Tagungsbericht - Akademie der Diözese Rottenburg

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Identität durch Differenz? Zur Rolle der wechselseitigen Abgrenzungen in Christentum und
Islam
Stuttgart-Hohenheim, 03.03.2006 - 05.03.2006
Identität durch Differenz?
Tagungsbericht über die vierte Tagung des Theologischen Forums Christentum Islam
Bernd Mussinghof
Im Rahmen des „Theologischen Forums Christentum – Islam“, eines wissenschaftlichen Netzwerks
und Diskussionsforums im Bereich christlich-islamischer Studien, fand vom 3. bis zum 5. März 2006 in
der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart in Stuttgart-Hohenheim die diesjährige Tagung des
Forums statt, die wie in den vergangenen Jahren vom Bundesministerium des Inneren gefördert
wurde. Die bislang größte Tagung dieser Art im deutschsprachigen Raum, zu der sich 90 christliche
und muslimische Theologinnen und Theologen, Religionswissenschaftler/innen, Sozial- und
Kulturwissenschaftler/innen aus zehn verschiedenen Ländern versammelt hatten, die sich in
Forschung und/oder praktischen Arbeitsfeldern mit dem Verhältnis von Islam und Christentum
befassen, stand unter dem Thema „Identität durch Differenz? Zur Rolle der wechselseitigen Abgrenzungen
in Christentum und Islam“.
Auf die Aktualität des Themas wies Tagungsleiter Dr. Hansjörg Schmid in seiner Einführung hin: In
einer Zeit, in der Gegensätze und Grenzen – nicht nur zwischen Christentum und Islam, sondern auch
innerhalb der Religionen und Kulturen – verstärkt gesucht und auch politisch wie ideologisch
instrumentalisiert würden, gebe es zu einer Verständigung über deren Sachgemäßheit und
Angemessenheit keine Alternative. Duran Terzi (Düsseldorf), der die Tagung von muslimischer Seite
eröffnete, wies darauf hin, dass eine „Kultur des Umgangs mit Differenzen“ in Vergessenheit geraten
bzw. bisher noch unterentwickelt geblieben sei. Zwei Leitfragen für die Tagung wurden von Schmid
formuliert. Erstens fragte er nach Alternativen zu einer auf der Leitkategorie der Differenz
aufbauenden christlich-muslimischen Verhältnisbestimmung, und zweitens stellte Schmid die Frage
nach der Konstitutivität von Abgrenzungen für beide Religionen und danach, wie diese ohne
Übergriffe auf die Identität des anderen vorgenommen werden könnten.
Im ersten Hauptreferat von Prof. Dr. Dr. h. c. Jacques Waardenburg (Lausanne) mit dem Titel „Selbstsicht
und Sicht des anderen – Verschiedenheit, Abgrenzungen und Wege zur Offenheit“ wurden aus
religionswissenschaftlicher Perspektive erste grundlegende Überlegungen zum Tagungsthema
angestellt und, wie im Untertitel angekündigt, vorsichtig Wege zur wechselseitigen Offenheit
zwischen verschiedenen Menschen ganz allgemein und zwischen Muslimen und Christen im
Besonderen aufgezeigt. Nach den zahlreichen Abgrenzungen, die es in nahezu vierzehn
Jahrhunderten sowohl auf muslimischer als auch auf christlicher Seite gegeben habe, und zwar nicht
nur von Christen zu Menschen außerhalb der eigenen christlichen Welt (Muslime als eine spezifische
Teilgruppe dieser Menschen) bzw. von Muslimen zu Menschen außerhalb der eigenen islamischen
Welt (Christen als eine spezifische Teilgruppe dieser Menschen), sondern auch von bestimmten
muslimischen und christlichen Personen und Gruppen zueinander, gebe es in den letzten fünfzig
Jahren auch neue Wege zur Offenheit. Eine solche neue Offenheit aber, so Waardernburg, verlange
Anstrengung, soweit sie nicht angeboren sei. Sie ermögliche jedoch die Wahrnehmung von Differenz
nicht nur als negativ, als schicksalhafte Folge verschiedener Identitäten, sondern
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Islam
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auch als positive Voraussetzung für Identitätsbildung. Bis jetzt hätten Muslime wie Christen ihren
wesentlichen Unterschied als Differenz zwischen beiden Religionen gesehen, wodurch ihre
menschlichen Unterschiede als eine religiöse Differenz identifiziert und mit dem Gegensatz zwischen
Islam und Christentum legitimiert worden seien. Die wissenschaftliche Unhaltbarkeit dieser
Konstruktion, der bislang zahllose Menschen zum Opfer gefallen seien, führte Waardenburg
anschaulich vor Augen. So forderte er Vorsicht beim Umgang mit den Allgemeinbegriffen „Islam“
und „Christentum“. Statt von deren wesentlicher Entgegensetzung zu sprechen – eine Aussage, die
Waardenburg als wissenschaftlich unwahr kennzeichnete –, solle man genau sagen, welchen Islam
man welchem Christentum entgegenzustellen beabsichtige.
Eine bessere Kenntnis anderer Gemeinschaften und ihrer Religionen sowie eine stärker inhaltliche
Kommunikation mit den betreffenden Menschen selbst, so ein zentraler Punkt in Waardenburgs
Referat, könne zu einer neuen Sicht auch auf die Beziehungen zwischen Religionsgemeinschaften
führen. Bessere Kenntnisse und normale Kommunikation seien notwendig, um den Deformationen
oder gar Entstellungen des anderen zu entgehen, die in vielen Fällen aus geläufigen Weisen der
Selbstsicht resultieren könnten. Je nachdem, in welcher Weise Menschen sich selbst, ihre
Lebensgemeinschaft, und so auch „Eigenes“ (Gesellschaft, Kultur, Religion) sähen und bewerteten,
gebe es häufig den Fall, dass „der andere“ oder die andere Gruppe – im Bereich der Religion also die
andere Religion – als Gegenbild der eigenen gesehen und gewertet werde, wodurch ein Dualismus
konstruiert werde, innerhalb dessen die Menschen dann ihren Platz erst zu finden hätten. Um einem
solchen Dualismus und der Verdinglichung von „Islam“ und „Christentum“ entgegenzuwirken, gebe
es viele Möglichkeiten. Muslime und Christen könnten z. B. zusammen Forschung treiben und
versuchen, theologische „Missverständnisse“ aufzuklären, gegebene religiöse und auch kulturelle und
soziale Unterscheidungen feststellen und in ihren historischen und anderen Zusammenhängen zu
durchschauen versuchen, die Interessen beider Gemeinschaften, vor allem bedrohter Gruppen
verteidigen sowie sich im öffentlichen Leben für bessere muslimisch-christliche Zusammenarbeit
einsetzen. Muslimen sei es möglich, ihre Beziehungen zu Christen als legitim anzusehen durch die
Annahme, dass Christen als eine Art „irregehender Muslime“, die ihre islamische Offenbarung schon
früher erhalten hätten, betrachtet werden könnten, die sich abseits des rechten Weges, aber im
Diesseits der letzten Offenbarung befänden. Für Christen sei es möglich, ihre Beziehungen zu
Muslimen als legitim anzusehen durch die Annahme, dass Muslime einen ähnlichen Gottesglauben
hätten und so als Gläubige betrachtet werden könnten, die sich abseits der Erlösung, aber im Diesseits
der letzten Offenbarung befänden. Letztlich komme es, um zu einer solchen oder ähnlichen neuen
Sicht auf andere zu gelangen, darauf an, eine neue Selbstsicht zu gewinnen sowie Einsicht im guten
Umgang miteinander.
Über „Abgrenzung im islamischen Denken“ sprach im zweiten Hauptreferat Prof. Dr. Muḥammad
Kalisch (Münster). Seinen Überblick über „Entwicklung, Bedeutung und Begründung des
Abgrenzungsgedankens in der islamischen Theologie und im islamischen Recht“ gliederte er in drei
Abschnitte: a) Definition des Islam, b) theologische Folgerungen, c) rechtliche Folgerungen. Wo eine
neue Weltanschauung auftrete, so Kalisch, sei Abgrenzung nötig – es sei denn, es werde
Kompatibilität mit anderen Weltanschauungen festgestellt. In der Frage nach der Definition für
„Islam“ habe es Abgrenzungen nicht nur gegenüber anderen Religionen, sondern auch innerhalb des
Islam gegeben, wenn es darum gegangen sei, die Grenzen zwischen Orthodoxie und Heterodoxie zu
ziehen. Seine Ausführungen begrenzte Kalisch angesichts der knappen Zeit auf den ersten Bereich.
Konsens unter Muslimen sei, dass entsprechend Sure 2, Vers 285, zu ihrem Glauben (arab. imān) fünf
Punkte gehören: der Glaube an Gott, seine Engel, seine Bücher und seine Gesandten sowie an den
Jüngsten Tag. Bei der Spezifizierung dessen, was mit diesen fünf Punkten gemeint sei, gebe es aber
zwischen den verschiedenen von Muslimen vertretenen Auffassungen zum Teil deutliche
Unterschiede: So gehe es bei der Frage nach Gott immer auch um die Problematik des tawhīd, an die
sich die Frage nach dem Verhältnis vom Wesen Gottes zu seinen Attributen anschließe. Auch die
Vorstellungen darüber, was Engel seien, gingen weit auseinander (universale Kräfte, personale Wesen
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Islam
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u. a.). So formulierte Kalisch als formale Kriterien zur Unterscheidung von anderen Religionen vor
allem die Überzeugung, dass Muhammad das Siegel der Propheten und der Koran die letzte,
endgültige und unverfälschte Offenbarung sei. Eine so verstandene Definition des Islam sei allerdings
manchmal problematisch, wenn z. B. bestimmte jüdische Gruppen Muhammad ebenfalls als
Propheten anerkennten. Eine Ausweitung dieser „klassischen“ Definition habe Sayyid Ahmad Khan
(1817-1898) geliefert, der jeden, der an Gott glaube und Gott ergeben ethisch lebe, als „Muslim“
bezeichnet habe.
Die theologische Schlussfolgerung aus der „klassischen“ Islam-Definition sei diejenige gewesen, dass
es ohne eine Anerkennung des Koran und von Muhammad im beschriebenen Sinn kein Heil gebe.
Gegenüber der verbreiteten Vorstellung, bei den Sūfīs sei dies anders, machte Kalisch an mehreren
Beispielen deutlich, dass dies nicht ohne weiteres gesagt werde könne. Allenfalls bei Ğalāladdīn Rūmī
(1207-1273) vermochte er Ansätze einer Heilsrelevanz anderer Religionen zu sehen. Die auch im
Koran häufig vorkommenden Begriffe „kufr“ (Unglaube) und „imān“ (Glaube) seien von
muslimischen Theologen meistens mit verschiedenen vorgefassten theologischen Konzepten
verstanden und diesen entsprechend interpretiert worden. Erst in der Moderne seien Koranverse wie
Sure 2, Vers 82, oder Sure 5, Vers 69, im Sinne einer Heilsrelevanz über den Islam in nomineller Form
hinaus verstanden worden.
Im dritten Teil seiner Ausführungen ging Kalisch von der traditionellen Zweiteilung aus, die das
islamische Recht in Bezug auf das Zusammenleben von Muslimen und Nichtmuslimen macht: „dār
al-islām“ (Haus/Gebiet des Islam) und „dār al-harb“ (Haus/Gebiet des Krieges). Angesichts der vor
allem für letzteres relevanten koranischen Regelungen in Bezug auf ius ad bellum wie ius in bello
plädierte Kalisch für eine Deutung der entsprechenden Verse im Gesamtzusammenhang und gegen
die verbreitete Deutung der später datierten „härteren“ Verse als Abrogation der früher datierten
„weicheren“ Verse. In Bezug auf ersteres hob Kalisch hervor, dass es in diesem Zusammenhang
Regelungen nicht nur für Muslime und „dimmīyūn“ (ständig im dār al-islām lebende
„Schutzbefohlene“), sonder auch für sich dort vorübergehend aufhaltende Nichtmuslime
(„musta`minūn“) gebe. Im Folgenden ging Kalisch vor allem auf die rechtliche Stellung der dimmīs
ein, wobei er grundsätzlich eine zunehmende Verschlechterung im Laufe der Zeit konstatierte.
Grundsätzlich gelte, dass diese sich durch einen Vertrag, in dem ihre Stellung als dimmīs geregelt
werde, in das islamische Recht fügten. Hierdurch sei ihnen gegenüber den Muslimen gleiches
Lebensrecht, gleiches Recht auf Eigentum, auf Freiheit, auf Würde und Familienehre sowie – mit
Einschränkungen (v. a. in Bezug auf den Neubau von Kirchen bzw. Synagogen) – gleicher
Religionsschutz gewährt. Anders als die Muslime seien die dimmīs aber verpflichtet zur Zahlung der
„ğizya“, einer besonderen Steuer, befreit seien sie hingegen vom Militärdienst und von der Pflicht, die
„zakā“ (die zu den fünf „Säulen des Islam“ gezählte Abgabe vor allem zu Gunsten Armer) zu zahlen.
Nicht möglich sei die Bekleidung eines der höchsten Staatsämter. Abgrenzung gegenüber
Nichtmuslimen sei in der Praxis durchaus relevant, vor allem im Bereich des Erbrechts sowie des Eheund Familienrechts, worauf Kalisch im Anschluss einging. Die unterschiedlichen Positionen der
verschiedenen muslimischen Schulen stellte er überblicksartig dar, die sich beim Ehe- und
Familienrecht vor allem in der Frage unterscheiden, ob ein muslimischer Mann eine nichtmuslimische
Frau heiraten dürfe. Nach sunnitischem Recht sei dies im Falle von jüdischen und christlichen Frauen
erlaubt, nach zaiditischem gar nicht und nach imamitischem nur zeitlich begrenzt. Dass muslimische
Frauen keinen nichtmuslimischen Mann heiraten dürften, sei Konsens in den klassischen
muslimischen Rechtsschulen. Im Erbrecht gebe es Unterschiede vor allem in der Frage, ob Muslime
Erben von Nichtmuslimen sein können. Nach imamitischem Recht sei dies möglich, in allen anderen
Rechtsschulen hingegen nicht. Dass Nichtmuslime keine Erben von Muslimen sein können, sei
hingegen wiederum Konsens in den Rechtsschulen. Kalisch schloss seinen Vortrag mit einem
Ausblick auf aktuelle Diskussionslinien in relevanten Bereichen des islamischen Rechts. Diskussionen
würden vor allem über die Frage geführt, wie das Völkerrecht sich zur klassischen dār al-islām/dār
al-harb-Dichotomie verhalte, sowie über die Frage, ob das Verbot für muslimische Frauen, einen
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nichtmuslimischen Mann zu heiraten, bei Gleichstellung von Mann und Frau noch Sinn mache. Die
Suche nach der „hikma at-tašri´īyya“, der „Weisheit“ bzw. des „Sinns“ der (koranischen)
Gesetzgebung sei heute weit verbreitet.
Die folgende „Erwiderung“ von Prof. Dr. Christian W. Troll SJ (Frankfurt) gestaltete dieser nicht als
konfrontative Auseinandersetzung mit Kalischs Vortrag, sondern vielmehr als ergänzende und
vertiefende Reflexion über einige wichtige Punkte daraus. So fragte er nach dem koranischen
Gottesverständnis und der damit zusammenhängenden Beziehung zwischen Gott und Mensch. Mit
der im „islamischen Glaubensbekenntnis“, der šahāda enthaltenen Formulierung „ila ’llāh“ ([ich
bezeuge, dass es keinen Gott gibt] „außer Gott“) werde hierbei schon eine Abgrenzung
vorgenommen, vielleicht die Wichtigste, so Troll. Wenn nach muslimischer Auffassung Juden und
Christen als von diesem ihnen ursprünglich eingeschaffenen Glauben (fitra) abgefallen angesehen
würden, dann habe dies mit den auch koranisch häufig vorkommenden Begriffen mušrikūn und
kāfirūn zu tun, über die eine grundlegende Abgrenzung vorgenommen werde. Außerdem ging Troll
auf das Problem ein, das mit dem Ziel einer Wiederherstellung der einzigartigen Einheit der
Menschen, die in unverfälschter Weise an den einen Gott glauben, verbunden ist: die Frage nach dem
Umgang mit den Menschen, die sich diesem Ziel widersetzen. Wenn es eine Pflicht der umma gebe,
durch das Vollziehen von Gottes zwiefältiger Gerechtigkeit eine klare Trennungslinie zwischen
Gläubigen und Ungläubigen zu ziehen, dann liege darin, dass (und wie) die Muslime diese Pflicht
wahrmachen wollten und müssten, der Kern der heutigen Probleme.
Im dritten Hauptreferat sprach Prof. Dr. Olaf Schumann (Hamburg) über „Annäherungen und
Abgrenzungen im christlichen Denken an den Islam“. In seinem breit angelegten historischen
Überblick ging Schumann zunächst auf die unterschiedlichen Reaktionen auf das Entstehen des
Islams bei Byzantinern und autochthonen orientalischen Kirchen ein. Während letztere den
muslimischen Heeren mit Akzeptanz begegnet seien, sei bei ersteren das Bewusstsein, einer
gehobeneren Zivilisation anzugehören als die orientalischen Eroberer mit Distanz diesen gegenüber
zusammengekommen. Angesichts zahlreicher Ähnlichkeiten und auch Gemeinsamkeiten zwischen
den einheimischen Christen und den Muslimen (auf der Ebene der Religion, der Kultur, aber auch auf
sprachlicher Ebene, insbesondere zwischen den aramäischsprachigen syrischen Christen und den
arabischsprachigen Muslimen) sei zunächst gar nicht wahrgenommen worden, dass eine neue
Weltreligion entstanden sei, vielmehr scheine diese, in das bunte Bild des orientalischen Christentums
eingeordnet worden zu sein. Auf Seiten der Byzantiner sei zu berücksichtigen, dass deren spätere
Polemik gegen die Muslime gewissermaßen in der früheren Polemik gegen die
nichtchalcedonensischen Kirchen einen Vorläufer habe, wobei als erhärtender Faktor für die Polemik
gegenüber den Muslimen deren neue politische und militärische Macht hinzugekommen sei.
Die erste Phase der byzantinischen Auseinandersetzung mit dem Islam zeigte Schumann an der
Einordnung des Islam in den Strom christlicher Häresien in der Theologie des Johannes von
Damaskus (ca. 675-754) auf. Dieser habe, so Schumann, die Muslime als außerhalb der Heilsgeschichte
stehend angesehen, was er durch den Hinweis auf einige Namen umschrieben habe, mit denen die
Christen (und wohl auch die Juden) die Muslime bezeichnet hätten: Hagarener, Ismaeliten
(Nachfahren Hagars und Ismaels), Sarazenen (die von Sara Enterbten). Die Betrachtungsweise des
Johannes, in der vom Islam nur diejenigen Lehren wahrgenommen worden seien, die sich mit der
christlichen Religion berührten (meistens in konfrontativer Absicht), habe dazu geführt, dass er den
Islam als eigenständige Religion gar nicht wahrnehmen konnte, so dass das, was er als Islam
dargestellt habe, tatsächlich eine christliche Häresie gewesen sei – wobei alle anderen Themen des
Islam, die nichts mit dem Christentum direkt zu tun haben, ausgeblendet worden seien. An zwei
Beispielen machte Schumann im Folgenden deutlich, dass die Argumente des Johannes gegen die
Muslime letztlich eher als theologische Argumente gegen Positionen, die denen des Johannes nicht
entsprachen, zu betrachten seien denn als Argumente gegen den Islam als Religion. So ging er
einerseits auf die Frage nach dem ontologischen Status des logos ein (ewig oder geschaffen), und
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andererseits auf die Frage nach dem freien Willen des Menschen bzw. der Prädestination. Schumann
zeigte auf, dass beide Fragen sowohl in der christlichen als auch in der islamischen Theologie
kontrovers diskutiert worden seien. So werde zwar im Koran klar ausgesagt, dass Jesus ein Geschöpf
sei, hiermit sei aber die Frage nach der Erschaffenheit des logos noch nicht beantwortet. Diese werde
in der islamischen Theologie unter der Frage nach der „Rede Gottes“ (kalāmu `llāh) behandelt und
nicht auf Jesus, sondern auf den Koran in seiner Urform bezogen – und (mit Ausnahme der
mu´tazilitischen Theologie) im Sinne der Ewigkeit desselben beantwortet.
Am Beispiel zweier späterer christlicher Theologen, die sich mit dem Islam auseinander setzten, stellte
Schumann abermals einen Unterschied zwischen byzantinischer und nichtchalcedonensischer
Theologie fest: Niketas von Byzanz (Anfang 10. Jh.) auf byzantinischer Seite und der syrische
Patriarch Timotheus I. (728-823) auf der Seite der Nichtchalcedonenser. Die polemischen
Ausführungen des Niketas über „den Gott des Islams“ hätten zwar dazu beigetragen, dass die in der
byzantinischen Abschwörungsformel für Muslime übliche Verfluchung des „Gottes des Islams“ in
einen Fluch über Muhammad umgewandelt worden sei (wegen der von Kaiser Romanos – allerdings
erst mehr als 200 Jahre später – aufgenommenen Befürchtung, mit der bis dahin üblichen
Formulierung werde Gott gelästert), in der abgewandelten Fluchformel spiegele sich allerdings auch
eine Sorge des Niketas, der den Islam als einen Versuch angesehen habe, die christliche Religion zu
zerstören, für den Muhammad die Hauptverantwortung trage. Anders, so Schumann, Patriarch
Timoetheus: Dessen Überlegungen zu der Frage, ob Jesus (wie im Koran) als „´abd Allāh“ (Knecht
Gottes) bezeichnet werden dürfe (was der Patriarch nur in metaphorischer Redeweise als erlaubt
ansah), zeichneten sich u. a. durch die gute Beherrschung auch der Begriffe und Kategorien
islamischer Theologie aus und seien als ein Versuch zu bewerten, durch Inanspruchnahme auch
koranischer bzw. islamischer Vorstellungen und Aussagen die christlichen Lehren zu untermauern –
viel hänge von der Interpretation ab, einen kategorischen Gegensatz könne man aus diesen
Ausführungen nicht ableiten.
In nächsten Teil des Vortrags über die lateinische Kirche und den Islam ging Schumann kurz auf die
ersten Begegnungen zwischen der lateinischen Oberschicht Nordafrikas mit den Muslimen, und
ausführlicher auf die Situation in Spanien vor, während und nach der Eroberung der Halbinsel durch
die Araber ein. Einen für die Beantwortung der Frage, wie es von der convivencia in al-Andalus zur
reconquista kam, wichtigen Aspekt sah Schumann darin, dass die Lateiner anders als die
„Mozaraber“ (arab. musta´ribūn, die spanischen Christen, die arabisch zu sprechen begannen)
offenbar wenig Anteil an der vielfach erwähnten convivencia gehabt hätten, und es bei ihnen schon
im neunten Jahrhundert, also lange vor den Kreuzzügen, Befürworter einer offenen Konfrontation mit
den arabischen Herrschern gegeben habe, was er mit dem Hinweis auf erste Hinrichtungen im Jahre
859 belegte.
Breiten Raum nahmen Schumanns Ausführungen zu Nikolaus von Kues (1401-1464) ein, in dessen
Cribatio Alchorani („Aussiebung des Korans“) er im Unterschied zur Koranübersetzung und den
Schriften zum Koran und Islam des Petrus Venerabilis bzw. Robert von Ketton nicht den Versuch sah,
koranische Fehler und Verdrehungen beweisen zu wollen, sondern die Wahrheit des Evangeliums
auch aus dem Text des Korans ersichtlich werden zu lassen. Hierbei sei ein neuer Ton vernehmbar
geworden, wenn der Cusaner davon ausgehe, dass im Koran Gutes und Wahres zu finden sei, und
dieser nicht von Muhammad mit niederen Vorsätzen oder von bösem Willen motiviert verfasst
worden sei.
Für die Reformation konstatierte Schumann, dass sie im Blick auf eine Wahrnehmung des Islam als
eigenständige Religion und Respektierung derselben trotz theologischer Unterschiede und
Gegensätze keinen eigentlichen Fortschritt gebracht habe, wenngleich sich die Haltungen der
einzelnen Reformatoren zum Islam durchaus voneinander unterschieden hätten. Während Philipp
Melanchthons Eifer gegen alles Häretische auch seine harte Haltung gegenüber dem Islam (von dem
er wohl nur sehr rudimentäre Kenntnisse hatte) geprägt habe, stellte Schumann bei Martin Luther vor
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allem in dessen jüngeren Jahren durchaus eine Anerkennung von positiven Zügen im Leben und auch
in der Ethik und Frömmigkeit der Muslime fest. Für ihn seien die Muslime wie auch die Juden keine
Heiden, da ihnen die Botschaft von der bedingungslosen Gnade Gottes nicht unbekannt sei. Die
Einordnung des islamischen Glaubens als eine Zurückweisung Gottes, wie er sich selbst offenbart hat
(deus revelatus), und als der Versuch, aus eigenen Kräften einen Zugang zu Gott zu finden, erlaube
ihnen nach Luther zwar eine Begegnung mit Gott, aber nur in der Weise des deus absconditus oder
ihres eigenen Bildes von Gott. Vor einer Drucklegung der auf Petrus Venerabilis zurückgehenden
lateinischen Übersetzung des Korans, die diese einer breiteren Leserschaft zugänglich machen würde,
habe Luther – anders als manche seiner Zeitgenossen – nicht nur keine Angst gehabt, vielmehr habe er
sie ausdrücklich unterstützt.
Mit einem Sprung in das 20. Jahrhundert kam Schumann auf das II. Vatikanische Konzil zu sprechen,
insbesondere auf die Konzilserklärung Nostra Aetate, mit der ein Neubeginn in der Bestimmung des
Verhältnisses der Kirche (zunächst der katholischen, dann aber auch der großen christlichen Kirchen
insgesamt) zum Islam markiert worden sei. Neben anderen Punkten stellte Schumann heraus, dass die
Suchrichtung sich im Vergleich zu früheren Zeiten quasi umgekehrt habe: der gemeinsame Nenner sei
gesucht worden, nicht die Unterschiede, und das, was als „gemeinsam“ aufgelistet worden sei, sei
nicht wenig. Deutlich werde diese Umkehrung der Suchrichtung u. a. an der Beobachtung, dass in
Nostra Aetate das arabische Wort „Allāh“ übersetzt worden sei – wodurch zum Ausdruck gebracht
worden sei, dass auch die Muslime es mit Gott zu tun haben. Hiermit sei, so Schumann, in gewisser
Hinsicht das Anliegen des Niketas von Byzanz aufgenommen worden, der die Sorge hatte, dass
Verschmähungen Allāhs letztlich nichts anderes seien als eine auch für Christen verbotene
Gotteslästerung.
Ein Ausblick auf neuere Stimmen aus dem Protestantismus zum Islam (Hendrik Kraemer und
Emmanuel Kellerhals), vor allem im Hinblick auf die Frage nach der Möglichkeit einer christlichen
Anerkennung des prophetischen Anspruchs Muhammads, schloß Schumann seinen rasanten
Überblick über die Geschichte der christlichen Beschäftigung mit dem Islam.
In seiner Erwiderung stellte Prof. Dr. Tahsin Görgün (Frankfurt) fest, dass es den Christen ganz
offensichtlich nicht leicht gefallen sei, den Islam als eigenständige Religion anzuerkennen. Vier
Haltungstypen grenzte er hierbei voneinander ab: a) die Betrachtung des Islam als christliche Häresie
(u. a. Johannes von Damaskus); b) die Ausklammerung von inhaltlichen Fragen zu Gunsten eines
Streits über die Person Muhammads (z. B. Niketas v. Byzanz), oft verbunden mit dem Vorwurf, dass
dieser die erhaltenen Lehren pervertiert habe;
c) eine gemeinsame Anerkennung bestimmter rationaler Prinzipien, ein friedliches Zusammenleben,
die Herausarbeitung der Unterschiede durch Hinweise auf Gemeinsamkeiten (Patriarch Timotheus, II.
Vatikanum); d) die Bekämpfung der Muslime als politische Gegner, entweder mit (Kreuzzüge) oder
ohne Schwert (Übersetzung des Koran in der Zeit der Kriege gegen die Osmanen). Görgün machte
sich stark für eine Ethik des Gesprächs, in der es um Anerkennung des anderen, den Verzicht auf
Zwang im Glauben sowie einen Wettstreit um gute Taten gehe.
Im sich anschließenden „offenen Forum“ gab es vor allem für Nachwuchswissenschaftler/innen die
Gelegenheit, aktuelle Forschungsvorhaben oder Projekte zu präsentieren und zur Diskussion zu
stellen. So präsentierte z. B. Dr. Markus Kneer (Hamm) sein Habilitationsvorhaben zum Thema „
‚Person’ als Konzept koranischer Anthropologie? Zur Religionsphilosophie M. A. Lahbabis (19221993)“, und Dr. Anja Middelbeck-Varwick (Berlin) stellte ihre Dissertation zum Thema „Die Grenze
zwischen Gott und Mensch. Eine Skizze zur Theodizee in Islam und Christentum“ vor.
Nach dem „offenen Forum“ folgten drei zeitgleich stattfindende „thematische Foren“ mit
Kurzreferaten, Textarbeit und Diskussion. Im ersten Forum, das unter der Überschrift
„Koranische/bibilische Abgrenzungen und ihre Wirkungsgeschichte“ stand, referierten Prof. Dr.
Ömer Özsoy (Ankara) zum Thema „Leute der Schrift oder Ungläubige? Abgrenzungen gegenüber
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Christen im Koran“ und Prof. Dr. Stefan Schreiner (Tübingen) zum Thema „Abgrenzungen in
biblischen Texten und ihre Instrumentalisierung zur Abgrenzung gegenüber dem Islam“. Das zweite
Forum stand unter der Überschrift „Die Kreuzzüge und ihre Rezeption als Beispiel für historische
Abgrenzungen“. Prof. Dr. Peter Antes (Hannover) sprach zum Thema „Kreuzzüge: Theorie und
Praxis“, und Thomas Würtz (Zürich) hatte seine Ausführungen unter das Thema „Die Kreuzzüge
zwischen geschichtlicher Wirklichkeit und ideologischer Darstellung“ gestellt. Im dritten Forum ging
es um „Fundamentalistische Abgrenzungsdiskurse in Christentum und Islam“. Hier sprachen Dr.
Bekim Agai (Bonn) über „Abgrenzung vom Christentum und Polemik gegen alternative
Islaminterpretationen in fundamentalistischen Diskursen des Islams“ und Prof. Dr. Grit Klinkhammer
(Bremen) über „Abgrenzung vom Islam in fundamentalistischen Diskursen des Christentums“.
Das vierte und letzte Hauptreferat der Tagung hielt Prof. Dr. Assaad Elias Kattan (Münster), dessen
„Überlegungen zu einer weniger abgrenzenden Identitätsbestimmung“ er unter das Thema
„Trennende Differenz vs. versöhnende Synthese?“ gestellt hatte, womit er die anfangs von Schmid
gestellten Leitfragen, die die verschiedenen Beiträge und Diskussionen der Tagung durchzogen
hatten, noch einmal aufgriff. Ausgehend von den Analysen René Girards zu Gewalt zwischen
rivalisierenden Menschen oder Gruppen, denen zufolge Gewalt aus gescheitertem mimetischem
Verhalten hervorgehen könne, schlug Kattan als ein mögliches Paradigma zur Erschließung des
Verhaltens von Religionen vor, diese anthropologisch zu deuten, also weniger als bestehende Systeme
aufzufassen, sondern sie vielmehr mit lebenden Personen zu vergleichen, da jede Religion eine von
Menschen getragene Größe sei. Die gewählte anthropologische Herangehensweise wandte Kattan
auch auf die Rivalitätserscheinungen zwischen den Religionen an, deren Konkurrenzverhältnis, das
zum Hervorrufen von gewalttätigen Konflikten in der Lage sei, durch primäre Ähnlichkeit bedingt
sei. Die entsprechenden Kräfte würden, so deutete Kattan an, beim Ausbleiben von expliziten
Gewalttaten von Religionen derart funktionalisiert, dass sich die eine von der ihr in vielfacher
Hinsicht ähnlichen, die gerade deshalb in einem Konkurrenzverhältnis zu ihr stehe, bewusst
abgrenze. Dies diene nicht nur zur Definition oder Stärkung der eigenen Identität einer Religion,
sondern auch zur Verschleierung der ursprünglichen Verwandtschafts- oder Ähnlichkeitsrelation
verschiedener Religionen. Dem Dialog zwischen den Religionen wies Kattan daher eine hohe
Bedeutung zu, führe dieser doch meistens dazu, die Unterschiede zwischen den Religionen neu zu
bewerten, indem der kritische Blick des anderen bewirke, dass Aspekte der eigenen Tradition in
einem anderen Licht erschienen und neu auf ihre Sachgemäßheit hin befragt würden. Ausgehend von
der Vision einer Symphonie der Religionen, die Kattan anfangs durch ein Zitat von Ulrich Schön
andeutete, versuchte er abschließend, ein religiöses Identitätsbestimmungsmodell zu skizzieren, in
dem die Unterschiede nicht als trennende Differenzen fungieren müssen. Wenn es gelinge, das
Spezifikum der je eigenen Religion in einem weniger essentialistischen Sinne zu begreifen, sondern
vielmehr in der kreativen Synthese, die aus dem Zusammenkommen zahlreicher Elemente resultiere,
werde das Neue, Kreative, Fruchtbringende, das einer Religion ihre Einmaligkeit verleihe, besser
sichtbar, als bei der Auffassung von verschiedenen Religionen als einander gegenüberstehenden
essenzialistischen und monolithischen Blöcken. Keineswegs gehe es hierbei darum, Besonderheiten
einzelner Religionen zu leugnen oder ihnen abzuerkennen. So stelle z. B. der Glaube an den
gekreuzigten und auferstandenen Jesus von Nazareth das Besondere des Christentums und seinen
Hauptunterschied zu den restlichen Weltreligionen dar. Im Bild der Symphonie lasse sich aber, so
Kattan, dies folgendermaßen formulieren: In der einmaligen Melodie, die das Christentum spiele,
komme dem musikalischen Motiv Jesus von Nazareth eine führende Bedeutung zu. Wenn es nun den
Religionen gelinge, unter Verwendung der ihnen eigenen Motive neue Melodien zu spielen, indem sie
neue Wege der Identitätsbestimmung wagten, so dass versöhnende Synthesen möglich würden, dann
sei dem Erklingen einer Symphonie, die aus der Synthese der Melodien der verschiedenen Religionen
entstehe, hoffnungsvoll entgegen zu blicken.
Bei der anschließenden Abschlussdiskussion, in der es um die Suche nach neuen Perspektiven für eine
Verhältnisbestimmung von Islam und Christentum ging, wurde unter anderem die Frage nach einer
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gemeinsamen Hermeneutik für Muslime und Christen gestellt. Prof. Kalisch gab hierbei zu bedenken,
dass eine gemeinsame Hermeneutik beim Umgang mit den jeweiligen Heiligen Schriften zwar bis zu
einem gewissen Grad möglich sei, aber bestimmte Differenzen bestünden: so sei nach dem jeweiligen
Selbstverständnis der beiden Religionen der Koran an eine einzige Person geoffenbart worden, die
Bibel hingegen an mehrere Generationen. Dies sei beim Umgang mit den jeweiligen Schriften zu
berücksichtigen – was eine historisch-kritische Koranforschung allerdings nicht ausschließe, wie
Kalisch ausdrücklich betonte. Prof. Schumann gab zu bedenken, dass eine gemeinsame christlichmuslimische Hermeneutik auch zu Vergewaltigungen führen könne – eine gemeinsame Interpretation
von Koran und Bibel sei aber möglich. Die unterschiedliche Ausgangslage für eine theologisch
fundierte Verhältnisbestimmung brachte Prof. Görgün zur Sprache: so sei christliche Theologie an
vielen europäischen Hochschulen fest etabliert, eine islamische Theologie in einer europäischen
Sprache fehle aber noch weitestgehend. Die Frage, ob für neue Identitätsbestimmungen Begriffe der
jeweiligen dogmatischen Traditionen aufgegeben werden könnten, wurde von Prof. Schumann
gestellt. So könnten Probleme, die von historisch belasteten und missverständlichen und
missverstandenen Begriffen ausgingen, vermieden werden, gleichzeitig müsse aber sichergestellt
werden, dass die mit den jeweiligen Begriffen gemeinten Inhalte nicht verloren gingen. Prof. Kalisch
wies darauf hin, dass Abgrenzungskonzepte auch immer mit dem jeweiligen Gottesbild zu tun hätten.
Mit der Frage, welches Interesse Gott daran haben sollte, dass Christen und Muslime sich gegenseitig
bekämpfen, verwies er auf den theologischen Kern der Diskussion. Um den Teilnehmerinnen und
Teilnehmern dieser perspektivenreichen und in vielfacher Hinsicht anregenden Tagung den Abschied
zu erleichtern, verwies Prof. Kattan gleichsam abschließend auf ein Wort des Johannes
Chrisosthomos, der den Alltag, in den die einzelnen nun wieder aufzubrechen hätten, als „Liturgie
nach der Liturgie“ bezeichnet habe. Dass ein solcher neuer Aufbruch nach den vielen vertiefenden
und bereichernden Gesprächen vor, während und nach den offiziellen Programmpunkten der Tagung
lohnenswert ist, war am Ende nicht nur die Ansicht von Prof. Kattan.
Angaben zum Verfasser:
Bernd Mussinghoff, Dipl.-Theol., ist wissenschaftlicher Referent am Institut für Theologie und
Frieden, Hamburg, und arbeitet an einem Dissertationsprojekt über islamische Friedensethik.
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Identität durch Differenz? Zur Rolle der wechselseitigen Abgrenzungen in Christentum und
Islam
Stuttgart-Hohenheim, 03.03.2006 - 05.03.2006
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