Labordiagnostik bei Myokardinfarkt und Herzinsuffizienz SS 2012 Alexander Brodner Akuter Myokardinfarkt Diagnostik: Klinik, EKG, Labor Biomarker spielen eine entscheidende Rolle! Nachweis einer Myokardnekrose instabile Angina pectoris Myokardinfarkt Biomarker Geeignet für die Diagnostik: •Troponin I und Troponin T •CK‐MB und CK‐MB/CK gesamt ‐ Quotient •Myoglobin Ungeeignet für die Akutdiagnostik, da zu unspezifisch: •AST (Aspartat‐Aminotransferase, früher GOT) •LDH (Lactatdehydrogenase) Troponine Nach Seidman, J. G. und Seidman, C. (2001): The genetic basis for cardiomyopathy: from mutation identification to mechanistic paradigms, Cell (104) [4], 557‐67. dt Version: S. Dähmlow: Mutationen und Polymorphismen im ß‐MHC‐ und Troponin T‐Gen bei Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie" TnC: nicht herzspezifisch => keine Bedeutung in der Diagnostik TnC: Ca²⁺‐Bindung TnT TnT: Bindung an Tropomyosin herzspezifische Isoformen TnI : In Ruhe : Hemmung der Aktin/Myosin Brücke TnI na Ca²⁺‐Einstrom : Ca²⁺‐Bindung an TnC => Aufhebung der Hemmung Charakteristika der Troponine • Troponine des Herzmuskels und der Skelettmuskulatur besitzen unterschiedliche Aminosäuresequenzen • Basalkonzentration im Serum sehr niedrig oder gar nicht nachweisbar • Freier zytosolischer Pool ermöglicht rasche Freisetzung • Strukturgebundener Anteil wird später freigesetzt und spiegelt die Menge des nekrotischen Myokards wider • Normwerte: TnT: < 0,014 ng/mL (= 14 ng/L) TnI: < 0,3 – 0,01 ng/mL (je nach Hersteller) Differentialdiagnosen Tn‐Erhöhung Andere Ursachen für Troponinerhöhungen bei Patienten mit eventuell ähnlicher Klink: ••Akute Perikarditis: ca. 50% der Patienten zeigen leichtgradige TnI‐ Akute Perikarditis: => Verletzung der epikardialen Myokardschichten durch die Entzündung Erhöhungen (ca. 1ng/mL) ••Akute Lungenembolie (LE): Erhöhte TnT‐Werte (≥ Akute Lungenembolie (LE): => Ursache für die Troponinfreisetzung 0,1 ng/mL) werden scheint die plötzlich auftretende Dehnung und Belastung des rechten ausschließlich bei schweren oder massiven LE gefunden. Patienten welche bei Ventrikels durch den erhöhten Pulmonalarterienwiderstand zu sein einer LE TnT‐Erhöhungen aufwiesen, hatten ein ungefähr 30fach erhöhtes Risiko im Krankenhaus zu versterben. ••Herzinsuffizienz (HI): ca. 50% der wegen HI hospitalisierten Patienten haben Herzinsuffizienz (HI): => Ursache für die Troponinfreisetzung unklar, (meist) leicht erhöhte TnT‐Werte (0,02ng/mL – 0,1ng/mL). Hierbei korreliert eventuell durch zytosolischen Pool bedingt oder verstärkte ein positiver TnT Befund mit einer schlechteren linksventrikulären EF und Degradierung und Zellschaden einer höhere NYHA Klassifizierung. ••Myokarditis: vorallem bei frisch aufgetretener Herzinsuffizienz Myokarditis: => Herzmuskelzellnekrosen durch die Entzündung Differentialdiagnosen Tn‐Erhöhung Andere Krankheitsbilder mit Troponinerhöhungen: kritisch ••Kritisch kranke Patienten und Sepsis: In verschieden Studien mit Kritisch kranke Patienten und Sepsis: => Ursachen nicht eindeutig geklärt. kranken Patienten konnte bei einem Großteil (50‐85%) eine leichtgradige Toxische Wirkung zirkulierender Chemokine? Bakterielle Endotoxine? (Median um die 1ng/mL) TnI / TnT‐Erhöhung nachgewiesen werden. Auch bei Störungen in der Mikrozirkulation bei Sepsis? Sepsis kommt es in einem nicht unerheblichen Teil zu leichtgradigen Troponinfreisetzung. •Nierenversagen im Endstadium: KHK bei diesem Patientenkollektiv sehr • Nierenversagen im Endstadium: => Ursachen unklar, aber es stellt häufig (bis zu 73%), doch auch bei Patienten ohne Hinweis auf dennoch einen unabhängigen Prognosefaktor da Myokardnekrose in 53% TnT Erhöhung (nur 7% TnI Erhöhung) •Herztransplantantion: TnT wird noch 2‐3 Monate nach Transplantation freigesetzt. CK (Creatinkinase) Katalysierte Reaktion: Kreatinphosphat + ADP Creatinkinase Kreatin + ATP 2 Untereinheiten: ● M‐Typ (Muscle type) ● B‐Typ (Brain type). 3 verschiedene Isoenzyme : CK‐MM, CK‐MB und CK‐BB. (+ mitochondriale CK, CK‐MiMi) Die Bestimmung der CK‐MB erfolgt analog zur CK, nur dass vor der Messung Antikörper gegen die M‐Untereinheit der CK zur Probe geben werden. => Messung der Aktivität der B‐Untereinheit, erhaltenen Messwert verdoppelt Isoenzymverteilung Gewebe CK‐Aktivität (U/g Feuchtgewicht) CKMM CKMB( (%) %) CKBB (%) Skelettmuskel – weiße F. 2500 – 3000 97‐99 1‐3 < 0,1 Skelettmuskel – roten F. 2500 – 3000 95 5 Myokard – normal 500 – 700 95 5 Myokard – path. 500 – 700 70‐80 20‐30 verändert Cave: Bei Erkrankungen oder Stress des Skelettmuskels sind auch hier die Gehirn 200 – 300 100 CK‐MB Anteile erhöht. (z.B.: Duchenne‘sche Muskeldystrophie: 20‐30%) Gastrointestinaltrakt 120 – 150 100 Blase 85 100 Uterus – nicht schwanger 165 100 Uterus – Schwangerschaft 245 6 94 1 80 Plazenta 250 19 Lunge 15 0 – 20Lothar Thomas: Labor und Diagnose; 6 Aufl. 80‐100 Klinische Bewertung der CK • Herzinfarkttypischer Befund: CK‐MB / CK gesamt = 6 – 25% (Vorausgesetzt: CK >250, CK‐MB >24; keine Macro‐CK, keine CK‐BB, keine CK‐MiMi) • Anstieg nach ca. 3h – 6h, Gipfel nach 12‐24h • Normalisierung der Werte nach 2‐3 Tagen (CK‐MB) oder 3‐4 Tagen (CK ges.) • Als Biomarker dem Troponin unterlegen (Spezifität und Sensivität) Nützlich zur Diagnose des Reinfarktes (deutlich kürzere Zeit pathologisch erhöht nach Infarkt) Cave: Bei hämolytischen Proben nicht einsetztbar! (Adenylatkinase) CK‐MB Masse Direkter Nachweis des Moleküls durch spezifischen Antikörper statt Aktivitätsbestimmung Pro : •Höhere Sensivität und Spezifität als die CK‐MB Aktivität •Keine Messprobleme durch Macro‐CK oder CK‐BB Kontra : •Teurer als CK‐MB Aktivität •Schlechtere Sensivität und Spezifität als Troponine Myoglobin • Vorkommen sowohl in der Skelettmuskulatur, wie auch im Herzmuskel (=> unspezifisch) • sehr rascher Anstieg im Serum nach Schmerzereignis (2h‐4h) und auch rasche Elimination aus dem Blut (spätestens nach 24h) • negativer prädiktiver Wert deutlich höher als der positive prädiktive Wert (=> Ausschluss eines Infarkts wesentlich sicherer als der Nachweis) Zusammenfassung: Kinetik der Herzinfarkt Biomarker Quelle: National Academy of Clinical Biochemistry • Troponin: Deutlichste Erhöhung über den cut‐off • CK‐MB: rascher Abfall • Myoglobin: Schnellster Biomarker, welcher im Blut nachweisbar ist ESC‐Leitlinie 2011 zum akuten Koronarsyndrom Brustschmerz (EKG: ST‐Hebung fehlt) 1 h hsTnT Testresultat Verfügbarkeit < 60 min hsTnT Testresultat Verfügbarkeit > 60 min hsTnT im Labor hsTnT < 14 ng/L Schmerz > 6h Schmerz < 6h 3 h hsTnT > 14 ng/L Schmerzfrei, GRACE‐SCORE <140, Differentialdiagnosen ausgeschlossen Entlassung / Stresstest TnT am Point‐of‐Care < 50 ng/L < 100 ng/L Abnormal hohes TnT + klinisches Bild Wiederholungsmessung hsTnT nach 3 h hsTnT konstant 24 h * Anstieg/Ab‐ fall hsTnT hsTnT konstant Invasive Behandlung einleiten Differential‐ diagnose AMI möglich, Behandlung entsprechend einleiten (erneut testen) < 150 ng/L AMI (sehr) wahrscheinlich, Behandlung entsprechend einleiten * falls kein hsTnT verfügbar Quelle: Christian W. Hamm, Jean‐Pierre Bassand, Stefan Agewall et al. ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST‐segment nach 3h erneut POC TnT elevation: The Task Force for the management of acute coronary syndromes (ACS) in patients presenting without persistent ST‐segment elevation of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J. 2011 Sep 21. Herzinsuffizienz ‐ Pathomechanismus Ungenügende Pumpleistung des Herzens arterielle Hypovolämie Aktivierung des RAAS (=Renin‐Angiotensin‐Aldosteron‐ System) • • Freisetzung von Arginin‐Vasopressin Verminderung der GFR Wasserretention und Verstärkte tubuläre Hyponatriämie Natriumresorptiontrotzdem weiterhin erhöhte Natrium‐ und Wasserretention Konzentrationen von Arginin‐ Vasopressin Aktivierung des Endothelin‐Systems Potenter Vasokonstriktor Erhöhung des intravasalen Drucks Herzinsuffizienz ‐ Pathomechanismus Erhöhte Volumenbelastung des Ventrikels Ausschüttung von ANP/BNP • Vasodilatation • Erhöhung der Natrium‐ und Wasserausscheidung • Hemmung des symp. Nervensystems • Hemmung des RAAS Physiologisch: Gleichgewicht Pathologisch (Herzinsuffizienz): Systeme gegen art. Hypovolämie >> Volumenbelastung des Ventrikels NYHA‐Klassifikation Klasse Charakteristika Klasse 1 Keine Einschränkungen, selbst unter Belastung (asymptomatisch) keine Symptome einer Herzinsuffizienz Hinweise für eine Herzerkrankung Klasse 2 (mild) Geringe Einschränkungen, Symptome einer Herzinsuffizienz unter schwerer körperlicher Belastung Klasse 3 (mäßig) Deutliche Einschränkungen, Symptome einer Herzinsuffizienz schon bei leichter körperlicher Belastung Klasse 4 (schwer) Unfähig körperlich aktiv zu sein, Symptome bereits in Ruhe Lothar Thomas: Labor und Diagnose; 7 Aufl. ANP, BNP und NT‐proBNP ANP BNP Nach Levin, E. R., Gardner, D. G. und Samson W. K. Natriuretic peptides. N Engl J Med 1998; 339: 321‐328 Quelle: Roche Alle bei Herzinsuffizienz erhöht. Dennoch hat sich NT‐proBNP für die Routinediagnostik durchgesetzt. •NT‐proBNP hat die längste Halbwertszeit (60‐120min, ANP 13min, BNP 22min) •NT‐proANP wird im Körper weiter gespalten (in teilweise physiologisch wirksame Fragmente) Bedeutung des NT‐proBNP Einsatzgebiete: •Unterscheidung bei akuter Dyspnoe: kardiale Ursache? •Früherkennung der Herzinsuffizienz (Klinik erst bei NYHA II) •Kurz‐ und Langzeitprognose einer Herzinsuffizienz Nachteile: •großer Graubereich, keine eindeutigen Grenzwerte •große Unterschiede zwischen verschiedenen Testherstellern •Abnahme der GFR beeinflusst NT‐proBNP (↑↑)