1 9.5 Vollkommene Konkurrenz: der Grenzfall Nachdem nun der erste Nachahmer des Pionierunternehmens auf dem Marmelademarkt ebenfalls erfolgreich ist, kommen auch andere auf die Idee, in den Marmelademarkt einzutreten. Stellen wir uns vor, n Unternehmen seien inzwischen tätig, und die Preisabsatzfunktion sei wieder P(Y) = a - Y, wobei Y die Absatzmenge sei, die alle n Unternehmen zusammen auf den Markt bringen: n Y = ∑ yi i =1 Die Kostenfunktion sei C ( y ) = 21 cy 2 . Der Gewinn eines Unternehmens ist dann n P(Y ) yi − C ( yi ) = (a − ∑ y j ) yi − j =1 c 2 yi . 2 Das entsprechende Cournot-Gleichgewicht kann in direkter Verallgemeinerung der Falles mit 2 Unternehmen so bestimmt werden, daß dieser Gewinn unter der Annahme maximiert wird, daß die Mengenentscheidung der anderen Unternehmen gefallen ist. Die Bedingung erster Ordnung für diese Entscheidung ist a − (1 + c) yi − Y = 0 . Daraus liest man schnell ab, daß sich alle Unternehmen für dieselbe Menge entscheiden werden. Dies impliziert, daß Y = nyi. Daraus folgt sofort: yi = a . c + n +1 Daraus ergibt sich für den Preis p C (n) = MC ( yi ) + a c + n +1 und für den Gewinn pro Unternehmen Π iC (n) ( 2 + c) a 2 = . 2(c + n + 1) 2 2 Daraus liest man unmittelbar ab, daß der Preis gegen die Grenzkosten konvergiert, wenn n über alle Grenzen wächst. Der Gewinn ist positiv und konvergiert gegen Null, wenn n über alle Grenzen wächst. Dieses Resultat ist recht allgemein. Für allgemeinere PreisAbsatzfunktionen und Kostenfunktionen kann man z.B. bei Schotter oder Varian nachlesen. Wenn wir davon ausgehen, daß die Opportunitätskosten der unternehmerischen Tätigkeit in den Kostenfunktionen berücksichtigt sind, werden die potentiellen Unternehmen solange eintreten, wie der Gewinn positiv ist. Wenn also der Eintritt nicht in irgendeiner Weise behindert ist (freier Eintritt), dann werden solange Unternehmen eintreten, bis der Preis bei den Grenzkosten liegt und die Gewinne auf 0 geschrumpft sind: Der Wettbewerbsprozeß eliminiert alle Preissetzungsspielräume und Gewinne. Im Grenzfall produzieren die Unternehmen alle verschwindend geringe Mengen. Wir werden gleich sehen, daß dieses Endresultat gesellschaftlich sehr erwünscht ist. Bevor wir darauf eingehen, werden wir jedoch auf die zentrale Annahme eingehen, die dieses Ergebnis produziert. Ganz wesentlich ist hier die Annahme eingeflossen, daß die Grenzund Durchschnittskosten nirgendwo fallen. Das Ergebnis ändert sich, wenn wir zum Beispiel Fixkosten betrachten. Nehmen wir nun an, daß die Kostenfunktion wie folgt aussieht: C ( y ) = F + 21 cy 2 Unter diesen Umständen ist der Gewinn eines Unternehmens n P(Y ) yi − C ( yi ) = (a − ∑ y j ) yi − j =1 c 2 yi - F. 2 Die Fixkosten ändern nichts an den Mengenentscheidungen. Wenn n Unternehmen im Markt sind, ist daher der Gewinn im Cournot-Gleichgewicht Π iC (n) (1 + c)a 2 = −F. (c + n + 1) 2 In diesem Fall werden die Unternehmen solange eintreten, bis der Gewinn gleich Null ist. Dies ist der Fall, wenn nC = 1+ c a − (c + 1) F 3 eintreten. Dabei haben wir ignoriert, daß nur ganze Zahlen für nC sinnvoll sind. Genauer ist nC die kleinste ganze Zahl, bei dem der obige Ausdruck für den Gewinn nicht negativ ist. Hier führt Wettbwerb zwar zur Erosion der Gewinne, aber die Preise bleiben oberhalb der Grenzkosten. Wie weit sie von den Grenzkosten entfernt sind, hängt wesentlich davon ab, wie hoch die Nachfrage ist. In unseren Beispielrechnungen hatten wir die Preis-Absatzfunktion P(y) = a - y unterstellt. Die dazugehörige Nachfragefunktion ist x(p) = a - p. Stellen wir uns nun vor, daß die Nachfrage wächst. Dies werden wir dadurch abbilden, daß wir die Nachfragefunktion mit einer ganzen Zahl m größer 1 multiplizieren. Die Nachfrage ist jetzt also mx(p). Die dazugehörige Preis-Absatzfunktion ist P(Y ) = a − Y . m Wenn wir die obigen Rechnungen für diese Preis-Absatzfunktion wiederholen, erhalten wir bei n Unternehmen die Cournot-Menge pro Unternehmen yiC (n, m) = ma , n + 1 + cm den Preis p C (n, m) = MC ( yiC ) + a n + 1 + cm und den Gewinn Π iC (n, m) = (2 + cm)ma 2 −F. 2(n + 1 + cm) 2 Daraus läßt sich die Anzahl der eintretenden Unternehmen bestimmen (2 + cm)m a = n C + 1 + cm . 2F Setzt man dies in den Ausdruck für den Preis ein, so erhält man p C (m) = MC ( yiC ) + 2F . (2 + cm)m 4 Daraus läßt sich unmittelbar ablesen, daß der Preis für immer größer werdende Nachfrage gegen die Grenzkosten konvergiert. In "großen" Märkten ist demnach der Unterschied zwischen Preisen und Grenzkosten nicht groß. Betrachten wir die Änderungen der Outputmenge bei freiem Eintritt. Setzt man nC in den Ausdruck für die Cournot-Menge ein, so ergibt sich yiC (m) = m 2F = m(2 + cm) 2F . 2 +c m Daraus folgt, daß die Angebotsmenge steigt, wenn die Nachfrage steigt. Dies ist nicht von vorneherein klar. Wenn die Nachfrage steigt, steigt cet. par. auch der Gewinn. Es werden also mehr Unternehmen eintreten. Dadurch könnte die Menge auch sinken. Durch den Anstieg der Nachfrage wird sie jedoch auch gleichzeitig weniger preiselastisch. Dadurch steigt die Menge und dieser Effekt ist dominant. Wenn nun der Markt sehr groß wird, dann strebt der obige Ausdruck gegen 2F . c Dies ist gerade die Menge, bei denen die Durchschnittskosten minimal werden. Wir haben also hier das Resultat, daß der Wettbewerb in genügend großen Märkten dazu führt, daß die Güter zu minimalen Stückkosten angeboten werden. Dies ist ein allgemeines Resultat, das auch mit allgemeinen Preis-Absatzfunktionen und Kostenfunktionen hergeleitet werden kann (vgl. MasColell, Whinston und Green, Kap. 12.F). Fassen wir zusammen: Wettbewerb führt hier immer dazu, daß die Gewinne verschwinden. Wenn keine Fixkosten vorliegen, wird der Wettbewerb immer dazu führen, daß die Preise sich den Grenzkosten anpassen. In diesem Fall werden sehr viele Unternehmen das Gut in jeweils sehr geringen Mengen anbieten. Die Stückkosten konvergieren gegen MC(0). Wenn Fixkosten vorliegen, werden sich die Preise ebenfalls den Grenzkosten annähern, falls die Nachfrage sehr groß wird. In diesem Fall werden sehr viele Unternehmen jeweils die Menge anbieten, die die Durchschnittskosten minimiert. Offenbar haben die Unternehmen in beiden Fällen keinen Preissetzungsspielraum mehr. Sie können mit dem Preis nicht nach unten abweichen, weil sie dann auf jeden Fall Verluste machen würden. Sie können auch nicht nach oben abweichen, weil ihre Kunden dann auf die Konkurrenz ausweichen würden. 5 Wie ist diese Situation von der gesellschaftlichen Perspektive einzuschätzen? Wir werden zu dem Schluß kommen, daß das Endresultat des Wettbewerbs dem denkbar besten Ergebnis entspricht. Als Maß für den Wert der Produktion nutzen wir wieder den sozialen Überschuß. Wenn insgesamt Y zur Verfügung gestellt wird, entsteht der Nutzen Y Y Y /m z Y2 P ( z ) dz = ( a − ) dz = aY − = m ∫ (a − z )dz . ∫ ∫ m 2 m 0 0 0 Davon müssen die Kosten abgezogen werden, die bei der Produktion entstehen. Wenn daran n Unternehmen beteiligt sind, sind dies Y SC (Y ) = nC . n Es ergibt sich zunächst die Frage, wieviel Unternehmen beteiligt werden sollen. Natürlich sollen die Kosten minimal sein. Wenn man den obigen Ausdruck bezüglich n minimiert, ergibt sich durch Ableiten der rechten Seite Y Y Y C − MC . n n n Die Kosten werden miminal, wenn dieser Ausdruck Null wird. Diese Bedingung läßt sich wie folgt schreiben, wobei wir y = Y/n setzen, C( y ) = AC ( y ) = MC ( y ) . y Es sollten also so viele Unternehmen beteiligt werden, daß die einzelnen Unternehmen Mengen anbieten, bei denen die Durchschnittskosten den Grenzkosten entsprechen. Dies ist jedoch gerade dort der Fall, wo die geringsten Durchschnittskosten entstehen. Daraus folgt schon unmittelbar, daß sich in "großen Märkten" die Kostenstruktur durch den Wettbewerb gerade so ergibt, wie es aus gesellschaftlicher Sicht sinnvoll ist. Nachdem nun geklärt ist, wieviele Unternehmen an der Produktion beteiligt werden sollten, können wir nun bestimmen, wieviel insgesamt produziert werden sollte. Dies läßt sich nun durch die Maximierung des sozialen Überschusses bestimmen. Dies haben wir schon in Kapitel 8 beantwortet. Der maximale soziale Überschuß entsteht dann, wenn P(Y ) = MSC (Y ) 6 also bei der Menge, bei der der Preis den Grenzkosten entspricht. Wie man sich leicht überzeugt, entsprechen die sozialen Grenzkosten MSC(Y) hier den Grenzkosten der einzelnen Unternehmen MC(Y/n). Auch dies war das Resultat des Wettbewerbsprozesses. In großen Märkten bietet jedes Unternehmen soviel an, daß der Preis den Grenzkosten entspricht. Der Wettbewerb sorgt demnach nicht nur für die effizienteste Kostenstruktur, sondern auch für die optimale Versorgung der Konsumenten. Kurz: gäbe es einen allwissenden wohlwollenden Planer, der jedem Konsumenten seine Menge zuweist, der jedem Unternehmen die von ihr zu produzierende Menge zuweist und der festlegt, wieviele Unternehmen tätig sein sollen, dann würde genau dasselbe Ergebnis resultieren, das der Wettbewerbsprozeß erzeugt. Die obige Argumentation ist stets davon ausgegangen, daß der Geamtoutput auf alle Konsumenten und alle Unternehmen gleichverteilt wird. Man kann sich leicht überlegen, daß dies selbst als Resultat hergeleitet werden kann, wenn der soziale Überschuß maximiert werden soll. Nachdem wir nun gesehen haben, daß das Resultat des Wettbewerbs vorteilhafte Konsequenzen hat, wollen wir uns die Situation im Grenzfall noch einmal ansehen. Wir gehen also von einem sehr großen Markt mit vielen relativ kleinen Unternehmen aus. In einem solchen Kontext haben die Unternehmen keine Preissetzungsspielräume mehr. Es ist daher keine einschränkende Annahme, daß die Unternehmen den "Marktpreis" als gegeben hinnehmen. In diesem Kontext ist die Annahme des Preisnehmerverhaltens sinnvoll. Es ist aber immer wichtig, im Hinterkopf zu behalten, daß der Preis trotzdem als Ergebnis von preissetzendem Verhalten entstanden ist, wobei der Preissetzungsspielraum im Grenzfall verschwunden ist. Eine Situation, in der freier Eintritt vorherrscht, jedes Unternehmen nur einen verschwindend geringen Marktanteil hat, die Güter homogen sind und die Unternehmen die Preise als gegeben hinnehmen, wird mit dem Begriff vollkommene Konkurrenz verbunden. Durch die Tatsache, daß die Unternehmen einen sehr kleinen Marktanteil haben, haben sie einen verschwindenden Einfluß auf den Preis, wenn sie ihre Menge etwas ändern. In diesem Kontext ist der Gewinn eines Unternehmens py − C ( y ) , wobei p als vorgegebene Größe angesehen wird. Dadurch vereinfachen sich viele der Zusammenhänge zwischen Preis, Grenzkosten und Faktoreinsatz, wie wir sie im Fall des Monopols kennengelernt haben. Beginnen wir bei dem Zusammenhang zwischen Preis und Grenzkosten. Gewinnmaximierung führt sofort zu der "Grenzkosten-Preisregel": 7 p = MC ( y ) Bei vorgegebenem p legt diese Beziehung fest, wieviel das Unternehmen anbieten wird. Die Grenzkostenkurve kann also gleichzeitig als Angebotskurve eines Unternehmens unter vollkommener Konkurrenz interpretiert werden. Allerdings muß dabei beachtet werden, daß nur dann produziert werden wird, falls kein Verlust entsteht. Wenn der Preis unter die minimalen Durchschnittskosten sinkt, wird der Gewinn bei positiver Menge immer negativ sein. Daher ist nur der Teil der Grenzkostenkurve mit der Angebotskurve gleichzusetzen, der über der Durchschnittskostenkurve liegt. Schauen wir uns als nächstes die Inputentscheidungen an. Dazu gehen wir der Einfachheit halber von zwei Faktoren aus: Arbeit und Kapital. Die Produktionsmöglichkeiten seien durch die Produktionsfunktion f(L, K) beschrieben. Den Gewinn kann man unter diesen Umständen folgendermaßen schreiben pf ( L, K ) − w1 L − w2 K . Setzt man die beiden Faktoren gewinnmaximal ein, so ergibt sich aus den Bedingungen erster Ordnung: p ∂f ( L, K ) = w1 ∂L p ∂f ( L , K ) = w2 ∂K Die Faktoren sind demnach so einzusetzen, daß der durch eine marginale Erhöhung des Einsatzes erzielbare Mehrerlös (Wert des Grenzpodukts) dem Faktorpreis entspricht. Diese Charakterisierung werden wir insbesondere im folgenden Kapitel wieder aufgreifen. Wir wollen zum Schluß dieses Abschnitts noch auf die Angebotskurve in einem Markt zu sprechen kommen. Oben haben wir gesehen, daß die Grenzkostenkurve über der Durchschnittskostenkurve der Angebotskurve eines Unternehmens unter vollkommener Konkurrenz entspricht. Wieviel würde angeboten, wenn 2 solche Unternehmen betrachtet werden? Dies ergibt sich einfach durch horizontale Addition der beiden individuellen Angebotskurven. In der übernächsten Graphik ist der Teil der Grenzkostenkurve über der der Durchschnittskosten der Einfachheit halber als Gerade angenommen. Man sieht, daß die Angebotsfunktion flacher wird. Dies setzt sich fort, wenn man die Angebotskurven von mehr und mehr Unternehmen addiert. Im Grenzfall ist die Angebotskurve aller 8 Unternehmen zusammen, die Marktangebotskurve, eine Horizontale auf dem Niveau der minimalen Durchschnittskosten. Kostengrößen, Preis AC MC y* Menge Preis 1 Unternehmen y* 2y* 2 Unternehmen 3y* Menge Preis ••••••• • ny* Menge Quintessenz ist demnach, daß die Angebotskurve in diesem Fall sehr flach verläuft. Nachdem wir nun wissen, wie in einem vollkommenen Konkurrenzmarkt die Marktangebotskurve verläuft, können wir auch die klassische Bestimmung des Marktpreises besprechen. Der Marktpreis ergibt sich dort, wo sich Nachfrage- und Angebotskurve schneiden. 9 Preis Nachfrage Angebot p* Y* Menge Nun wird auffallen, daß wir die Angebotskurve nicht horizontal, sondern positiv geneigt eingezeichnet haben. Bei einer horizontalen Angebotsfunktion ergibt sich natürlich auch der Marktpreis oder Gleichgewichtspreis durch den Schnittpunkt von Nachfrage- und Angebotskurve. Hier ist es sogar besonders einfach. Der Preis entspricht den minimalen Durchschnittskosten und die Gleichgewichtsmenge schlicht der Menge, die bei diesem Preis nachgefragt wird. Hinter der positiv geneigten Angebotskurve steht die Vorstellung, daß wir uns in einem sehr großen Markt befinden, in den aber noch nicht alle potentiell möglichen Unternehmen eingetreten sind. Eine solche Situation ist relevant, wenn wir über kurzfristige Wirkungen von Politikmaßnahmen nachdenken wollen. Da Eintritt Zeit erfordert, wird der steigende Teil der Angebotskurve relevant. Erst langfristig wird die Angebotskurve wieder flach. Unterstellt wird dann natürlich, daß es trotzdem so viele Unternehmen gibt, daß das Preisnehmerverhalten eine sinnvolle Approximation an die tatsächlichen Entscheidungen darstellt.