Vorlesung Industrieökonomik II

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Vorlesung Industrieökonomik II
Prof. Dr. Ulrich Schwalbe∗
Wintersemester 2007 / 2008
∗ Ich
danke meinen Mitarbeitern, Frau Dr. Tone Arnold und Herrn PD Dr. Jörg Naeve für
zahlreiche Verbesserungsvorschläge und Korrekturen.
Inhaltsverzeichnis
1 Wettbewerbsbeschränkungen
1.1 Kartelle und Kollusionen . . . . . . . . . . . .
1.2 Kartellbildung und wiederholte Interaktionen
1.3 Unternehmenszusammenschlüsse . . . . . . . .
1.4 Takeovers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.5 Marktschranken . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.6 Überkapazitäten und Limit Pricing . . . . . .
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1
3
9
32
38
41
2 Vertikale Restriktionen
2.1 Doppelte Marginalisierung .
2.2 Preisdiskriminierung . . . .
2.3 Ausschließlichkeitsbindungen
2.4 Franchising . . . . . . . . .
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53
54
57
59
63
3 Forschung und Entwicklung
3.1 Klassifikation von Prozessinnovationen
3.2 Patentrennen . . . . . . . . . . . . . .
3.3 Patente . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4 Forschungskooperationen . . . . . . . .
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67
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72
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iii
Inhaltsverzeichnis
iv
1 Wettbewerbsbeschränkungen
1.1 Kartelle und Kollusionen
(vgl. Oz Shy, S. 78 f.)
Kartelle und Monopole mit mehreren Betrieben sind Organisationsformen und Vertragsvereinbarungen zwischen Betrieben, Unternehmen oder Ländern. Betrachtet man z. B.
die OPEC (Organisation of the Petroleum Exporting Countries), dann handelt es sich
bei diesem Kartell der erdölexportierenden Länder um eine Organisation, die mit den
einzelnen Ländern Verträge über die zu produzierenden Mengen und damit indirekt auch
über den Weltpreis für Rohöl schließt. Ein anderes Beispiel wäre die IATA (International
Air Transport Association), die die Flugpreise festlegt.
Ein Monopol mit mehreren Betrieben ist ähnlich wie ein Kartell mit dem Unterschied,
dass hier alle Betriebe einem Eigentümer gehören. Ein solches Monopol entsteht z. B.
dann, wenn sich alle Firmen in einer Industrie zusammenschließen oder wenn einem
Monopolisten mehrere Betriebe gehören, die das selbe Produkt herstellen.
Im Unterschied zum Kartell hat das Monopol mit mehreren Betrieben die Möglichkeit,
einen oder mehrere Betriebe zu schließen (oder neue aufzumachen). Ein Kartell wird im
allgemeinen keine Betriebe schließen, da dem Kartell die Betriebe nicht gehören. Und ein
Eigentümer in einem Kartell wird einer Schließung seines Betriebes nicht zustimmen, weil
er danach kaum damit rechnen kann, dass die anderen Kartellmitglieder ihn langfristig
an ihren Gewinnen beteiligen würden.
Betrachten wir eine lineare aggregierte Preis–Absatz–Funktion
p(y) = a − by.
Weiterhin wird angenommen, dass es n Firmen i = 1, . . . , n gibt. Die von Firma i
produzierte Menge wird mit yi bezeichnet. Jede Firma hat die gleiche Kostenfunktion
Ci (yi ) = F + c yi2 ,
F, c > 0.
Die zugehörigen Durchschnitts- und Grenzkostenfunktionen sind
ACi (yi ) =
F
+ c yi
yi
und
MCi (yi ) = 2 c yi .
1
1 Wettbewerbsbeschränkungen
Graphisch sieht die Kostenstruktur wie folgt aus.
MCi
MCi (yi )
ACi
ACi (yi )
yi
Bilden die n Firmen ein Kartell, so legen sie gemeinsam die Produktionsmengen aller n
Firmen so fest, dass die Summe der Gewinne maximiert wird.
Sei πi (yi ) der Gewinn der Firma i, dann ist der Gesamtgewinn des Kartells
Π(y1 , y2 , . . . , yn ) =
n
X
πi (yi ).
i=1
P
Der Gesamtoutput des Kartells ist Y = ni=1 yi .
Das Optimierungsproblem des Kartells lautet
max Π(y1 , y2 , . . . , yn ) =
y1 ,y2 ,...,yn
"
a−b
n
X
i=1
yi
#
n
X
i=1
yi
!
−
n
X
Ci (yi ).
i=1
Die n Bedingungen erster Ordnung ergeben sich als:
n
X
∂Cj
∂Π
yi −
= a − 2b
0=
∂yj
∂yj
i=1
= MR(Y ) − MCj (yj ) j = 1, 2, . . . , n.
Hieraus kann man das folgenden Theorem ableiten:
Theorem 1 Der gewinnmaximierende Output des Kartells ergibt sich durch
Gleichsetzen der Grenzkosten jedes Kartellmitglieds mit dem Grenzerlös, ausgewertet an der Stelle des Gesamtoutputs.
2
1.2 Kartellbildung und wiederholte Interaktionen
Da alle Betriebe die gleiche Kostenfunktion und damit auch die selbe Grenzkostenfunktion haben, die zudem strikt monoton ist, muss für die Lösung der Bedingungen erster
Ordnung gelten, dass y1 = y2 = . . . = yn = y ist. Anders ausgedrückt: Jeder Betrieb im
Kartell produziert die gleiche Menge, d. h., die einzige Lösung des Problems ist symmetrisch.
In diesem Fall vereinfachen sich die Bedingungen erster Ordnung für alle n Firmen zu
a − 2bny = 2cy
⇐⇒
y=
a
.
2(b n + c)
Der Gesamtoutput des Kartells und der Marktpreis sind
Y = ny =
na
a (b n + 2 c)
und p = a − b Y =
.
2 (b n + c)
2(b n + c)
Wenn n = 1 gilt, dann sind die Menge und der Preis des Kartells gleich der Menge und
dem Preis eines Monopols. Man sieht unmittelbar, dass mit der Zahl der Kartellmitglieder sowohl der Output jeder Firma als auch der Marktpreis fallen. Also werden auch der
Erlös und der Gewinn jeder Firma mit einer steigenden Anzahl der Kartellmitglieder
fallen. Daher versuchen viele Organisationen (wie z. B. die mittelalterlichen Zünfte und
Gilden) die Zahl derjenigen zu beschränken, die in ihrem Bereich tätig werden.
1.2 Kartellbildung und wiederholte Interaktionen
(vgl. Oz Shy, S. 116 ff.)
Bisher waren wir sowohl im Cournot– als auch im Bertrand–Modell immer davon ausgegangen, dass die Firmen immer nur einmal miteinander konkurrieren. Allerdings beobachtet man in der Realität immer wiederholte Interaktionen zwischen den Oligopolisten. Im folgenden werden wir die Anreize zur Kartellbildung zwischen Firmen im
Oligopol untersuchen, wenn die Firmen häufig miteinander interagieren. Es wird sich
zeigen, dass eine Absprache nicht eingehalten werden wird, wenn die Firmen nur einmal
(oder nur endlich oft) miteinander interagieren. Dies ändert sich jedoch, wenn die Firmen unendlich oft interagieren oder zumindest keine bestimmte Anzahl von Runden‘
’
vorgegeben ist.
Wir betrachten ein einfaches Cournot–Modell mit zwei Firmen. Wir bezeichnen den
Gesamtoutput mit Y = y1 + y2 . Die Preis–Absatz–Funktion ist gegeben durch p(Y ) =
1 − Y = 1 − y1 − y2 . Weiterhin wird angenommen, dass die Produktion kostenlos erfolgt.
Nichtkooperatives Verhalten Jede der beiden Firmen maximiert ihren Gewinn πi (y1 , y2 ) =
(1 − y1 − y2 ) y1 . Daraus resultieren die Reaktionsfunktionen y1 (y2 ) = (1 − y2 )/2 und
y2 (y1 ) = (1 − y1 )/2. Als Outputmengen im Cournot–Nash Gleichgewicht ergeben sich
y1 = y2 = 1/3. Dieser Output wird als mittlerer Output (M ) bezeichnet. Die Gewinne
in diesem Fall betragen π1 = π2 = 1/9.
3
1 Wettbewerbsbeschränkungen
Kooperatives Verhalten Wir nehmen nun an, dass die Firmen ein Kartell bilden, wie
wir es bereits analysiert haben. In einem solchen Fall werden sie sich wie ein Monopol
verhalten. Hier ergibt sich als Gleichgewichtsbedingung Grenzerlös gleich Grenzkosten,
d. h., MR(Y ) = 1 − 2 Y = 0 = MCi , für i = 1, 2. Daraus ergibt sich die Gesamtmenge
Y = 1/2. Wenn beide Firmen die gleiche Menge produzieren, dann ergibt sich y1 =
y2 = 1/4. Diese Outputmengen werden als niedrige (L) Outputmengen bezeichnet. Der
resultierende Marktpreis ist p = 1/2. Die Gewinne der beiden Firmen sind π1 = π2 = 1/8.
Abweichen vom Kartell Angenommen, die Firma 2 hält sich an die Kartellvereinbarung und produziert den Kartelloutput y2 = 1/4. In diesem Fall könnte die andere Firma
ihren Gewinn erhöhen, wenn sie von der Kartellvereinbarung abweicht. Dies sieht man
daran, dass ihre beste Antwort auf den Output y2 = 1/4 nicht 1/4 beträgt. Einsetzen
von y2 = 1/4 in ihren Gewinn ergibt: π1 = (1 − y1 − 1/4)y1 . Ableiten und gleich 0
setzen ergibt: 0 = 3/4 − 2y1 . Daraus folgt y1 = 3/8. Dieser Output wird als hoher (H)
Output bezeichnet. Die produzierte Outputmenge beträgt Y = 3/8 + 1/4 = 5/8 und die
Gewinne sind π1 = 9/64 und π2 = 3/32.
Diese Ergebnisse, zusammen mit einigen weiteren, die hier nicht nachgerechnet wurden,
können in der folgenden Auszahlungsmatrix zusammengefasst werden.
y1 = L
y1 = M
y1 = H
y2 = L
1/8, 1/8 5/48, 5/36 3/32, 9/64
.
y2 = M 5/36, 5/48 1/9, 1/9 7/72, 7/64
y2 = H 9/64, 3/32 7/64, 7/72 3/32, 3/32
Aus dieser Auszahlungsmatrix kann man das folgende Theorem herleiten:
Theorem 2 Im einmal wiederholten Spiel (one-shot game) gilt:
1. Es existiert ein eindeutiges Cournot–Nash Gleichgewicht mit y1 = y2 = 1/3;
2. dieses Gleichgewicht wird vom kooperativen Ergebnis‘ y1 = y2 = 1/4 domi’
niert.
Wir können uns dies auch in einer Grafik klar machen, die wir der Übersichtlichkeit
halber schrittweise entwickeln.
Wir beginnen mit dem Cournot–Nash Gleichgewicht.
4
1.2 Kartellbildung und wiederholte Interaktionen
y2
R1 (y2 )
M
R2 (y1 )
y1
M
Die Linse, die die beiden Isogewinnlinien aufspannen, zeigt, dass es Möglichkeiten gibt,
durch eine Kartellvereinbarung den Gewinn beider Firmen zu erhöhen. Eine solche Vereinbarung, in der beide Firmen die selbe Menge produzieren, sieht wie folgt aus.
y2
R1 (y2 )
M
L
R2 (y1 )
L
M
y1
Für beide Firmen gibt es allerdings einen Anreiz, von der Kartellvereinbarung abzuweichen. Gegeben, dass Firma 2 die Kartellmenge produziert, kann Firma 1 den höchsten
Gewinn erzielen, wenn sie waagerecht auf ihre Reaktionsfunktion abweicht.
5
1 Wettbewerbsbeschränkungen
y2
R1 (y2 )
M
L
R2 (y1 )
L
y1
M H
Entsprechend für Firma 2.
y2
R1 (y2 )
H
M
L
R2 (y1 )
L
M H
y1
Die fünf anderen denkbaren Outputkombinationen (H, H), (H, M ), (M, H), (L, M ) und
(M, L), zeichnen wir lediglich ein, da die Grafik auch so schon unübersichtlich geworden
ist.
6
1.2 Kartellbildung und wiederholte Interaktionen
y2
R1 (y2 )
H
M
L
R2 (y1 )
L
M H
y1
Das unendlich oft wiederholte Spiel
Nehmen wir nun einmal an, die beiden Firmen existieren für immer. Die Firmen interagieren also nicht nur einmal, sondern wiederholt, genauer unendlich oft. Eine Alternative zu dieser Annahme wäre die folgende: Nach jeder Runde gibt es eine positive
Wahrscheinlichkeit, dass es noch eine weitere Interaktion gibt.
Das Spiel verläuft wie folgt: In jeder Periode t beobachten beide Firmen was sie in allen
vorhergehenden Perioden gespielt haben. In jeder Periode t wählt eine Firma also einen
Output yi (t) ∈ {L, M, H}.Eine Strategie einer Firma ist nun eine Liste von Outputniveaus in Abhängigkeit von den Outputmengen beider Firmen, die in allen vorhergehenden
Perioden gewählt wurden.
Natürlich ist die Zukunft für eine Firma nicht genauso wichtig wie die Gegenwart, sie
wird also zukünftige Gewinne diskontieren. Der Diskontfaktor ist gegeben durch ρ =
1
, wobei r den Zinssatz bezeichnet. Wenn der Zinssatz steigt, wird ρ geringer und die
1+r
Zukunft bekommt ein geringeres Gewicht.
Es wird angenommen, dass eine Firma die Summe des gegenwärtigen und der diskontierten zukünftigen Gewinne maximiert. Diese Summe ist gegeben durch:
Πi =
∞
X
ρt πi (t)
t=0
Dabei sind die Werte von πi (t) in der Auszahlungsmatrix gegeben.
Im folgenden wollen wir aus der unendlich großen Menge möglicher Strategien nur eine
kleine Teilmenge betrachten. Mit Hilfe dieser Strategien kann gezeigt werden, dass es im
unendlich oft wiederholten Spiel andere Gleichgewichte geben kann, als die Wiederholung
des eindeutigen Cournot–Nash Gleichgewichts aus dem One-shot game.
Diese Art von Strategien werden als Trigger–Strategien bezeichnet.
7
1 Wettbewerbsbeschränkungen
Trigger–Strategien
Eine Trigger–Strategie ist wie folgt gegeben: Eine Firma wählt den kooperativen Output yi (τ ) = L in jeder Periode τ , solange die andere Firma in allen Perioden t =
0, 1, 2, . . . , τ − 1 ebenfalls die Menge yj (τ ) = L produziert hat. Hat jedoch eine der
Firmen in irgendeiner Periode t ∈ {0, 1, 2, . . . , τ − 1} etwas anderes als den kooperativen Output L gewählt, dann wird sie für die gesamte Zukunft den nichtkooperativen
Duopol–Output wählen, d. h., sie wählt yi (t) = M für alle t = τ, τ + 1, τ + 2, . . ..
Formal kann man eine Trigger–Strategie wie folgt beschreiben:
Definition 1 Spieler i verwendet eine Trigger–Strategie, wenn für jede Periode
τ , τ = 1, 2, . . . gilt:

 L solange y1 (t) = y2 (t) = L
für alle t = 0, 1, . . . , τ − 1
yi (τ ) =

M sonst
Durch das Abweichen eines Spielers in einer Periode von der Kartellvereinbarung wird
also eine unendlich lange dauernde Bestrafung ausgelöst (Trigger = Auslöser).
Gleichgewicht in Trigger–Strategien
Im folgenden wird nun untersucht, unter welchen Bedingungen Trigger–Strategien zu
einem Gleichgewicht im unendlich oft wiederholten Cournot–Oligopol führen. Man kann
sich leicht überlegen, dass für einen kleinen Diskontfaktor eine Kooperation kein Gleichgewicht sein wird. In diesem Fall lohnt es sich für eine Firma von der Kartellvereinbarung
abzuweichen, um heute einen kurzfristigen Gewinn aus einer Abweichung zu machen und
sich in der (diskontierten) Zukunft mit dem Cournot–Gewinn zufrieden zu geben. Für
einen hinreichend großen Diskontfaktor gilt dies jedoch nicht mehr:
Theorem 3 Wenn der Diskontfaktor hinreichend groß ist, dann ist das Resultat, bei
dem beide Firmen Trigger–Strategien spielen ein (teilspielperfektes) Gleichgewicht.
Formal: Die in Definition 9 gegebenen Trigger–Strategien sind ein Gleichgewicht,
wenn ρ > 9/17.
Beweis. Wir betrachten eine repräsentative Periode (τ ) und unterstellen, dass keine
der beiden Firmen in einer der Perioden t = 1, 2, . . . , τ − 1 von der Kartellvereinbarung
abgewichen ist. Wenn nun Firma 1 abweicht und ihre (kurzfristige) beste Antwort auf L
spielt, d. h. den Output H wählt, erhält sie einen Gewinn in Höhe von π1 (t) = 9/64 >
1/8. Da jedoch Firma 1 in Periode τ abgewichen ist, besagt die Trigger–Strategie, dass
Firma 2 die Aktion y2 (t) = M für alle t ≥ τ + 1 wählen wird. In Periode τ + 1 beträgt
1 1
, wobei wir davon ausgehen, dass
die Summe der diskontierten Gewinne für Firma 1 1−ρ
9
8
1.3 Unternehmenszusammenschlüsse
Firma 1 jeweils ihre beste Antwort wählt, also ebenfalls M produziert.
Wenn also Firma 1 in Periode τ abweicht, dann beträgt die Summe ihrer diskontierten
Gewinne:
Π′1 =
9
ρ 1
+
.
64 1 − ρ 9
Wenn die Firma 1 in Periode τ jedoch nicht abweicht, dann werden beide Firmen sich
an die Kartellvereinbarung halten und den niedrigen Output herstellen. Die Summe der
diskontierten Gewinne beträgt in diesem Fall
Π1 =
1 1
.
1−ρ8
Vergleicht man diese beiden Ausdrücke, dann stellt man fest, dass ein Abweichen von
der Kartellvereinbarung nicht sinnvoll ist, wenn ρ > 9/17, da dann Π′1 < Π1 ist, ein
Abweichen also zu niedrigeren diskontierten Profiten führen würde.
In einem zweiten Schritt muss nun noch gezeigt werden, dass eine Firma – gegeben die
Trigger–Strategie der anderen Firma – kein Interesse daran hat, jemals wieder von der
Cournot–Menge M abzuweichen. Spieltheoretisch gesprochen müssen wir zeigen, dass die
Trigger–Strategie auch außerhalb des Gleichgewichtspfades optimal ist. Wenn nun eine
Firma abgewichen ist, dann wird diese Firma von der nächsten Periode an gemäß der
Trigger-Strategie immer den Cournot–Output M produzieren. Die beste Antwort darauf
für die andere Firma ist jedoch, ebenfalls immer die Cournot–Menge M zu produzieren,
also genau das, was die Trigger-Strategie für sie vorschreibt. Anders ausgedrückt, die
beiden Trigger-Strategien bilden ein teilspielperfektes Nash–Gleichgewicht.
Diese Überlegung zeigt, dass in einem Modell, in dem die Oligopolisten unendlich oft
interagieren, auch andere Gleichgewichte möglich sind als das, dass in jeder Periode das
Cournot–Nash Gleichgewicht gespielt wird. Konkret kann es in diesem Fall zur Bildung
eines Kartells kommen, in dem beide Firmen die halbe Monopolmenge produzieren.
1.3 Unternehmenszusammenschlüsse
(vgl. Oz Shy, Abschnitt 8.2, S. 173 ff.)
In der Industrieökonomik wird u. a. die Frage untersucht, warum in bestimmten Industrien eine hohe, in anderen jedoch nur eine geringe Unternehmenskonzentration herrscht.
Daher werden im weiteren die folgenden Fragen diskutiert:
1. Warum machen die Unternehmen in manchen Wirtschaftszweigen positive Gewinne?
2. Warum treten in solchen Fällen keine anderen Unternehmen in den Markt ein?
3. Wie kann man Unternehmenszusammenschlüsse erklären?
9
1 Wettbewerbsbeschränkungen
4. Wie sollten Regulierungsbehörden sich gegenüber konzentrierten Industrien verhalten, d. h.
4.1 Sollten Zusammenschlüsse begrenzt und reguliert werden?
4.2 Sollte die Unternehmenskonzentration auch dann reguliert werden, wenn keine Unternehmenszusammenschlüsse stattfinden?
Zunächst befassen wir uns mit Unternehmenszusammenschlüssen, die sich in drei Kategorien unterschieden lassen:
• Horizontale Zusammenschlüsse liegen vor, wenn sich Unternehmen in der gleichen Industrie zusammenschließen, die identische oder ähnliche Produkte herstellen und zur gleichen Zeit im gleichen geographischen Markt aktiv sind.
• Vertikale Zusammenschlüsse liegen vor, wenn ein Unternehmen, das ein Zwischenprodukt (oder einen Produktionsfaktor) herstellt, sich mit einem Unternehmen zusammenschließt, das das Zwischenprodukt verwendet, um das Endprodukt
herzustellen, oder wenn zwischen zwei Firmen vor dem Zusammenschluss eine
Käufer–Verkäufer Beziehung besteht.
• Konglomerate Zusammenschlüsse liegen vor, wenn Unternehmen sich zusammenschließen, die nicht in enger Beziehung stehende Güter herstellen.
Konglomerate Zusammenschlüsse wiederum lassen sich in die folgenden drei Unterklassen einteilen:
• Markterweiterungszusammenschlüsse liegen vor, wenn die fusionierenden Firmen entweder gleichartige Produkte für räumlich getrennte Märkte oder unterschiedliche Produkte für räumlich gleiche oder sich überschneidende Märkte herstellen.
• Marktverkettungszusammenschlüsse liegen vor, wenn eines der beteiligten
Unternehmen Kunde eines Kunden oder Lieferant eines Lieferanten eines anderen
beteiligten Unternehmens war.
• Marktdiversifikationsszusammenschlüsse liegen vor, wenn es sich weder um
Markterweiterungs– noch Marktverkettungszusammenschlüsse handelt.
10
1.3 Unternehmenszusammenschlüsse
Geschichte der Unternehmenszusammenschlüsse in den Vereinigten
Staaten
Die Struktur der amerikanischen Industrie wurde durch 5 Fusionswellen geprägt.1
1. Ausgelöst durch die Verabschiedung des Sherman Act, begann die erste Fusionswelle um die Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert. Verglichen
mit der Größe der Wirtschaft ist diese erste Welle die mit Abstand größte. Im
Spitzenjahr der ersten Fusionswelle 1898, war die Zahl der Fusionen pro Dollar des
realen Bruttosozialproduktes ungefähr fünfmal größer als im Jahre 1988, dem Spitzenjahr der vierten Fusionswelle, die in den Medien große Aufmerksamkeit erregt
hat. Die meisten Zusammenschlüsse waren horizontal und umfassten häufig mehrere Firmen. 75 Prozent der Firmenauflösungen während dieser Welle resultierten
aus Fusionen, die mindestens fünf Firmen umfassten.
Viele der heutigen Großunternehmen entstanden in dieser Zeit, z. B. Standard Oil
of New Jersey (Exxon), Goodyear, U.S. Steel (USX), General Electric, Nabisco
und Eastman Kodak. Ein Wirtschaftshistoriker hat es wie folgt ausgedrückt: “It
is no exaggeration to say that the structure of the modern American economy had
been reshaped by the end of the first decade of the twentieth century.”
2. Die zweite große Fusionswelle fand in den zwanziger Jahren statt. Stigler nannte diese Welle das ‘merger to oligopoly movement´; während die Fusionen der
ersten Welle eher zu Monopolen führte. Fusionen in diesem Zeitraum umfassten
typischerweise weniger Firmen und führten zumeist dazu, dass sich dadurch die
zweit– und drittgrößten Firmen in einer Industrie bildeten. Während die Fusionen
der ersten Welle hauptsächlich Unternehmen im Bereich des produzierenden und
extraktiven Gewerbes betrafen, fanden viele Fusionen der zweiten Welle in anderen
Sektoren statt, wie z. B. Versorgungsunternehmen, Banken und Großhandel. Auch
in diesem Zeitraum waren horizontale Zusammenschlüsse vorherrschend, aber es
gab auch einige Erweiterungsfusionen und vertikale Zusammenschlüsse.
3. Die Abbildung zeigt nur eine geringe Fusionsaktivität vom Beginn der großen Depression bis zum Anfang der dritten Fusionswelle Mitte der fünfziger Jahre. In
den Jahren von 1960 bis 1970 gab es mehr als 25000 Fusionen, von denen etwas
mehr als die Hälfte in den Bereichen des produzierenden bzw. extraktiven Gewerbes
stattfanden. Die meisten dieser Zusammenschlüsse waren konglomerate Fusionen, da die Verabschiedung des Celler–Kefauver Act im Jahre 1950 horizontale
Fusionen erschwerte. Von 1963 bis 1972 resultierten ca. 80 Prozent der erworbenen Vermögenswerte aus konglomeraten Zusammenschlüssen. Rein konglomerate
Fusionen waren in dieser Zeit weit verbreitet.
1
(vgl. Waldman, D. F. und E. J. Jensen: Industrial Organisation: Theory & Practice, Addison
Wesley, Boston, 2. Aufl., 2000, S. 102 ff. und Scherer, F. M. und D. Ross: Industrial Market
Structure and Economic Performance, Houghton Mifflin, Boston, 3. Aufl., 1990, S. 153 ff.)
11
1 Wettbewerbsbeschränkungen
4. Die vierte große Fusionswelle in den Vereinigten Staaten fand während der
achtziger Jahre statt. Diese großen Fusionen haben aufgrund der Tatsache, dass
gewaltige Beträge im Spiel waren, großes Medieninteresse hervorgerufen. Zum Beispiel erwarb Philip Morris das Unternehmen Kraft im Jahre 1988 für 12.9 Milliarden $. Viele der Zusammenschlüsse resultierten aus feindlichen Übernahmen.
Leider werden über diese Form der Zusammenschlüsse keine Daten publiziert, so
dass ein statistischer Vergleich mit den früheren Fusionswellen schwierig ist. Es liegt
jedoch die Vermutung nahe, dass der Anteil der horizontalen Fusionen im Vergleich
zur dritten Welle gestiegen ist. Es ist auch bekannt, dass viele Erdölgesellschaften
ihre Gewinne aus den siebziger Jahren dazu verwendeten, in den achtziger Jahren
Firmen aufzukaufen.
5. Die fünfte große Fusionswelle beginnt 1993 und wird getrieben durch Globalisierung und neue Technologien. Zu den bekanntesten Beispielen gehören die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone sowie der Kauf von Time–Warner durch
AOL. Diese Welle ist nach dem Platzen der Dot-Com-Blase erheblich abgeebbt.
Horizontale Zusammenschlüsse
(vgl. Oz Shy, Abschnitt 8.2.1, S. 175 f.)
Wir haben im Rahmen des Cournot–Modells gesehen, dass die Wohlfahrt abnimmt, wenn
die Zahl der Firmen sinkt. Es stellt sich jedoch die Frage, ob eine Regulierungsbehörde
einen Zusammenschluss nur aufgrund des Anstiegs in der Konzentration untersagen
sollte. Im folgenden werden wir ein Beispiel betrachten, in dem der Zusammenschluss
einer Firma mit hohen Kosten mit einer mit niedrigen Kosten zu einer Erhöhung der
Wohlfahrt führt, auch wenn die Konzentration steigt.
Betrachten wir das übliche Cournot–Modell mit zwei Unternehmen, deren konstanten
Grenzkosten c1 = 1 und c2 = 4 betragen. Die Preis–Absatz–Funktion lautet p = 10 −
(y1 + y2 ).
Die gleichgewichtigen Mengen sind
y1∗ =
10 − 2 c1 + c2
10 − 2 c2 + c1
= 4 und y2∗ =
= 1.
3
3
Der Gleichgewichtspreis ist p∗ = 10 − 4 − 1 = 5 und die Gewinne sind π1∗ = 16 und
π2∗ = 1.
Für die Konsumentenrente gilt CS(p∗ ) = 1/2 (10 − 5)2 = 12, 5. Die gesellschaftliche
Wohlfahrt beträgt daher W ∗ = CS(5) + π1∗ + π2∗ = 29, 5.
Wenn man nun einen Zusammenschluss der beiden Firmen erlaubt, dann wird sich das
fusionierte Unternehmen wie ein Monopolist verhalten, d. h. es wird Grenzerlös gleich
Grenzkosten setzen. Dabei wird das Monopol nur in der Firma mit den geringen Kosten
produzieren. Die relevanten Grenzkosten sind also c1 = 1.
In diesem Fall ergeben sich die Menge y m = 4, 5, der Preis pm = 10 − 4, 5 = 5, 5 und ein
Gewinn des Monopolisten von π m = (5, 5 − 1) 4, 5 = 81/4 > 17 = π1∗ + π2∗ .
12
1.3 Unternehmenszusammenschlüsse
Die Konsumentenrente beträgt jetzt CS(5, 5) = 1/2(10 − 5, 5)2 = 81/8 < 100/8 =
CS(5). Die Wohlfahrt nach dem Zusammenschluss ist W m = CS(5, 5) + π m = 30, 375.
Es gilt also W m > W ∗ .
Offensichtlich hat aber die Konzentration zugenommen, da es nunmehr nur noch eine
(marktbeherrschende) Firma gibt.
Dieses Ergebnis wird im folgenden Theorem zusammengefasst.
Theorem 4 Im Rahmen des Cournot–Modells impliziert eine Erhöhung der Konzentration durch den Zusammenschluss von Unternehmen nicht notwendigerweise
eine Verringerung der gesellschaftlichen Wohlfahrt.
In dem hier betrachteten Beispiel gibt es einen trade off zwischen dem Gewinn an Produktionseffizienz einerseits und den Kosten der Monopolbildung andererseits. Im Fall, in
dem die Differenz der Produktionskosten hoch ist, wird die durch ein geringeres Angebot
und einen höheren Preis verringerte Konsumentenrente durch den Gewinn an Produktionseffizienz überkompensiert.
Achtung: Die Aussagen des Modells müssen natürlich mit einer gewissen Vorsicht interpretiert werden: Die Argumentation ist dann nicht korrekt, wenn keine Cournot–
Marktstruktur vorliegt, sondern z. B. Bertrand–Wettbewerb. In diesem Fall würde die
ineffiziente Firma nicht produzieren. Anders ausgedrückt: Schlussfolgerungen, die beim
Cournot–Wettbewerb richtig sind müssen auch in anderen Marktstrukturen gültig sein,
wenn man Aussagen über die Wohlfahrt machen will, die bezüglich der Marktstruktur
robust sind.
Das Merger Paradox
(vgl. Pepall, Richards und Norman, Abschnitt 8.1.1, S. 405 ff.)
Während im letzten Abschnitt untersucht wurde, wie ein Zusammenschluss von Unternehmen mit unterschiedlichen Technologien wirkt und welche Auswirkungen auf die
Wohlfahrt zu erwarten sind, gehen wir in diesem Abschnitt von einer Fusion gleichartiger
Unternehmen aus und stellen die Änderung der Marktstruktur in den Vordergrund der
Analyse.
Betrachten wir eine Industrie mit drei Firmen. Der Zusammenschluss von zwei dieser
Firmen ändert die Marktstruktur zu einem Duopol. Der Zusammenschluss der verbliebenen zwei Firmen schafft ein Monopol. Entscheidend hierbei ist, dass die Möglichkeit,
Marktmacht zu erhalten ein wichtiges Motiv für eine solche Fusion sein wird.
Es ist überraschend, dass es nicht einfach ist, ein ökonomisches Modell zu konstruieren,
in dem ein Zusammenschluss unterhalb der Fusion zum Monopol zu größeren Gewinnen
für die beteiligten Firmen führt. Dieses Problem wird in der Literatur als das Merger
Paradox bezeichnet.
Betrachten wir eine Industrie mit drei Firmen, die ein homogenes Produkt herstellen und
sich in einem Mengenwettbewerb befinden. Was passiert nun, wenn zwei der Firmen sich
zusammenschließen, die Industrie dann zu einem Duopol wird, und die Firmen weiterhin
13
1 Wettbewerbsbeschränkungen
einen Mengenwettbewerb betreiben?
Bevor wir dies in einem formalen Modell analysieren, geben wir eine heuristische Beschreibung der Ergebnisse und der dahinter steckenden ökonomischen Intuition.
Wir wissen, dass sich der Industrieoutput immer weiter vom Wettbewerbsoutput entfernt, wenn die Zahl der Firmen abnimmt. Daher wird der Zusammenschluss den Gesamtoutput reduzieren und den Preis des Gutes erhöhen. Vom Standpunkt der Firmen
aus betrachtet ist das natürlich positiv, denn die Preis–Kosten Marge steigt und der
Gewinn der Industrie wird zunehmen.
Allerdings ist das Ziel der beiden Unternehmen, die sich zusammenschließen nicht, den
Gewinn der Industrie zu erhöhen, sondern sie sind nur an ihrem eigenen Gewinn interessiert. Anders ausgedrückt, sie hatten die Hoffnung, als fusioniertes Unternehmen
profitabler zu sein als zwei einzelne Unternehmen.
Merger Paradox : Betrachten wir den gemeinsamen Output dieser beiden Unternehmen. Ursprünglich produzierten diese Unternehmen zwei Drittel des gesamten Outputs
in der Industrie mit drei Firmen. Nach der Fusion wird jedoch ihr gemeinsamer Output
aus den folgenden Gründen deutlich geringer sein.
1. Als fusionierte Firma in einem Duopol produzieren die früheren zwei Firmen nur
noch die Hälfte des Outputs und nicht mehr zwei Drittel.
2. Der Gesamtoutput der Industrie ist nach der Fusion zurückgegangen.
Insgesamt produzieren die fusionierten Unternehmen also einen geringeren Teil des geringer gewordenen gesamten Outputs der Industrie. Zwar ist die Preis–Kosten Marge
gestiegen, aber das ist nicht ausreichend, um diese Reduktion des Outputs zu kompensieren.
Die Fusion führt also nicht zu zusätzlichen Gewinnen für die beiden Unternehmen, die
an dem Zusammenschluss beteiligt sind. Der Nettoeffekt der Fusion auf die Gewinne ist
negativ und das umso mehr, je kostspieliger die Planung und Durchführung der Fusion
ist.
Der eigentliche Gewinner der Fusion ist das dritte Unternehmen, das nicht an
der Fusion teilgenommen hat.
Wie unten gezeigt wird, führt die Outputreduktion der beiden zusammengeschlossenen Firmen zu einer Outputerhöhung des dritten Unternehmens im Cournot–Duopol.
Dieses Unternehmen produziert nun die Hälfte des Gesamtoutputs und nicht nur ein
Drittel. Zwar ist der Gesamtoutput geringer, aber die Zunahme im Outputanteil des
Unternehmens dominiert, so dass sein Output insgesamt wächst. Darüberhinaus hat der
verringerte Gesamtoutput den Effekt, den Preis zu erhöhen.
14
1.3 Unternehmenszusammenschlüsse
Graphisch kann man sich die Situation vor und nach der Fusion wie folgt vorstellen:
Marktanteile der Firmen vor der Fusion
Marktanteile der Firmen nach der Fusion
33%
50%
33%
25%
25%
33%
Unsere Ergebnisse sind also:
Die Gesamtmenge der fusionierten Unternehmen sinkt so stark, dass sie trotz des
höheren Preises einen niedrigeren Gewinn machen.
Das nicht an der Fusion teilnehmende Unternehmen wird eine größere Menge
produzieren und zu einem höheren Preis verkaufen. Daher wird nur das unbeteiligte
dritte Unternehmen durch die Fusion profitieren.
Insgesamt sollte also ein Unternehmen, das in einer drei–Firmen–Industrie einen Zusammenschluss erwägt, diese Idee schnell fallen lassen. Sein Gewinn wird nicht zunehmen – wenn es jedoch wartet und die beiden anderen Unternehmen fusionieren, dann
würde es einen zusätzlichen Gewinn realisieren können. In einem solchen Szenario würde
keine Fusion zustande kommen. Gleichwohl beobachten wir häufig horizontale Zusammenschlüsse. Dies ist das Merger Paradox.
Im folgenden analysieren wir das Merger Paradox in einem formalen Modell.
Betrachten wir einen Markt mit n > 2 Unternehmen die ein homogenes Produkt herstellen und sich als Cournot–Wettbewerber verhalten. Alle Unternehmen haben die folgende
identische Kostenfunktion
C(yi ) = c yi
∀i = 1, . . . , n,
wobei yi den Output des Unternehmens i bezeichnet.
Die Nachfrage ist gegeben durch die lineare Preis–Absatz–Funktion
p(Y ) = a − b Y = a − b (yi + Y−i ) .
Dabei bezeichnet Y den aggregierten Output, der von den n Unternehmen hergestellt
wird. Y−i ist der aggregierte Output aller Unternehmen außer Unternehmen i, d. h.
Y−i = −yi +
n
X
yk .
k=1
15
1 Wettbewerbsbeschränkungen
Der Gewinn des Unternehmens i kann geschrieben werden als
πi (yi , Y−i ) = yi a − b(yi + Y−i ) − c .
In einem Cournot–Spiel wählen die Unternehmen ihre Produktionsmengen simultan um
ihren Gewinn zu maximieren. Wir hatten bereits den Gewinn eines Unternehmens im
Cournot–Nash Gleichgewicht ermittelt.
∗
πi∗ (yi∗ , Y−i
)=
(a − c)2
.
b (n + 1)2
Angenommen, m Unternehmen entschließen sich zu fusionieren. Um den Fall einer Fusion
zum Monopol auszuschließen, nehmen wir an, dass m < n gilt. Solch eine Fusion führt
zu einer Industrie, in der es n − m + 1 Unternehmen gibt. Da alle Unternehmen identisch
sind, können wir uns vorstellen, dass das fusionierte Unternehmen aus den Unternehmen
1 bis m entsteht, wir nennen es m.
Dieses neue, fusionierte Unternehmen wählt seinen Output ym um seinen Gewinn zu
maximieren. Dieser Gewinn ist gegeben durch
πm (ym , Y−m ) = ym a − b (ym + Y−m ) − c .
wobei Y−m = ym+1 + ym+2 + . . . + yn den aggregierten Output der n − m Unternehmen
bezeichnet, die sich nicht zusammengeschlossen haben. Jedes dieser Unternehmen wählt
ihren Output um seinen Gewinn zu maximieren, der, wie vorher, gegeben ist durch
πi (yi , Y−i ) = yi a − b (yi + Y−i ) − c .
Der Term Y−i bezeichnet die Summe der Outputs yj der n − m Unternehmen, die nicht
fusionieren, ohne Unternehmen i, plus dem Output des fusionierten Unternehmens ym .
Eine wichtige Implikation dieser Gleichung besteht darin, dass das fusionierte Unternehmen nach dem Zusammenschluss einem beliebigen anderen Unternehmen in dieser
Industrie gleicht. Dies bedeutet, dass alle diese n−m+1 Unternehmen, da sie identischen
Kostenfunktionen haben, im Gleichgewicht den selben Output herstellen und somit auch
den gleichen Gewinn machen.
∗
Mit anderen Worten: Im Cournot–Gleichgewicht nach der Fusion sind der Output ym
∗
und der Gewinn πm
des fusionierten Unternehmens genau gleich dem Output und dem
Gewinn eines Unternehmens, das sich nicht an dem Zusammenschluss beteiligt hat. Diese
sind für alle i = n + 1, . . . , n
(a − c)
b (n − m + 2)
(a − c)2
= πi∗ =
.
b (n − m + 2)2
∗
ym
= yi∗ =
und
∗
πm
Wir können nun den Gewinn eines nichtfusionierten Unternehmens vor und nach dem Zusammenschluss ermitteln. Dieser Vergleich macht noch einmal das free–rider Argument
16
1.3 Unternehmenszusammenschlüsse
klar, das schon verbal dargestellt wurde. Da die Zahl m der fusionierenden Unternehmen
mindestens zwei ist, wird der Gewinn eines nichtfusionierenden Unternehmens aufgrund
der Fusion steigen:
(a − c)2
(a − c)2
<
.
b (n + 1)2
b (n − m + 2)2
Wie verhält es sich bei den fusionierenden Unternehmen? Davon gibt es m und vor dem
Zusammenschluss erhält jede einen Gewinn in Höhe von
∗
πi∗ (yi∗ , Y−i
) =
(a − c)2
.
b (n + 1)2
Daher beträgt der aggregierte Gewinn dieser Unternehmen das m-Fache. Nach der Fusion
ist der Gewinn des fusionierten Unternehmens
∗
=
πm
(a − c)2
.
b (n − m + 2)2
Damit der Gewinn des fusionierten Unternehmens größer als der aggregierte Gewinn der
m Unternehmen vor dem Zusammenschluss ist, muss folgende Bedingung erfüllt sein.
(a − c)2
(a − c)2
>
m
.
b (n − m + 2)2
b (n + 1)2
Dies erfordert
(n + 1)2 > m(n − m + 2)2 .
Beispiel: Angenommen, die Zahl der Firmen in einer Industrie beträgt n = 3 und die
Zahl der fusionierenden Firmen ist m = 2. Offensichtlich ist die Ungleichung für diesen
Fall nicht erfüllt. Daher wären, was die Profitabilität betrifft, die beiden Firmen nach
der Fusion schlechter gestellt als vorher.
Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie schwierig es ist, die Bedingung zu erfüllen,
nehmen wir an, dass die Hälfte der Firmen in einer Industrie sich zusammenschließen,
so dass m in diesem Fall gleich m = n/2, oder n = 2 m. Man kann nach einigen Umformungen zeigen, dass die linke Seite der Ungleichung 4 m2 + 4 m + 1 und die rechte Seite
m3 + 4 m2 + 4 m ist. Da m ≥ 2 gilt, kann die linke Seite der Ungleichung nicht größer
sein als die rechte Seite.
Eine Fusion erhöht die Profitabilität der daran beteiligten Firmen also selbst dann nicht,
wenn diese Firmen 50 Prozent der Industrie ausmachen. Andererseits ist es nur schwer
vorstellbar, dass der Zusammenschluss von 50 Prozent aller Firmen ohne eine genaue
Untersuchung von den Kartellbehörden genehmigt würde.
Man kann für verschiedene Zahlen von Unternehmen im Markt, d. h. verschiedene n
berechnen, wie viele dieser Unternehmen sich zusammenschließen müssten (m̂), damit
die Fusion für die fusionierenden Unternehmen profitabel ist. Die in der folgenden Tabelle
zusammengefassten Beispiele belegen, dass Zusammenschlüsse derartig vieler Firmen
eher unrealistisch sind (für weniger als sechs Firmen ist keine Fusion unterhalb der
Fusion aller Unternehmen zum Monopol profitabel).
17
1 Wettbewerbsbeschränkungen
n
m̂
in %
6
5
83,33
7
6
85,7
8
7
87,5
9
8
88,8
10
9
90
20
17
85
30
26
86,66
40
36
90
50
45
90
100
92
92
150
140
93,33
200
188
94
Das Merger Paradox besteht darin, dass die meisten horizontalen Fusionen im Rahmen eines Cournot–Modells unprofitabel sind, während wie wir gesehen haben, dennoch
häufig horizontale Fusionen stattfinden.
Welchen Aspekt realer Fusionen haben wir in unserem einfachen Cournot–Modell nicht
erfasst? Bzw. welcher Aspekt des Cournot–Modells ist die Ursache für das Ergebnis, das
mit der Realität nicht übereinzustimmen scheint?
1. Das Paradox resultiert nicht aus der Annahme des Mengenwettbewerbs. Ersetzt
man den Mengenwettbewerb durch einen Bertrand–Preiswettbewerb, bleibt das
Paradox bestehen. Im Bertrand Modell setzten die Firmen Preis gleich Grenzkosten
– wenn die Firmen nicht zu einem Monopol fusionieren, werden die Gewinne nicht
steigen, denn solange es mehr als eine Firma gibt, erhöht eine Fusion die Gewinne
nicht – sie bleiben gleich null!
2. Man kann zeigen, dass das Cournot–Ergebnis auch für eine Reihe von Modellen mit
Preissetzung gilt. Die Annahme, dass die Firmen sich in einem Mengenwettbewerb
befinden ist also nicht sehr restriktiv.
3. Wenn im Cournot–Modell Firmen fusionieren, dann verhält sich das neue, fusionierte Unternehmen genau wie eine Firma, die nicht fusioniert hat. Wenn sich also
zwei Firmen in einer drei–Firmen–Industrie zusammenschließen, dann wird sich
die neue Firma als Duopolist verhalten. Die nichtfusionierte Firma hat nach der
Fusion den gleichen Status wie die fusionierte Firma. Dies gilt trotz der Tatsache,
dass sich die nichtfusionierten Firma der vereinten Kraft seiner beiden früheren
Konkurrenten gegenübersieht.
4. Mit anderen Worten, die fusionierte Firma verfügt über keine größere Marktmacht
als die nicht fusionierten unternehmen, obwohl wir das Streben nach Marktmacht
als Motivation für Fusionen identifiziert haben. Was beim einfachen Cournot–
Modell also fehlt ist eine Annahme darüber, in welcher Weise die fusionierte Firma
über mehr Möglichkeiten verfügt, als die kleineren Firmen. Es stellt sich als die
Frage, inwieweit ein Mechanismus existiert, der es der größeren Firma erlaubt, ihre
Größe so einzusetzen, dass eine Fusion profitabel wird. Um dies zu modellieren,
müssen wir den Rahmen des einfachen Cournot–Modells verlassen.
Die fusionierte Firma als Stackelberg–Führer – Ein zweites Paradox
(vgl. Pepall, Richards und Normann, Abschnitt 8.1.2, S. 410 ff.)
Ein bekanntes Modell, in dem ein Unternehmen einen Vorteil gegenüber seinen Rivalen
hat, ist das von Stackelberg–Modell. Die Ursache der Überlegenheit des Stackelberg–
Führers liegt darin, dass der Führer in der Lage ist, sich an einen Output zu binden, bevor die anderen Unternehmen über ihren Output entscheiden. Dies erlaubt dem
18
1.3 Unternehmenszusammenschlüsse
Führer, seine Produktionsmenge derart zu wählen, dass die Reaktionen der Folger schon
berücksichtigt sind. Im folgenden wird gezeigt, dass das Merger Paradox vermieden werden kann, wenn man dem fusionierten Unternehmen die Rolle eines Stackelberg–Führers
zuweist.
Das neue Unternehmen verfügt ja über die doppelte Kapazität ihrer Konkurrenten, daher
könnte man sich vorstellen, dass dieses Unternehmen in der Lage ist, sich als Stackelberg–
Führer zu verhalten. Man kann sich das neue Unternehmen gleichsam als ein stabiles
Kartell vorstellen, wobei man sich über die Möglichkeiten eines Abweichens von der
Kartellvereinbarung keine Gedanken machen muss, da durch den Zusammenschluss kein
Anreiz für ein Abweichen mehr besteht.
Es ist wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass wir dem fusionierten Unternehmen die Rolle des Stackelberg–Führers zuweisen, um so die Idee abzubilden, dass das
größere fusionierte Unternehmen eine größere Marktmacht hat. Dies tun wir, obwohl
durch die Fusion a priori weder eine sequentielle Struktur entsteht noch das fusionierte
Unternehmen vorher nicht bestehende Möglichkeiten zur Selbstbindung erhält.
Betrachten wir eine Industrie mit n Firmen, die sich in einem Cournot–Wettbewerb
befinden. Die Gesamtnachfrage nach dem Produkt der Industrie ist gegeben durch die
lineare Preis–Absatz–Funktion p = a−b Y . Um die Untersuchung so einfach wie möglich
zu halten, gehen wir davon aus, dass sich nur zwei Firmen zusammengeschlossen haben.
Darüberhinaus haben diese beiden Firmen die Möglichkeit, ihren Output zu wählen,
bevor die übrigen n − 2 Firmen über ihre Produktionsmengen entscheiden.
Wir wissen aus der Veranstaltung Industrieökonomik I, dass die Menge, die ein Stackelberg–Führer mit Kosten c > 0 herstellen wird gegeben ist durch
a−c
.
2b
Das Superskript L steht dabei für den Stackelberg–Führer ( Leader‘). Man kann auch
’
leicht nachrechnen, dass die beste Antwort yjF der n − 2 verbleibenden Firmen gegeben
ist durch
1 a−c
yjF =
.
n − 1 2b
yL =
Dabei bezeichnet das Superskript F den Stackelberg–Folger ( Follower‘). Der Gesam’
toutput Y F aller Stackelberg–Folger ist gegeben durch
YF =
n−2 a−c
.
n − 1 2b
Der aggregierte Output der Industrie besteht aus der Summe der Outputs des Stackelberg–
Führers Y L und der Stackelberg–Folger Y F und ist gegeben durch
Y =
(2 n − 3) (a − c)
.
(n − 1)
2b
Einsetzen in die Preis–Absatz–Funktion ergibt den Preis
pL = a +
c (2 n − 3)
2 (n − 1)
19
1 Wettbewerbsbeschränkungen
und damit eine Preis–Kosten Marge in Höhe von
pL − c = a −
c
.
2 (n − 1)
Das fusionierte Unternehmen erzielt einen Gewinn in Höhe von
πL =
(a − c)2
,
4 b (n − 1)
während jedes der nichtfusionierten Unternehmen einen Gewinn von
πjF =
(a − c)2
4 b (n − 1)2
erhält.
Offensichtlich erzielt der Stackelberg–Führer einen höheren Gewinn als die Stackelberg–
Folger. Die entscheidende Frage ist jedoch, ob dieser Gewinn größer ist als derjenige, den
die Unternehmen zusammen erzielt hätten, wenn sie sich nicht zusammengeschlossen und
den üblichen Gewinn im Cournot–Nash Gleichgewicht mit n Firmen erhalten hätten. Mit
unseren Informationen über das Cournot–Nash Gleichgewicht mit n Firmen können wir
diese Frage einfach beantworten.
Der Gewinn jedes Unternehmens vor dem Zusammenschluss im Cournot–Nash Gleichgewicht war gegeben durch
πi∗
(a − c)2
=
.
b (n + 1)2
Damit ein Zusammenschluss sich lohnt, muss der Gewinn des fusionierten Unternehmens
größer sein als die Summe der Gewinne, die die beiden Unternehmen vor dem Zusammenschluss erzielt haben. Mit anderen Worten: Damit eine Fusion profitabel ist, muss
die folgende Bedingung erfüllt sein.
π L ≥ π1∗ + π2∗ ⇒
(a − c)2
(a − c)2
≥2
.
4 b (n − 1)
b (n + 1)2
Man kann leicht überprüfen, dass diese Bedingung immer erfüllt ist, wenn n größer ist
als 3. Sie ist genau mit Gleichheit erfüllt, wenn n = 3 ist.
Wenn sich zwei Unternehmen zusammenschließen und die Rolle des Stackelberg–
Führers übernehmen, dann wir diese Fusion ihren Gewinn erhöhen, vorausgesetzt,
es gibt mehr als 3 Firmen in der Industrie.
Unser Modell, in dem das fusionierte Unternehmen als Stackelberg–Führer agiert, hat
also das Merger Paradox vermieden: In diesem Modell ist ein Unternehmenszusammenschluss profitabel.
20
1.3 Unternehmenszusammenschlüsse
Was passiert mit den Unternehmen, die nicht an diesem Zusammenschluss beteiligt
sind? Diese haben vor dem Zusammenschluss ebenfalls den Cournot–Gewinn erzielt. Wir
können nun feststellen, ob sich ihre Situation verbessert hat, indem wir die Gewinne in
den beiden Marktstrukturen miteinander vergleichen.
πjF =
⇒
(a − c)2
(a − c)2
≥
= πi∗
2
2
4 b (n − 1)
b (n + 1)
(n + 1)2 ≥ 4 (n − 1)2
⇒
n ≤ 3.
Diese Überlegung führt zu einem zweiten Ergebnis: Wenn es vier oder mehr Unternehmen in der Industrie gibt, dann führt ein Zusammenschluss von zwei Unternehmen, die
die Rolle des Stackelberg–Führers übernehmen dazu, dass sich die Gewinne der nichtfusionierten Unternehmen verringern.
Das Modell erklärt also auch, warum diejenigen Unternehmen, die nicht an der Fusion
beteiligt sind, gegen einen solchen Zusammenschluss Vorbehalte äußern werden. Diese
Unternehmen verlieren Marktanteile und ihre Gewinne schrumpfen.
Allerdings sind es die Wohlfahrtswirkungen eines Zusammenschlusses, von denen eine
Zustimmung oder Versagung einer solchen Fusion abhängen sollte.
Dazu ist zu untersuchen, wie die Auswirkungen eines Zusammenschlusses auf die Konsumenten aussehen. Der einfachste Weg, wie man eventuelle Effizienzgewinne oder -verluste
feststellen kann, besteht darin, die Veränderung der Preis–Kosten Marge zu betrachten.
Vor dem Zusammenschluss betrug sie p∗ − c, nach dem Zusammenschluss war sie pL − c.
Die Fusion führt also zu einer geringeren Preis–Kosten Marge, wenn
pL − c =
⇒
(a − c)
(a − c)
≤
= p∗ − c
2 (n − 1)
(n + 1)
n + 1 ≤ 2 (n − 1)
⇒
n ≥ 3.
Diese Gleichung besagt, dass die Preis–Kosten Marge aufgrund einer Fusion abnimmt,
wenn die Industrie vor der Fusion aus drei oder mehr Unternehmen besteht. Anders
ausgedrückt: Jeder Zusammenschluss zweier Unternehmen, in dem das fusionierte Unternehmen Stackelberg–Führer ist, erhöht nicht nur den Gewinn der fusionierten Unternehmen, sondern erhöht auch die Wohlfahrt der Konsumenten, vorausgesetzt, es ist kein
Zusammenschluss zum Monopol.
Diese Ergebnisse bergen also sozusagen eine gute und eine schlechte Nachricht.
Die gute ist, dass die Übernahme der Position eines Stackelberg–Führers durch das
fusionierte Unternehmen das erste Merger Paradox behebt. Es gibt nun in der Tat einen
Anreiz für die Unternehmen, sich zusammenzuschließen.
Die schlechte Nachricht ist, dass wir uns ein anderes Ergebnis einhandeln, dass gelegentlich als ein zweites Paradox bezeichnet wird. Wir können nämlich nicht erklären,
warum Wettbewerbsbehörden jemals Interesse haben sollten, einen Zusammenschluss
zu untersagen, da er stets zu niedrigeren Preisen für die Konsumenten und damit zu
einer größeren Konsumentenrente führt. Insofern spiegelt auch dieses Modell offenbar
die Realität nur unvollkommen wider.
21
1 Wettbewerbsbeschränkungen
Ein Modell mit mehreren Stackelberg–Führern und –Folgern
(vgl. Pepall, Richards und Normann, Abschnitt 8.1.3, S. 413 ff.)
Wir wissen aus unserer Analyse des Stackelberg–Modells, dass eine Fusion die Gewinne
der nichtfusionierten Unternehmen negativ beeinflusst. Es erscheint daher eher unwahrscheinlich, dass diese Firmen keine Maßnahmen treffen, um dieser Verringerung ihrer
Gewinne entgegenzuwirken. Was die fusionierenden Unternehmen tun, können sie selbst
ja auch! Warum sollten diese Unternehmen sich nicht auch Partner für einen möglichen
Zusammenschluss suchen?
Dass eine Fusion zwischen zwei Unternehmen in einer Industrie der Auslöser für weitere Fusionen sein kann, ist nicht nur eine interessante theoretische Möglichkeit sondern
auch ein reales Phänomen. Häufig löst eine Fusion einen Domino-Effekt‘ aus, durch den
’
nach einem Zusammenschluss zweier Unternehmen zwei weitere fusionieren, danach zwei
weitere sich zusammenschließen, dann noch zwei und so weiter.
Im folgenden soll ein Modell vorgestellt werden, das mit diesen empirischen Beobachtungen konsistent ist. Darüberhinaus stellt sich die Frage nach den Anreizen für andere
Unternehmen, sich zusammenzuschließen, nachdem bereits zwei Unternehmen fusioniert
haben. Diese Anreize hängen natürlich davon ab, ob ein strategischer Vorteil für ein
Unternehmen darin besteht, einen Partner für eine Fusion zu suchen, nachdem andere
Unternehmen dies bereits getan haben.
Wie werden sich Unternehmen im Markt verhalten, die sich als zweite, dritte oder
weitere zusammenschließen?
Unsere frühere Annahme war, dass die ersten beiden Unternehmen, die fusionieren,
die Position eines Stackelberg–Führers einnehmen. Dies legt nahe, dass wir das Modell
in der folgenden Weise erweitern können: Das zweite Paar von Unternehmen gehört
dann auch zur Gruppe der Stackelberg–Führer; ein drittes Paar schließt sich dann dieser
Führungsgruppe an und so weiter.
Man kann sich also eine Folge von l Zusammenschlüssen von je zwei Firmen vorstellen, die zu einer Gruppe von l fusionierten unternehmen führt, die als Stackelberg–Führer
agieren. Untereinander konkurrieren die Mitglieder in der Führungsgruppe im üblichen
Cournot–Wettbewerb. Die übrigen f = n−l Unternehmen außerhalb der Führungsgruppe verhalten sich als Stackelberg–Folger, d. h., sie nehmen den Output der Führergruppe
als gegeben hin und befinden sich untereinander im Cournot-Wettbewerb.
Dies gibt den Mitgliedern der Führungsgruppe einen first-mover advantage und damit
einen Anreiz zu fusionieren. Dadurch wird das erste Merger Paradox vermieden.
Anders als in einem Kartell werden die Firmen in der Führungsgruppe ihre Mengenentscheidungen, nicht vollständig koordinieren, denn sie befinden sich untereinander in
einem Cournot–Wettbewerb. Wenn diese Gruppe wächst, so wird der Wettbewerb innerhalb der Gruppe intensiver. Dies könnte eine Obergrenze für die Größe der Gruppe
implizieren.
Diese Modifikationen des Modells führen zu einem Gleichgewicht, das sich von den bisher
betrachteten unterscheidet.
22
1.3 Unternehmenszusammenschlüsse
Beginnen wir damit, dass eine Reihe von Zusammenschlüssen von je zwei Firmen bereits
stattgefunden hat. Wir wissen, wie das Stackelberg–Modell funktioniert, wenn es nur
einen Stackelberg–Führer gibt. Was aber passiert, wenn es mehrere Firmen gibt, die als
Stackelberg–Führer fungieren?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir ermitteln, wie die Mengenentscheidungen
der beiden Firmengruppen — der l Führer und der f Folger — getroffen werden. Wenn
wir dies festgestellt haben, dann können wir die Profitabilität der Führer mit der der
Folger vergleichen. Damit können wir auch untersuchen, ob es einen Anreiz für eine
Firma gibt, sich eine Partnerfirma zu suchen und sich der Gruppe der Stackelberg–
Führer anzuschließen.
Das Modell
Wir betrachten einen Markt mit der linearen Preis–Absatz–Funktion
p = a − bY
und n Unternehmen, die durch die Kostenfunktionen C(yi ) = c yi gekennzeichnet sind.
Diese unterteilen sich in eine Gruppe von l Stackelberg–Führern, die durch l frühere
Zusammenschlüsse je zweier Unternehmen entstanden ist, sowie f = n − l Stackelberg–
Folgern.
Aufgrund der Art und Weise, wie die Fusionen das Verhalten in der Industrie beeinflussen, liegt im Grunde ein zweistufiges Spiel vor.
In der ersten Stufe wählen die fusionierten Unternehmen, d. h. die Stackelberg–Führer,
ihre jeweiligen Produktionsmengen yi , i = 1, . . . , l, im Rahmen eines Cournot–WettbeP
werbs. Dies führt zu einem aggregierten Output der Firmen in Höhe von Y L = li=1 yi .
In der zweiten Stufe wählen die Unternehmen in der Gruppe der Stackelberg–Folger ihre Produktionsmengen ebenfalls im Rahmen eines Cournot–Wettbewerbs unter Berücksichtigung des aggregierten Outputs der Führer-Gruppe.
Daher haben die fusionierten Unternehmen einen first-mover Vorteil: Sie können ihre
Mengen derart wählen, dass sie die Reaktionen der Folger antizipieren.
Um das Gleichgewicht zu ermitteln, beginnen wir mit der zweiten Stufe des Spiels,
in der die Folger ihre Outputentscheidungen in Abhängigkeit von der Menge Y L der
Stackelberg–Führer treffen.
Wir beginnen mit der Ermittlung der inversen Restnachfrage eines repräsentativen Unternehmens j in der Folger–Gruppe, d. h. j ∈ {l + 1, . . . , n}. Dabei verwenden wir die
Notation Y−j , um den Output aller Unternehmen außer Unternehmen j zu bezeichnen.
Dieser Output Y−j setzt sich zusammen aus den Output der Führer Y L und dem OutF
put der anderen Folger, der durch Y−j
bezeichnet wird. Als Ergebnis erhalten wir als
Restnachfrage für Unternehmen j
F
p = a − b (Y L + Y−j
) − b yj .
Der Grenzerlös für Unternehmen i ist dann
F
MRj = a − b (Y L + Y−j
) − 2 b yj .
23
1 Wettbewerbsbeschränkungen
Gleichsetzen von Grenzerlös und Grenzkosten ergibt die Reaktionsfunktion für Unternehmen i.
F
a − 2 b yjF − b Y−j
− bY L = c
F
a − c Y L Y−j
⇒
=
−
−
2b
2
2
Diese Funktion gibt die gewinnmaximierende Mengenentscheidung eines repräsentativen
Folgers auf die Outputentscheidung der Führer und der anderen Folger an.
Da alle Folger identisch sind, ergibt sich aus der Symmetrie, dass im Gleichgewicht der
F
Gesamtoutput aller anderen nicht fusionierten Unternehmen durch Y−j
= (n − l − 1) yjF
F
gegeben ist, da Y−j
die Mengen von n − l − 1 Unternehmen enthält.
Wir setzen dies in die Reaktionsfunktion ein und lösen nach yjF auf, um den optimalen Output jedes Folger-Unternehmens als Funktion des aggregierten Outputs der
Stackelberg–Führer zu erhalten.
yjF
yjF =
YL
a−c
−
.
b (n − l + 1) (n − l + 1)
Der aggregierte Output aller Folger als Funktion des Outputs der Führer-Gruppe ist
dann
(n − l) Y L
(n − l)(a − c)
−
.
Y F = (n − l) yjF =
b (n − l + 1)
(n − l + 1)
Betrachten wir jetzt ein Unternehmen i in der Führergruppe, d. h., i ∈ {1, . . . , l}. Die
inverse Restnachfrage dieses Unternehmens hängt ab vom Output Y−i aller anderen
Firmen. Auch dieser Output setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, dem Output Y F der Stackelberg–Folger und dem Output der anderen Stackelberg–Führer außer
L
Unternehmen i. Dieser Output wird mit Y−i
bezeichnet. Daraus ergibt sich die inverse
Restnachfrage für Unternehmen i als
L
p = a − b (Y F + Y−i
) − b yi .
Der Unterschied zwischen den Stackelberg–Führern und den –Folgern besteht darin, dass
jeder Stackelberg–Führer weiß, dass der Output der Stackelberg–Folger durch Y F =
P
n
F
j=l+1 yj gegeben ist. Anders ausgedrückt: Ein Stackelberg–Führer antizipiert korrekt
die Mengenentscheidung der Stackelberg–Folger. Wir können also diese Reaktionsfunktion in die obige Preis–Absatz–Funktion einsetzen, bevor wir die Reaktionsfunktion des
Unternehmens i ermitteln. Dies ergibt
p=a−b
(n − l)(a − c)
(n − l)Y L
L
−
+ Y−i − b yi
b (n − l + 1)
(n − l + 1)
L
Per definitionem gilt Y L = Y−i
+ yi . Einsetzen und zusammenfassen ergibt die Restnachfrage für den Stackelberg–Führer i:
p=
24
L
a + (n − l) c − b Y−i
b
−
yi
(n − l + 1)
(n − l + 1)
1.3 Unternehmenszusammenschlüsse
Die zugehörige Grenzerlösfunktion ist
MRi =
L
a + (n − l) c − b Y−i
2b
−
yi .
(n − l + 1)
(n − l + 1)
Gleichsetzen der Grenzerlösfunktion mit den Grenzkosten ergibt die beste Antwort des
L
Stackelberg–Führers i auf den Output aller anderen Führer Y−i
.
MRi =
L
a + (n − l) c − b Y−i
2b
−
yL = c
(n − l + 1)
(n − l + 1) i
yiL =
⇒
L
(a − c) Y−i
−
.
2b
2
Auch hier verwenden wir die Tatsache, dass alle Stackelberg–Führer identisch sind und
daher im Gleichgewicht dieselbe Outputmenge herstellen werden. Dies ergibt die SymL
metriebedingung Y−i
= (l − 1) yiL .
Einsetzen in die letzte Gleichung und auflösen nach yiL ergibt die Outputmenge für jedes
fusionierte Unternehmen in der Führungsgruppe.
yiL =
(a − c) (l − 1) L
−
yi
2b
2
⇒
yiL =
(a − c)
.
b (l + 1)
Da es l Stackelberg–Führer gibt, ist der aggregierte Output dieser Gruppe gegeben durch
YL = l
(a − c)
.
b (l + 1)
Setzt man diese Menge wiederum in die Reaktionsfunktion eines Stackelberg–Folgers
ein, kann man die Outputentscheidung eines Folgers wie folgt ermitteln.
yjF =
(a − c)
.
b (l + 1)(n − l + 1)
Multiplikation mit f = n − l ergibt den aggregierten Output aller Stackelberg–Folger.
YF =
(n − l) (a − c)
.
b (l + 1)(n − l + 1)
Wir können nun untersuchen, welchen Anreiz für eine Fusion es in diesem Modell gibt.
Betrachten wir zuerst den Output eines Führers bzw. Folgers. Aus den Gleichungen
folgt unmittelbar, dass ein Stackelberg–Führer größer‘ ist als ein Stackelberg–Folger.
’
Der Anreiz für eine Fusion hängt jedoch davon ab, ob der Gewinn für zwei Firmen
steigt, die sich zusammenschließen und ein Stackelberg–Führer werden.
Die Frage ist daher ob der Gewinn eines Stackelberg–Führers mehr als doppelt so
hoch ist als der eines Stackelberg–Folgers.
25
1 Wettbewerbsbeschränkungen
Um die Gewinne auszurechnen, müssen wir in einem ersten Schritt den Marktpreis bestimmen. Hierzu ermitteln wir den Gesamtoutput als Summe der Produktionsmengen
aller Stackelberg–Führer und –Folger.
Y = YL+YF =
(a − c)(n + n l − l2 )
.
b (l + 1)(n − l + 1)
Man beachte, dass der Gesamtoutput größer ist, als wenn die n Unternehmen sich in
einem simultanen Cournot–Wettbewerb befinden würden. Der Grund liegt darin, dass
die Stackelberg–Führer einen größeren Output produzieren. Ihre erhöhte Produktion
führt dazu, dass die Stackelberg–Folger ihren Output reduzieren, aber nicht so stark,
dass der erhöhte Output der Führer überkompensiert würde. Die Stackelberg–Folger
sind also aus zwei Gründen negativ betroffen.
1. Die Ausbringungsmenge der Stackelberg–Folger wird verringert;
2. Der Marktpreis fällt.
Diese Effekte erschweren die Situation für einen Stackelberg–Folger. Deshalb erhöht sich
die Wahrscheinlichkeit, dass Unternehmen fusionieren, um ihren Folger-Status aufzugeben.
Um die Profitabilität einer Fusion zu beurteilen, müssen wir den Gewinn eines typischen
Stackelberg–Führers und den eines typischen Stackelberg–Folgers berechnen.
Der Gewinn eines Unternehmens ist gleich der Preis–Kosten Marge pL − c multipliziert
mit dem Output dieser Firma. Die Preis–Kosten Marge erhält man durch Einsetzen der
Gesamtmenge in die Preis–Absatz–Funktion. eine einfache Umformung ergibt:
pL − c =
(a − c)
.
(l + 1)(n − l + 1)
Multiplizieren mit dem Output ergibt einen Gewinn für die beiden Unternehmenstypen
von
πiL =
und
πjF =
(a − c)2
b (l + 1)2 (n − l + 1)
(a − c)2
.
b (l + 1)2 (n − l + 1)2
Aus diesen Gewinngleichungen wird unmittelbar deutlich, dass die Stackelberg–Führer
einen größeren Gewinn erzielen als die Stackelberg–Folger.
Die Frage, die sich jedoch stellt, ist die nach dem Gewinn der Stackelberg–Führer nach
einer weiteren Fusion.
26
1.3 Unternehmenszusammenschlüsse
Angenommen, zwei Folger fusionieren. Es gäbe dann einen weiteren Stackelberg–Führer
und zwei Stackelberg–Folger weniger. Da alle obigen Berechnungen von der Gesamtzahl
n der Unternehmen und der der fusionierten Unternehmen, l, abhängt, müssen wir also
nun jeweils n − 1 und l + 1 in den Formeln einsetzen.
Damit der Gewinn πiL (n − 1, l + 1) eines neuen fusionierten Unternehmens einen Anreiz
für eine Fusion darstellt, muss er größer sein als der gemeinsame Gewinn der beiden
Folger vor dem Zusammenschluss. Letzterer ist gegeben durch 2 πjF (n, l). Die Fusion ist
dann profitabel, wenn:
πiL (n − 1, l + 1) =
(a − c)2
b (l + 2)2 (n − l − 1)
(a − c)2
> 2
b (l + 1)2 (n − l + 1)2
= 2 πjF (n, l) .
Dies ist äquivalent zu
(l + 2)2 (n − l + 1)2 − 2 (l + 1)2 (n − l − 1) > 0.
Dieser Ausdruck ist etwas kompliziert, aber es kann gezeigt werden, dass er immer
positiv ist. Dies impliziert, dass jeder Zusammenschluss zweier Firmen, der die Zahl der
Stackelberg–Führer erhöht (und die der Stackelberg–Folger verringert), immer profitabel
für die fusionierenden Unternehmen ist.
Beginnt man mit einer beliebigen Konfiguration von Führern und Folgern, werden
zwei weitere Folger sich immer zusammenschließen wollen.
Das dargestellte Modell vermeidet das erste Merger Paradox. Die Fusion erhöht den
Gewinn der fusionierenden Firmen, indem sie diese zu einem — von möglicherweise
mehreren — Stackelberg–Führern macht.
Darüberhinaus erklärt die Tatsache, dass eine Fusion profitabel für die beteiligten Unternehmen ist, auch den Dominoeffekt, den man in vielen Industrien beobachtet. Wenn eine
plötzliche Änderung in einem relevanten Parameter dazu führt, dass sich zwei frühere
Konkurrenten zusammenschließen und dieses neue, größere Unternehmen die Rolle eines
Stackelberg–Führers einnimmt, dann kann man sich vorstellen, dass dieses Ereignis eine
Kettenreaktion auslöst, in der die verbleibenden Unternehmen sich zusammenschließen
werden, um die Rolle des Folgers zu vermeiden.
Es stellt sich nun die Frage, ob das Modell auch das zweite Merger Paradox vermeidet.
Gibt es Fusionen, die nicht im öffentlichen Interesse sind? Gibt es einen Punkt, ab dem
eine weitere Fusion die gesellschaftliche Wohlfahrt und die Effizienz verringert?
Eine teilweise aber direkte Antwort kann mit Hilfe der Preis–Kosten Marge gegeben
werden. Diese Marge, die ein guter Indikator für die Abweichung von der vollkommenen
27
1 Wettbewerbsbeschränkungen
Konkurrenz ist, hängt von der Zahl l der Stackelberg–Führer ab. Dies legt die Vermutung nahe, dass es ab einem bestimmten Punkt nicht wünschenswert sein kann, mehr
Stackelberg–Führer zu haben. Wir wissen, dass die Preis–Kosten Marge steigt, wenn der
Gesamtoutput fällt. Daher ist herauszufinden, welche Auswirkungen eine Fusion auf den
Gesamtoutput hat. Der Gesamtoutput in einer Industrie als Funktion von n und l ist
(a − c)(n + n l − l2 )
Y (n, l) =
.
b (l + 1)(n − l + 1)
Ein Zusammenschluss von zwei Firmen reduziert die Zahl der Firmen auf n − 1 und
erhöht die Zahl der Stackelberg–Führer auf l + 1. Daher ändert sich der Gesamtoutput
auf
Y (n − 1, l + 1) =
(a − c)(n − 1 + (n − 1)(l + 1) − (l + 1)2 )
.
b (l + 2)(n − l − 1)
Die Differenz im Gesamtoutput ist
Y (n − 1, l + 1) − Y (n, l) =
n − 3 (l + 1)
(a − c)
.
b
(l + 1) (n − l + 1) (l + 2) (n − l − 1)
Da der Nenner immer positiv ist, ist der Zähler entscheidend. Dieser ist positiv, wenn
n > 3 (l + 1) bzw. l < n/3 − 1 ist. In diesem Fall steigt der Output und der Preis fällt.
Ein Zusammenschluss von zwei Firmen, der die Zahl der Stackelberg–Führer
erhöht, führt zu einer Zunahme des Gesamtoutputs und zu einer Preissenkung,
vorausgesetzt, die Gruppe der Stackelberg–Führer umfasst weniger als ein Drittel
der Gesamtzahl der Firmen in der Industrie.
Anders ausgedrückt: Einige Fusionen sind zumindest für die Konsumenten nachteilig.
Sobald die Zahl der Führer größer oder gleich einem Drittel der Anzahl der Firmen
in der Industrie ist, führen weitere Fusionen zu einer Outputreduktion und zu einer
Preiserhöhung.
Darüberhinaus hat die Analyse deutlich gemacht, dass eine Fusion für zwei Firmen
immer attraktiv ist, so dass immer ein Anreiz besteht, solche wohlfahrtsverringernden
Fusionen durchzuführen.
Dies erklärt, warum eine Kartellbehörden Vorbehalte hinsichtlich Fusionen hat, die die
Konzentration in einer Industrie signifikant erhöhen, und dass sie dagegen Maßnahmen
ergreifen muss.
Das Modell sollte allerdings nicht als exakte Wiedergabe der Realität angesehen werden. Im allgemeinen ist es unwahrscheinlich, dass die Firmen in einer Industrie in zwei
Gruppen von Führern und Folgern aufgeteilt werden können, wobei die jeweiligen Firmen gleichgroß sind. Darüberhinaus ist der genaue Mechanismus, wie eine Firma in eine
Führungsposition gelangt nicht genau spezifiziert.
28
1.3 Unternehmenszusammenschlüsse
Angesichts der Tatsache, dass es nicht ganz einfach ist, ein überzeugendes Modell von
Fusionen zu entwickeln, das zum einen für die Firmen einen Anreiz zur Fusion impliziert
und zum anderen die wohlfahrtsmindernden Effekte einer Erhöhung der Konzentration
abbildet, ist es interessant zu klären, welche Schlüsse wir aus dem dargestellten Modell
ziehen können.
Das Modell macht einige der Annahmen deutlich, die man benötigt, um die beobachteten
realen Phänomene zu erklären. Es wurde z. B. angenommen, dass die Firmen identisch
sind, so dass das Motiv der Kosteneinsparung keine Rolle spielt. Wie wir gesehen haben,
kann jedoch eine Fusion zu einer Wohlfahrtserhöhung führen, wenn sie zu einer signifikanten Kostenreduktion führt. Der Preis nach der Fusion wird nur dann sinken, wenn
die Grenzkosten der gesamten Menge signifikant fallen.
Vertikale Unternehmenszusammenschlüsse
(vgl. Oz Shy, Abschnitt 8.2.2, S. 176 ff.)
Wir wollen nun vertikale Unternehmenszusammenschlüsse untersuchen, in denen sich
ein Hersteller eines Zwischenprodukts, den wir als upstream Unternehmen bezeichnen,
und ein als downstream Unternehmen, das dieses Zwischenprodukt in der Herstellung
eines Endprodukts einsetzt, zusammenschließen. Graphisch kann man eine Industrie mit
2 upstream und zwei downstream Unternehmen wie folgt darstellen.
Upstream
A
Upstream
B
A
B
A1
1
2
Downstream
1
2
Downstream
Wenn sich nun die upstream Firma A mit der downstream Firma 1 zusammenschließt,
ändert sich die Industriestruktur zu der im rechten Diagramm.
Der Wettbewerb in upstream und downstream Märkten kann auf verschiedene Weisen
modelliert werden. Z. B. kann man sich leicht klarmachen, dass bei Bertrand–Wettbewerb
auf beiden Märkten die Gewinne vor und nach dem Zusammenschluss gleich Null sind.
Um dieses Problem zu umgehen, könnte man annehmen, dass die downstream Firmen
differenzierte Produkte anbieten und daher positive Gewinne machen.
Wir werden im folgenden annehmen, dass im upstream Markt Bertrand–Wettbewerb
herrscht, im downstream Markt aber Cournot–Wettbewerb.
29
1 Wettbewerbsbeschränkungen
Cournot–Wettbewerb im downstream Markt Gegeben sei die lineare Nachfragefunktion
p(Y ) = a − y1 − y2
Die Firmen haben konstante Grenzkosten c1 und c2 .
Wie wir aus der Analyse des Cournot–Modells wissen, führt dies zu gleichgewichtigen
Mengen und Gewinnen von
yi∗ =
a − 2 ci + cj
3
und πi∗ =
(a − 2 ci + cj )2
.
9
Die Gesamtmenge im downstream Markt und das entsprechende Preisniveau sind
Y = y1 + y2 =
2 a − c1 − c2
3
und p = a − Y =
a + c1 + c2
.
3
Bertrand–Wettbewerb im upstream Markt Bertrand–Nash–Gleichgewicht setzen die
Unternehmen Preis gleich Grenzkosten. Es wird angenommen, dass die Grenzkosten
gleich Null sind. Dann erhalten wir für den upstream Markt
pA = pB = 0
und
πA = πB = 0.
Da die Grenzkosten der downstream Unternehmen dem Preis des Zwischenprodukts als
ihrem Input entsprechen, sind auch sie gleich Null. Daher folgt für den downstream
Markt
y1 = y2 =
a
3
und
π1 = π2 =
a2
.
9
Zusammenschluss von upstream und downstream Unternehmen
Angenommen, das upstream Unternehmen A und das downstream Unternehmen 1 schließen sich zum Unternehmen A1 zusammen. Wir nehmen an, dass dieses Unternehmen
das Zwischenprodukt nicht an Unternehmen 2 verkauft.
Daher ist das upstream Unternehmen B ein Monopolist im Faktormarkt und maximiert
seinen Gewinn, indem es den Preis c2 für sein Zwischenprodukt setzt; dieser Preis entspricht den Stückkosten für das downstream Unternehmen 2, das der einzige Nachfrager
ist. Der Gewinn des upstream Unternehmens B ist daher der Preis c2 mal dem Output,
der durch die Nachfrage des downstream Unternehmens 2 bestimmt wird.
Firma B löst also das Maximierungsproblem
max πB =; c2 y2 =
c2
c2 (a − 2 c2 + c1 )
3
Aus den Bedingungen 1. Ordnung und der Tatsache, dass weiterhin c1 = 0 gilt, folgt
a − 4 c2 = 0
30
⇒
c2 = a/4
1.3 Unternehmenszusammenschlüsse
Wenn wir c1 = 0 und c2 = a/4 in die hergeleiteten Gleichungen für die Mengen und den
Preis im downstream Markt einsetzen, ergibt sich
5a
a
7a
5a
y1 =
, y2 = , Y =
und p =
.
12
6
12
12
Die Gewinne der beiden downstream Unternehmen sind dann
25a2
a2
πA1 = p yA1 =
und π2 = (p − c2 ) y2 =
.
144
36
Daraus ergibt sich das folgende Theorem.
Theorem 5 Ein Zusammenschluss einer upstream und einer downstream Firma
erhöht den Output der fusionierten Firma und reduziert den Output der downstream
Firma, die nicht fusioniert.
Das downstream Unternehmen 2, das nicht fusioniert, hat höhere Kosten zu tragen, da
es von einem Monopolisten kaufen muss. Dies führt zu einer Verringerung des Outputs.
Das fusionierte Unternehmen A1 wählt daher im downstream Markt entsprechend der
Cournot–Menge einen höheren Output.
Führt nun der Zusammenschluss zu einem höheren Gewinn für die beiden fusionierten
Unternehmen? Hierzu muss man die Summe der Gewinne der Unternehmen A und 1
vor dem Zusammenschluss mit dem Gewinn des Unternehmens A1 vergleichen. Es gilt
πA + π1 = a2 /9 und πA1 = 25a2 /144. Daher folgt
Die Gewinne der nicht fusionierten Firmen sind nach dem Zusammenschluss
a2
10a2
a2
+
=
πB + π2 =
24 36
144
Vor dem Zusammenschluss betrugen sie jedoch a2 /9. Der Gewinn für Firma B nimmt
nach dem Zusammenschluss also zu, der Gesamtgewinn beider nicht fusionierter Firmen
nimmt aber aufgrund des geringeren Marktanteils für die Firma 2 deutlich ab.
Theorem 6
1. Die Gewinne der fusionierten Unternehmen nehmen zu.
2. Der Zusammenschluss eines upstream und eines downstream Unternehmens
führt nicht notwendig zu einem Ausschluss des nicht fusionierten downstream
Unternehmens vom Markt, sondern zu einer Reduktion seines Gewinns.
Ein vertikaler Zusammenschluss zweier Firmen führt also nicht dazu, dass entweder B
oder 2 oder beide vom Markt verschwinden, sondern nur zu einer Verringerung der Gewinne. Aus diesem Grund scheinen (insbesondere amerikanische) Regulierungsbehörden
etwas milder hinsichtlich vertikaler im Vergleich zu horizontalen Zusammenschlüssen zu
sein. Darüber hinaus betrachten viele Ökonomen einen vertikalen Zusammenschluss als
eine Zunahme an Effizienz, da mehrere Produktionsstufen unter einem Dach vereinigt
sind.
31
1 Wettbewerbsbeschränkungen
1.4 Takeovers
(vgl. Rasmusen, Eric (1994), Games and Information — An Introduction to Game Theory,
2. Aufl., Blackwell, Cambridge, MA., S. 364–368.)
Eine andere Form von Unternehmenszusammenschlüssen, die man vor allem in den letzten Jahren häufig beobachtet hat, sind (feindliche) Unternehmensübernahmen, bei
denen jemand die Mehrheit der Anteile eines Unternehmens — in der Regel stellen wir
uns darunter eine Aktiengesellschaft vor — erwirbt, um es unter seine Kontrolle zu bringen. Dabei kann es sich um eine Form des Unternehmenszusammenschlusses handeln,
wie z. B. im Fall von Vodafone und Mannesmann, aber auch darum, dass jemand das
Unternehmen eigenständig weiter führen will, oft mit der Absicht, die erworbenen Aktien
nach einer gewissen Zeit zu einem höheren Preis wieder zu verkaufen.
Insbesondere im zweiten Falle wird eine solche Übernahme häufig damit erklärt, dass das
Übernahmeziel nicht so effizient geführt wird, wie es möglich wäre. Daher besteht ein Anreiz, die ineffiziente Firma zu übernehmen und durch ein besseres Management sich die
potentiellen Gewinne anzueignen. Dies wird als Markt für externe Unternehmenskontrolle bezeichnet und wird häufig als Begründung für die Annahme gewinnmaximierenden
Verhaltens von Unternehmen angeführt, da Unternehmen, die nicht gewinnmaximierend
agieren übernommen werden würden.
Nehmen wir an, dass aufgrund von Missmanagement ein Unternehmen einen Wert pro
Aktie in Höhe von v hat, während bei gutem Management eine Wert pro Aktie von
v + x erreicht werden kann. Allerdings verfügt kein Aktionär über einen hinreichend
großen Anteil, um das gegenwärtige Management zu entlassen und durch ein effizientes
zu ersetzen.
Ein Dritter könnte nun das Angebot machen, Aktien aufzukaufen, bedingt darauf, dass
er die Mehrheit der Aktien erhält. Dann könnte er das Management austauschen und
den Aktienwert auf v + x steigern. Somit stellt jeder Preis pro Aktie p zwischen v und
v + x sowohl den Käufer als auch die Verkäufer besser.
Die Frage, die sich stellt ist, ob die Aktionäre ein solches Angebot akzeptieren werden,
d. h., ob die Übernahme erfolgreich verlaufen wird?
Im allgemeinen zeigt sich, dass dies nicht der Fall sein wird. Der Grund dafür liegt darin,
dass nach einer erfolgreichen Übernahme der Wert der Aktien auf v + x und damit auf
ein Niveau steigen würde, das höher ist als das Angebot, das unterhalb von v + x liegen
muss, damit der übernehmende Dritte Gewinn machen kann. Jeder Aktionär würde also
darauf hoffen, dass die anderen das Angebot akzeptieren, die Übernahme stattfindet und
er von der zu Stande kommenden Wertsteigerung profitiert. Da dies für alle Aktionäre
gilt, wird keiner das Angebot akzeptieren.
Dies zeigt das folgende Modell von Grossman und Hart, das wir kurz skizzieren.
Das Free–Rider Problem bei Unternehmensübernahmen
(vgl. Grossman, Sanford J. und Oliver D. Hart (1980) Takeover Bids, The Free-Rider Pro”
blem, and the Theory of the Corporation“, Bell Journal of Economics, 11 (1), S. 42–64.)
• Spieler
32
1.4 Takeovers
Ein Bieter und ein Kontinuum von Aktionären, die zusammen m Anteile halten.
• Spielablauf
1. Der Bieter offeriert für die m Anteile den Preis p pro Anteil.
2. Jeder Aktionär entscheidet, ob er das Angebot annimmt (das Ergebnis geben
wir an als den Anteil θ der Aktionäre, die das Angebot akzeptieren).
3. Wenn θ ≥ 21 , kauft der Bieter die entsprechenden Anteile, übernimmt das
Unternehmen und der Wert des Unternehmens steigt von v auf (v + x) pro
Aktie.
• Auszahlungen
Wenn θ < 0.5 ist, scheitert die Übernahme, die Auszahlung des Bieters ist πb = 0
und die Aktionäre bekommen pro Aktie πs = v.
Im anderen Fall gilt
πb = θ m (v + x − p)
und
πs =
p
wenn der Aktionär akzeptiert
v + x wenn der Aktionär ablehnt.
In jedem Gleichgewicht in iterierten dominanten Strategien ist die Auszahlung des Bieters Null:
Gebote von mehr als (v + x) sind dominierte Strategien, da der Bieter bei einem solchen
Gebot keinen positiven Gewinn machen kann.
Aber wenn der Preis geringer ist, dann sollte ein Aktionär seine Anteile lieber behalten,
um die durch den gestiegenen Wert des Unternehmens erhöhte Auszahlung (v + x) zu
erhalten, statt den niedrigeren Preis p zu akzeptieren.
Wenn alle sich derartig verhalten, wird die Übernahme scheitern und die Aktionäre
erhalten den Wert v, aber kein Aktionär wird das Angebot annehmen, wenn er davon
ausgeht, dass es zur Übernahme kommt.
Die einzigen Gleichgewichte sind die Strategiekombinationen, die zu einem Scheitern
der Übernahme führen oder ein Gebot von p = (v + x), das von den Aktionären
akzeptiert würde, aber zu einer Auszahlung von Null für den Bieter führt. Wenn
die Durchführung eines Takeovers auch nur mit den geringsten Kosten verbunden
ist, dann würde ein Bieter eine solche Übernahme nicht durchführen. Anders
ausgedrückt: der Markt für Unternehmenskontrolle funktioniert auf Grund des
Free–Rider Problems nicht wie in der Theorie angenommen.
Dieses Trittbrettfahrerproblem wird am deutlichsten, wenn man es mit einem Kontinuum von Aktionären zu tun hat. In diesem Fall hat die Entscheidung eines einzelnen
Individuums keinen Einfluss auf den Erfolg des Übernahmeangebots.
33
1 Wettbewerbsbeschränkungen
Hätte man es jedoch nur mit einer endlichen Zahl zu tun, sieht das Ergebnis etwas anders
aus. Angenommen, es gibt neun Aktionäre, von denen jeder einen Anteil hält.
In einem symmetrischen Gleichgewicht werden dann fünf von ihnen ihre Aktien zu einem Preis verkaufen, der etwas über dem alten Marktpreis liegt, und die übrigen vier
Aktionäre gehen nicht auf das Angebot ein. Jeder der fünf Aktionäre weiß, dass wenn
er nicht verkauft, das Angebot scheitern und er statt p > v nur eine Auszahlung von v
erhalten würde.
Dies ist ein Beispiel für ein häufig auftretendes Unstetigkeitsproblem.
In der Praxis ist das Free–Rider Problem jedoch nicht so problematisch, selbst wenn man
es mit einem Kontinuum von Aktionären zu tun hätte. Wenn der Bieter unbemerkt eine
größere Menge von Aktien erwerben könnte, ohne den Preis in die Höhe zu treiben, dann
könnten die Kapitalgewinne aus diesen Aktien eine Übernahme profitabel machen, selbst
wenn er keinen Gewinn aus denen erzielt, die er aufgrund des öffentlichen Angebotes
erhält.
Es gibt eine Reihe weiterer Strategien, die eine Übernahme für den Bieter sowohl erfolgreich als auch profitabel machen können. Beispielhaft sei folgende genannt.
Verwässerung (Dilution)
(vgl. Macey, J. und F. McChesney (1985) A Theoretical Analysis of Corporate Greenmail“,
”
Yale Law Journal, 95, S. 13–61.)
Eine Verwässerung des durch die Übernahme entstehenden Gewinns pro Aktie kann
z. B. durch einen sogenannten freeze–out merger erreicht werden. In einem ‘freeze–
out’ kauft der Bieter 51 Prozent der Anteile und fusioniert seine Neuerwerbung mit einer
anderen Firma, die ihm bereits gehört, zu einem Preis unter ihrem tatsächlichen Wert
v + x. Dadurch wird die Wertsteigerung durch das effiziente Management auf die Anteile
beider Unternehmen verteilt. Wenn diese Verwässerung hinreichend groß ist, sind die
Aktionäre bereit, ihre Anteile auch zu einem Preis unter (v + x) zu verkaufen, da sie im
Falle des Abwartens nicht mehr diese Auszahlung bekämen.
Greenmail (Bestechungsgeld)
Greenmail findet dann statt, wenn Manager einigen Aktionären ihre Anteile zu einem
überhöhten Preis abkaufen, um sie davon abzuhalten, das Unternehmen zu übernehmen.
Gegner dieser Praxis erklären dieses Phänomen anhand des Modells korrupter Manager. Angenommen, dass ein Bieter bereits einige Anteile besitzt, so dass er das Unternehmen zwar übernehmen könnte, dabei aber den größten Teil der Gewinne an die
anderen Aktionäre verlieren würde. Die Manager wären bereit, dem Bieter ein hohes
Bestechungsgeld (Greenmail) zu bezahlen, um ihre Posten zu behalten. Manager und
Bieter würden diese Lösung einer Übernahme vorziehen, trotz der Tatsache, dass die
anderen Aktionäre dadurch schlechter gestellt werden.
Der übliche Einwand gegen dieses Modell besteht in der Frage, warum eine Unternehmensverfassung solche Greenmail–Zahlungen nicht verbietet.
34
1.4 Takeovers
Manager verwenden häufig ein Modell, das man als das Modell der ehrlichen Manager bezeichnen könnte, um derartige Zahlungen zu rechtfertigen. In diesem Modell
kennt das Management den wahren Firmenwert, der sowohl über der gegenwärtigen
Börsenkapitalisierung als auch dem Übernahmegebot liegt. Sie zahlen Greenmail, um die
Aktionäre vor dem Verkauf ihrer fälschlicherweise unterbewerteten Aktien zu schützen.
Das impliziert, dass die Aktionäre entweder nicht vollständig rational sind oder dass
der Aktienpreis nach einer Greenmail steigt, denn die Aktionäre wissen, dass ein solches
Signal für ein Unternehmen, das eigentlich nicht mehr wert ist als das Übernahmegebot,
zu kostspielig wäre.
Shleifer & Vishny (1986) haben ein komplexeres Modell vorgelegt, in dem Greenmail
im Interesse der Aktionäre ist. Die Idee besteht darin, dass eine Greenmail-Zahlung
potentielle Übernahmeinteressenten dazu veranlasst, sich die Firma näher anzusehen,
was schließlich zu einem höheren Gebot als dem ursprünglichen führt. Greenmail verursacht Kosten, aber aus eben diesem Grunde ist es ein wirksames Signal dafür, dass
die Manager erwarten, dass ein besseres Angebot gemacht werden wird. Wie im Modell
der ehrlichen Managern wird auch hier unterstellt, dass die Manager im Interesse der
Aktionäre handeln.
Das Modell von Shleifer & Vishny wird im Folgenden anhand eines einfachen numerischen Beispiels illustriert.
Die zugrundeliegende Geschichte ist die Folgende: Einem Manager wurde von einem
Übernahmeinteressenten ein Angebot gemacht und er muss nun entscheiden, ob er durch
eine Greenmail-Zahlung andere Interessenten — sogenannte white knights“ — attra”
hieren kann. Der Manager ist besser über die Wahrscheinlichkeit des Auftretens anderer
Interessenten informiert als der Markt, und einige andere Interessenten können nur dann
auftreten, wenn sie eine kostspielige Analyse durchgeführt haben. Dies werden sie jedoch
unterlassen, wenn sie davon ausgehen müssen, dass der Übernahmepreis durch den Wettbewerb mit dem ersten Interessenten steigen wird. Der Manager bezahlt Greenmail um
neue Bieter zu ermutigen, indem er diese Konkurrenz ausschaltet.
Greenmail und White Knights (weiße Ritter)
(vgl. Shleifer, Andrei und Robert W. Vishny (1986) Greenmail, White Knights, and Share”
holders’ Interest“, RAND Journal of Economics 17 (3), S. 293–309.)
Das Modell ist das eines Spiels mit unvollständiger Information.
Neben dem Manager eines Unternehmens M , gibt es den Aktienmarkt und drei potentielle Interessenten für das Unternehmen, nämlich einen Raider R, den weißen Ritter“
”
A und einen weiteren potentiellen Bieter B. Das Verhalten von R und W wird allerdings als exogen vorgegeben angenommen, so dass wir lediglich die Informationen und
Entscheidungen von M und B sowie des Aktienmarktes betrachten. Dabei wird angenommen, dass der Aktienmarkt zu jedem Zeitpunkt den Preis einer Aktie als den auf
die dem Markt zur Verfügung stehenden Informationen bedingten erwarteten Preis am
Ende des Spiels bestimmt. Der Manager verhält sich im Interesse der Aktionäre, d. h., er
ist an einem möglichst hohen Wert der Aktien des Unternehmens interessiert. Er kann
entscheiden, ob er auf ein Angebot des Raiders nicht oder mit Greenmail reagiert, was
35
1 Wettbewerbsbeschränkungen
5 pro Aktie kostet2 und dazu führt, dass R sein Angebot zurückzieht.
Der Ausgangswert des Unternehmens bei Management durch M beträgt 10.
Unter dem Management von Bieter B beträgt der Wert des Unternehmens 34, allerdings
muss B bevor er ein Angebot abgeben kann weitere Informationen beschaffen, was ihm
Kosten in Höhe von 8 verursacht. Demnach wir Bieter B das Unternehmen genau dann
übernehmen, wenn der Nettowert (34 − 8 = 26, ohne Greenmail und 34 − 8 − 5 = 21)
des Unternehmens höher ist, als der Preis, den er bieten muss.
Es gibt vier Zustände der Welt nämlich
a Der Raider R bietet einen Preis von 15, daraufhin tritt der weiße Ritter A auf den
Plan und bietet 25, falls das Management R per Greenmail ausgeschaltet hat und
30 falls A mit R konkurrieren muss.
b Der Raider R bietet einen Preis von 15, der weiße Ritter A tritt nicht auf, aber
B interessiert sich für das Unternehmen, muss aber zunächst entscheiden weitere
Informationen einzuholen, wodurch ihm Kosten von 8 entstehen. B bietet nur, falls
diese Informationen beschafft wurden; dann bietet er 20, falls das Management R
per Greenmail ausgeschaltet hat und 27 falls er mit R konkurrieren muss.
c Der Raider R bietet einen Preis von 15, weder A noch B treten als Bieter auf.
d Der Raider R gibt kein Gebot für die Aktien des Unternehmens ab.
Die angegebenen Preise kann man sich als Ergebnis nicht näher modellierter Verhandlungen zwischen dem jeweiligen Bieter und dem Manager vorstellen.
1
3
Zu Beginn wählt die Natur einen dieser Zustände mit Wahrscheinlichkeiten von 10
, 10
,
1
1
bzw. 2 aus, dann beobachten alle Beteiligten, ob der Raider ein Übernahmeangebot
10
macht oder nicht, d. h., sie können unterscheiden, ob Zustand d oder einer der drei
anderen Zustände eingetreten ist.
Der entscheidende Punkt im Modell ist, dass zu diesem Zeitpunkt der Manager über
eine feinere Informationspartition verfügt als der Markt: Er weiß zusätzlich, ob der weiße
Ritter A ins Spiel kommt oder nicht, d. h., er kann unterscheiden, ob Zustand d, Zustand
a oder einer der beiden Zustände b und c eingetreten ist.
Um das perfekte Bayesianische Gleichgewicht des Spiels zu finden, rollen wir es wie
üblich von hinten auf.
Im Zustand b wird Bieter B Informationen einholen und ein Angebot von 20 machen,
falls der Manager Greenmail gezahlt hat (34−8−5−20 = 1 > 0), so dass ein Wert von 20
zu Stande kommt. Zahlt M kein Greenmail, wird B nicht aktiv (34 − 8 − 27 = −1 < 0),
so dass R der einzige Bieter bleibt und der Wert 15 ist.
Betrachten wir nun die Entscheidung von M : Im Zustand a wird er keine Greenmail
zahlen, da A in jedem Falle ein Gebot abgibt und dies ohne Greenmail höher ausfällt,
der Wert wird also 30 sein.
2
Alle Größen im Modell sind auf eine Aktie bezogen, so dass wir das im folgenden nicht mehr explizit
erwähnen.
36
1.4 Takeovers
Im Zustand d tritt R nicht auf den Plan, d. h., M hat keine Entscheidung zu treffen und
der Wert ist 10.
Weiß M , dass Zustand b oder c eingetreten ist, bestimmt er die bedingten Wahrscheinlichkeiten beider Zustände durch Bayesianisches Updating als
3
=
4
3
10
3
10
+
1
10
für Zustand b und
1
=
4
1
10
3
10
+
1
10
für Zustand c.
Damit ergibt sich als erwarteter Wert bei einer Entscheidung für Greenmail
3
1
20 + 5 = 16, 25.
4
4
Demgegenüber ergibt sich ohne Greenmail
1
3
15 + 15 = 15.
4
4
Also wird M sich in der Informationsmenge {b, c} für Greenmail entscheiden.
Nun können wir bestimmen, wie sich im Gleichgewicht in jedem der vier möglichen
Zuständen der Welt der Marktpreis der Aktien entwickelt. Dies ist in der folgenden Tabelle zusammengefasst, in der zu jedem Zeitpunkt und für jeden der vier Zustände der
Welt die auf die Information des Marktes (bei diesem Zustand) bedingte Wahrscheinlichkeit des Zustandes und der Preis der Aktie angegeben ist. Dabei sind fünf Zeitpunkte
zu unterscheiden.
t = 0 Ex ante, bevor R auftreten kann. Zu diesem Zeitpunkt ist die Informationspartition des Marktes {{a, b, c, d}}.
t = 1 Nachdem klar ist, ob R ein Angebot macht. Zu diesem Zeitpunkt ist die Informationspartition des Marktes {{a, b, c}, {d}}.
t = 2 Nachdem M über Greenmail entschieden hat. Für den Markt ist Greenmail ein
Signal dafür, dass der Zustand b oder c ist. Zu diesem Zeitpunkt ist die Informationspartition des Marktes also {{a, b}, {c}, {d}}.
t = 3 Nachdem klar ist, ob B auftritt, d. h. ob der Zustand b ist, aber bevor B seine
Entscheidung getroffen hat, ob er Informationen einholt. Zu diesem Zeitpunkt ist
die Informationspartition des Marktes die feinstmögliche {{a}, {b}, {c}, {d}}.
t = 4 Nachdem alle Entscheidungen gefallen sind, d. h. insbesondere auch die des Bieters B.
37
1 Wettbewerbsbeschränkungen
In der Tabelle sind jeweils die Einträge für Zustände, die in dem selben Element der
Informationspartition liegen, in der selben Farbe gehalten.
Zustand
t=0
t=1
t=2
t=3
t=4
a
b
c
d
bedingte Wahrscheinlichkeit
1
10
3
10
1
10
1
2
Preis
14,5
14,5
14,5
14,5
bedingte Wahrscheinlichkeit
1
5
3
5
1
5
1
Preis
19
19
19
10
bedingte Wahrscheinlichkeit
1
3
4
1
4
1
Preis
30
16,25
16,25
10
bedingte Wahrscheinlichkeit
1
1
1
1
Preis
30
20
5
10
bedingte Wahrscheinlichkeit
1
1
1
1
Preis
30
20
5
10
Das Modell besagt nicht, dass Greenmail immer gut für die Aktionäre ist, nur dass es
unter gewissen Bedingungen vorteilhaft sein könnte.
Wenn es sich herausstellt, dass der wahre Zustand der Zustand c ist, dann war die
Zahlung von Greenmail ein Fehler ex post, denn mit Greenmail ist der Wert 5, ohne
wäre er 15.
In der Informationsmenge {b, c} ist aber der Zustand b wahrscheinlicher und in diesem
Zustand bringt Greenmail einen Vorteil, da B dazu bewegt wird Informationen einzuholen und ein Gebot von 20 abzugeben. Daher ist es für den Manager in dieser Situation
richtig, sich für Greenmail zu entscheiden.
Man beachte, dass Greenmail optimal ist, obwohl der Aktienkurs von 19 vor der Entscheidung des Managers auf 16.25 fällt, da der Markt daraus schließt, dass der vorteilhafte
Zustand a nicht eingetreten ist. Durch Greenmail wird zwar bekannt, dass die Firma A
nicht interessiert ist, aber man macht das Beste aus der Situation, indem gegebenenfalls
B motiviert wird, Informationen einzuholen und ein Angebot zu machen.
1.5 Marktschranken
(vgl. Oz Shy, Abschnitt 8.3, S. 182 ff.)
38
1.5 Marktschranken
Häufig beobachtet man, dass in einen Markt keine neue Firmen eintreten, obwohl dort
positive Gewinne erwirtschaftet werden. Warum führt Wettbewerb nicht dazu, dass die
Preise soweit fallen, bis die Firmen nur noch Null–Gewinne machen? Eine mögliche
Erklärung sind Eintrittsbarrieren als ein wichtiges strukturelles Merkmal eines Marktes.
Als Eintrittsbarrieren werden im folgenden alle diejenigen Bedingungen betrachtet, die
den Eintritt neuer Firmen in den Markt verhindern und von den etablierten Firmen
nicht beeinflusst werden können.
Als mögliche Eintrittsbarrieren wurden von Bain (1956)3 die folgenden angeführt:
1. absolute Kostenvorteile der etablierten Firmen;
2. zunehmende Skalenerträge;
3. Vorteile durch Produktdifferenzierung, Reputationseffekte.
Darüber hinaus werden noch die folgenden Begründungen gegeben:
1. Unterstützung etablierter Firmen durch Regierungen und Politiker;
2. Lernerfahrung der etablierten Firma;
3. Konsumentenloyalität;
4. leichterer Zugang zu Finanzierungen.
Das folgende Beispiel zeigt, dass Eintrittsbarrieren durch die Technologie bedingt sein
können und von den Fixkosten abhängen.
Wir hatten im Modell des monopolistischen Wettbewerbs gesehen, dass im Gleichgewicht
die Zahl der Firmen durch N mk = L/2F gegeben ist.
Die Konzentration in der Industrie ist gegeben durch den Herfindahl–Index
H = N
mk
100
N mk
2
=
2F
1002
10000.
=
mk
N
L
Hieran sieht man, dass in einer Situation mit monopolistischem Wettbewerb der Herfindahl–Hirschman–Index mit den Fixkosten zunimmt.
Allerdings bedeutet dies nicht, dass die Unternehmen im Markt einen höheren Gewinn
erzielen. Dennoch gibt es einen Hinweis darauf, dass Fixkosten als Eintrittsbarrieren
wirken können.
3
Bain, Joe Staten (1956) Barriers to New Competition, Harvard University Press, Cambridge, MA.
39
1 Wettbewerbsbeschränkungen
Irreversible Kosten und Eintrittsbarrieren
Unter irreversiblen Kosten oder sunk costs versteht man fixe Kosten, die nicht
durch Wiederverkauf der Investition bzw. anderweitige Verwendung wieder zurückgeholt werden können (z. B. spezielle, nicht transportierbare Maschinen, Ausgaben für
Marktstudien etc.). Auch wenn ein Unternehmen seine Eintrittsentscheidung revidiert,
können diese Kosten nicht zurückgeholt werden.
Im folgenden betrachten wir ein Beispiel, in dem auch geringe sunk costs dazu führen,
dass ein Unternehmen nicht in einen Markt eintritt, selbst wenn dort Monopolgewinne
gemacht werden.
Gegeben seien zwei Unternehmen, A (das etablierte Unternehmen) und B (das eintretende Unternehmen), die mit gleichen, konstanten Grenzkosten ein homogenes Produkt
herstellen können. Ein Markteintritt verursacht sunk costs in Höhe von ǫ > 0. Unternehmen A macht als Monopolist einen Gewinn in Höhe von π A = π M − ǫ. Dabei bezeichnet
π M den Monopolgewinn ohne die irreversiblen Eintrittskosten.
Entscheidung von B
Eintritt
Bertrand Wettbewerb
π A = −ǫ < 0
π B = −ǫ < 0
Kein Eintritt
Monopol von A
πA = πM − ǫ > 0
πB = 0
Wenn nach dem Eintritt ein Bertrand–Wettbewerb stattfindet, dann würden bei einem
Eintritt von B beide Unternehmen Preis gleich Grenzkosten setzen und daher einen
negativen Gewinn von −ǫ machen. Unternehmen B wird daher nicht in den Markt
eintreten, da es dadurch die Eintrittskosten spart und einen Gewinn von Null erreicht.
Unternehmen A bleibt also Monopolist.
Dieses Resultat kann in dem folgenden Theorem zusammengefasst werden.
Theorem 7 Für jede Höhe der irreversiblen Eintrittskosten zwischen 0 und π M ,
gibt es ein eindeutiges (teilspielperfektes) Gleichgewicht, in dem Unternehmen A
ein Monopolist ist und einen Gewinn von π A = π M − ǫ erzielt und Firma B nicht
in den Markt eintritt.
Das Theorem macht deutlich, dass schon geringe sunk costs eine Eintrittsbarriere darstellen können. Unternehmen A muss nichts aktiv tun, sondern es reicht, wenn es weiterhin
den Monopoloutput herstellt.
Es wird auch deutlich, welche Rolle die Art des Wettbewerbs nach dem Markteintritt
spielt. Hier führt der Preiswettbewerb dazu, dass sogar sehr geringe sunk costs zu ne-
40
1.6 Überkapazitäten und Limit Pricing
gativen Gewinnen nach einem Markteintritt führen, so dass kein Eintritt stattfindet.
Cournot–Wettbewerb nach dem Eintritt würde nicht zu diesem Ergebnis führen.
Dies ist allerdings nicht besonders überraschend, wenn man sich klar macht, dass es auch
ohne sunk costs keinen überzeugenden Anreiz für unternehmen B gibt, in den Markt
einzutreten, da es im Bertrand Wettbewerb einen Gewinn von null machen würde, der
dem entspricht, den es auch bei Nicht-Eintritt erzielt.
Man beachte aber, dass obiges Ergebnis von der Annahme homogener Produkte abhängt.
Daher ist es wahrscheinlich, dass in der beschriebenen Situation das eintretende Unternehmen versuchen wird, Produktdifferenzierung zu betreiben. Wir hatten gesehen, dass
in diesem Fall beide Unternehmen positive Gewinne erwirtschaften. Dadurch wäre eine
Markteintritt für B profitabel, so lange die sunk costs nicht über dem Gewinn liegen,
die im Bertrand Wettbewerb mit differenzierten Produkten erzielbar sind.
1.6 Überkapazitäten und Limit Pricing
(vgl. Oz Shy, Abschnitt 8.4, S. 186 ff.)
Nachdem wir technologische Bedingungen für Eintrittsbarrieren diskutiert haben, wenden wir uns nun strategischen Erklärungsansätzen für Behinderungen des Marktzutritts zu. Wir sprechen dabei von Eintrittsabschreckung.
Nach Bain kann Eintrittsabschreckung wie folgt klassifiziert werden:
• Blockierter Eintritt: Das etablierte Unternehmen wird nicht durch Markteintritt
bedroht; kein Unternehmen findet es profitabel, in den Markt einzutreten, sogar
wenn das etablierte Unternehmen die Monopolmenge produziert.
• abgeschreckter Eintritt: Das etablierte Unternehmen ändert sein Verhalten
(z. B. durch Preissenkung oder erhöhte Kapazität), um einen Eintritt abzuschrecken; wenn die Preise gesenkt werden, spricht man von limit pricing.
• zugelassener Eintritt: Eintritt findet statt und das etablierte Unternehmen
ändert sein Verhalten, um den Eintritt zu berücksichtigen.
Früher war man der Ansicht, dass eine Firma durch Aufbau von Überkapazitäten und
Preissenkungen einen Markteintritt anderer Firmen abschrecken kann. Diese Behauptung ist als das Bain–Sylos Postulat in der Literatur bekannt geworden. Nach diesem
Postulat geht die (prospektiv) eintretende Firma davon aus, dass die etablierte Firma
nach einem Markteintritt die gleiche Outputmenge produziert wie vor dem Eintritt.
Daher hat die etablierte Firma eine Führungsposition (vgl. Stackelberg–Modell).
Zusätzlich nahm man an, dass die eintretende Firma (outputunabhängige) Kosten versenken muss, um die Produktion aufzunehmen, die etablierte Firma jedoch nicht.
Diese Argumente sind jedoch nicht überzeugend:
Erstens ist die Kostenasymmetrie eher umgekehrt: Die etablierte Firma hat Kosten, die
der eintretenden Firma nicht entstehen. Hierzu gehören Kosten aufgrund langfristiger
Vertragsbeziehungen (Gewerkschaften, Lohnverträge, Vorleistungen). Solche Verträge
41
1 Wettbewerbsbeschränkungen
existieren aber für eine eintretende Firma (noch) nicht. Außerdem wird das Problem
der Eintrittsabschreckung zu einem ad hoc Problem, da es immer eine Höhe der Eintrittskosten gibt, die Firmen vom Markteintritt abhalten. Selbst wenn diese Asymmetrie
bestehen würde, dann würde die eintretende Firma langfristig einen positiven Gewinn
realisieren, der die Eintrittskosten deckt. Unter diesen Bedingungen wären Banken bereit, der Firma die Eintrittskosten vorzustrecken, da die Firma den Kredit (mit Zinsen)
zurückzahlen wird.
Zweitens ist die Logik des Arguments falsch: Der Preis, den die etablierte Firma vor dem
Markteintritt wählt, ist irrelevant für die Eintrittsentscheidung. Das einzig Relevante ist
die Marktstruktur nach dem Eintritt. Nachdem ein Eintritt stattgefunden hat und die
Eintrittskosten bezahlt sind, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass die Firmen ein
Führer–Folger Spiel spielen werden. Es ist vernünftiger anzunehmen, dass die Firmen
ein Cournot oder Bertrand Spiel spielen werden, in denen die Firmen gleiche Macht oder
Einfluss haben.
Drittens ist bei der Modellierung der Eintrittsabschreckung nicht klar, warum eine
Firma zuerst wählen und sich fest an ein Produktionsniveau binden kann und damit
einen first–mover Vorteil hat.
Überschusskapazitäten
Im folgenden betrachten wir ein einfaches Modell, wo unter dem Bain–Sylos Postulat
durch Aufbau einer Überschusskapazität ein Markteintritt abgeschreckt werden kann.
(vgl. Oz Shy, Abschnitt 8.4.1, S. 188 ff.)
Wir betrachten das zweiperiodige Stackelberg–Spiel. Hier wird angenommen, dass die
Firmen nicht die Menge, sondern die Kapazität wählen. Kapazität kann als irreversible
Größe aufgefasst werden.
In Periode 1 wählt Firma 1 eine Kapazität k1 ∈ [0, ∞); in der zweiten Periode wählt
Firma 2 ob sie eintritt (k2 > 0) oder nicht (k2 = 0).
Die Firmen sind identisch, allerdings hat Firma 2 Eintrittskosten E zu zahlen (z. B. für
Marktstudien, Bestechungsgelder etc.).
Die Gewinne der Firmen sind gegeben durch
π1 (k1 , k2 ) = k1 (1 − k1 − k2 )
und
π2 (k1 , k2 ) =
k2 (1 − k1 − k2 ) − E
0
bei Eintritt
sonst.
Die zweite Periode Firma 2 nimmt k1 = k̄1 als gegeben und wählt k2 um ihren Gewinn
zu maximieren.
Es können zwei Fälle auftreten: Die Firma tritt ein und zahlt die Kosten E, oder sie
tritt nicht ein.
42
1.6 Überkapazitäten und Limit Pricing
Wenn sie eintritt wählt sie k2 mit
∂π2 (k1 , k2 )
1 − k̄1
= 1 − 2 k2 − k1 = 0 also k2 =
.
∂k2
2
Einsetzen in den Gewinn von Firma 2 ergibt
1 − k̄1
1 − k̄1
π2 =
1 − k̄1 −
−E
2
2
√
Dieser Ausdruck ist positiv, wenn k̄1 < 1 − 2 E. Die Reaktionsfunktion von Firma 2
ist also
R2 (k̄1 , E) =
1−k̄1
2
0
√
falls k̄1 < 1 − 2 E
sonst.
Die erste Periode In der ersten Periode setzt Firma 1 die Kapazität k1 unter Berücksichtigung der Reaktionsfunktion von Firma 2. Hierbei zieht sie auch in Betracht,
dass
√
bei kleinen Änderungen ihrer Kapazität bei einem Niveau von k1 = 1 − 2 E die Eintrittsentscheidung von Firma 2 verändert wird.
Man muss also den Gewinn von Firma 1 bei den beiden Alternativen betrachten.
Der Gewinn beim Eintritt von Firma 2 ist gegeben durch
1 − k1
1 − k1
s
π1 = k1 1 − k1 −
= k1
.
2
2
Beim Nichteintreten ist der Gewinn
π1m = k1 (1 − k1 ).
Der Gewinn im Monopolfall ist also doppelt so hoch wie der des Stackelbergführers.
Graphisch kann man sich die beiden Gewinnfunktionen wie folgt veranschaulichen.
π1
1
4
1
8
1
2
k1
43
1 Wettbewerbsbeschränkungen
Dabei gilt die obere (blaue) Kurve für den Fall, dass Firma 1 Monopolistin bleibt, Firma
2 also nicht eintritt. Die untere (schwarze) Kurve beschreibt den Gewinn, den Firma 1
im Cournot–Wettbewerb mit Firma 2 macht, wenn diese eintritt und auf die von Firma
1 gewählte Menge gemäß ihrer Reaktionsfunktion antwortet.
Welche der beiden Kurven tatsächlich relevant ist, hängt also davon ab, ob Firma 2
aufgrund der von Firma 1 gewählten Kapazität in den Markt eintritt oder nicht, d. h.
wie wir gesehen haben, ob die Kapazität der Firma
1 größer ist als die, die den Eintritt
√
von Firma 2 verhindert, nämlich k1 = 1 − 2 E. Diese Schranke ist in den folgenden
Grafiken durch einen senkrechten Strich markiert. Links davon gilt die untere, rechts die
obere Kurve.
Es können insgesamt 4 Fälle eintreten:
√
1
1. Blockierter Eintritt Sei 1 − 2 E < 1/2, d. h. E > 16
(hohe Eintrittskosten). In
diesem Fall reicht es aus, dass Firma 1 die Monopolmenge produziert. Einsetzen
von k2 = 0 in den Gewinn von Firma 1 und maximieren ergibt
∂π1 (k1 , 0)
= 1 − 2 k1 = 0
∂k1
d. h., k1 = 1/2.
Damit√diese Kapazität Firma 2 vom Eintritt abschreckt, muss gelten k1 = 1/2 >
1
1 − 2 E, d. h., E > 16
= 0, 0625.
π1
1
4
1
8
1
2
√
= k1
k1
1−2 E
2. Indifferenz zwischen Abschreckung und Zulassen des Eintritts Hier ist
die Größe von E zu finden, die Firma 1 indifferent√zwischen dem Eintritt und der
Abschreckung macht, d. h., entweder k1 = 1 − 2 E zu setzen und den Eintritt
abzuschrecken oder k1 = 1/2 zu setzen und den Eintritt zuzulassen. Die beiden
entsprechenden Gewinne sind gleichzusetzen, d. h., es muss gelten:
√
√
π1d = (1 − 2 E) 2 E = 1/8 = π1s .
44
1.6 Überkapazitäten und Limit Pricing
Hieraus ergibt sich
√
E =
Also gilt E =
√
162 − 4 × 32
≈ 0, 07322
64
√ 3 − 2 2 ≈ 0, 00536. Graphisch sieht das wie folgt aus.
16 −
1
32
π1
1
4
1
8
k1
1
2
√
1−2 E
3. Eintrittsabschreckung Offensichtlich ist es für Firma 1 optimal, den Eintritt
abzuschrecken, wenn gilt 0, 00536 < E < 0, 0625.
π1
1
4
1
8
1
2
k1
√
1 − 2 E = k1
4. Zulassen des Eintritts Wenn die Eintrittskosten sehr niedrig sind, dann müsste
Firma 1 die Kapazität sehr hoch setzen, um einen Eintritt abzuschrecken. In diesem
Fall, d. h., wenn E < 0, 00536 ist, erreicht Firma 1 einen höheren Gewinn, wenn
sie den Eintritt von Firma 2 zulässt und das Cournot–Gleichgewicht akzeptiert.
45
1 Wettbewerbsbeschränkungen
π1
1
4
1
8
1
2
k1
= k1
√
1−2 E
(vgl. Oz Shy, Abschnitt 8.4.2, S. 192 ff.)
Bisher wurde angenommen, dass die eintretende Firma davon ausgeht, dass die etablierte
Firma die gesamte Kapazität nutzt, um das größtmögliche Outputniveau zu produzieren.
Im folgenden wird gezeigt, dass diese Annahme jedoch inkonsistent mit strategischem
Verhalten ist, d.h. die etablierte Firma wird nicht die gesamte Kapazität verwenden,
auch wenn ein Eintritt erfolgt.
Betrachten wir das folgende zweistufige Spiel: In der ersten Stufe wählt die etablierte Firma 1 eine Kapazität k̄1 , die es erlaubt, Outputmengen y1 ≤ k̄1 ohne Kosten in
der zweiten Stufe zu produzieren. Würde sie jedoch einen höheren Output produzieren wollen, dann würden für jede Outputeinheit y1 > k̄1 Kosten von c anfallen. Die
Grenzkostenfunktion für die etablierte Firma kann wie folgt dargestellt werden:
MC1
c
MC1
k̄1
x1
Die Konkurrenzfirma trifft ihre Eintrittsentscheidung in der zweiten Stufe. In dieser
Stufe spielen die beiden Firmen ein Cournot–Spiel. Firma 2 konnte noch keine Kapazität
aufbauen und hat Grenzkosten in Höhe von c. Wenn Firma 2 y2 = 0 wählt, dann ist
kein Eintritt erfolgt.
In der zweiten Stufe hängt die die Reaktionsfunktion von Firma 1 vom Niveau der
Kapazität k̄ ab. Zu beachten ist, dass die Reaktionsfunktion (präziser, ihre Inverse) an
der Stelle y1 = k̄1 eine Unstetigkeitsstelle aufweist. In den folgenden Grafiken ist dies
für drei Werte (niedrig, mittel und hoch) dargestellt.
46
1.6 Überkapazitäten und Limit Pricing
R1 (y2 )
R1 (y2 )
G1
R2 (y1 )
k̄1
R1 (y2 )
G2
G3
R2 (y1 )
k̄2
R2 (y1 )
k̄3
Es wird deutlich, dass das Gleichgewicht G2 dasselbe ist wie G3 , das sich bei einer
höheren Kapazität ergibt.
Daraus ergibt sich das folgende Theorem:
Theorem 8 Die etablierte Firma kann durch Investition in Überkapazität einen
Markteintritt nicht abschrecken. Überschusskapazität ist kein Instrument zur Eintrittsabschreckung.
Dieses Resultat ist besonders stark, da die Kapitalkosten in der ersten Periode gleich null
sind. Dennoch kann Firma 1 nicht von einer Investition in eine Kapazität k̄3 profitieren,
denn nach einem Eintritt ist die beste Antwort von Firma 1 ein Output von y1 = k̄2 <
k̄3 . Die eintretende Firma überlegt sich, dass Firma 1 im Cournot–Gleichgewicht ihren
Output beschränken wird, um (wie in jedem Cournot–Gleichgewicht) einen Preisverfall
zu verhindern.
Die zentrale Aussage des Theorems ist, dass eine Überschusskapazität keine glaubwürdige Drohung ist, um eine Konkurrenzfirma davon zu überzeugen, dass sich ein Eintritt
nicht lohnt. Daher basiert das Bain–Sylos Postulat auf der unrealistischen Annahme,
die eintretende Firma gehe davon aus, dass die etablierte Firma ihre gesamte Kapazität
verwenden wird, obwohl dies nicht mit gewinnmaximierendem Verhalten vereinbar ist.
Limit Pricing
(vgl. Oz Shy, Abschnitt 8.4.6, S. 202 ff.)
Man kann sich leicht überlegen, dass ein ähnliches Argument auch auf Preissetzung zur
Eintrittsabschreckung (limit pricing) angewendet werden kann.
Im folgenden betrachten wir eine vereinfachte Version eines Modells von Milgrom und
Roberts (1982)4 , in dem gezeigt wird, dass limit pricing als Signal der Kostenstruktur der
4
Milgrom, P. und J. Roberts (1982): Limit Pricing and Entry under Incomplete Information Econometrica
50, S. 443–459.
47
1 Wettbewerbsbeschränkungen
etablierten Firma für die eintretende Firma fungieren kann. Dadurch wird bei niedrigen
Preisen eine Eintrittsabschreckung erreicht, da die (potentiell) eintretende Firma aus
niedrigen Preisen auf eine günstige Kostensituation der etablierten Firma schließt.
In der Darstellung des Modells wird die Menge als strategische Variable verwendet. Um
den direkten bezug zum limit pricing zu erkennen, muss man daher zunächst aus der
angebotenen Menge des Monopolisten vor dem potentiellen Eintritt einer zweiten Firma
den sich ergebenden Preis berechnen.
Das Modell
Es gibt zwei Perioden t = 1, 2. Die Nachfrage ist gegeben durch die Preis–Absatz–
Funktion p(Y ) = 10 − Y . Firma 1 ist im Markt etabliert und wählt in der ersten Periode
ein Outputniveau y11 . Firma 2 ist in Periode 1 noch nicht im Markt und entscheidet, ob
sie in Periode 2 eintreten soll. Firma 1 erhält also Gewinne in beiden Perioden.
Annahme 1 Wenn in der zweiten Periode Eintritt stattfindet, spielen beide Firmen
ein Cournot–Spiel. Findet kein Eintritt statt, produziert Firma 1 den Monopoloutput.
Kosten, Informationen und Gewinne
Die Grenzkosten von Firma 2 sind c2 = 1. Zusätzlich muss Firma 2 Eintrittskosten von
F2 = 9 zahlen. Die Kostenstruktur von Firma 2 ist allgemein bekannt.
Es handelt sich um ein Spiel mit unvollständiger Information über die Grenzkosten von
Firma 1. Diese sind
0 mit Wahrscheinlichkeit 0, 5
c1 =
4 mit Wahrscheinlichkeit 0, 5.
Firma 1 kennt ihre Grenzkosten, aber Firma 2 kennt nur die beiden möglichen Ausprägungen und deren Wahrscheinlichkeiten.
Die etablierte Firma maximiert die Summe der Gewinne aus beiden Perioden. Die eintretende Firma bekommt einen Gewinn nur in Periode 2. Die Gewinne in Periode 2 ergeben
sich aus den üblichen Berechnungen und werden in der folgenden Tabelle zusammengefasst (dabei entsprechen die in der zweiten Spalte angegebenen Gewinne für Firma
1, π1m , jeweils denen, die sie in der ersten Periode erzielt, wenn sie die Monopolmenge
produziert).
Entscheidung der Firma 2
c1
eintreten
48
c1 = 0
π1c (0) = 13
c1 = 4
π1c (4) = 1
nicht eintreten
π2c (0) = −1, 9
π2c (4) = 7
π1m (0) = 25
π2 = 0
π1m (4) = 9
π2 = 0
1.6 Überkapazitäten und Limit Pricing
Das zwei–Perioden Spiel
Vor dem Markteintritt wählt Firma 1 den Output y11 . Der Gewinn von Firma 1 in t = 1
ist π1 (c1 , y11 ) = (10 − y11 ) y11 − c1 y11 .
In t = 2 beobachtet Firma 2 y11 und entscheidet, ob sie in den Markt eintritt oder
nicht. Diese Entscheidung hängt davon ab, welchen Gewinn Firma 2 nach dem Eintritt
macht, also von den Grenzkosten der Firma 1. Da Firma 2 diese nicht kennt, verwendet
sie den bobachteten Output y11 als Signal, d. h. sie gewinnt ausgehend von der priori
Wahrscheinlichkeitsverteilung über die möglichen Grenzkosten der Firma 1 durch Bayesianisches Updating mit der Information, die sie dem Signal y11 entnimmt, eine neue
bedingte Wahrscheinlichkeitsverteilung und maximiert ihren erwarteten Gewinn.
Die Lösung des Spiels
Wir suchen ein perfektes Bayesianisches Gleichgewicht dieses Spiels.
Betrachten wir zunächst, welche Entscheidung Firma 2 aufgrund ihrer a priori Einschätzung der Grenzkosten c1 treffen würde. Als erwarteter Gewinn ergibt sich dann
E π2c =
1 c
1
1
1
π2 (0) + π2c (4) = (−1, 9) + 7 > 0.
2
2
2
2
Ohne weitere Informationen würde Firma 2 also in den Markt eintreten.
Falls Firma 2 allerdings dem Signal y11 Informationen entnehmen könnte, wenn also die
Menge, die Firma 1 in der ersten Periode anbietet von deren Grenzkosten abhängt,
wüsste Firma 2 bei der Eintrittsentscheidung, von welchem Typ Firma 1 ist, und würde
genau dann eintreten, wenn c1 = 4 gilt (dann ist ihr erwarteter Gewinn π2c (4) = 7,
andernfalls π2c (0) = −1, 9).
Falls Firma 1 niedrige Grenzkosten hat, hat sie also ein Interesse, dies der Firma 2 zu
signalisieren, um sie vom Eintritt abzuschrecken. Dabei muss sie allerdings berücksichtigen, dass ihr Signal, also die in der ersten Periode angebotene Menge so beschaffen sein
muss, dass es sich für den Typ der Firma 1 mit hohen Kosten nicht lohnt, das Signal zu
imitieren.
Das Problem wird deutlich, wenn wir uns zunächst die Monopolmengen der beiden
Typen von Firma 1 anschauen. Diese erhält man durch Gleichsetzen von Grenzkosten
und Grenzerlös als y1m (0) = 5 für den Typ mit niedrigen Grenzkosten c1 = 0 und
y1m (4) = 3 für den Typ mit hohen Grenzkosten c1 = 4.
Da diese Mengen unterschiedlich sind, würden sie Firma 2 den Typ ihrer Konkurrentin
signalisieren, und sie würde nur in den Markt eintreten, wenn sie y11 = 3 beobachtet.
Für den Typ der Firma 1 mit hohen Grenzkosten ergäbe sich daraus ein Gewinn von
π1 = 9 + 1 = 10. Würde dieser Typ allerdings in Periode 1 die Monopolmenge des
Typs mit niedrigeren Grenzkosten produzieren, ergäbe sich dadurch zwar in der ersten
Periode ein geringerer Gewinn von 5, der aber durch den höheren Gewinn von π1m (4) = 9
in der zweiten Periode überkompensiert würde, der sich daraus ergäbe, dass Firma 2 nun
glaubt, den Typ mit niedrigen Kosten vor sich zu haben, und daher nicht in den Markt
eintritt.
49
1 Wettbewerbsbeschränkungen
Der Typ c1 = 0 der Firma 1 sollte also in der ersten Periode eine Menge wählen, die der
Typ c1 = 4 nicht imitiert.
Dazu betrachten wir eine Menge y1 derart, dass der Typ c1 = 4 der Firma 1 gerade
indifferent ist zwischen der Wahl seiner Monopolmenge in der ersten Periode, was in der
zweiten Periode zum Markteintritt der Firma 2 und damit zum niedrigeren Cournot–
Gewinn führt, und der Wahl von y1 mit einem entsprechend niedrigeren Gewinn in der
ersten Periode aber der Abschreckung des Markteintritts von Firma 2 dem höheren
Monopolgewinn in der zweiten Periode.
Dies führt zu folgender Gleichung.
⇐⇒
⇐⇒
π1m (4) + π1c (4) =
=
=
1 =
y1 =
9 + 1 = 10
(10 − y1 ) y1 − 4 y1 + π1m (4)
(10 − y1 ) y1 − 4 y1 + 9
6 y1 − y12
√
3 + 8 ≈ 5, 83.
Wählt Firma 1 als in der ersten Periode die Menge y11 = 5, 83, so kann der Typ mit hohen
Grenzkosten nicht mehr davon profitieren, dieses Signal zu imitieren. Dieses Signal würde
also die beiden Typen separieren, d. h., Firma 2 würde in der zweiten Periode nicht in
den Markt eintreten, wenn sie y11 = 5, 83 beobachtet. Daher würde der Typ c1 = 0 der
Firma 1 in der zweiten Periode den Monopolgewinn π1m (0) = 25 erzielen.
Wir müssen nun noch untersuchen, ob der Typ c1 = 0 der Firma 1 mittels dieser Strategie einen höheren Gewinn erzielen kann, als durch die Wahl seiner Monopolmenge
y1m (0) = 5 in der ersten Periode, die vom Typ c1 = 4 imitiert würde und daher zu einem Markteintritt der Firma 2 in der zweiten Periode und damit zum Cournot–Gewinn
π12 (0) = 13 in der zweiten Periode führen würde.
Dieser Vergleich ergibt.
(10 − 5, 83) × 5, 83 + π1m (0) = 24, 31 + 25 = 49, 31
> 38 = 25 + 13
= π1m (0) + π1c (0).
Theorem 9 Eine etablierte Firma mit niedrigen Grenzkosten produziert die Menge
y11 = 5, 83 und in Periode t = 2 findet kein Markteintritt statt, d. h., sie betreibt
limit–pricing (durch Überproduktion), um einen Eintritt abzuschrecken.
Empirische Evidenz für Limit–Pricing
(vgl. Waldman, D. F. und E. J. Jensen: Industrial Organisation: Theory & Practice,
Addison Wesley, Boston, 2. Aufl., 2000, S. 291–293.)
Die folgenden zwei Beispiele zeigen, dass limit-pricing als Strategie zur Eintrittsabschreckung Verwendung findet.
50
1.6 Überkapazitäten und Limit Pricing
Du Pont Von 1924 bis 1947 hatte Du Pont im Prinzip ein Monopol auf dem amerikanischen Markt für Zellophan. In dieser Industrie lagen signifikante Skalenerträge vor und
Du Pont hatte schnell gemerkt, dass es sinnvoll ist im Bereich fallender Durchschnittskosten zu produzieren, bevor potentielle Konkurrenten in den Markt eingetreten sind. Das
Resultat war, dass Du Pont die Preise für Zellophan kontinuierlich gesenkt hat. In den
Jahren von 1924 bis 1940 fielen die Preise um 84,8%, von $ 2,51 auf $ 0,38 pro Pfund5
Während der ersten Jahre der Industrie stieg die Nachfrage schnell an und es wäre für
potentielle Konkurrenten möglich gewesen, in den Markt einzudringen, wenn Du Pont
die Preise weiterhin hochgehalten hätte. Aber indem Du Pont die Preise für Zellophan
kontinuierlich senkte, bekam Du Pont die Kontrolle über den Markt bevor andere Firmen
die Möglichkeit hatten, in den Markt einzutreten. Den potentiellen Konkurrenten war
klar, dass ein Markteintritt in großem Stil entweder eine deutliche Reduzierung in Du
Ponts Output oder eine dramatische Senkung des Preises nach dem Eintritt erforderlich
machen würde.
Das Verhalten von Du Pont in den Jahren von 1924 bis 1940 war konsistent mit dem
Verhalten einer Firma, die versucht, einen Markteintritt abzuschrecken. Offensichtlich
war Du Pont bereit, geringere Preise und geringere Gewinne zu akzeptieren.
Xerox Blackstone hat die Vermutung geäußert, dass Xerox in den ersten Jahren seiner
Dominanz in der Kopierer-Industrie eine komplexe Preispolitik verfolgt hat, die auch
Elemente des limit pricing enthielt.
Als Xerox im Jahre 1959 seine Kopiergeräte für Normalpapier einführte, bestand kein
signifikanter Kostenvorteil gegenüber den Kopiergeräten für beschichtetes Papier der Firma Electrofax vor allem im Marktbereich für geringe Kopienmengen. Daher hat Xerox
den Preis seiner Kopiergeräte in diesem Marktsegement auf das kurzfristig gewinnmaximale Niveau gesetzt. Daher sind in den Jahren 1961 bis 1967 ca. 25 weitere Firmen in
dieses Marktsegement eingedrungen.
Im Bereich mittlerer Kopienmengen hatte Xerox einen gewissen Kostenvorteil und setzte
den Preis unterhalb des gewinnmaximierenden Preises aber oberhalb des limit prices. In
dieses Segment traten ca. 10 Firmen ein und Xerox wurde klar, dass sie einen großen
Teil dieses Marktes den Konkurrenten überlassen müsste.
Im Bereich großer Kopienmengen hatte Xerox eine deutlichen Kostenvorteil und setzte
den Preis nahe dem limit price und nur 3 Firmen traten in dieses Marktsegment ein.
5
Gemeint ist hier die amerikanische Maßeinheit pound, das 373 Gramm entspricht, nicht das deutsche
Pfund, das 500 Gramm entspricht.
51
1 Wettbewerbsbeschränkungen
52
2 Vertikale Restriktionen
Bevor wir Zusammenschlüsse von Firmen auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette betrachten, wollen wir Produzenten komplementärer Güter betrachten, da bei
ihnen vergleichbare Effekte auftreten (vgl. Pepall, Richards und Normann, Abschnitt 8.3.1,
S. 433 f.). Beispiele für komplementäre Güter sind Zink und Kupfer, die als komplementäre Inputs bei der Herstellung von Messing verwendet werden. Im Bereich des
Konsums sind etwa Videorecorder und Videocassetten sowie Schrauben und Muttern
weitere Beispiele für Produkte, die erst zusammen ein Gesamtprodukt bzw. eine Dienstleistung ergeben.
Wenn zwei komplementäre Güter jeweils von einem Monopolisten hergestellt werden,
reduziert dies den gemeinsamen Gewinn der beiden Firmen und führt zu einem Effizienzverlust für die Ökonomie.
Die Intuition hinter diesem Argument ist leicht nachzuvollziehen: Jede Preisentscheidung einer Firma führt zu einer Externalität für die andere Unternehmung. Nehmen
wir als Beispiel einen Produzenten von PCs und einen Softwarehersteller, der Betriebssysteme für die PCs produziert. Ein hoher Preis für Hardware führt zu einer geringen
Nachfrage nach PCs. Aber gleichzeitig führt er wegen der Komplementarität auch zu einer geringeren Nachfrage nach Betriebssystemen. Der Hersteller von PCs berücksichtigt
zwar den ersten Effekt, aber der zweite bleibt unberücksichtigt. Das gleiche gilt auch
umgekehrt. Der Softwarehersteller berücksichtigt bei seiner Preisentscheidung nicht die
Auswirkungen auf den Computerhersteller. Im nichtkooperativen Gleichgewicht werden
die Preise für beide Produkte daher zu hoch sein.
Wenn der Computerhersteller seinen Preis senken würde, dann würde er dadurch für
zusätzliche Nachfrage und erhöhte Gewinne beim Softwarehersteller sorgen (und vice versa). Da jedoch der Computerhersteller nichts von diesen zusätzlichen Gewinnen erhält,
wird er seinen Preis nicht senken. Das impliziert, dass bei einer Zusammenarbeit beide
Firmen ihre Preise senken und sich dadurch besser stellen würden. Auch die Konsumenten würden aufgrund der geringeren Preise und des erhöhten Angebotes profitieren.
Ein Weg, wie die Firmen sich diese zusätzlichen Gewinne aneignen und die Effizienzgewinne realisieren könnten, wäre der Zusammenschluss. Eine solche Fusion führt zu
einem einzigen Entscheidungsträger und damit zu einer Internalisierung der Externalität. Die fusionierte Software-Hardware Firma wird ihren Gesamtgewinn maximieren,
d. h. sie wird die Preise der beiden Güter so setzen, dass der gemeinsame Gewinn maximiert wird. Wenn also monopolistische Unternehmen komplementäre Güter herstellen,
haben sie einen starken Anreiz entweder zu fusionieren oder mit Hilfe eines anderen
Arrangements eine kooperative Herstellung und Preissetzung der beiden Produkte sicherzustellen.
Im folgenden Abschnitt wird deutlich gemacht, dass Ähnliches auch für Monopolisten
53
2 Vertikale Restriktionen
in aufeinander folgenden Produktionsstufen gilt.
2.1 Doppelte Marginalisierung
(vgl. Pepall, Richards und Normann, Abschnitt 8.3.2, S. 434 ff.)
Im allgemeinen sind bei vertikalen Unternehmenszusammenschlüssen Firmen auf verschiedenen Stufen des Produktionsprozesses involviert. Es ist üblich, die Firma, die am
weitesten vom Endverbraucher entfernt ist, als upstream und diejenige, die am dichtesten am Konsumenten ist, als downstream Firma zu bezeichnen. Filmverleihe und
Kinos sind dafür ein Beispiel. In diesem Fall ist der Filmverleih die upstream und das
Kino, das den Film leiht, um ihn den Konsumenten zu zeigen, die downstream Firma.
Zwischen Groß- und Einzelhändlern gibt es eine ähnliche Beziehung.
Der zentrale Punkt, der dabei zu berücksichtigen ist, ist der, dass alle diese Beziehungen
als die zwischen Produzenten komplementärer Güter aufgefasst werden können: Vertikale
Beziehungen zwischen zwei Firmen mit Monopolstellung führen zu einer suboptimalen
Preisgestaltung und zu Ineffizienzen, wenn es keinen Mechanismus gibt, mit dessen Hilfe
die Entscheidungen der beiden Firmen koordiniert werden können.
Im Falle zweier Firmen in einer vertikalen Struktur spricht man im allgemeinen vom
Problem der doppelten Marginalisierung. Dieses Problem soll im folgenden anhand
eines einfachen Modells illustriert werden.
Gegeben sei ein monopolistischer upstream Anbieter, der Hersteller, der ein Produkt an
einen monopolistischen Händler verkauft. Der Hersteller produziert das Gut mit konstanten Grenzkosten c und verkauft es dem Händler zum Großhandelspreis r. Der Händler
verkauft der Produkt an den Endverbraucher zum markträumenden Preis p. Aus Vereinfachungsgründen wird angenommen, dass dem Händler keine weiteren Kosten entstehen. Die Nachfrage der Konsumenten ist beschrieben durch die lineare Preis–Absatz–
Funktion
p(y) = a − b y,
und wir nehmen an, dass gilt c < a.
Da der Händler eine bestimmte Menge des Gutes zum Großhandelspreis r kauft und
diese Menge an die Konsumenten zum Endpreis p weiterverkauft, kann der Gewinn des
Händlers geschrieben werden als
π D (y, r) = (p(y) − r) y = (a − b y) y − r y
Dieser Gewinn wird maximiert, wenn der Händler eine Menge wählt, so dass sein Grenzerlös gleich seinen Grenzkosten ist. Die Grenzkosten des Händlers betragen r und seine
Grenzerlösfunktion ist
MRD = a − 2 b y.
Gleichsetzen von MR und r (oder Ableiten des Gewinns und null setzen) und auflösen
nach y ergibt die optimale Menge für den Händler
a−r
.
yD =
2b
54
2.1 Doppelte Marginalisierung
Einsetzen in die Preis–Absatz–Funktion ergibt den markträumenden Endverkaufspreis
pD =
a+r
.
2
Dies ergibt einen Gewinn für den Händler in Höhe von
πD =
(a + r)2
.
4b
Der Preis, den der Händler setzt, hängt vom Großhandelspreis r ab, den der Hersteller
verlangt. Damit beeinflusst der Großhandelspreis r auch die Menge, die der Händler
absetzt und die der Menge entspricht, die der Hersteller dem Händler verkaufen kann.
Zum Endverbrauchspreis pD = (a + r)/2 verkauft der Händler y D = (a − r)/(2 b) Einheiten des Gutes. Diese Menge entspricht aber auch der Menge, die der Hersteller verkauft
hat. Daher gibt die Funktion y = (a − r)/(2 b) gleichzeitig die Nachfragefunktion an, der
sich der Händler gegenübersieht, wenn er den Großhandelspreis r verlangt.
Die Grenzerlösfunktion des Händlers beim Preis r, r = a − 2 b y, ist gleichzeitig die
inverse Nachfragefunktion, der sich der Hersteller gegenübersieht.
Mit der Grenzerlösfunktion des Händlers r = a − 2 b y kann man den gewinnmaximalen
Preis bestimmen, den der Hersteller für sein Produkt verlangt. Bei diesem Preis gilt
Grenzerlös gleich Grenzkosten. Die Grenzerlösfunktion des Herstellers ist
MRU = a − 4 b y.
Gleichsetzen mit den Grenzkosten c des Herstellers ergibt die gewinnmaximale Menge
und den Großhandelspreis. Diese sind gegeben durch
yU =
a−c
4b
rU =
a+c
.
2
Wenn der Hersteller den Großhandelspreis rU = (a + c)/2 verlangt, dann wird der
Händler einen Preis in Höhe von pD = (3 a + c)/4 verlangen. Der Händler setzt dann
die Menge y D = (a − c)/(4 b) ab. Dies entspricht genau der vom Hersteller erwarteten
Menge bei diesem Großhandelspreis.
Sein Gewinn ist gegeben durch π U = (a−c)2 /(8 b) und der Gewinn des Händlers beträgt:
π D = (a − c)2 /(16 b). Der gesamte Gewinn beider Firmen ist 3(a − c)2 /(16 b).
Betrachten wir nun was passiert, wenn sich die beiden Firmen zusammenschließen, so
dass der Hersteller nicht mehr unabhängig ist, sondern nur noch der Produktionsbetrieb
eines integrierten Unternehmens.
Das Gut wird weiterhin mit konstanten Grenzkosten c hergestellt. Die einzige strategische Frage, die sich nun stellt ist die, welchen Preis die Firma von den Konsumenten
verlangen soll. Dies macht aus dem integrierten Unternehmen ein einfaches Monopol,
das seinen Gewinn maximieren möchte. Dieser Gewinn ist gegeben durch
π I (y) = (p(y) − c) y = (a − b y) y − c y.
55
2 Vertikale Restriktionen
Wie man sich leicht überlegt, ist die Grenzerlösfunktion der integrierten Firma gleich
der Grenzerlösfunktion des unabhängigen Händlers, d. h.
MRI = a − 2 b y.
Gleichsetzen mit den Grenzkosten c ergibt den gewinnmaximalen Output des integrierten
Unternehmens
yI =
a−c
.
2b
Einsetzen in die inverse Nachfragefunktion ergibt den zugehörigen Preis für die Konsumenten
pI =
a+c
.
2
Man beachte, dass
pI =
a+c
< (a − c)2 /(16 b) = pD ,
2
d. h., der gewinnmaximale Einzelhandelspreis, den die integrierte Firma verlangt, ist
geringer als der eines unabhängigen Händlers. Daher wird das fusionierte Unternehmen
eine größere Menge verkaufen als die beiden unabhängigen Firmen.
Darüberhinaus erwirtschaftet die fusionierte Firma einen höheren Gewinn als die beiden
Firmen unabhängig: Der Gewinn der fusionierten Firma ist
(a − c)2
π =
.
4b
I
Der Gewinn des unabhängigen Herstellers war
πU =
(a − c)2
,
8b
der des unabhängigen Händlers
πD =
(a − c)2
,
16 b
also ist die Summe
U
π +π
D
3 (a − c)2
=
16 b
und damit 12, 5 % kleiner als der Gewinn der integrierten Firma.
Aus einem wohlfahrtstheoretischen Gesichtspunkt hat der Zusammenschluss der beiden
Monopolisten jedem genutzt: Der Gesamtgewinn ist gestiegen, aber auch die Konsumentenrente hat zugenommen, da jetzt eine größere Menge zu einem geringeren Preis
verkauft wird.
56
2.2 Preisdiskriminierung
Man sieht nun deutlich die Parallele zwischen diesem Fall und dem von zwei Monopolisten, die komplementäre Güter verkaufen. In beiden Fällen führt die Integration zu
Effizienzgewinnen und zusätzlichen Profiten, da die getrennten Aktivitäten koordiniert
werden können und die Externalität dadurch internalisiert werden kann. Ohne einen solchen Zusammenschluss spiegelt der Endpreis eine doppelte Marginalisierung wider.
Der unabhängige Hersteller verlangt vom Händler einen Preisaufschlag, der wiederum
einen Preisaufschlag vom Konsumenten verlangt. Eine Kette von Monopolen ist also
schlimmer als ein einzelner Monopolist.
Ein wichtiger Punkt ist jedoch anzumerken: Die Analyse hängt stark davon ab, dass die
beiden beteiligten Firmen Monopolisten sind. Würde man stattdessen Produktionssektor
oder einem Einzelhandelssektor beginnen, in dem Preiswettbewerb herrscht, dann gäbe
es keine Effizienzgewinne aufgrund einer vertikalen Integration. Ein Preiswettbewerb
upstream führt dazu, dass das Produkt zu Grenzkostenpreisen, d. h. c verkauft würde.
Ein Wettbewerb downstream führt dazu, dass der Einzelhandelspreis r beträgt. In einer
der beiden Produktionsstufen ist also die Preis–Kosten Marge gleich Null und daher
kann es zu keiner doppelten Marginalisierung kommen.
Ein weiterer Punkt der bei der obigen Analyse eine wichtige Rolle spielt, ist der folgende:
Die Effizienzgewinne aus einem vertikalen Zusammenschluss de beiden Firmen resultieren auch daraus, dass der Händler mit festen Faktoreinsatzverhältnissen arbeitet. Für
jede Einheit Output verwendet der Händler eine feste Menge des Inputs (eine Einheit).
Im hier verwendeten Beispiel ist eine solche Annahme sinnvoll. Für jede Einheit, die der
Händler verkauft, benötigt er eine Einheit des Gutes vom Hersteller.
In anderen Zusammenhängen ist diese Annahme jedoch zu restriktiv. Wenn es sich zum
Beispiel beim Hersteller um einen Stahlproduzenten handelt und bei der downstream Firma um einen Automobilhersteller, dann führt die Entscheidung des Stahlproduzenten,
einen bestimmten Preis r zu verlangen, unter Umständen dazu, dass der Automobilhersteller stattdessen Aluminium oder Fiberglas verwendet, die möglicherweise beide auf
Wettbewerbsmärkten angeboten werden. In einem solchen Fall sind die Effizienzgewinne,
die sich ergeben, wenn der Automobil- und der Stahlhersteller sich zusammenschließen,
nicht offensichtlich.
Wir können also zusammenfassend feststellen: Vertikale Integration zweier Monopolisten hat in vielen Fällen positive Auswirkungen sowohl für die Firmen als auch für
die Konsumenten, da eine doppelte Marginalisierung korrigiert wird. Solche Effizienzgewinne sind umso eher möglich, wenn die Technologie nur begrenzte Möglichkeiten der
Inputsubstitution bietet.
2.2 Preisdiskriminierung
(vgl. Pepall, Richards und Normann, Abschnitt 8.3.3, S. 440 f.)
Der Wohlfahrtsverlust, der mit einer monopolistischen Outputreduktion verbunden ist,
stellt auch einen Verlust an möglichen Gewinnen für den Monopolisten dar. Der Monopolist könnte zusätzliche Gewinne realisieren, wenn er sein Produkt nicht zu einem
einheitlichen Preis für alle Konsumenten verkauft. Dies gilt natürlich auch für einen ups-
57
2 Vertikale Restriktionen
tream Monopolisten, der sein Produkt an mehrere downstream Unternehmen verkauft.
Es gibt dabei viele Fälle, in denen sich die downstream Firmen hinsichtlich ihrer Zahlungsbereitschaft unterscheiden. Zum Beispiel ein Großhändler, der an Einzelhändler
in verschiedenen Städten liefert, ein Zulieferer der Automobilindustrie, der verschiedene
Autohersteller beliefert, eine Beraterfirma, die Unternehmen in verschiedenen Industrien
berät usw. Da die Preiselastizitäten der Nachfrage für das Produkt der upstream Firma
unterschiedlich sind, würde der Monopolist gerne unterschiedliche Preise verlangen und
könnte dadurch einen größeren Gewinn realisieren. Insbesondere würde er einen hohen
Preis von den Firmen verlangen, deren Preiselastizität der Nachfrage gering ist und einen
niedrigen von denen mit einer hohen Preiselastizität.
Eine erfolgreiche Preisdiskriminierung hat jedoch zwei Voraussetzungen.
1. Die Firma muss die Käufer mit elastischer bzw. inelastischer Nachfrage identifizieren können.
2. Die Firma muss in der Lage sein, Arbitragegeschäfte auszuschließen.
Angenommen, die Firma hat das erste Problem gelöst. Dann stellt sich die Frage, welchen
Mechanismus die Firma einsetzen kann, um das Arbitrageproblem zu lösen.
Beispiel : Ein Filmverleih bietet den beiden einzigen Kinos in der Stadt an, Filme zu
mieten. Eines der Kinos liegt in dem Stadtteil mit einer wohlhabenden Klientel, während
das andere sich in dem Teil der Stadt befindet, in dem der ärmere Teil der Bevölkerung
lebt. Die Kunden des ersten Kinos haben eine hohe Zahlungsbereitschaft, so dass die
Nachfrage recht preisunelastisch ist. Die Kundschaft des zweiten Kinos hat eine geringere
Zahlungsbereitschaft und ihre Nachfrage ist preiselastisch.
Im Idealfall würde der Filmverleih einen hohen Preis vom ersten und einen niedrigen
Preis vom zweiten Kino verlangen. Aufgrund von Arbitragemöglichkeiten ist eine solche
Strategie allerdings nicht durchführbar: Das zweite Kino würde den Film einfach an
das erste Kino weiterverleihen. (Jedenfalls dann, wenn wir annehmen, dass ein solcher
Weiterverleih nicht vertraglich ausgeschlossen werden kann.)
Allerdings könnte man durch eine vertikale Integration des Filmverleihs mit dem zweiten
Kino diese Arbitragemöglichkeit ausschließen.
In diesem Fall kann der Filmverleih zu Selbstkosten an das zweite Kino verleihen ohne
Gefahr zu laufen, dass dieses Kino den Film an das erste weitergeben wird. Darüberhinaus könnte der Verleih auch das Problem der doppelten Marginalisierung mit dem
zweiten Kino vermeiden. Im allgemeinen verhält es sich so, dass bei einer vertikalen
Integration der upstream Firma mit einer downstream Firma immer zuerst derjenige
downstream Markt gewählt werden sollte, der die höchste Preiselastizität der Nachfrage
aufweist. Sie hat dann die Möglichkeit, von der downstream Firma im anderen Markt
mit geringer Preiselastizität einen hohen, gewinnmaximierenden Preis zu verlangen.
Eine erfolgreiche Preisdiskriminierung erhöht häufig die Effizienz der Allokation. Wenn
jedoch dieser Erfolg durch eine vertikale Integration erreicht wird, wie es in unserem Beispiel dargestellt wurde, dann ist der Effekt auf die Effizienz nicht klar: Zwar erhöht sich
58
2.3 Ausschließlichkeitsbindungen
der Gewinn des Filmverleihs und das Problem der doppelten Marginalisierung wird in einem Markt umgangen, aber aufgrund der Fusion steigt der Preis im anderen Markt. Der
Gesamteffekt kann nur dann abgeschätzt werden, wenn man über genauere Information
hinsichtlich der Nachfrage in den beiden Märkten verfügt.
2.3 Ausschließlichkeitsbindungen
(vgl. Pepall, Richards und Normann, Abschnitt 8.3.4, S. 441 ff.)
Neben den erwähnten Motiven für vertikale Zusammenschlüsse gibt es noch ein weiteres,
das offensichtlich wettbewerbsbeschränkend ist, nämlich die sogenannte Marktschließung. Das heißt, dass der Zusammenschluss zweier Firmen in einer vertikalen Struktur
zu einem integrierten Unternehmen führt, das entweder Konkurrenten downstream wichtige Inputs vorenthält oder Wettbewerbern upstream einen Markt für deren Produkte
schließt.
Betrachten wir als Beispiel einen KFZ-Hersteller, der mit dem Produzenten von Getrieben fusioniert. Die Fusion wird im allgemeine die beiden folgenden Auswirkungen
haben.
1. Andere Getriebehersteller sind nicht mehr in der Lage, an diesen Autohersteller
zu verkaufen.
2. Es ist möglich, dass die fusionierte Firma Getriebe nicht mehr an andere Autohersteller verkaufen wird. Es kann auch sein, dass sie zwar weiterhin an die anderen
Firmen verkauft, aber überhöhte Preise verlangt.
Derartige Marktschließungseffekte vertikaler Zusammenschlüsse können dazu führen,
dass sich der Wettbewerb sowohl im downstream als auch im upstream Markt verringert
und dadurch die Effizienzgewinne aufgrund der Vermeidung der doppelten Marginalisierung annulliert. Dies ist der Hauptgrund, warum die Kartellbehörden auch vertikale
Fusionen genau untersuchen.
Betrachten wir folgendes Modell.1 Es gibt einen upstream Markt mit nU Firmen und
einen downstream Markt mit nD Firmen. Von diesen Firmen sind n vertikal integriert,
so dass es nU − n unabhängige upstream Anbieter und nD − n unabhängige downstream
Firmen gibt.
Jede der upstream Firmen produziert bei der Herstellung ihres Produktes mit konstanten
Grenzkosten cU . Eine Einheit davon wird benötigt, um eine Einheit des downstream
Produktes herzustellen. Bei der Produktion downstream fallen zusätzliche Grenzkosten
in Höhe von cD pro Einheit an. Die Produkte der downstream Firmen sind identisch und
sowohl upstream als auch downstream Firmen verhalten sich als Cournot–Wettbewerber.
Die Nachfrage downstream ist gegeben durch
pD = a − b Y D .
1
Es handelt sich um eine vereinfachte Version des Modells in Salinger, M. A. (1988): Vertical Mergers
and Market Foreclosure Quarterly Journal of Economics 103, S. 345–356.
59
2 Vertikale Restriktionen
Dabei bezeichnet Y D den Gesamtoutput downstream.
Der Gewinn für jede der integrierten downstream Firmen, i ∈ {1, . . . , n}, beträgt
πiD = pD − cU − cD yiD = a − b Y D − cU − cD yiD .
Der Gewinn für eine unabhängige downstream Firma, j ∈ {n + 1, . . . , nD }, ist
πjD = pD − pU − cD yjD = a − b Y D − pU − cD yjD .
Schließlich ist der Gewinn einer unabhängigen upstream Firma, k ∈ {n + 1, . . . , nU }
πkU = pU (Y U ) − cU ykU ,
wobei pU (Y U ) den Preis bezeichnet, den eine unabhängige upstream Firma für ihr Produkt bekommt.
Diese Gleichungen machen deutlich, dass die integrierten Firmen einen Vorteil genießen:
Sie erhalten den Input zu Grenzkostenpreisen, während die unabhängigen Firmen den
höheren Preis pU zahlen müssen. Mit den Gleichungen kann man darüberhinaus zeigen,
1. dass die integrierten Firmen das upstream Produkt nicht an unabhängige downstream Firmen verkaufen werden und
2. dass die integrierten Firmen keine Inputs von unabhängigen upstream Firmen
beziehen werden.
Betrachten wir zuerst die zweite Behauptung.
Der Cournot–Wettbewerb der unabhängigen upstream Firmen wird zu einem Preis
führen, für den pU > cU gilt. Wenn das jedoch der Fall ist, dann wird eine downstream
Abteilung einer integrierten Firma den Input lieber von der eigenen upstream Abteilung
beziehen als auf dem Markt zum Preis pU kaufen.
Betrachten wir nun die erste Behauptung.
Wenn eine unabhängige downstream Firma im Markt aktiv ist, ergibt sich durch den
Cournot–Wettbewerb für sie ein positiver Gewinn. Dies impliziert, dass pD −pU −cD > 0.
Wenn im Gleichgewicht, die upstream Abteilung einer integrierten Firma einen Teil
ihres Outputs an unabhängige downstream Firmen verkauft, bekommt sie eine Marge
von pU − cU für jede verkaufte Einheit.
Angenommen, dass die upstream Abteilung diesen Output vom Markt nimmt und ihn
stattdessen ihrer downstream Abteilung zur Verfügung stellt. Der Gesamtoutput des
Endproduktes bleibt dadurch unverändert und es wird zu keiner Preisänderung kommen.
Dies bedeutet jedoch, dass die integrierte Firma den Gewinn pD − cU − cD für jede
Einheit erhält, die sie intern verwendet. Wenn die obige Bedingung pD − pU − cD > 0
erfüllt ist, dann übersteigt dieser Gewinn denjenigen, den sie machen würde, wenn sie
an eine unabhängige downstream Firma verkauft. Also wird eine integrierte Firma ihr
Zwischenprodukt nicht an unabhängige downstream Firmen verkaufen.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass Marktschließungseffekte auftreten können.
Allerdings ist das nicht unbedingt gleichbedeutend damit, dass eine solche Marktschließung nachteilig für die Konsumenten ist.
60
2.3 Ausschließlichkeitsbindungen
Hierzu muss man die Auswirkungen einer solchen Marktschließung auf den Endpreis des
Gutes ermitteln. Die Analyse ist komplex, aber die Intuition kann wie folgt gegeben
werden.
Betrachten wir zuerst den upstream Markt. Eine vertikale Integration reduziert die Zahl
der unabhängigen upstream Firmen und gleichzeitig die Zahl der unabhängigen Abnehmer. Beide Faktoren verringern den Wettbewerb in dem Markt, in dem das Zwischenprodukt gehandelt wird.
Andererseits verkaufen die unabhängigen upstream Firmen an downstream Firmen, die
einen Kostennachteil im Vergleich zu den downstream Abteilungen der integrierten Firmen haben (sie zahlen den Preis pU statt cU ). Das beschränkt den Spielraum der unabhängigen downstream Firmen.
Wenn es nach einem vertikalen Zusammenschluss noch genug unabhängige upstream Firmen gibt, dann sind die wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen einer Marktschließung aufgrund einer weiteren vertikalen Fusion eher unbedeutend. Sie können sogar
durch die kostenreduzierende Wirkung einer vertikalen Fusion und der damit möglicherweise verbundenen Preissenkung überkompensiert werden. Anders ausgedrückt: Die
Wettbewerbsbehörden können sich recht sicher sein, dass eine vertikale Fusion und die
damit verbundenen Marktschließungseffekte keine negativen Auswirkungen auf die Konsumenten haben werden, wenn es einen großen Sektor unabhängiger upstream Firmen
gibt.
Allerdings berücksichtigt die Analyse mögliche strategische Reaktionen der upstream
und downstream Firmen nicht, deren Märkte durch vertikale Fusionen betroffen sind.
Eine mögliche Reaktion wäre, nach einer vertikalen Fusion sich ebenfalls einen möglichen
Partner für einen solchen Zusammenschluss zu suchen. Das würde dazu führen, dass sich
der Wettbewerbsdruck im downstream Markt erhöht, da die Kosten der downstream
Firmen geringer sind.
Ordover, Saloner und Salop (1990)2 schlagen hierzu ein einfaches aber instruktives Modell vor. Es werden je zwei upstream und zwei downstream Firmen upstream Firma
betrachtet. Die downstream Firmen stellen differenzierte Produkte her, die upstream
Firmen produzieren ein homogenes Gut, das beide downstream Firmen als Input verwenden. Wettbewerb findet in Preisen statt. Ordover, Saloner und Salop zeigen, dass für
eine Marktschließung aufgrund einer vertikalen Fusion zwischen z. B. einer downstream
Firma D1 und einer upstream Firma U 1, die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sein
müssen.
1. Die fusionierte Firma muss glaubhaft versprechen können, die unabhängige downstream Firma D2 nicht zu beliefern.
2. Es muss einen anderen upstream Anbieter geben, der bereit ist, das Gut zu einem
Preis anzubieten, der unterhalb einer kritischen Grenze c∗ liegt.
Diese kritische Grenze ist gegeben durch den höchsten Inputpreis, den die downstream
Firma D2 zu zahlen bereit ist, ohne dass es für sie profitabler wäre, sich mit U 2 zu2
Ordover, J. A., G. Saloner und S. Salop (1990): Equilibrium Vertical Foreclosure American Economic
Review 80, S. 127–142.
61
2 Vertikale Restriktionen
sammenzuschließen. Die Intuition ist die folgende: Angenommen, dass die fusionierte
Firma keinen Input an Firma D2 verkauft und dass es keinen anderen Anbieter gibt.
In diesem Fall wäre die upstream Firma U 2 Monopolistin gegenüber D2 und würde
für den Input den Monopolpreis verlangen. Unter diesen Umständen wäre es besser,
wenn D2 der Firma U 2 ein Fusionsangebot machen würde. U 2 würde dieses Angebot
akzeptieren, da der Gewinn der fusionierten Firma die Summe der Gewinne von D2
und U 2 bei unabhängiger Produktion übersteigen würde (ähnlich wie bei der doppelten
Marginalisierung).
Mit zwei fusionierten Firmen, die beide den Input zu Grenzkostenpreisen beziehen, würde
der Wettbewerb im downstream Markt so stark, dass D1 am liebsten nicht fusioniert
hätte. Genauer gesagt: Der downstream Wettbewerb sähe (zumindest für symmetrische firmen upstream) exakt so aus wie vor jeder vertikalen Fusion, da sich wegen des
Bertrand–Wettbewerbs im upstream Markt auch dann Grenzkostenpreise für den Input
bilden. Der Gewinn der aus D1 und U 1 entstandenen fusionierten Firma wäre also genau
so hoch wie der von D1 vor jeder Fusion, D1 könnte ihn in der fusionierten Firma aber
nicht zu hundert Prozent für sich verbuchen. Wenn D1 sich das vorher überlegt, wird es
zu keiner vertikalen Fusion kommen.
Anders ausgedrückt: Wenn es keine andere, relativ günstige Quelle für den Input gibt,
dann weiß D1 dass D2 auf die Drohung einer Marktschließung selbst mit einer vertikalen
Fusion reagieren wird, und verzichtet daher auf die Fusion.
Wenn es keinen anderen Anbieter des Inputs gibt, dann hat die fusionierte Firma U 1−D1
eine andere Strategie zur Verfügung, die zwar nicht zu einer Marktschließung, aber zu
einer Preiserhöhung für den downstream Konkurrenten D2 führt: Es wäre für U 1 − D1
möglich, der Firma D2 den Input zu einem Preis etwas unterhalb von c∗ , der oben
erwähnten kritischen Grenze, zu verkaufen.
Dies hat zwei Auswirkungen:
1. Es beschränkt die Marktmacht der unabhängigen upstream Firma U 2, eine Monopolrente von D2 zu bekommen, da U 2 nun den Preis von U 1 − D1 unterbieten
muss, um an D2 verkaufen zu können.
2. Da der Inputpreis, den D2 bezahlt, geringer ist als c∗ , hat D2 keinen Anreiz,
sich mit U 2 zusammenzuschließen. Diese Strategie führt zu einem Druck auf den
unabhängigen upstream Anbieter U 2. Wenn diese Firma nicht alle Kunden im
downstream Markt verlieren möchte, dann muss sie den Preis senken, den sie von
D2 verlangt.
Indem die fusionierte Firma eine Fusion der beiden Unternehmen U 2 and D2 zu verhindern versucht, muss sie den Preis gegenüber D2 senken und damit auch den für die
Konsumenten des Endprodukts. Ob sie diese Strategie verfolgt hängt von den Kosten
und dem Wert von c∗ ab.
Wir gelangen also im Modell von Ordover, Saloner und Salop (1990) — wie schon im
Modell von Salinger (1988) — wieder zu der Schlussfolgerung, dass die möglicherweise
schädlichen Effekte einer vertikalen Fusion nicht auftreten müssen. Es gibt nämlich entweder eine andere, günstige Quelle für den Input, oder die fusionierte Firma erachtet
62
2.4 Franchising
es als lohnend, die unabhängigen downstream Firmen zu beliefern, um sie von weiteren
vertikalen Zusammenschlüssen abzuhalten.
Zusammenfassend kann man also feststellen, dass Marktschließungseffekte in vielen Fällen als eher unwahrscheinlich oder ihre Auswirkungen als nicht gravierend einzuschätzen
sind.
2.4 Franchising
(vgl. Pepall, Richards und Norman, Abschnitt 9.6, S. 513 ff.)
Beim Franchising verkauft eine upstream Firma ihr Produkt zu Grenzkostenpreisen an
eine downstream Firma und erhält von dieser eine Zahlung (Franchisegebühr).
Franchising hat sich in den letzten Jahren zu einer Geschäftspolitik entwickelt, die immer
wichtiger wird. Viele Firmen verkaufen nur einen Handelsnamen und eine bestimmte Art
und Weise der Geschäftsorganisation. Zu nennen sind hier sind z. B. die großen Ketten
wie McDonald’s oder Burger King.
Allerdings wirft diese schnelle Zunahme an Franchisenehmern auch einige Fragen auf.
Z. B. werden einige der neueröffneten Geschäfte den bereits bestehenden Konkurrenz
machen, obwohl in den Arrangements häufig eine gewisse territoriale Souveränität garantiert wurde.
Es gibt mehrere gründe, warum eine upstream Firma ein Interesse daran hat, dass es
viele Franchisenehmer gibt.
Ein Grund wäre, dass in diesem Fall (Wettbewerb im downstream Markt) das Problem
der doppelten Marginalisierung gelöst werden kann.
Ein anderer Grund könnte der folgende sein: Durch zahlreiche Filialen kann die upstream Firma eine regionale Preisdifferenzierung durchführen und dadurch ihren Gewinn
erhöhen.
Ein weiterer Grund könnte darin bestehen, dass durch eine größere Anzahl von Filialen
ein sonst möglicherweise auftretendes moral hazard Problem gelöst werden kann: Wenn
es nur wenige Filialen gibt, dann ist es für das upstream Unternehmen schwierig zu
beurteilen, ob ein eventueller Nachfragerückgang auf die Nachlässigkeit des Franchisenehmers oder durch einen exogenen Nachfrageschock zurückzuführen ist. Wenn es jedoch
viele Filialen gibt, dann ist das durchschnittliche Ergebnis aller Filialen eine wichtige
Information zur Beurteilung der Leistung eines einzelnen Franchisenehmers.
Es könnte jedoch auch der Fall sein, dass durch viele Filialen eine Selbstbindung an
einen großen Output erreicht werden soll. Allerdings könnten die anderen Wettbewerber
eine ähnlich Überlegung angestellt haben, so dass sich ein Nash–Gleichgewicht ergibt,
in dem der gesamte Output zu groß und die Preise und Gewinne zu niedrig sind.
Diese Überlegung soll anhand des folgenden zweistufigen Spiels diskutiert werden: In der
ersten Stufe wählen die Firmen die Anzahl ihrer Filialen. In der zweiten Stufe befinden
sich dann alle Filialen in einem Cournot–Wettbewerb. Eine große Anzahl von Filialen ist
attraktiv, denn wenn sich die einzelnen Filialen als Cournot–Wettbewerber verhalten,
ignorieren sie den negativen, preissenkenden Effekt, den ihr Output auf die anderen
63
2 Vertikale Restriktionen
Filialen hat. Auf diese Weise kann sich die Firma glaubwürdig an einen größeren Output
binden und dadurch die Position eines Stackelberg–Führers erreichen.
Wir betrachten zwei Firmen, 1 und 2, die ein homogenes Produkt zu konstanten Grenzkosten c produzieren. Da die Filialen Zugang zu dieser Technologie haben, produzieren
sie ebenfalls mit diesen Grenzkosten. Die Nachfragefunktion nach dem Produkt ist gegeben durch
p(Y ) = a − b Y
wobei Y den Gesamtoutput bezeichnet.
In der ersten Stufe wählen die Firmen die Anzahl der Filialen n1 und n2 . Die Eröffnung
einer Filiale verursacht versunkene Kosten in Höhe von K. In der zweiten Stufe wählen
dann die Filialen ihren Output und verhalten sich dabei als Cournot–Wettbewerber.
Wir beginnen die Analyse des Spiels mit der zweiten Stufe: Hier bezeichne yij den Output
der Filiale i der Firma j mit i = 1, . . . , nj . Der Output aller Filialen ohne die ite Filiale
der Firma j ist gegeben durch Y−ij . Der Gewinn πij einer Filiale ist daher gegeben durch
πij (yij , Y−ij ) = (a − b (Y−ij + yij ) yij − c yij .
Der gesamte Output ist gegeben durch
nj
2 X
X
yij .
j=1 i=1
Gewinnmaximierung der Filiale i der Firma j erfordert:
(2.1) a − b Y−ij − 2 b yij = c.
Da alle Filialen identisch sind, wählen im Gleichgewicht alle Filialen die gleiche Menge,
d. h. yij∗ = y ∗ . Da es n1 + n2 Filialen gibt, ist Y−ij = (n1 + n2 − 1) y ∗ .
Einsetzen in Gleichung 2.1 und auflösen nach y ∗ ergibt
y∗ =
a−c
.
(n1 + n2 + 1) b
Daraus ergibt sich der Gesamtoutput
Y∗ =
n1 + n 2 a − c
.
n1 + n2 + 1 b
Der resultierende Marktpreis ist
p(Y ∗ ) =
a + (n1 + n2 ) c
.
n1 + n 2 + 1
Bei diesem Preis macht also jede Filiale den Gewinn von
∗
πij yij∗ , Y−ij
=
(a − c)2
b (n1 + n2 + 1)2
Die beiden Firmen entscheiden nun darüber, wie viele Filialen sie eröffnen sollen.
64
2.4 Franchising
Der Gewinn der Firma j kann geschrieben werden als
πj =
nj
X
i=1
(πij − K) .
Unter Berücksichtigung des gewinnmaximierenden Verhaltens der Filialen ergibt sich
dieser Gewinn zu
πj (nj , n−j ) = nj
(a − c)2
− K nj .
b (n1 + n2 + 1)2
Firma 1 und Firma 2 wählen nun die gewinnmaximierende Anzahl der Filialen, gegeben
die Anzahl der Filialen des Konkurrenten. Ableiten von πj (nj , n−j ) nach nj liefert
(a − c)2
2 nj
= K.
1−
1 + n1 + n2
b (n1 + n2 + 1)2
Da beide Firmen identisch sind, gilt für die optimalen Zahlen von Filialen n∗1 = n∗2 = 2 n∗ .
Einsetzen in die letzte Gleichung und Auflösen nach n∗ ergibt
"
#
2 1/3
1
(a
−
c)
n∗ =
−1 .
2
K
Die Zahl der Filialen hängt also positiv von der Differenz a − c und negativ von der
Höhe der Fixkosten einer Filiale ab. Man erinnere sich daran, dass die Preis–Kosten
Marge eines Monopols geschrieben werden kann als (a − c)/2. Wenn also der mögliche
Preisaufschlag eines Monopols größer wird, dann werden beide Firmen mehr Filialen
eröffnen.
Allerdings führt eine größere Zahl von Cournot–Firmen zu einer größeren Annäherung
an das Wettbewerbsgleichgewicht. Das kann jedoch nicht im Interesse der Franchisegeber
sein – besser wäre es, nur eine geringe Anzahl von Filialen zu unterhalten. Es handelt
sich bei diesem Problem also um das bekannte verallgemeinerte Gefangenendilemma.
Man kann also den Schluss ziehen, dass es – im Vergleich zum Optimum der beiden
Ketten McDonald’s und Burger King – viel zu viele Filialen gibt!
65
2 Vertikale Restriktionen
66
3 Forschung und Entwicklung
(vgl. Oz Shy, Kapitel 9, S. 221 ff.)
Ziel von Forschung und Entwicklung (F & E) sind Innovationen, wobei im allgemeinen
unterschieden wird zwischen Prozessinnovationen, d. h. Neuentwicklungen, die zu einer Reduktion der Produktionskosten für ein bestimmtes Produkt führen, und Produktinnovationen, d. h. Technologien zur Herstellung neuer Produkte.
Die Modellierung von Forschung und Entwicklung ist nicht einfach, denn Forschung und
Entwicklung bedeutet die Produktion von Wissen oder know–how. Im folgenden wird
dies dadurch dargestellt, dass die Produktionsfunktion geändert wird oder eine neue
Produktionsfunktion geschaffen wird.
Im folgenden werden wir zunächst Prozessinnovationen diskutieren und dann auf Produktinnovationen eingehen. Dabei interessiert uns einerseits, wie Firmen über ihre Investitionen in Forschung und Entwicklung entscheiden, was natürlich von den Auswirkungen auf ihren Gewinn abhängt, die sie von den Ergebnissen der F & E erwarten.
Andererseits möchten wir die sozialen Auswirkungen von F & E untersuchen.
In diesem Zusammenhang spielen Patente eine wichtige Rolle. Da Patente vom Staat
garantiert werden, sind sie ein offensichtliches Instrument, mit dem die F & E Aktivitäten
der Firmen im Sinne gesellschaftlicher Erwünschtheit beeinflusst werden können.
3.1 Klassifikation von Prozessinnovationen
(vgl. Oz Shy, Abschnitt 9.1, S. 222 ff.)
Kostenreduzierende Innovationen werden klassifiziert nach der Größe der Kosteneinsparung.
Um dies zu operationalisieren betrachten wir eine Industrie, in der ein homogenes Produkt hergestellt wird und die Firmen mit Preisen konkurrieren. Angenommen, alle Firmen haben anfangs die gleiche Technologie, d. h. alle Firmen produzieren mit den gleichen Grenzkosten c0 > 0. Es gibt also ein Bertrand–Gleichgewicht mit p0 = c0 ; alle
Firmen machen einen Gewinn von 0 und produzieren zusammen einen Output von Y0 .
Angenommen, genau eine der Firmen hat die Möglichkeit ein Forschungslabor einzurichten, das eine kostensparende Technologie entwickelt, mit der die Firma mit Grenzkosten
c < c0 produzieren kann. Durch diese Prozessinnovation würde sich ein asymmetrischer
Bertrand–Wettbewerb ergeben, in dem alle firmen die Grenzkosten c0 haben, während
die innovierende Firma Grenzkosten von c < c0 hat.
Im Ergebnis kann die innovierende Firma daher ihre Konkurrentinnen unterbieten und
die gesamte Nachfrage auf sich ziehen.1
1
Wir sehen hier von den bekannten technischen Problemen ab, die im asymmetrischen Bertrand–
67
3 Forschung und Entwicklung
Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden. Dazu überlegen wir uns,was die innovierende
Firma tun würde, wenn sie Monopolistin wäre. Ihr gewinnmaximierender Output wäre
dann durch die Bedingung MR(y) = c charakterisiert und es würde sich der Monopolpreis pM (c) ergeben. Entscheidend ist nun, ob dieser Monopolpreis unterhalb der
Grenzkosten c0 der Konkurrenz liegt oder nicht.
Definition 2 Sei pM (c) den Preis, der von einem Monopol verlangt würde, das
Grenzkosten von c hat.
1. Eine Innovation heißt groß oder drastisch, wenn pM (c) < c0 ist.
2. Eine Innovation heißt klein, wenn gilt pM (c) > c0 .
Graphisch kann man sich beide Arten von Prozessinnovationen wie folgt verdeutlichen.
p
pM (c1 )
p1 = p0
c0
c1
p2 = pM (c2 )
MR(y)
p(y)
c2
y1M
y1 = Y0 y2 = y2M
y
Eine Kostenreduktion von c0 auf c1 ist eine kleine Innovation, da der resultierende Monopolpreis oberhalb der Grenzkosten der Konkurrenzfirmen liegt. Würde die innovierende
Firma ihren Monopolpreis setzten, würden die Konkurrenzfirmen sie also unterbieten. In
diesem Fall kann die innovierende Firma sich also nicht als Monopolistin verhalten. Sie
wird den Preis der anderen Firmen knapp unterbieten, d. h., p1 = c0 − ǫ ≡ c0 setzen und
die Menge y1 = Y0 anbieten. Eine kleine Innovation ändert also den Marktpreis und die
von den Konsumenten gekaufte Menge nicht. Die einzige Konsequenz einer kleinen Innovation ist, dass der Innovator den gesamten Markt bedient und den positiven Gewinn
(c0 − c1 ) Y0 erhält.
Im Unterschied dazu ist die Kostenreduktion von c0 auf c2 eine drastische Innovation, da
der resultierende Monopolpreis für die innovierende Firma unterhalb der Grenzkosten
Modell auftreten.
68
3.2 Patentrennen
der Konkurrenzfirmen liegt. In diesem Fall wird die innovierende Firma den Monopolpreis setzen, den die Konkurrenzfirmen nicht unterbieten werden (sonst würden sie zu
Preisen unterhalb ihrer Grenzkosten verkaufen und Verluste machen). Es ergibt sich als
neuer Preis p2 der Monopolpreis der innovierenden Firma und als als Menge y2 ihre
Monopolmenge. Man sieht, dass p2 = pM (c2 ) < c0 und y2 = y M (c2 ) > Y0 gilt. Trotz des
Übergangs vom Bertrand–Wettbewerb zum Monopol sinkt also der Preis und die Menge
steigt.
Man beachte, dass die Definition eine Änderung in den Kosten mit den Marktbedingungen in Verbindung bringt. Ob eine gegebene Prozesinnovation groß oder klein ist, hängt
also nicht nur von der Kostenreduktion ab, die sie mit sich bringt, sondern auch von den
Nachfragebedingungen im Markt.
3.2 Patentrennen
(vgl. Oz Shy, Abschnitt 9.2, S. 224 ff.)
Bei Produktinnovationen spielt es eine große Rolle, wann ein neues Produkt auf den
Markt gebracht wird. Die Firma, die zuerst ein neues Produkt auf den Markt bringt,
hat aus zwei Gründen einen Vorteil gegenüber den Konkurrenzfirmen:
1. Die innovierende Firma, kann ein Patent auf das Produkt erwerben, das ihr für
die Patentlaufzeit die Möglichkeit gibt, einen Monopolgewinn zu erzielen.
2. Die innovierende Firma wird von den Konsumenten als Produzent höherer Qualität
bewertet, so dass sie bereit sind, einen höheren Preis für die Marke des Innovators
zu zahlen.
Aus diesem Grund investieren viele Firmen große Summen in Forschung und Entwicklung
mit dem Ziel, neue Produkte auf den Markt bringen zu können. Dabei nehmen wir in der
Regel an, dass der Wert der Entdeckung eines neuen Produkts darin liegt, ein Patent zu
erhalten. Es geht also darum, welche Firma zuerst eine patentfähige Entdeckung macht.
Daher spricht man bei diesen Modellen von auch von Patentrennen.
Natürlich stellt sich Frage, ob in einem Patentrennen aus gesellschaftlicher Sicht zu viel
oder zu wenig in F & E investiert wird.
Betrachten wir eine Industrie mit zwei Firmen k = 1, 2, die eine neue Technologie zur
Herstellung eines neuen Produktes suchen. Der Erfolg von F & E zur Entdeckung der
Technologie ist aber unsicher. Jede Firma k, hat die Möglichkeit, einen Betrag I in ein
Forschungslabor investieren. Tut sie dies, so hat sie mit der Wahrscheinlichkeit α Erfolg,
d. h., mit dieser Wahrscheinlichkeit kann sie das neue Produkt auf den Markt bringen.
Der resultierende Gewinn eines Erfolgs der F & E Investition hängt davon ab, ob die
Firma allein erfolgreich ist oder ob die andere ebenfalls die Technologie entdeckt. Als
alleinige Anbieterin des neuen Produkts macht eine Firma einen Gewinn von V , entdecken beide Firmen die neue Technologie, macht sie nur noch den halben Gewinn, also
V /2. Im Falle des Scheiterns ist die Situation hingegen eindeutig: Der Gewinn der Firma
ist dann 0.
69
3 Forschung und Entwicklung
Der erwartete Gewinn der Firma k aus einer Investition I hängt damit davon ab, wie
viele Firmen in F & E investieren. Wir bezeichnen diese Zahl mit n (hier kann n die
Werte 1 oder 2 annehmen) und schreiben den erwarteten Gewinn als Eπk (n). Die Investitionsausgaben der Firma k werden durch ik ∈ {0, I} bezeichnet.
Wir analysieren zunächst, unter welchen Bedingungen Investitionen in F & E getätigt
werden, wenn dies nur eine firma oder wenn dies zwei Firmen tun, um dann das sozial
optimale Niveau der F & E Investitionen zu bestimmen.
F & E einer einzelnen Firma
Wenn nur Firma 1 in F & E investiert, dann wird sie mit Wahrscheinlichkeit α erfolgreich
sein und einen Gewinn von (V − I) machen; mit der Restwahrscheinlichkeit wird sie die
Entdeckung nicht machen und den Verlust −I realisieren. Der erwartete Gewinn ist also
Eπ1 (1) = α V − I.
Setzt man den erwarteten Gewinn gleich 0, erhält man den Schwellenwert für die Investitionsentscheidung von Firma 1. Es gilt
I falls α V ≥ I
(3.1) i1 =
0 sonst
F & E zweier Firmen
Wenn sich zwei Firmen an einem Patentrennen beteiligen, dann ergeben sich zwei Arten
der Unsicherheit für jede der beiden Firmen: Zum einen ist es die technologische
Unsicherheit, ob sie selbst das Produkt erfolgreich entwickelt oder nicht; zum anderen
ist es die Marktunsicherheit, ob das Produkt von der Konkurrenzfirma entdeckt wird.
Wenn beide Firmen F & E betreiben, dann ist der erwartete Gewinn der Firma k gegeben
durch
Eπk (2) = α (1 − α) V + α2 V /2 − I.
Setzt man diesen Ausdruck gleich 0, ergibt sich der Schwellenwert dafür, dass beide
Firmen F & E betreiben. Es gilt
(3.2) i1 = i2 = I
wenn
α (2 − α) V
≥ I.
2
Das gesellschaftlich optimal Niveau von Forschung und Entwicklung
Im folgenden wird untersucht, welches die Zahl von Firmen die in F & E investieren ist,
die die soziale Wohlfahrt maximiert. Im allgemeinen kann man nicht erwarten, dass die
oben entwickelten individuellen Entscheidungen der Firmen, sozial optimal sind. Der
Grund besteht darin, dass die Forschung einer Firma eine negative Externalität auf die
andere Firma ausübt, so dass zu erwarten wäre, dass zwei Firmen tendenziell zu viel in
F & E investieren werden.
70
3.2 Patentrennen
Vom Standpunkt der gesellschaftlichen Wohlfahrt betrachtet, erhöht zwar die Zahl forschender Firmen die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung eines neuen Produktes, führt
aber auch zu einer Erhöhung der aggregierten F & E Ausgaben aufgrund einer Duplizierung der Forschungsaktivitäten.
Die Wohlfahrt der Gesellschaft wird mit der Summe der erwarteten Gewinne beider
Firmen assoziiert und mit Eπ S (n) bezeichnet; n = 1, 2 ist dabei wieder die Zahl der
Firmen, die F & E betreiben.
Wenn nur Firma 1 F & E betreibt (n = 1), dann gilt
(3.3) Eπ S (1) = α V − I = Eπ1 (1).
Wenn also nur eine Firma forscht, dann ist der erwartete soziale Gewinn aus F & E gleich
dem erwarteten Gewinn dieser Firma.
Wenn zwei Firmen forschen (n = 2), dann gilt
Eπ S (2) = Eπ1 (2) + Eπ2 (2) = 2 α (1 − α) V + α2 V − 2 I.
Sozial optimal ist F & E von zwei Firmen dann, wenn der dadurch zu erwartende Gewinn
positiv ist und mindestens so hoch wie der bei F & E von nur einer Firma. Es gilt
(3.4) Eπ S (2) ≥ Eπ S (1)
⇐⇒
α (1 − α) V ≥ I.
In diesem Falle ist, wie wir aus den Gleichungen (3.3) und (3.1) wissen, Eπ S (1) ≥ 0,
F & E durch zwei Firmen also sozial optimal.
Die in den Gleichungen (3.1), (3.2), (3.3) und (3.4) angegebenen Bedingungen kann man
grafisch wie folgt darstellen.
I
Eπ1 (1) = Eπ S (1) = 0
I
II
Eπk (2) = 0
III
IV
Eπ S (1) = Eπ S (2)
α
In der Grafik kann man die folgenden vier Bereiche unterscheiden:
Bereich I Hohe Innovationskosten – geringe Erfolgswahrscheinlichkeit oberhalb des Strahls
mit Eπ1 (1) = 0: Selbst für eine Firma ist es nicht profitabel in F & E zu investieren.
In diesem Fall ist es auch für die Gesellschaft nicht lohnend, F & E zu betreiben.
71
3 Forschung und Entwicklung
Bereich II Kosten und Erfolgswahrscheinlichkeit liegen unterhalb der Kurve Eπ1 (1) = 0
und der Kurve Eπk (2) = 0: Für eine Firma lohnt es sich zu forschen, nicht jedoch
für zwei Firmen. Auch in diesem Bereich stimmen die individuellen Entscheidungen
mit den Interessen der Gesellschaft überein.
Bereich III Kosten und Erfolgswahrscheinlichkeit liegen unterhalb der Kurve Eπk (2) =
0 aber oberhalb der Kurve Eπ S (1) = Eπ S (2): In diesem Bereich ist es für beide
Firmen interessant in F & E zu investieren. Allerdings ist vom Standpunkt der
gesellschaftlichen Wohlfahrt die Verdopplung der Forschungskosten (2 I) größer als
der Nutzen der Gesellschaft aus einer erhöhten Wahrscheinlichkeit der Entdeckung
eines Produktes. In diesem Fall liegt Marktversagen vor.
Bereich IV Kosten und Erfolgswahrscheinlichkeit liegen unterhalb der Kurve Eπ S (1) =
Eπ S (2): Hier sind die Kosten so gering, dass es sowohl vom Standpunkt der Gesellschaft als auch aus Sicht der Firmen sinnvoll ist, dass zwei Firmen F & E betreiben.
Theorem 10 Ein Marktversagen, eine Situation in der es sozial optimal wäre, dass
nur eine Firma F & E betreibt, aber im Gleichgewicht zwei Firmen forschen, tritt
nur im Bereich III auf.
Hier haben die Innovationskosten I einen mittleren Wert.
Formal:
Eπ S (2) < Eπ S (1) aber Eπk (2) > 0.
Dies ist der Fall, wenn
α (1 − α) V < I < α V.
3.3 Patente
(vgl. Oz Shy, Abschnitt 9.4, S. 233 ff.)
Die Dauer eines Patents ist in verschiedenen Ländern unterschiedlich lang; so beträgt
sie z. B. in den USA 17 Jahre, in Deutschland ist sie 20 Jahre und in Großbritannien 14.
Warum gibt es diese Unterschiede und was ist die optimale Dauer eines Patents?
Ein zentraler Aspekt der Patentlaufzeit ist natürlich der trade–off zwischen dem Anreiz, für eine Unternehmung die effiziente Forschungsaktivität zu entfalten, da es durch
ein Patent für einen bestimmten Zeitraum höhere Gewinne erwirtschaften kann, und
dem Nutzen, der den Konsumenten zuwächst, wenn das Patent endet und Wettbewerb
einsetzt. Dies soll anhand eines einfachen Modells diskutiert werden.
Betrachten wir eine Wettbewerbsindustrie, in der jede Firma eine nicht drastische Innovation anstrebt. Die Grenzkosten jeder Firma betragen vor der Innovation c. Wenn eine
Firma F & E mit einer bestimmten Intensität x betreibt, dann erhofft sie, diese Kosten
72
3.3 Patente
auf c − x senken zu können. Diese F & E Aktivitäten verursachen Kosten in Höhe von
r(x) mit r′ (x) > 0 und r′′ (x) > 0.
Vor der Innovation entspricht der Marktpreis bei Preiswettbewerb den Grenzkosten c.
Der gleichgewichtige Output sei durch Y (c) gegeben.
Eine Firma, die die Innovation durchführt senkt die Grenzkosten auf c − x und kann alle
anderen Firmen vom Markt verdrängen, indem sie das Produkt etwas billiger verkauft
als ihre Konkurrenten. Sie könnte auch eine Lizenz vergeben, für die die Konkurrenten
eine Gebühr von c − x pro Einheit zahlen müssten. In jedem Fall bleiben der Marktpreis
und die Menge unverändert. Die innovierende Firma wird jedoch einen positiven Gewinn erzielen. Wenn das Patent T Jahre gilt, dann kann sie diesen Gewinn für T Jahre
sicherstellen.
Wenn jedoch die Patentlaufzeit endet, werden alle Firmen Zugang zu der neuen Technologie haben, der Preiswettbewerb wird den Marktpreis auf c − x senken, und der Output
wird auf Y (c − x) steigen. Der Gewinn der innovierenden Firma wird auf die Konsumenten als Konsumentenrente umverteilt; darüber hinaus wird durch die höhere Menge
zusätzliche Konsumentenrente generiert.
(vgl. Oz Shy, Abschnitt 9.4.1, S. 236 f.)
Je länger die Patentlaufzeit ist, desto länger kann die innovierende Firma ihren erhöhten
Gewinn realisieren und desto größer ist daher auch ihr Anreiz, in F & E zu investieren.
Wir wollen den Gegenwartswert des Profits berechnen, den eine Firma, die F & E mit
der Intensität x betreibt, über die T Perioden der Patentlaufzeit erzielt; diesen werden
wir mit π M (x, T ) bezeichnet.
Zunächst ist klar, dass der Gewinn während der Patentlaufzeit pro Periode gerade
[c − (c − x)] Y (c) = x Y (c) beträgt. Der Diskontfaktor ist ̺, mit 0 < ̺ < 1. Dann
erhalten wir
T
X
t−1
M
π (x, T ) =
̺ x Y (c) − r(x)
t=1
1 − ̺T
x Y (c) − r(x).
1−̺
Für jede vorgegebene Patentlaufzeit wird eine Firma Innovationsaktivitäten in Höhe von
x∗ (T ) so wählen, dass dieser Ausdruck maximiert wird. Im Optimum ist der zusätzliche
diskontierte Gewinn genauso groß wie die Grenzkosten der Forschung.
Natürlich wird ein Patentamt den Zusammenhang zwischen Laufzeit des Patentes und
der Höhe der Forschungsaktivitäten bei einer Entscheidung über die Laufzeit mit berücksichtigen. Um nun eine optimale Wahl von T treffen zu können, muss das Patentamt
diejenige Laufzeit wählen, die die volkswirtschaftliche Rente (also Konsumenten- und
Produzentenrente) maximiert.
Dabei sei die Zunahme an Konsumentenrente, ab der Periode realisiert wird, in der die
Laufzeit des Patents endet, durch CS(x) bezeichnet. Der Gegenwartswert der Zunahme
an Konsumentenrente ist dann gegeben durch:
=
CS(x, T ) =
∞
X
t=T +1
̺t−1 CS(x) =
̺T
CS(x).
1−̺
73
3 Forschung und Entwicklung
Der Gegenwartswert der gesamten zusätzlichen volkswirtschaftlichen Rente aufgrund
einer Innovation beträgt daher
W (x∗ (T ), T ) = π M (x∗ (T ), T ) + CS (x∗ (T ), T ) − r (x∗ (T )) .
Daraus die optimale Patentlaufzeit T ∗ zu ermitteln, ist nicht einfach, aber man kann
intuitiv zeigen, dass sie endlich ist.
Die Argumentation ist die folgende: Wenn die Patentlaufzeit Null beträgt, dann sind
die Erträge für innovierende Firmen Null, da jede Innovation sofort imitiert wird. Daher
wird es keine F & E geben und die volkswirtschaftliche Rente ändert sich nicht. Wenn
wir die Patentlaufzeit nun auf einen Wert T > 0 setzen, dann führt das zu F & E und
damit zu einer Zunahme an volkswirtschaftlicher Rente.
Ab einer bestimmten Laufzeit wird eine weitere Erhöhung von T jedoch trotz erhöhter
F & E Aktivität und daraus resultierender Senkungen der Produktionskosten zu einer
Verringerung der volkswirtschaftlichen Rente führen. Zum einen liegt dies an den zunehmenden Grenzkosten für F & E: Um eine zusätzliche Kostenersparnis zu realisieren muss
die Laufzeit daher überproportional erhöht werden. Zum anderen an der Diskontierung
zukünftiger Erträge: Der Zuwachs an Konsumentenrente wird erst realisiert, wenn die
Laufzeit des Patents beendet ist. Wenn also T sehr groß ist, dann ist der Gegenwartswert
der zusätzlichen Konsumentenrente sehr gering.
Dies ist insofern ein wichtiges Ergebnis, als bisweilen der Vorschlag gemacht wird, dass
ein Patentschutz eine unbegrenzte Laufzeit haben sollte. Dies würde jedoch nur die
Gewinne der innovierenden Firma nicht aber die zusätzliche Konsumentenrente berücksichtigen.
3.4 Forschungskooperationen
(vgl. Pepall, Richards und Norman, Abschnitt 11.6, S. 627 ff.)
Im Abschnitt über Patentrennen hatten wir gesehen, dass es unter bestimmten Umständen zu einer ineffizient großen Investition in F & E kommen kann. Es stellt sich daher
die Frage ob die Firmen nicht durch Forschungskooperationen eine solche Doppelinvestition vermeiden können. Dass solche Kooperationen zwischen Firmen häufig vorkommen,
ergibt sich auch aus mehreren empirischen Untersuchungen.
Zur Analyse dieser Frage betrachten wir ein einfaches Cournot–Duopol in dem unterstellt wird, dass es zwischen den Firmen technologische spillovers‘ gibt, d. h. es wird
’
angenommen, dass die Forschungsergebnisse einer Firma eine positive Auswirkung auf
die andere Firma haben. Es werden die folgenden drei Fragen untersucht:
1. Welche Auswirkung hat das Ausmaß von spillovers‘ auf die Anreize der Firmen,
’
in F & E zu investieren?
2. Welchen Einfluss haben die spillovers‘ auf die ökonomischen Auswirkungen von
’
F & E Investitionen?
74
3.4 Forschungskooperationen
3. Welche Wirkungen würden von verschiedenen Formen der Zusammenarbeit der
Firmen im Bereich der F & E zu erwarten sein, z. B. in Form einer Forschungskooperation oder eines Research Joint Ventures?
Wir modellieren die Nachfrageseite des Modells wie üblich mittels einer linearen Preis–
Absatz–Funktion
p(Y ) = a − b Y.
Es gibt zwei Firmen i = 1, 2, die das Gut mit konstanten Grenzkosten c herstellen. Durch
Investitionen in F & E kann eine Firma Prozessinnovation erzielen, die diese Kosten
senken.
Eine derartige Innovation hat allerdings auch positive Auswirkungen auf die andere Firma, d. h. wir nehmen an, dass die Forschungsergebnisse einer Firma (durch Zufall, Industriespionage, Zwischenergebnisse etc.) auch der anderen wenigstens zum Teil bekannt
werden.
Die Kostenfunktionen der beiden Firmen in Abhängigkeit von ihren F & E Intensitäten
x1 und x2 sind
und
c1 (x1 , x2 ) = c − x1 − β x2
c2 (x1 , x2 ) = c − x2 − β x1
Dabei nehmen wir an, dass 0 < β < 1, d. h., es existieren partielle spillovers‘.
’
Die Kosten für F & E mit Intensität x sind gegeben durch die konvexe Kostenfunktion
r(x) =
x2
.
2
Zuerst untersuchen wir, welche Ergebnisse sich ohne Forschungskooperation einstellen.
Dazu betrachten wir ein zweistufiges Spiel. In der ersten Stufe wählen die Firmen ihre
Forschungsintensität xi , in der zweiten Stufe wählen sie ihren Output in einem Cournot–
Spiel. Die Ergebnisse der zweiten Stufe sind die üblichen Cournot–Mengen (vgl. S. 130
Skript IO I):
a − 2 c1 + c2
3b
a − 2 c2 + c1
C
.
y2 (c1 , c2 ) =
3b
y1C (c1 , c2 ) =
und
Die Gewinne der beiden Firmen sind
(a − 2 c1 + c2 )2
− r(x1 )
9b
(a − 2 c2 + c1 )2
C
− r(x2 ).
π2 (c1 , c2 ) =
9b
π1C (c1 , c2 ) =
und
Durch Einsetzen der Kostenfunktionen
ci (x1 , x2 ) = c − xi − βxj
75
3 Forschung und Entwicklung
können die Produktionsmengen als Funktionen der Forschungsinvestitionen x1 und x2
geschrieben werden.
Die resultierenden Cournot–Mengen sind dann
a − c + x1 (2 − β) + x2 (2 β − 1)
3b
a
−
c
+
x
(2
−
β) + x1 (2 β − 1)
2
.
und
y2C (x1 , x2 ) =
3b
Auch die Gewinne in der zweiten Stufe können als Funktionen von x1 und x2 geschrieben
2
werden, wobei wir noch r(x) = x2 einsetzen. Sie sind
2
a − c + x1 (2 − β) + x2 (2 β − 1)
x2
C
− 1
π1 (x1 , x2 ) =
9b
2
und
2
a
−
c
+
x
(2
−
β)
+
x
(2
β
−
1)
x2
2
1
π2C (x1 , x2 ) =
− 2.
9b
2
Wie zu erwarten war, nimmt der Output einer Firma in den eigenen Forschungsinvestitionen zu.
Die Forschungsaktivitäten der anderen Firma bewirken prinzipiell zwei gegenläufige Effekte: Zum einen gibt es spillovers‘, die die eigenen Kosten senken und dadurch die
’
Ausbringungsmenge im Cournot–Gleichgewicht erhöhen, zum anderen gibt es den direkten Effekt, dass die andere Firma effizienter wird, was die eigene Menge im Cournot–
Gleichgewicht senkt. Welcher Effekt überwiegt, hängt davon ab, ob β größer oder kleiner
als 0, 5 ist. Wenn β > 0, 5 ist, dann überwiegt der erste, andernfalls der zweite Effekt.
Jede Firma wird ihre Forschungsinvestition so wählen, dass sie, gegeben das Forschungsniveau der anderen Firma, ihren Gewinn maximieren. Wir müssen also die Reaktionsfunktionen bezüglich der Forschungsaktivitäten herleiten, um sie dann gleich zu setzen.
Die Bedingungen erster Ordnung lauten
y1C (x1 , x2 ) =
∂πiC
(x1 , x2 )
∂xi
2 (2 − β) a − c + xi (2 − β) + xj (2 β − 1)
− xi = 0.
=
9b
Die Reaktionsfunktionen der beiden Firmen sind dann
2 (2 − β) a − c + x2 (2 β − 1)
x1 (x2 ) =
(9 b − 2 (2 − β)2 )
2 (2 − β) a − c + x1 (2 β − 1)
.
und
x2 (x1 ) =
(9 b − 2 (2 − β)2 )
C
C
In einem symmetrischen Cournot–Nash Gleichgewicht gilt xC
1 = x2 = x . Einsetzen in
die obigen Reaktionsfunktionen ergibt
C
C
xC
=
1 = x2 = x
76
2 (a − c) (2 − β)
9 b − 2 (2 − β) (1 + β)
3.4 Forschungskooperationen
Setzt man diese Werte in die Gleichungen für den Output und den Gewinn ein, so erhält
man.
y1C = y2C = y C =
und
3 (a − c)
9 b − 2 (2 − β) (1 + β)
(a − c)2 (9 b − 2 (2 − β)2 )
π1C = π2C = π C = 2
9 b − 2 (2 − β) (1 + β)
Man beachte, dass die Steigung der Reaktionsfunktionen davon abhängt, ob die spill’
overs‘ hoch oder niedrig sind.
Im ersten Fall sind die Forschungsaktivitäten strategische Komplemente, d. h., die
Reaktionsfunktionen haben eine positive Steigung. In diesem Fall führt eine Erhöhung
der Forschungsinvestitionen einer Firma dazu, dass durch den hohen spillover‘ der Ge’
winn der anderen Firma erhöht wird und diese dadurch Anreize und finanzielle Mittel
erhält, ebenfalls ihre F & E Investitionen zu erhöhen.
Sind die spillovers‘ jedoch gering, dann sind die Forschungsinvestitionen strategische
’
Substitute und die Reaktionsfunktionen haben einen fallenden Verlauf. In diesem Fall
führen erhöhte Forschungsinvestitionen einer Firma zu einem Wettbewerbsvorteil und
einem verringerten Gewinn für die Konkurrentin, die daraufhin mit einer Reduktion
ihrer F & E Investitionen reagiert.
Betrachten wir zur Illustration ein numerisches Beispiel mit p(Y ) = 100 − 2 Y und
c = 60. Die Firmen können zwischen hoher Forschungsinvestition xi = 10 oder geringer
Forschungsinvestition xi = 7, 5 wählen. Die spillovers‘ sind entweder β = 1/4 oder
’
β = 3/4.
Betrachten wir zuerst den Fall mit geringen spillovers‘, also β = 1/4.
’
Wenn Firma 2 hohe Forschungsinvestitionen wählt und Firma 1 ebenfalls, ergibt sich
40 + 17, 5 − 5
= 8, 75.
y1C (10, 10) =
6
(40 + 17, 5 − 5)2 100
und
π1C (10, 10) =
−
= 103, 13.
18
2
Antwortet Firma 1 jedoch mit geringen Forschungsinvestitionen, führt das zu
40 + 13, 125 − 5
y1C (7, 5, 10) =
= 8, 02.
6
(40 + 13, 125 − 5)2 56, 25
und
π1C (7, 5, 10) =
−
= 100, 54.
18
2
Wählt Firma 2 jedoch niedrige Forschungsinvestitionen, dann erhalten wir für die beiden
möglichen Niveaus von x1
40 + 17, 5 − 3, 75
= 8, 96.
y1C (10, 7, 5) =
6
(40 + 17, 5 − 3, 75)2 100
und
π1C (10, 7, 5) =
−
= 110, 50.
18
2
77
3 Forschung und Entwicklung
bzw.
40 + 13, 125 − 3, 75
= 8, 23.
6
(40 + 13, 125 − 3, 75)2 56, 25
π1C (7, 5, 7, 5) =
−
= 107, 31.
18
2
y1C (7, 5, 7, 5) =
und
Analog ergeben sich die entsprechenden symmetrischen Resultate für Firma 2.
Trägt man die Gewinne in eine Auszahlungsmatrix ein, in der jeweils zuerst die Auszahlung der Firma 1, die die Zeilenspielerin ist, und als zweites die Auszahlung der Firma
2, der Spaltenspielerin, angegeben ist, ergibt sich
x2 = 7, 5
x2 = 10
x1 = 7, 5 107,31;107,31 100,54;110,50
x1 = 10 110,50;100,54 103,13*;103,13*
Analog erhält man für hohe spillovers‘, also für β = 3/4, die Auszahlungsmatrix
’
x2 = 7, 5
x2 = 10
x1 = 7, 5 128,67*;128,67* 136,13;125,78
x1 = 10
125,78;136,13 133,68;133,68
In beiden Auszahlungsmatrizen haben wir das Nash Gleichgewicht markiert.
Das Nash Gleichgewicht im Fall geringer spillovers‘ führt dazu, dass beide Firmen eine
’
hohe Forschungsinvestition wählen. Die Auszahlungsmatrix entspricht der eines Gefangenendilemmas, denn beide Firmen könnten sich verbessern, wenn beide niedrige F & E
Ausgaben wählen würden.
Intuitiv führen geringe spillovers‘ dazu, dass beide Firmen übermäßig aggressive F & E
’
betreiben, da sie sich jeweils einen Wettbewerbsvorteil von der Kostenreduktion versprechen, an der ihr Konkurrentin kaum partizipiert.
Im Falle hoher spillovers‘ wählen beide Firmen im Nash Gleichgewicht geringe F & E
’
Ausgaben. Auch hier entspricht aber die Auszahlungsmatrix der eines Gefangenendilemmas; diesmal wäre die Pareto–Verbesserung die gemeinsame Wahl hoher F & E Ausgaben.
Die Intuition hinter diesem Ergebnis ähnelt der, die wir aus der Problematik der Bereitstellung öffentlicher Güter kennen: Hohe spillovers‘ machen F & E Ergebnisse zu quasi
’
öffentlichen Gütern. Daher reduzieren sich die Anreize selbst F & E zu betreiben. Beide
Firmen möchten als Trittbrettfahrer von der F & E der jeweils anderen profitieren, was
zu insgesamt zu niedrigen F & E Investitionen führt.
Im folgenden werden zwei Arrangements untersucht, wie die beiden Duopolisten diese
Ergebnisse ändern können.
Zuerst betrachten wir eine Forschungskooperation, in der die beiden Firmen ihre Forschungsaktivitäten so koordinieren, dass sie ihren Gesamtgewinn maximieren, .. h., sie
78
3.4 Forschungskooperationen
internalisieren die externen Effekte durch die spillovers‘. Dabei bleiben sie auf dem
’
Produktmarkt weiterhin Konkurrentinnen.
Im Anschluss daran untersuchen wir den Fall, in dem die beiden Firmen ein gemeinsames
Forschungslabor errichten. Auch in diesem Fall werden x1 und x2 kooperativ gewählt;
der Unterschied besteht darin, dass zusätzlich der spillover‘ β gleich 1 gesetzt wird,
’
d. h., alle Forschungsergebnisse werden beiden Firmen im vollen Umfang zugänglich.
(vgl. Pepall, Richards und Norman, S. 636)
Aus den oben abgeleiteten Ausdrücken für die Gewinne der beiden Firmen ergibt sich
der Gesamtgewinn als:
π1 + π2
[a − c + x1 (2 − β) + x2 (2 β − 1)]2 x21
=
−
+
9b
2
[a − c + x2 (2 − β) + x1 (2 β − 1)]2 x22
− .
9b
2
Ableiten nach x1 ergibt
∂ (π1 + π2 )
∂x1
=
2 (2 − β) [a − c + x1 (2 − β) + x2 (2 β − 1)]
− x1
9b
2 (2 β − 1) [a − c + x2 (2 − β) + x1 (2 β − 1)]
= 0.
+
9b
Ein analoges Ergebnis folgt für die Ableitung nach x2 . Setzt man x1 = x2 = xF K
(Forschungskartell), dann vereinfacht sich diese Bedingung zu
2 (1 + β) a − c + xF K (1 + β) − 9 b xF K
= 0.
9b
Im Gleichgewicht gilt also
xF1 K = xF2 K = xF K =
2 (a − c) (1 + β)
.
9 b − 2 (1 + β)2
Dieser Ausdruck ist zunehmend in β.
Die gleichgewichtigen Outputmengen und Gewinne sind
3 (a − c)
9 b − 2 (1 + β)2
(a − c)2
=
.
9 b − 2 (1 + β)2
y1F K = y2F K = y F K =
und
π1F K = π2F K = π F K
Die Möglichkeit, durch eine Koordination der Forschungsaktivitäten die externen Effekte der Forschungsinvestitionen zu internalisieren, führt dazu, dass der Gewinn bei
Koordination immer mindestens so hoch ist, wie bei nichtkooperativem Verhalten. Allerdings sind Forschungskooperationen nicht immer vorteilhaft für die Konsumenten.
79
3 Forschung und Entwicklung
Wenn die spillovers‘ gering sind, dann werden im nichtkooperativen Gleichgewicht große
’
Forschungsaktivitäten unternommen, die zu Kostensenkungen, einem größeren Output
und damit zu geringeren Preisen führen. Bei einer Koordination werden die Unternehmen geringere Forschungsinvestitionen tätigen, um ihren Gewinn zu erhöhen, so dass die
beschriebenen positiven Effekte geringer ausfallen.
Sind die spillovers‘ jedoch groß, dann profitieren sowohl die Firmen als auch die Konsu’
menten von einer Koordination der Forschungsaktivitäten. Die in diesem Fall auftretenden positiven externen Effekte von Forschungsinvestitionen werden internalisiert, und es
wird insgesamt mehr in F & E investiert. Dies führt zu Kostensenkungen, einem größeren
Output und geringeren Preisen.
(vgl. Pepall, Richards und Norman, S. 638)
Der Fall, dass die beiden Firmen ein gemeinsames Forschungslabor einrivchten, führt zum
maximalen Nutzen für die Firmen und die Konsumenten. Dies sieht man unmittelbar,
wenn man in den obigen Gleichungen β = 1 setzt.
Die Forschungsinvestitionen xgL
i (gemeinsames Labor) sind dann
xgL
= xgL
= xgL =
1
2
4 (a − c)
.
9b − 8
Die gleichgewichtigen Outputmengen yigL und Gewinne πigL sind
3 (a − c)
9b − 8
(a − c)2
=
.
9b − 8
y1gL = y2gL = y gL =
und
π1gL = π2gL = π gL
Indem die positiven externen Effekte durch β = 1 maximiert werden, wird gleichzeitig der
Nutzen aus einer Forschungsinvestition maximiert. Aufgrund des gemeinsamen Labors
werden diese externen Effekte internalisiert, d. h., die effiziente Menge an Investitionen
wird gewählt.
Die Schlussfolgerung für die Wettbewerbspoliktik ist klar: Gemeinsame Forschungsaktivitäten zwischen den Firmen sollten zugelassen wenn nicht sogar gefördert werden.
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass gemeinsame Forschungen der Firmen auch dazu
führen können, dass sie sich leichter auf eine Kartellabsprache im Outputmarkt (z. B.
Quoten– oder Preiskartell) einigen könnten.
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