen Abklärung folgen. Häufige weitere Merkmale sind Gen können häufig je nach Schweregrad der zugrunde Polydaktylie, Netzhautdegeneration, Leberfibrose, NPH liegenden Mutationen entweder zum Joubert- oder und andere zystische Nierenerkrankungsformen. Bei zum Meckel-Gruber-Syndrom führen [4, 25]. Die wich- Neugeborenen und Kleinkindern sollte Atmungs- und tigsten MKS-Gene sind MKS1, MKS3/TMEM67 und Fütterungsproblemen besondere Aufmerksamkeit MKS6/CC2D2A, gefolgt von MKS4/CEP290. Gegenwärtig geschenkt werden. Je nach Ausmaß und Schwere der ist es schwierig, die Prävalenz der einzelnen Gene Organbeteiligung variiert die Prognose bei Patienten genau abzuschätzen, weitere Heterogenie als die mit Erkrankungen aus dem JBTS-Spektrum beträcht- bereits vorliegende ist ebenfalls sicher. Die Überlap- lich. pung einzelner Entitäten mit fließenden Übergängen zwischen verschiedenen Krankheitsbildern ist wie Mit Ausnahme seltener X-chromosomaler Formen zuvor beschrieben für Ziliopathien typisch. In diesem (JBTS10 /OFD1) wird das JBTS ebenfalls primär auto- als Kontinuum zu betrachtenden Spektrum stellt das somal-rezessiv vererbt mit einem 25 %igen Wiederho- Meckel-Gruber-Syndrom als frühembryonale Störung lungsrisiko in der Geschwisterschaft. Die inter- und die schwerste, nicht mit dem Leben vereinbare Erkran- intrafamiliäre Variabilität des JBTS legt zudem komple- kung dar. MKS ist die häufigste syndromale Ursache für xere Vererbungsmechanismen mit modifizierender Neuralrohrdefekte. Klassische Manifestationen sind Wirkung weiterer Gene nahe. Mittlerweile wurden okzipitale Meningoenzephalozele, zystische Nieren- mehr als 20 verschiedene JBTS-Gene beschrieben, von veränderungen, Leberfibrose/Duktalplattenmalforma- denen die meisten jedoch nur einen geringen Prozent- tion und Polydaktylie. Zusätzliche Merkmale wie Ver- Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Varia 171 kürzung und Krümmung der langen Röhrenknochen, Herzfehler, Mikrozephalie, Mikrophthalmie und Spalt- Bardet-Biedl-Syndrom bildungen im Lippenkiefergaumen-Bereich sind häufig. Das Bardet-Biedl-Syndrom ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: █ █ Meckel-Gruber-Syndrom Das Meckel-Gruber-Syndrom ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: Adipositas Netzhautdegeneration (Retinitis pigmentosa) █ Hypogonadismus █ Polydaktylie █ mentale Retardierung █ (poly)zystische Nierenveränderungen █ seltener: Schwerhörigkeit, Anosmie, Morbus █ okzipitale Meningoenzephalozele/Neuralrohrdefekt █ zystische Nierenveränderungen Hirschsprung, Leberveränderungen, Diabetes melli- █ kongenitale Leberfibrose tus und weitere metabolische Auffälligkeiten █ Polydaktylie █ Verkürzung und Krümmung der langen Röhrenknochen █ █ Herzfehler Mikrozephalie █ Mikrophthalmie █ Spaltbildungen im Lippenkiefergaumen-Bereich █ Alström-Syndrom Ein mit BBS eng überlappendes Krankheitsbild ist das Alström-Syndrom mit Mutationen in ALMS1. Neben Adipositas und Netzhautdegeneration stehen typischerweise eine frühe Schallempfindungsschwerhörigkeit und endokrinologische Auffälligkeiten (z. B. Hyperlipidämie, Hypothyreose, Diabetes mellitus) im dilatative Kardiomyopathie und fortschreitende pulmonale, hepatische und renale Veränderungen, die regelmäßiger Kontrollen bedürfen. Im Gegensatz zu Das Bardet-Biedl-Syndrom (BBS) wird wegen seines BBS sind die meisten Alström-Patienten normal intel- bunten klinischen Spektrums oft als Modell-Ziliopathie ligent. bezeichnet. Charakteristisch sind Adipositas, Hypogonadismus, Netzhautdegeneration, Polydaktylie, Merke: Das Alström-Syndrom ist ein eng mit dem mentale Retardierung und eine Vielzahl möglicher Bardet-Biedl-Syndrom überlappendes Krankheits- Nierenfehlbildungen, die Morbidität und Mortalität bild, im Gegensatz dazu sind die meisten Alström- von BBS-Patienten bestimmen. Das breite phänotypi- Patienten jedoch normal intelligent, haben eine sche Spektrum betrifft auch andere Organe und weite- frühe Innenohrschwerhörigkeit sowie fortschrei- re Merkmale wie Schwerhörigkeit, Anosmie, Morbus tende kardiomyopatische, pulmonale, hepatische Hirschsprung, Leberveränderungen, Diabetes mellitus und renale Veränderungen, die regelmäßiger Kon- und darüber hinausgehende metabolische Auffällig- trollen bedürfen. keiten [26]. Insgesamt wurden bis heute 19 Gene identifiziert. BBS1 und BBS10 sind die am häufigsten betroffenen Gene Kurzrippen-Polydaktylie-Syndrome und andere Osteochondrodysplasien und machen gemeinsam ca. 40 % der Mutationslast bei BBS aus, wobei die „Hotspot“-Mutationen M390 R in In Anbetracht der wichtigen Rolle primärer Zilien in BBS1 und C91fsX95 in BBS10 besonders häufig sind und der Knochen- und Knorpelentwicklung ist es nicht ver- eine initiale Analyse gerechtfertigen. Während die wunderlich, dass vielfältige Veränderungen des Ske- BBS1-Mutation außerhalb Europas praktisch nicht vor- lettsystems bei Ziliopathien auftreten können. Klini- kommt, zeigt die o. g. BBS10-Mutation ein weltweites sche und genetische Überlappungen zwischen den Auftreten. einzelnen Kurzrippen-Polydaktylie-Syndromen, anderen Osteochondrodysplasien und weiteren Ziliopathien sind auch bei dieser Erkrankungsgruppe zu beobachten [4, 5]. Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Mittelpunkt. Weitere wegweisende Merkmale sind Bardet-Biedl-Syndrom (BBS) und Alström-Syndrom (AS) 172 Zystische Nierenerkrankungen und Ziliopathien Das Jeune-Syndrom, auch als asphyxierende Thoraxdysplasie (ATD) bezeichnet, ist das häufigste Kurzrip- Primäre ziliäre Dyskinesie (PCD) und Kartagener-Syndrom pen-Polydaktylie-Syndrom. Aufgrund der kurzen Rippen mit schmalem glockenförmigen Thorax ist die Vielen Personen sind Zilien v. a. als bewegliche Flim- Ausdehnung der Lungen beschränkt und führt letztlich merhärchen der Atemwege bekannt. Diese motilen in der Folge zu respiratorischer Insuffizienz, die ins- Zilien sind typischerweise bei Patienten mit primärer besondere perinatal quoad vitam kritisch sein kann. ziliärer Dyskinesie (PCD, „immotiles Zilien-Syndrom“) Weitere Merkmale sind Polydaktylie, kurze Röhren- defekt [4, 5]. Die Konsequenz einer beeinträchtigten knochen, auffällige Beckenstruktur sowie Veränderun- mukoziliären Clearance sind wiederkehrende Atem- gen verschiedener innerer Organe aus dem weiten wegsinfektionen und Bronchiektasien. Die PCD ist Ziliopathie-Feld. Die meisten der bislang bekannten daher eine der wichtigsten Differentialdiagnosen der Gene für das Jeune-Syndrom kodieren für Proteine, die Mukoviszidose (Cystische Fibrose). Die Hälfte der PCD- unmittelbar am intraflagellaren Transport (IFT) betei- Patienten zeigt zudem im Rahmen des sogenannten ligt sind. Kartagener-Syndroms Störungen der Links-Rechts- Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Achsenbildung im Sinne eines Heterotaxie-Syndroms Beträchtliche Überlappungen mit ATD zeigt die chon- (z. B. Situs inversus), was durch eine Störung des droektodermale Ellis-van Creveld (EVC) Dysplasie mit Zilienschlags in der frühen Embryonalentwicklung im dysproportioniertem Kleinwuchs und akromesomeler Bereich des Embryonalknotens zu erklären ist (Abb. 9). Verkürzung der Extremitäten, kurzen Rippen, post- Andere hierdurch zu erklärende Heterotaxie-Merk- axialer Polydaktylie und dysplastischen ektodermalen male sind Asplenie/Polysplenie und angeborene Herz- Strukturen wie Nägeln und Zähnen. Rund zwei Drittel fehler. Zudem weist ein Teil der männlichen PCD- aller Patienten haben einen angeborenen Herzfehler. Patienten eine eingeschränkte Fertilität auf. PCD ist Autosomal-rezessive, mit Funktionsverlust einher- nicht nur klinisch, sondern auch genetisch ausgespro- gehende Mutationen in EVC und EVC2 erklären den chen heterogen (aktuell bereits mehr als 20 bekannte Großteil der Patienten. Ein milderer autosomal-domi- Gene) mit autosomal-rezessiven Mutationen in ver- nant erblicher Phänotyp, die Weyer’sche akrodentale schiedenen Komponenten der äußeren Dynein-Arme Dysostose, geht auf aktivierende Mutationen primär in und verwandter Strukturen. Eine detaillierte Charakte- EVC2 zurück. risierung mittels Elektronenmikroskopie, Immunfluoreszenz und Hochgeschwindigkeits-Videomikroskopie ATD und EVC können ebenfalls mit dem Krankheitsbild ist hilfreich für eine genaue Diagnosestellung, jedoch der kranioektodermalen Dysplasie (CED, Sensenbren- nimmt auch hierbei die Genetik einen zunehmend ner-Syndrom) überlappen, gekennzeichnet durch eine höheren Stellenwert bereits frühzeitig in der Dolichocephalie, rhizomelen Kleinwuchs, ektodermale Diagnosefindung ein. Defekte (spärliches, langsam wachsendes Haar, Zahnund Nagelhypo-/dysplasien) und tubulointerstitielle Merke: Bei der primären ziliären Dyskinesie (PCD) Nierenveränderungen, die nicht selten zu terminalem sind typischerweise die motilen Zilien defekt Nierenversagen führen. Für CED wurden vor kurzem („Syndrom der immotilen Zilien“). PCD-Patienten Mutationen in 2 Genen beschrieben, die WD-Repeat- zeigen eine beeinträchtigte mukoziliäre Clearance Proteine (WDR10/IFT122 und WDR35, ein IFT-A-Pro- und leiden unter wiederkehrenden Atemwegs- tein) kodieren und bekanntermaßen eine wesentliche infektionen und Bronchiektasien. Die PCD ist eine Rolle bei der Anordnung und Aufrechterhaltung von der wichtigsten Differentialdiagnosen der Muko- Primärzilien spielen. viszidose. Merke: Das Jeune-Syndrom ist das häufigste Kurzrippen-Polydaktylie-Syndrom und wird in Anbetracht kurzer Rippen mit schmalem glockenförmigen Thorax auch als asphyxierende Thoraxdysplasie (ATD) bezeichnet. Weitere Merkmale sind Polydaktylie, kurze Röhrenknochen, eine auffällige Beckenanatomie sowie Veränderungen verschiedener innerer Organe aus dem Ziliopathie-Spektrum. Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Varia Wichtigkeit der zugrunde liegenden genetische Diagnose 173 was bei der Abwägung von Vor- und Nachteilen neuer Substanzen kritisch zu reflektieren ist. Obgleich sich klinische Betreuung und Management zumindest der zystischen Nierenerkrankungen in der Regel nicht oder nur marginal voneinander unter- Kenntnis des Genotyps verbessert klinisches Management scheiden (zumindest so lange es noch keine validierten medikamentösen Therapieoptionen gibt), so ist es Es erscheint stets von Vorteil, seinen „Gegner“ genau zu dennoch aus unterschiedlichen, im Folgenden näher kennen und im Detail zu wissen, womit man es zu tun ausgeführten Gründen bereits heute bedeutsam, den hat. Für Kliniker hilft die genetische Einordnung ein zugrunde liegenden genetischen Defekt zu kennen. genaueres Bild von der Erkrankung zu erhalten, auch um beurteilen zu können, ob signifikante Risiken extrarenaler Organmanifestationen bestehen, die von █ Vermeidung/Reduzierung invasiver Eingriffe █ Verbesserung des klinischen Managements █ frühzeitige Detektion und Therapie von Kompli- █ Monitoring optimalerweise in einem interdisziplinären Setting profitieren. █ Differenzierung von ADPKD und ARPKD kationen Ein gutes Beispiel hierfür ist die Differenzierung von eine genaue genetische Beratung mit Erläuterung dominanter (ADPKD) und rezessiver polyzystischer des zu erwartenden klinischen Verlaufs, Erkrankungsspektrums und Wiederholungsrisikos ist nur Nierenerkrankung (ARPKD), bei denen trotz aller möglich, wenn auch der zugrunde liegende Genotyp bekannt ist █ einer rechtzeitigen Detektion und regelmäßigem frühe und zuverlässige Pränataldiagostik oftmals nur mittels Molekulargenetik unter Kenntnis der familiären Mutation(en) möglich Gemeinsamkeiten und Überlappungen unterschiedliche Komplikationen im Vordergrund stehen. Während alle ARPKD-Patienten sich unweigerlich mit der Gefahr einer portalen Hypertension und entsprechenden Folgekomplikationen konfrontiert sehen, ist dies nur bei einer verschwindend geringen Zahl von Patienten mit ADPKD zu befürchten, da diese in der Regel keine Duktalplattenmalformation mit kongenita- Psychologische Aspekte ler Leberfibrose aufweisen. Anders verhält es sich bei kardiovaskulären Komplikationen, v. a. intracerebralen Grundsätzlich unterschätzt wird die Bedeutung für Aneurysmen (ICAs), die eine wesentliche Rolle bei Patienten und Eltern, die (genetische) Ursache der ADPKD nicht aber bei der rezessiven Form spielen. Für Erkrankung zu kennen, d. h. der Krankheit endlich ADPKD und asymptomatische ICAs wird eine Gesamt- einen „Namen geben zu können“. In vielen Fällen endet prävalenz von 8 % in der Literatur angegeben. Die Prä- mit der genetischen Diagnose eine oftmals mehrjährige valenz steigt naturgemäß mit zunehmendem Alter und Odyssee für die Patienten und Familien. Auch mag die so weist knapp jeder vierte ADPKD-Patient in der Kenntnis der Genetik in einigen Fällen dazu beitragen, Gruppe der 60 – 69-Jährigen (23 %) ein oder mehrere invasive Eingriffe wie Nieren- oder Leberbiopsie zu asymptomatische ICAs auf [29]. Allgemeine Leitlinien vermeiden oder zumindest zu reduzieren. zum Therapieregime gibt es bislang nicht und die Frage, ob und wann Patienten mit ADPKD auf ICAs hin untersucht werden sollten, ist weiterhin Gegenstand Klinische Studien der Diskussion. Kürzlich publizierte Daten sprechen eher für ein sehr selektives Screening, ein allgemeines Das Wissen um den zugrunde liegenden Genotyp Screening asymptomatischer ADPKD-Patienten ist erfährt darüber hinaus zunehmende Bedeutung bei der definitiv nicht indiziert. Dennoch erscheint es sowohl Selektion von Patienten für klinische Studien zukünfti- aus Sicht des Patienten als auch der betreuenden Ärzte ger Therapieoptionen. So mögen etwa Patienten mit sinnvoll, über das bei ADPKD diesbezüglich erhöhte hypomorpher (d. h. die Proteinfunktion nur leicht Risiko informiert zu sein. Dies gilt im Besonderen für beeinträchtigender) PKD1- oder PKD2-Mutation nur Patienten mit positiver Familienanamnese, die ein eine sehr langsame Krankheitsprogression zeigen und doppeltes relatives Risiko hierfür tragen [29, 30]. möglicherweise zeitlebens nie dialysepflichtig werden, Glücklicherweise sind Aneurysmarupturen im Kindesund Jugendalter sehr ungewöhnlich, weshalb ein Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Argumente für eine genetische Diagnostik 174 Zystische Nierenerkrankungen und Ziliopathien Screening in besorgten Familien sowie bei positiver Familienanamnese frühestens ab dem 20. Lebensjahr Genetische Beratung mit Angabe des Wiederholungsrisikos erwogen werden sollte. Eine detaillierte Diskussion des zu erwartenden klini█ Frage der Augenbeteiligung schen Verlaufs, Erkrankungsspektrums und Wiederho- Mutationen in NPHP-Genen und anderen Mitgliedern lungsrisikos ist nur möglich, wenn auch der zugrunde des breiten Ziliopathie-Spektrums führen oftmals zu liegende Genotyp des einzelnen Patienten genauestens Beeinträchtigungen des Sehvermögens, v. a. im Sinne bekannt ist. einer Retinitis pigmentosa. Obgleich bislang keine kurative Therapie möglich ist, so ist dennoch eine frühe Verständlicherweise macht es für Paare mit weiterem Diagnosestellung in der Regel für Patienten und Fami- Kinderwunsch und bereits einem betroffenen Kind lien im Sinne einer besseren Lebensplanung von Vor- einen beträchtlichen Unterschied, ob sie nun ein 50 % teil. Zudem ist mittlerweile unstrittig, dass das frühe iges (wie für autosomal-dominant erbliche Krankhei- Erlernen der Blindenschrift signifikant mit späterem ten), 25 %iges (wie bei autosomal-rezessiver Vererbung) Erfolg im Berufsleben korreliert. Im Rahmen der gene- oder praktisch kein Wiederholungsrisiko für weitere tischen Abklärung der in diesem Übersichtsartikel betroffene Kinder mit dieser Erkrankung haben. Letz- diskutierten Krankheitsbilder können Patienten und teres ist dann der Fall, wenn es sich bei der beim deren Eltern oftmals beruhigt werden, dass Einschrän- Indexpatienten in der Familie nachgewiesenen Muta- kungen des Sehvermögens nicht zum Manifestations- tion um eine sog. autosomal-dominante Neumutation spektrum des jeweiligen Genotyps (z. B. bei Mutationen handelt. Zwar kann auch hier letztlich den Eltern keine des HNF1ß-Gens oder der Zystennieren-Gene) gehören. 100 %ige Sicherheit gegeben werden, jedoch handelt es Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung █ Bedeutung einer frühen Detektion einiger Merkmale sich bei der Formulierung „praktisch kein Wiederholungsrisiko“ primär um eine juristische Absicherung seitens des Arztes, da ein theoretisch denkbares Keim- Ein weiteres gutes Beispiel, wie die genetische Diagno- bahnmosaik bei einem der Eltern naturgemäß nie se zu einer klareren Einschätzung und besseren klini- gänzlich auszuschließen und in der Praxis nicht weiter schen Betreuung führen kann, ist das Alström-Syn- untersuchbar ist. Autosomal-dominante Neumutatio- drom, das typischerweise starke Überlappungen zum nen liegen bei etwa 30 – 50 % aller Patienten mit Bardet-Biedl-Syndrom mit Retinitis pigmentosa, Adi- HNF1ß-Mutation zugrunde und kommen auch bei positas und endokrinologischen Auffälligkeiten zeigt. anderen dominant erblichen Erkrankungen, dann Im Gegensatz zum Bardet-Biedl-Syndrom, weisen jedoch mit meist geringerer Häufigkeit (z. B. bei ADPKD jedoch die meisten Patienten mit Alström-Syndrom ca. 5 % aller Patienten), vor. Patienten, die eine autoso- eine normale Intelligenz und keine Polydaktylie auf. mal-dominante Neumutation tragen, weisen wieder- Gewöhnlich ist jedoch auf die frühe Entwicklung eines um ein 50 %iges Wiederholungsrisiko für eigene Kinder Diabetes mellitus vom Typ 2 sowie einer Innenohr- mit dieser Erkrankung auf (höheres Risiko, sofern der schwerhörigkeit zu achten; beides Manifestationen, die Partner/die Partnerin die gleiche Erkrankung haben von einer frühen Detektion und Therapie (u. a. Coch- sollte). Grundsätzlich führt in der Regel die Identifizie- leaimplantat) stark profitieren. Weitere für die klini- rung einer Neumutation jedoch primär zu einer gewis- sche Betreuung von Alström-Patienten wesentliche sen Erleichterung der Eltern und weiterer Familienmit- Merkmale sind eine progressive pulmonale, hepatische glieder (z. B. Geschwister). und renale Beteiligung sowie verschiedene kardiale Manifestationen. Mehr als der Hälfte aller Patienten mit Eine klare genetische Einordnung ist etwa auch in Alström-Syndrom droht im Laufe ihres Lebens ein Familien mit geschlechtsgebunden vererbter Erkran- Herzversagen aufgrund dilatativer oder restriktiver kung von größtem Interesse. Ein häufiges Szenario in Kardiomyopathie. der humangenetischen Sprechstunde ist die gesunde Schwester eines Patienten, die sich sorgt, dass ihr Bruder eine X-chromosomale Erkrankung aufweist und sie Anlageträgerin für diese Mutation mit einem beträchtlichen Risiko für ihre eigenen Kinder (dann 50 % für ihre Söhne) sein könnte. Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Varia Mit zunehmend besserer klinischer Versorgung errei- 10. – 12. Schwangerschaftswoche erfolgen sollte. Eine chen nun auch oftmals Patienten mit früher Krank- Pränataldiagnostik anstrebende Familien sollten heut- heitsmanifestation das Erwachsenenalter und haben zutage auch über die Möglichkeiten einer Präimplan- eigenen Kinderwunsch. Für diese Patienten ist es von tationsdiagnostik (PID) vorab informiert werden. Hier- großer Bedeutung, ob sie an einer dominant oder zu gehört eine ausführliche Erläuterung der jeweiligen rezessiv erblichen Erkrankung leiden. Während domi- Vor- und Nachteile und der Hinweis, dass eine PID nant mit einem in der Regel 50 %igem Wiederholungs- einen zeitlich großen Vorlauf mit einer Vielzahl im risiko für eigene Kinder einhergeht, resultiert eine Einzelnen zu koordinierender Abläufe erfordert. zugrunde liegende rezessive Vererbung in einem fast Zukünftig erscheint es zudem sehr gut vorstellbar, dass immer kleiner 1 %igen Risiko für eigene Kinder sofern die aktuell bereits bei der pränatalen Testung auf der Partner/die Partnerin nicht aus derselben Familie numerische Chromosomenauffälligkeiten (in erster stammt, nicht die gleiche Erkrankung hat oder ein Linie zur Detektion der Trisomien 13, 18 und 21) ange- Patient mit der gleichen Krankheit auch in der anderen wendeten Methoden (non-invasive prenatal testing/ Familie existiert. Insbesondere für männliche Patienten NIPT durch Untersuchung einer mütterlichen Blut- ist auch die Unterscheidung autosomaler und X-chro- probe) auch im Rahmen der Pränataldiagnostik ande- mosomaler Vererbung relevant, da ein Vater mit rer Indikationen einen großen Stellenwert erlangen X-chromosomaler Erkrankung nie eigene, ebenfalls werden. 175 Y-Chromosom des Vaters erben) und Töchter, die zwar Merke: Auffälligkeiten können oftmals erst sehr alle obligat das betroffene X-Chromosom des Vaters spät im Schwangerschaftsverlauf oder sogar erst erben würden, meist weniger stark im Rahmen eines kurz vor der Geburt ultrasonografisch detektiert X-chromosomalen Erbganges betroffen sind. werden. Pränataldiagnostik Fazit Die meisten Eltern eines Kindes mit ARPKD oder ande- Zystische Nierenerkrankungen und andere Ziliopathien ren zystischen Nierenerkrankungen ersuchen eine frü- sind genetisch heterogen und zeigen eine große klini- he und zuverlässige Pränataldiagostik im Rahmen ihrer sche Variabilität, oftmals selbst innerhalb einer Familie. weiteren Familienplanung. Gründe hierfür sind in Klassische Mendelsche Vererbungsmechanismen 1. Linie das gewöhnlich deutlich erhöhte Wiederho- erscheinen manchmal unzureichend, um die ausge- lungsrisiko, die häufig verheerenden Manifestationen prägte variable Expressivität zu erklären. So ist anzu- und oftmals vergleichbare klinische Verläufe innerhalb nehmen, dass stochastische und exogene Faktoren der Familie. sowie andere genetische und epigenetische Mechanismen den Phänotyp entscheidend mitverändern. Darü- Eine frühe und zugleich zuverlässige Pränataldiagostik ber hinaus sind gemäß „Mutationslast-Theorie” und betroffener Familien ist praktisch nur mittels moleku- einem dosis-sensitiven Netzwerk verschiedener Pro- largenetischer Technik möglich. Im Rahmen der ARPKD teine auch oligogene Vererbungsmuster mit Verände- ist das Dilemma nicht-invasiver ultrasonografischer rungen mehrerer Gene gezeigt worden; hierbei kommt Verfahren, dass trotz ultramoderner Gerätschaften den Ziliopathien eine Vorreiterrolle zu. Die Erkennt- Auffälligkeiten oftmals erst sehr spät im Schwanger- nisse der komplexen genetischen Grundlagen müssen schaftsverlauf oder sogar erst kurz vor der Geburt in der Betreuung und Beratung betroffener Familien detektiert werden können. In der Vergangenheit wurde zunehmend berücksichtigt werden und beschreiben für die Pränataldiagostik der ARPKD zumeist eine indi- ganz grundsätzlich ein übergreifendes Konzept hin- rekte Haplotyp-basierte Kopplungsanalyse als ausrei- sichtlich eines allgemeinen Verständnisses unter- chend betrachtet. Heutzutage sollte auch in Anbetracht schiedlicher Krankheitsausprägung. des technischen Fortschritts der Sequenzierverfahren und des zuvor Gesagten mit Phänokopien der ARPKD der direkte Mutationsnachweis beim Indexpatienten der Familie als Basis für eine sichere Pränataldiagostik angestrebt werden. Weiterhin wird in den meisten Fällen molekulargenetischer Pränataldiagnostik eine Chorionzottenbiopsie (CVS) durchgeführt, die nicht vor der Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung betroffene Söhne haben kann (da Söhne stets das 176 Zystische Nierenerkrankungen und Ziliopathien Hochdurchsatzsequenzierung (NGS/Next-Generation Sequencing) Next-Generation Sequencing/NGS Die meisten genetischen Erkrankungen sind sowohl In diesem Rahmen spielen die neuen Techniken der klinisch als auch genetisch sehr heterogen. Eine Hochdurchsatzsequenzierung (Next-Generation Abarbeitung aller in Frage kommender Gene mittels Sequencing/NGS) eine herausragende Rolle und haben, konventioneller Analysetechniken war bislang stets mit hohen Kosten und großem Zeitaufwand verbunden. Die neuen Techniken der Hochdurchsatzsequen- so kann sicherlich ohne Übertreibung festgestellt werden, die genetische Diagnostik revolutioniert. Die zierung (Next-Generation Sequencing/NGS) führen molekulargenetische Diagnostik wird vor allem durch zu einer deutlichen Verbesserung der genetischen die Heterogenität der meisten Ziliopathien, aber auch Diagnostik und erlauben eine parallele Analyse aller die Größe vieler beteiligter Gene, vor besondere bei einem Patienten zu diskutierender Gene. Herausforderungen gestellt. So war und ist eine Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung schrittweise Diagnostik durch konventionelle DNASequenzierung in den meisten Fällen zeitlich und des Genoms) diskutiert. Dies sollte aktuell vor allem finanziell sehr aufwändig. In Anbetracht überlappen- solchen Patienten und Familien vorenthalten bleiben, der Phänotypen und ausgeprägter Allelie müssen für die einen hohen Abklärungswunsch haben und deren gewöhnlich viele, meist Dutzende verschiedener Gene gezielte NGS-Analytik keine Mutation hat vorbringen als krankheitsrelevant betrachtet werden. Mittels NGS- können. In diesem Rahmen ist es wichtig, die Patienten Hochdurchsatzsequenzierung ist eine umfassende und oder Eltern eines minderjährigen Patienten ausführlich parallele Analyse aller bekannten Gene für die hier über die Tragweite und Komplexität dieser Untersu- beschriebenen Ziliopathien auch in der Routinediag- chung, gerade auch hinsichtlich der Interpretation nostik möglich [31]. Die so generierten Daten gestatten detektierter Varianten, zu informieren. neue Einblicke in die komplexe Genetik und zugrunde liegenden Pathomechanismen der Ziliopathien, sodass zusammenfassend der genetischen Diagnosesicherung zunehmende Bedeutung zukommt. █ Rapide Entwickung versus individueller Faktoren Die Genetik und deren technische Möglichkeiten entwickeln sich rapide. Wichtig bleibt bei allem techni- Mehr noch als für die meisten anderen labordiagnosti- schen Fortschritt jedoch auch weiterhin kritisch und schen Verfahren ist es essentiell, bestimmte Qualitäts- stets individuell gemeinsam mit dem Patienten bzw. kriterien für NGS einzuhalten. Ist dies gewährleistet, dessen Eltern zu reflektieren, welche Art von Untersu- bietet NGS sowohl Vorteile hinsichtlich des Durchsatzes chung im Einzelfall für den Patienten die beste ist. Es als auch der Qualität. So ist es z. B. mittels NGS im gibt Stimmen, die meinen, dass mit den neuen techni- Gegensatz zur konventionellen Sanger-Sequenzierung schen Möglichkeiten ein tiefgreifendes klinisches Ver- möglich, Kopienzahlveränderungen (copy number ständnis und Wissen obsolet werden wird. Meines variations/ CNVs) nachzuweisen. Für die meisten Gene Erachtens ist das genaue Gegenteil der Fall und eine machen Deletionen/Duplikationen immerhin ca. zeitgemäße medizinische Genetik wird sich durch eine 5 – 10 % aller Mutationen aus. Für einzelne Gene kann strukturierte, interdisziplinäre Herangehensweise mit dieser Prozentsatz jedoch auch deutlich darüber liegen, großem klinischen Verständnis gerade auch der gene- so weist beinahe die Hälfte aller Patienten mit HNF1ß- tischen Kollegen auszeichnen müssen und so zuneh- Mutation eine große Deletion auf. Grundsätzlich mend an Bedeutung im klinischen Alltag gewinnen. erlaubt die parallele Analyse aller bei einem Patienten differentialdiagnostisch zu diskutierender Gene eine bessere Interpretation identifizierter genetischer Veränderungen und vermeidet auf diese Weise genetische Fehldiagnosen. Der beschriebene NGS-Ansatz mittels gezielter Anreicherung aller Gene für eine Erkrankung/ Erkrankungsgruppe erhöht die Detektionsrate maßgeblich und der zugrunde liegende genetische Defekt kann in der Mehrzahl der Fälle klar identifiziert werden. Dem rasanten Tempo in der Molekulargenetik geschuldet, wird aktuell sogar mitunter auch bereits zu diagnostischen Zwecken eine Sequenzierung des gesamten Exoms (d. h. des proteinkodierenden Teils Pädiatrie up2date 2 ê 2014 Varia 177 Zusammenfassung Zystische Nierenerkrankungen sind kli- ADPKD stellen die wichtigste Differen- Dutzende verschiedener Gene als nisch und genetisch heterogen und zählen zu den häufigsten Erbkrankhei- zialdiagnose der ARPKD dar. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Krank- krankheitsrelevant betrachtet werden. Mittels NGS-Hochdurchsatzsequenzie- ten überhaupt. Die wichtigsten Formen heitsbildern, die klinisch im Einzelfall rung ist eine umfassende und parallele sind die jeweils als Zystennieren wie eine ARPKD imponieren können Analyse aller differenzialdiagnostisch bezeichnete autosomal dominante (sog. Phänokopien). Hierzu zählen in zu diskutierender Gene mittlerweile (ADPKD) und rezessive (ARPKD) poly- erster Linie Ziliopathien wie die Neph- auch in der Routinediagnostik möglich. zystische Nierenerkrankung. Die Cha- ronophthise und zahlreiche syndromale Insgesamt kommt somit im Rahmen rakterisierung der ursächlichen „Zysto- Krankheitsbilder wie das Bardet-Biedl-, einer zeitgemäßen klinischen Betreu- proteine“ hat maßgeblich zum Verständnis der Ziliopathien beigetragen, Joubert- und Jeune-Syndrom, deren Abgrenzung klinisch oftmals schwierig ung der genetischen Diagnosesicherung zunehmende Bedeutung zu. In einer Gruppe von Krankheiten, denen sein kann. Hier kann die molekularge- diesem Übersichtsartikel werden die eine Fehlfunktion der Zilien gemeinsam netische Diagnostik wertvolle Beiträge wichtigsten klinischen Aspekte und ist und die praktisch alle Nierenzysten zur klinischen und genetischen Einord- Krankheitsmechanismen sowie Strate- aufweisen können. Frühe und schwere nung liefern. gien für eine vernünftige und effiziente Verläufe der sich sonst meist erst im In Anbetracht überlappender Phäno- genetische Diagnostik bei Zystennieren Erwachsenenalter manifestierenden typen müssen gewöhnlich viele, meist und anderen Ziliopathien thematisiert. Carsten Bergmann Literatur 1 Harris PC, Torres VE. Polycystic kidney disease. Annu Rev Med 2009; 60: 321 – 337 Prof. Dr. med.; Facharzt für Humangenetik. 1993–2000 Studium der Humanmedizin mit abschließender Promotion. 2000–2006 Arbeitsgrup- 2 Badano JL, Mitsuma N, Beales PL et al. The ciliopathies: an emerging class of human genetic disorders. 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A autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARPKD) B multizystisch-dysplastische Nieren C autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) D Nephronophthise E nephrotisches Syndrom █ 4 Für welches Krankheitsbild ist eine oftmals schwer zu kontrollierende arterielle Hypertonie bereits im Säuglingsalter typisch? A Nephronophthise B autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARPKD) C autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) D Bardet-Biedl-Syndrom E tuberöse Sklerose █ 5 Welches Krankheitsbild wird nicht zu den Ziliopathien gezählt? A Nephronophthise B Joubert Syndrom C hämolytisch-urämisches Syndrom D Bardet-Biedl-Syndrom E autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARPKD) █ 6 Bei welcher Erkrankung spielen Aneurysmen eine wichtige Rolle? A autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) B Ellis-van Creveld Syndrom C Bardet-Biedl Syndrom D tuberöse Sklerose E Meckel-Gruber Syndrom CME Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung █ 3 180 Zystische Nierenerkrankungen und Ziliopathien CME-Fragen Zystische Nierenerkrankungen und Ziliopathien █ 7 Bei welcher Erkrankung sind die Patienten häufig von einer Epilepsie betroffen? A autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) B Nephronophthise C Bardet-Biedl-Syndrom D tuberöse Sklerose E autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARPKD) █ 8 Welche zystische Nierenerkrankung fällt initial meist mit Polyurie und Polydipsie auf, während distinkte Zysten zumeist erst später zu sehen sind? A autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARPKD) B autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) C Nephronophthise D durch HNF1ß-Mutation hervorgerufene Erkrankung E von Hippel-Lindau-Erkrankung Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung █ 9 Welche Ziliopathie ist sehr häufig durch ein sog. Backenzahnzeichen in der axialen Darstellung eines kranialen MRT gekennzeichnet? A Nephronophthise B Joubert-Syndrom C Jeune-Syndrom D Bardet-Biedl-Syndrom E autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARPKD) █ 10 Welche Krankheitsbilder werden im klassischen Sinne als Zystennieren bezeichnet? A autosomal-dominante und rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD und ARPKD) B Nephronophthisen C zystisch-dysplastische Nierenerkrankungen D HNF1ß-assoziierte Erkrankungen E alle renalen Ziliopathien CME