Analysis I WS 15/16 (Prof. Griesemer)

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Analysis I WS 15/16 (Prof. Griesemer)
David Holzmüller
29. März 2016
Inhaltsverzeichnis
0 Grundlagen
0.1 Gesetze der Logik und Beweismethoden . . . . . . . . . . . .
0.1.1 Äquivalenz und Implikation . . . . . . . . . . . . . .
0.1.2 Elementare Beweistechniken . . . . . . . . . . . . . .
0.1.3 Existenz- und Allquantor . . . . . . . . . . . . . . . .
0.1.4 Vergleich von Operationen auf Mengen und Aussagen
0.2 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
0.2.1 Standardabbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
0.2.2 Komposition von Abbildungen . . . . . . . . . . . . .
0.2.3 Abbildung von Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . .
0.3 Der Körper der reellen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . .
0.4 Der Körper der komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . .
0.4.1 Betrag und Argument . . . . . . . . . . . . . . . . .
0.4.2 Argument einer komplexen Zahl . . . . . . . . . . . .
0.4.3 Fundamentalsatz der Algebra . . . . . . . . . . . . .
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3
3
3
4
5
6
6
8
8
12
13
18
21
24
25
1 Die
1.1
1.2
1.3
1.4
reellen Zahlen
Anordnung und Vollständigkeit . . . . . . .
Natürliche Zahlen, Induktion und Rekursion
Ganze und rationale Zahlen . . . . . . . . .
Mächtigkeit von R . . . . . . . . . . . . . .
2 Zahlenfolgen
2.1 Konvergenz . . . . . . . . . . . . . .
2.1.1 Graph einer Folge xn . . . . .
2.2 Monotone Folgen und Wurzeln . . . .
2.3 Der Satz von Bolzano und Weierstraß
2.4 Das Cauchy-Kriterium . . . . . . . .
2.5 Uneigentliche Konvergenz . . . . . .
2.6 Limes Superior und Limes Inferior . .
1
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27
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40
40
43
50
53
55
57
60
2
INHALTSVERZEICHNIS
3 Reihen
3.1 Definition und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Reihen mit nichtnegativen Gliedern und Dezimalbrüche
3.3 Absolute Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4 Bedingte Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5 Umordnung von Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.6 Die Exponentialfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.7 Potenzreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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62
65
69
74
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78
85
4 Stetige Funktionen
4.1 Definition und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Rechnen mit stetigen Funktionen . . . . . . . . . . .
4.3 Stetige Funktionen auf Intervallen . . . . . . . . . . .
4.4 Grenzwerte von Funktionen . . . . . . . . . . . . . .
4.4.1 Uneigentliche Grenzwerte . . . . . . . . . . .
4.4.2 Einseitige Grenzwerte . . . . . . . . . . . . . .
4.5 Die Logarithmusfunktion . . . . . . . . . . . . . . . .
4.6 Hyperbolische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . .
4.6.1 Hyperbolischer Sinus und Areasinus . . . . . .
4.6.2 Hyperbolischer Cosinus und Areacosinus . . .
4.6.3 Hyperbolischer Tangens und Areatangens . . .
4.7 Trigonometrische Funktionen . . . . . . . . . . . . .
4.7.1 Geometrische Interpretation von eix , cos x und
4.7.2 Die Umkehrfunktionen . . . . . . . . . . . . .
4.7.3 Polardarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . .
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sin x
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118
119
121
5 Differentialrechnung
5.1 Die Ableitung einer Funktion . . . . . .
5.2 Ableitungsregeln . . . . . . . . . . . . .
5.3 Maxima und Minima . . . . . . . . . . .
5.4 Mittelwertsatz . . . . . . . . . . . . . . .
5.5 Unstetigkeiten der Ableitung sind zweiter
5.6 Ableitungen höherer Ordnung . . . . . .
5.7 Die Taylorsche Formel . . . . . . . . . .
5.7.1 Landausche O-Symbole . . . . . .
5.8 Konvexe Funktionen . . . . . . . . . . .
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122
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138
141
144
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Art
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Kapitel 0
Grundlagen
0.1
Gesetze der Logik und Beweismethoden
Aussagen (Aussageformen) können modifiziert oder verknüpft werden durch:
• ¬A: „nicht A“
• A ∨ B: „A oder B“
• A ∧ B: „A und B“
Wahrheitstabellen:
A B ¬A A ∨ B
0 0
1
0
0 1
1
1
1 0
0
1
1 1
0
1
0.1.1
A∧B
0
0
0
1
Äquivalenz und Implikation
Zwei Aussageformen A, B heißen äquivalent, in Zeichen A ⇔ B, falls A genau
dann wahr ist, wenn B wahr ist.
Die Aussage A impliziert die Aussage B, in Zeichen A ⇒ B (aus A folgt
B), wenn B immer dann wahr ist, wenn A wahr ist.
Beispiel 0.1.1.
• n ist gerade ⇔ n2 ist gerade.
• x > 2 ⇒ x > 1.
3
4
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
Satz 0.1.2.
A∨B ⇔B∨A
A∧B ⇔B∧A
A ∨ (B ∨ C) ⇔ (A ∨ B) ∨ C
A ∧ (B ∧ C) ⇔ (A ∧ B) ∧ C
A ∧ (B ∨ C) ⇔ (A ∧ B) ∨ (A ∧ C)
A ∨ (B ∧ C) ⇔ (A ∨ B) ∧ (A ∨ C)
(Kommutativgesetze)
(Assoziativgesetze)
(Distributivgesetze)
Beweis. Der Beweis kann über das Aufstellen einer Wahrheitstabelle erfolgen.
Satz 0.1.3 (De Morgansche Gesetze).
¬(A ∨ B) ⇔ ¬A ∧ ¬B
¬(A ∧ B) ⇔ ¬A ∨ ¬B
Beweis. Wieder über eine Wahrheitstabelle.
Axiome sind Aussagen, die gemäß Vereinbarung wahr sind. Lemma, Satz,
Theorem, Korollar bezeichnen wahre Aussagen, welche mit Hilfe logischer
Gesetze, Rechnungen etc. aus den Axiomen folgen (mit Hilfe von Beweisen).
0.1.2
Elementare Beweistechniken
Ziel: Beweis von B aus A.
• Direkter Beweis (Struktur A ⇒ B)
• Indirekter Beweis: Der indirekte Beweis beruht auf dem Kontrapositionsgesetz, wonach „A ⇒ B“ gleichbedeutend ist mit „¬B ⇒ ¬A“
• Widerspruchsbeweis (Struktur (A ∧ ¬B) ⇒ (C ∧ ¬C))
Beispiel 0.1.4.
• Ist n gerade, dann ist n2 gerade.
Beweis. (direkter Beweis)
n gerade ⇒ n = 2m, m ∈ N
⇒ n2 = (2m)2 = 4m2 = 2(2m2 )
⇒ n2 ist gerade .
5
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
• Ist n2 gerade, dann ist n gerade
Beweis. (indirekt) Sei n ungerade. Dann n = 2m + 1, m ∈ N, also
n2 = (2m + 1)2 = |4m2 {z
+ 4m} +1 (ungerade) .
=2(2m2 +2m)
•
√
2 ist irrational (x2 = 2 ⇒ x ist irrational)
Beweis. (Widerspruchsbeweis)
Sei x rational. D. h. x = m/n mit m, n ∈ N, wobei wir annehmen
dürfen, dass m oder n ungerade ist. Dann gilt
m 2 m2
= 2
2=x =
n
n
⇒ 2n2 = m2
⇒ m ist gerade
⇒ ∃p ∈ N : m = 2p
2
und somit
2n2 = m2 = (2p)2 = 4p2
⇒ n2 = 2p2
⇒ n gerade .
D. h. die Annahme, dass m oder n ungerade sind, steht im Widerspruch
zu den Resultaten, dass m und n gerade sind.
0.1.3
Existenz- und Allquantor
A(x) bezeichne eine Aussageform für x ∈ I. Die neuen Aussagen
• ∀x : A(x) („für alle x gilt A(x)“)
• ∃x : A(x) („es existiert ein x, so dass A(x) gilt“)
sind per Definition genau dann wahr, wenn A(x) wahr ist für alle x ∈ I bzw.
wenn (mindestens) ein x ∈ I existiert, sodass A(x) wahr ist.
V
W
Statt ∀, ∃ schreibt man auch (großes ∧) bzw. (großes ∨).
Wenn I endlich ist (z. B. I = {1, . . . , N }), dann gilt
∀x ∈ I : A(x) ⇔ (A(1) ∧ . . . ∧ A(N ))
∃x ∈ I : A(x) ⇔ (A(1) ∨ . . . ∨ A(N )) .
6
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
Die de Morganschen Gesetze für ∀, ∃ lauten (Axiom):
¬∀x : A(x) ⇔ ∃x : ¬A(x)
¬∃x : A(x) ⇔ ∀x : ¬A(x) .
Aufgabe 0.1.1. Bestimmen Sie die Negation von „An jeder Uni (U ) gibt es
eine Vorlesung (V ), die von keinem Studenten (S) besucht wird.“
Lösung: Formulierung mit Quantoren:
∀U ∃V ∀S : (S besucht V nicht)
(0.1.1)
∃U ∀V ∃S : (S besucht V )
(0.1.2)
Negation:
Es gibt eine Uni, an welcher jede Vorlesung von mindestens einem Studenten
besucht wird.
0.1.4
Vergleich von Operationen auf Mengen und Aussagen
Seien A, B Teilmengen von X. Dann definieren wir
Ac := X \ A = {x ∈ X | ¬(x ∈ A)}
A ∪ B = {x ∈ X | x ∈ A ∨ x ∈ B}
A ∩ B = {x ∈ X | x ∈ A ∧ x ∈ B}
: ¬
∪:∨
∩:∧
def
⊆:⇒
def
=:⇔
A ⊆ B ⇔ (x ∈ A ⇒ x ∈ B)
A = B ⇔ (x ∈ A ⇔ x ∈ B)
0.2
c
Abbildungen
A, B seien beliebige Mengen. Eine Abbildung (oder Funktion) f von A nach
B, in Zeichen
f :A→B
ist eine Vorschrift, welche jedem Element a ∈ A genau ein Element b ∈ B
zuordnet. Man schreibt
b = f (a) oder a 7→ b = f (a)
Dabei heißt
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
7
• f Name der Abbildung
• f (a) Bild von a (Wert von f an der Stelle a)
• a Urbild von b = f (a)
• A Definitionsbereich von f .
Beispiel 0.2.1. Sinusfunktion mit A = R, B = R:
• sin = Name
• sin(x) = Wert von sin an der Stelle x
Die Menge
Γ(f ) := {(a, b) ∈ A × B | b = f (a)} ⊆ A × B
heißt Graph von f .
Eine Teilmenge G ⊆ A × B ist genau dann der Graph einer Abbildung
f : A → B, wenn zu jedem a ∈ A genau ein b ∈ B existiert mit (a, b) ∈ G.
Dann ist b = f (a) und G = Γ(f ).
Beispiel 0.2.2.
1) A = R, B = Z
f (x) = [x]
:= größte ganze Zahl kleiner oder gleich x. (Gauß-Klammer)
(Für die (untere) Gauß-Klammer wird auch oft bxc geschrieben.)
2)
• A = {(x, y) ∈ R2 | x2 + y 2 ≤ 1}
• f (x, y) := x2 + y 2 ∈ R = B
2
• R
× R ⊇ Γ(f ) = Rotationsparaboloid
| {z }
R3
3)
• A = {t ∈ R | 0 ≤ t ≤ 2π} ⊆ R, B = R2
• f : t 7→ ~x(t) := (cos t, sin t) = Position eines Teilchens zur Zeit t
• R3 ⊇ Γ(f )
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
0.2.1
8
Standardabbildungen
1) Identität: idA : A → A, a 7→ a
2) Charakteristische Funktion: Ist M ⊆ A, dann ist χM : A → {0, 1}
definiert durch

1 , a ∈ M
χM (a) :=
0 , a ∈
6 M .
3) Einschränkung: Ist f : A → B gegeben und sei M ⊆ A. Dann wird
durch g : M → B, a 7→ f (a) eine neue Abbildung definiert. Sie heißt
Einschränkung von f auf M . Bezeichnung: f |M oder f M .
4) n-Tupel: Eine Abbildung f : {1, . . . , n} → X (X beliebig) heißt n-Tupel.
f ist vollständig bestimmt durch die Angabe von xk = f (k) ∈ X, k =
1, . . . , n, d. h. durch (x1 , . . . , xn ) ∈ X n . X n kann man auffassen als
Menge der Abbildungen von {1, . . . , n} nach X.
5) Eine Abbildung f : N → X heißt Folge in X. Man schreibt fk statt
f (k), k ∈ N. Statt f : N → X schreibt man
(fk )k∈N , (fk )k≥1 , (fk ) oder (f1 , f2 , f3 , . . .)
Beispiel: Fibonacci-Folge (1, 1, 2, 3, 5, 8, . . .)
0.2.2
Komposition von Abbildungen
Die Komposition (Zusammensetzung, Verknüpfung) von zwei Abbildungen
f : A → B, g : B → C ist die Abbildung
g ◦ f : A → C, (g ◦ f )(a) := g(f (a)) .
Diagramm:
f
A
B
g
g◦f
C
9
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
Beispiel 0.2.3.
F : R \ {0} → R, F (x) = sin
1
x
⇒F =g◦f
f : R \ {0} → R, x 7→
1
x
g : R → R, y 7→ sin(y)
Satz 0.2.4. Die Verknüpfung von Abbildungen ist assoziativ. D. h. ist f :
A → B, g : B → C, h : C → D, dann gilt
h ◦ (g ◦ f ) = (h ◦ g) ◦ f
Beweis. Zu zeigen: h ◦ (g ◦ f )(a) = (h ◦ g) ◦ f (a) für alle a ∈ A. Sei a ∈ A.
Dann gilt
h ◦ (g ◦ f )(a) = h ((g ◦ f )(a))
= h (g (f (a)))
= (h ◦ g) (f (a))
= (h ◦ g) ◦ f (a) .
Definition 0.2.5. Eine Abbildung f : A → B heißt injektiv, wenn
f (a1 ) = f (a2 ) ⇒ a1 = a2
oder äquivalent
a1 6= a2 ⇒ f (a1 ) 6= f (a2 )
für alle a1 , a2 ∈ A gilt.
f heißt surjektiv, falls das Bild von A ganz B ist:
f (A) := {f (a) | a ∈ A} = B .
f heißt bijektiv, wenn f injektiv und surjektiv ist.
Beispiel 0.2.6.
• f1 : R → R, x → x2 ist weder injektiv noch surjektiv.
• f2 := f1 [0, ∞) : [0, ∞) → R ist injektiv, aber nicht surjektiv.
• f3 : [0, ∞) → [0, ∞), x → x2 ist bijektiv.
(0.2.1)
10
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
Definition 0.2.7. Ist f : A → B bijektiv, so kann man die Umkehrabbildung
f −1 : B → A („Inverse von f “) definieren durch
f −1 (b) = a ⇔ f (a) = b .
Es gilt dann f (f −1 (b)) = b für alle b ∈ B und f −1 (f (a)) = a für alle
a ∈ A. Somit gilt
f ◦ f −1 = idB , f −1 ◦ f = idA .
Offenbar gilt
Γ(f −1 ) = {(b, a) | (a, b) ∈ Γ(f )} .
Beispiel 0.2.8.
f : [0, ∞) → [0, ∞), x 7→ x2
Γ(f ) = {(x, y) | y = x2 , x ≥ 0}
√
f −1 : y 7→ y ≥ 0
Γ(f −1 ) = {(y, x) | y = x2 , x ≥ 0}
2
x2
√
x
1.5
1
0.5
0
0
0.5
1
1.5
2
Satz 0.2.9. Für jede Abbildung f : A → B (A, B 6= ∅) gilt
(1) f ist genau dann injektiv, wenn es eine Abbildung g : B → A (Linksinverse) gibt mit
g ◦ f = idA .
(2) f ist genau dann surjektiv, wenn es eine Abbildung h : B → A (Rechtsinverse) gibt mit
f ◦ h = idB .
11
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
(3) f ist genau dann bijektiv, wenn Abbildungen g, h : B → A existieren
mit
g ◦ f = idA , f ◦ h = idB .
Dann gilt g = h = f −1 .
Beweis.
(1) Sei g ◦f = idA und seien a1 , a2 ∈ A. Zu zeigen: f (a1 ) = f (a2 ) ⇒ a1 = a2 .
Aus f (a1 ) = f (a2 ) folgt
a1 = g(f (a1 )) = g(f (a2 )) = a2 .
Sei nun f injektiv. Dann ist f˜ : A → f (A), a 7→ f (a) bijektiv. Falls
f˜ 6= f (d. h. f ist nicht surjektiv), dann wählen wir ein a0 ∈ A aus und
wir definieren
g : B → A, g(b) :=

f˜−1 (b)
a0
, b ∈ f (A)
, b ∈ B \ f (A) .
Es gilt dann g(f (a)) = f˜−1 (f˜(a)) = a.
(2) Sei f ◦ h = idB und sei b ∈ B. Zu zeigen: ∃a ∈ A mit f (a) = b. Wähle
a = h(b), dann gilt
f (a) = f (h(b)) = (f ◦ h)(b) = idB (b) = b .
D. h. f ist surjektiv.
Sei f surjektiv. Zu jedem b ∈ B sei
Ab := {a ∈ B | f (a) = b} .
Ab 6= ∅, denn f ist surjektiv. Aus jeder Menge Ab wählen wir ein
Element ab aus. Wir definieren h : B → A durch b 7→ ab . Dann gilt
f (h(b)) = f (ab ) = b. D. h. f ◦ h = idB .
(3) Falls g, h : B → A mit g ◦ f = idA , f ◦ h = idB existieren, dann ist f
bijektiv nach (1), (2) und es gilt für alle b ∈ B
g(b) = g(idB (b)) = g((f ◦ h)(b))) = g ◦ (f ◦ h)(b)
= (g ◦ f ) ◦ h(b) = idA ◦h(b) = h(b) .
D. h. g = h. Ebenso folgt g = f −1 . Ist f bijektiv, so definieren wir
g := h := f −1 .
12
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
Beispiel 0.2.10.
1) f : N0 → N0 , n → n + 1 ist nicht surjektiv, aber injektiv. Wir definieren
die Linksinverse g : N0 → N0 durch
g(n) :=

0
n − 1
,n = 0
,n ≥ 1 .
(0.2.2)
Es gilt g ◦ f = idN0 6= f ◦ g.
2) f : R → [0, ∞) = {x ∈ R | x ≥ 0}, x 7→ x2 ist surjektiv, aber nicht
injektiv.
√
Die positive Quadratwurzel h : [0, ∞) → R, y 7→ y ≥ 0 ist eine
Rechtsinverse:
√
(0.2.3)
f (h(y)) = h(y)2 = y 2 = y
√
6 x für x < 0).
(aber h(f (x)) = h(x2 ) = x2 = |x| =
0.2.3
Abbildung von Mengen
Sei f : A → B eine beliebige Abbildung und U ⊆ A, V ⊆ B. Dann definiert
man
f (U ) := {f (x) | x ∈ U }
f (V ) := {x ∈ A | f (x) ∈ V } .
−1
Dazu braucht f nicht bijektiv zu sein! Insbesondere ist f −1 ({b}) immer
definiert, f −1 (b) ist nur definiert, wenn f bijektiv ist.
Beispiel 0.2.11. f : R → R, x 7→ sin(x)
1
0.5
0
−0.5
−1
−2
−1
0
1
2
3
4
13
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
f ([0, π]) = [0, 1]
[
f ([0, 1]) =
[2nπ, (2n + 1)π]
−1
n∈Z
[a, b] := {x | a ≤ x ≤ b} .
Satz 0.2.12. Sind f : A → B und g : B → C bijektiv, dann ist auch
g ◦ f : A → C bijektiv und es gilt (g ◦ f )−1 = f −1 ◦ g −1 .
Beweis. Es gilt
(g ◦ f ) ◦ (f −1 ◦ g −1 ) = g ◦ (f ◦ f −1 ) ◦ g −1
= g ◦ g −1
= idC
(f −1 ◦ g −1 ) ◦ (f ◦ g) = f −1 ◦ (g −1 ◦ g) ◦ f
= f −1 ◦ f
= idA .
Also ist f −1 ◦ g −1 Rechts- und Linksinverse von g ◦ f . Nach Satz 0.2.9 ist g ◦ f
bijektiv und (g ◦ f )−1 = f −1 ◦ g −1 .
0.3
Der Körper der reellen Zahlen
Frage: Was sind reelle Zahlen wie z. B.
√
2 = 1.4142135 . . .?
R
0
1
√
2
Man kann einen Körper konstruieren, der Q enthält und alle gewünschten
Eigenschaften von R hat (vgl. Rudin, Amman & Escher, Pöschel). Wir nehmen
die Existenz von R als gegeben an und geben eine Liste von Axiomen an, aus
welchen sich alle gewünschten Eigenschaften herleiten lassen.
Zur Erinnerung: Ein „Körper“ (field) ist eine nicht-leere Menge K mit
zwei Abbildungen:
+ : K × K → K, (a, b) 7→ a + b
· : K × K → K, (a, b) 7→ a · b,
14
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
welche folgende Axiome erfüllen:
(A1) Die Addition ist assoziativ und kommutativ.
(A2) Es gibt ein Element 0 ∈ K (neutrales Element bezüglich Addition), so
dass a + 0 = a für alle a ∈ K
(A3) Zu jedem a ∈ K existiert ein b ∈ K mit a + b = 0.
(M1) Die Multiplikation ist assoziativ und kommutativ.
(M2) Es gibt ein Element 1 ∈ K, 1 6= 0, so dass 1 · a = a für alle a ∈ K.
(M3) Zu jedem a ∈ K, a 6= 0 gibt es ein b ∈ K, so dass a · b = 1.
(D) Für alle a, b, c ∈ K gilt a · (b + c) = a · b + a · c.
Beispiel 0.3.1. Q, R, C sind Körper. N, N0 , Z sind keine Körper!
Bemerkung 0.3.2.
• Die neutralen Elemente bezüglich Addition und Multiplikation sind
eindeutig (LAAG)
• Die inversen Elemente bezüglich Addition und Multiplikation sind
eindeutig.
Man schreibt −a für die additive Inverse von a, a−1 für die Inverse bezüglich
Multiplikation. Außerdem
a − b := a + (−b)
a
:= a · (b−1 )
b
Satz 0.3.3. In jedem Körper K gilt
(1) a + x = b hat die eindeutige Lösung x = b − a
(2) a · x = b hat für a 6= 0 die eindeutige Lösung x = ab .
Beweis.
(1)
A1
A1
A2
a + (b − a) = a + (−a + b) = (a + (−a)) + b = 0 + b = b .
Umgekehrt: aus a + x = b folgt
b + (−a) = (a + x) + (−a) = (x + a) + (−a)
= x + (a + (−a)) = x + 0 = x .
15
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
Satz 0.3.4. In jedem Körper K gilt
−1
(a) −(−a) = a, (a−1 )
=a
(b) (−a) + (−b) = −(a + b), a−1 · b−1 = (a · b)−1
(c) a · 0 = 0, a · (−1) = −a
(d) (−1) · (−1) = 1, (−a)−1 = −(a−1 )
(e) a · b = 0 ⇒ a = 0 oder b = 0.
Beweis.
(a)
(−a) + a = 0 ⇒ a = −(−a)
a−1 · a = 1 ⇒ a = a−1
−1
.
(b) Übung.
(c)
a · 0 = a · (0 + 0) = a · 0 + a · 0
⇒ a · 0 = 0 nach Satz 0.3.3.
(D)
a · (−1) + a = a · (−1) + a · 1 = a · (−1 + 1) = a · 0 = 0
⇒ a · (−1) = −a .
(c)
(a)
(d) (−1) · (−1) = −(−1) = 1.
(e) Ist a 6= 0 ∧ b 6= 0, dann ex. a−1 , b−1 : a · a−1 = 1 = b · b−1 . Also gilt
(c)
(a·b)(b−1 ·a−1 ) = 1. Demnach gilt a·b 6= 0, sonst wäre (a·b)(b−1 ·a−1 ) = 0.
Folgerungen: (aus den Axiomen und Satz 0.3.4)
a c
ad + bc
+ =
b d
bd
a c
ac
· =
b d
bd
ab−1
ad
=
,
cd−1
cb
falls bd 6= 0 bzw. b, c, d 6= 0.
16
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
Definition 0.3.5. Ein Körper K heißt angeordnet, wenn er
(1) total geordnet ist, d. h. es gibt eine Relation „≤“, so dass für alle
a, b, c ∈ K gilt:
(a) a ≤ a (Reflexivität)
(b) a ≤ b ∧ b ≤ a ⇒ a = b (Antisymmetrie)
(c) a ≤ b ∧ b ≤ c ⇒ a ≤ c (Transitivität)
(d) a ≤ b ∨ b ≤ a (Totalität)
(2) die Relation „≤“ ist „verträglich“ mit der Körperstruktur, d. h.
(a) b > a ⇔ b − a > 0
(b) a > 0, b > 0 ⇒ a · b > 0
def
wobei a > b ⇔ a ≥ b ∧ a 6= b.
Der Betrag |a| von a ∈ K ist definiert durch

a
|a| := 
,a ≥ 0
−a , a < 0 .
Eine Teilmenge I ⊆ K heißt Intervall, falls für alle a, b ∈ I, x ∈ K gilt
a<x<b⇒x∈I .
Es gibt abgeschlossene Intervalle
[a, b] := {x ∈ K | a ≤ x ≤ b} ,
offene Intervalle
(a, b) := {x ∈ K | a < x < b} ,
halboffene Intervalle
(a, b] := {x ∈ K | a < x ≤ b}
[a, b) := {x ∈ K | a ≤ x < b}
und unbeschränkte Intervalle (siehe unten).
Beispiel 0.3.6. Q, R sind angeordnete Körper. C ist nicht angeordnet.
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
17
Von den reellen Zahlen fordern wir zusätzlich, dass sie vollständig sind (vgl.
Analysis Kap. 1). Man kann zeigen, dass er genau einen (bis auf Isomorphie)
vollständigen, angeordneten Körper gibt. Er wird mit R bezeichnet. Wir
definieren
2 := 1 + 1, 3 := 2 + 1, . . .
und bekommen so N, Z, Q.
R+ := {x ∈ R | x > 0}
R− := {x ∈ R | x < 0}
Mithilfe der Vollständigkeit werden wir zeigen, dass zu jeder Zahl a > 0 eine
Zahl b > 0 existiert
mit b2 = a. b ist durch
a eindeutig bestimmt und heißt
√
√
2
Wurzel von a, a. Es gilt dann |a| = a .
Wir definieren in R die unbeschränkten Intervalle
(−∞, b] := {x ∈ R | x ≤ b}
(−∞, b) := {x ∈ R | x < b}
[a, ∞) := {x ∈ R | a ≤ x}
(a, ∞) := {x ∈ R | a < x} .
Vorsicht: +∞ und −∞ gehören nicht zu R. In der Analysis arbeitet man
manchmal mit
R := R ∪ {+∞, −∞}
und man vereinbart, dass für alle x ∈ R gilt:
−∞ < x < ∞, −∞ < ∞
sowie
∞ + a := ∞
−∞ + a := −∞
∞ · a := ∞, falls a > 0
∞ · a := −∞, falls a < 0
a
:= 0
±∞
∞ + ∞ := ∞
∞ · ∞ := ∞
−∞ · ∞ := −∞
(plus Kommutativität). R ist aber kein Körper, ±∞ sind keine reellen Zahlen,
∞ · 0, ∞ − ∞, ∞/∞ bleiben undefiniert.
18
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
0.4
Der Körper der komplexen Zahlen
Die Menge R × R versehen mit der Addition
(a, b) + (c, d) := (a + c, b + d)
und der Multiplikation
(a, b) · (c, d) := (ac − bd, ad + bc)
wird mit C bezeichnet. Die Elemente von C sind die komplexen Zahlen.
Satz 0.4.1. C ist ein Körper und R ⊆ C. Bemerkung: Mit R ⊆ C ist gemeint,
dass a ∈ R mit (a, 0) ∈ C identifiziert werden kann. Es gilt nämlich
(a, 0) + (c, 0) = (a + c, 0)
(a, 0) · (c, 0) = (ac, 0) .
Grafische Darstellung von C:
1
0.5
R
−1
−0.5
0.5
1
−0.5
−1
Beweis. Die Addition in C geschieht komponentenweise, sie ist daher kommutativ und assoziativ wie die Addition in R. (0, 0) ist das neutrale Element
bezüglich der Addition und (−a, −b) ist die Inverse von (a, b) ∈ C bezüglich
der Addition.
Die Multiplikation ist kommutativ:
(a, b) · (a0 , b0 ) = (aa0 − bb0 , ab0 + ba0 ) = (a0 a − b0 b, a0 b + b0 a) = (a0 , b0 ) · (a, b) .
Sie ist auch assoziativ (Übung).
Neutrales Element bez. Multiplikation ist (1, 0), denn
(1, 0) · (a, b) = (1 · a − 0 · b, 1 · b + 0 · a) = (a, b) .
19
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
Die Inverse von (a, b) bezüglich Multiplikation ist
a
−b
,
a2 + b 2 a2 + b 2
!
,
denn
a
−b
(a, b) · 2
, 2
2
a + b a + b2
!
a · a − b(−b) a(−b) + b · a
=
,
a2 + b 2
a2 + b 2
!
a2 + b 2
=
,0
a2 + b 2
= (1, 0) .
!
Das Distributivgesetz ist als Übungsaufgabe zu beweisen.
Notation 0.4.2. Man schreibt a für die reelle Zahl (a, 0) und i steht für die
imaginäre Einheit (0, 1). Es gilt
(a, b) = a + ib, i2 = −1 .
(0.4.1)
Beweis. Es gilt (a, b) = (a, 0) + (0, b) = (a, 0) + (0, 1) · (b, 0) = a + ib und
i2 = (0, 1) · (0, 1) = (−1, 0) = −1 .
Bemerkung 0.4.3. Die Körperaxiome und (0.4.1) ist alles, was man sich
über C als Körper merken muss. Daraus folgt das Multiplikationsgesetz:
(a + ib) · (c + id) = ac + iad + ibc + i2 bd = (ac − bd) + i(ad + bc) .
Definition 0.4.4. Die komplexe Zahl z = a+ib hat den Realteil a, Re(z) = a,
und den Imaginärteil b, Im(z) = b. z := a − ib ist die zu z = a + ib konjugiert
komplexe Zahl.
a
a + ib
b
a − ib
Satz 0.4.5. Für komplexe Zahlen z, w ∈ C gilt
(i) z + w = z + w, z = z
20
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
(ii) z · w = z · w
(iii) Re(z) = 12 (z + z), Im(z) =
1
(z
2i
− z)
(iv) z ∈ R ⇔ z = z
(v) z = a + ib ⇒ zz = a2 + b2
Beweis.
(i) Übung.
(ii)
z
z·w
zw
z·w
= a + ib, w = c + id
= (ac − bd) + i(ad + bc)
= (ac − bd) − i(ad + bc)
= (a − ib) · (c − id)
= (ac − bd) − i(ad + bc)
= zw .
(iii)
z = a + ib
z + z = (a + ib) + (a − ib)
= 2a
1
Re(z) = a = (z + z)
2
z − z = (a + ib) − (a − ib)
= 2ib
1
⇒ Im(z) = b = (z − z)
2i
(iv)
z = a + ib ∈ R
⇔ Im(z) = 0
1
⇔ (z − z) = 0
2i
⇔z=z
(v) Übung.
21
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
−z
z
z
z
0.4.1
Betrag und Argument
Der Betrag |z| von z = a + ib ∈ C ist definiert durch |z| :=
√
z·z =
a
a + ib
|z|
b
Beispiel 0.4.6. Inverse von z = a + ib:
z −1 =
1
z
z
a − ib
=
= 2 = 2
z
z·z
|z|
a + b2
Satz 0.4.7. Für z, w ∈ C gilt
√
a2 + b2 .
22
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
(i) |z| ≥ 0 und (|z| = 0 ⇔ z = 0).
(ii) |z · w| = |z| · |w|.
(iii) |z + w| ≤ |z| + |w|. (Dreiecksungleichung)
(iv) | Re z|, | Im z| ≤ |z| ≤ | Re z| + | Im z|.
Illustration:
z+w
|z|
|w|
|z
+
w
|
w
|w|
z
|z|
Beweis.
(i) |z|2 = a2 + b2 = 0 ⇔ a = 0 ∧ b = 0 ⇔ z = 0.
(ii)
|z · w|2 = zw · z · w = z · w · z · w
= (z · z) · (w · w) = |z|2 |w|2
⇒ |z · w| = |z| · |w|
23
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
(iii)
|z + w|2 = (z + w) · (z + w) = (z + w)(z + w)
= zz + zw + wz + ww
= |z|2 + |w|2 + (zw + zw)
|
{z
2 Re(zw)
}
≤ |z|2 + |w|2 + 2 | Re zw|
|
(ii)
{z
}
(iv)
≤ |zw| = |z||w|
2
2
= |z| + |w| + 2|z||w|
= (|z| + |w|)2
⇒ |z + w| ≤ |z| + |w|
(iv) Übung.
Beispiel 0.4.8. z · z −1 = 1 ⇒ |z −1 ||z| = |z −1 z| = |1| = 1 ⇒ |z −1 | = 1/|z| .
1
z
· |z|
.
Wir wissen außerdem z −1 = |z|z 2 = |z|
z
{w ∈ C : |w| = 1}
z −1
z
Korollar 0.4.9. Für komplexe Zahlen z1 , . . . , zn , z, w gilt
(i)
n
X
zk k=1
≤
n
X
k=1
|zk |
24
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
(ii)
||z| − |w|| ≤ |z − w|
Beweis.
(i) Übung (Induktion).
(ii)
|z| = |z − w + w| ≤ |z − w| + |w|
⇒ |z| − |w| ≤ |z − w|
(0.4.2)
z↔w
⇒ |w| − |z| ≤ |(−1)(z − w)| = | − 1| ·|z − w| = |z − w|. (0.4.3)
| {z }
1
Aus (0.4.2), (0.4.3) folgt ±(|z| − |w|) ≤ |z − w|.
Illustration von (i):
|z3 |
|z2 |
|z1 |
|z4 |
|z1 + z2 + z3 + z4 |
0.4.2
Argument einer komplexen Zahl
Falls z ∈ C \ {0}, dann hat z/|z| den Betrag 1.
25
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
z
z
|z|
i sin ϕ
ϕ
cos ϕ
z/|z| = cos ϕ + i sin ϕ
⇒
z = |z|(cos ϕ + i sin ϕ)
Das ist die Polardarstellung von z. ϕ wird als Argument von z bezeichnet.
0.4.3
Fundamentalsatz der Algebra
Definition 0.4.10. Sei z ∈ C und n ∈ N0 . Definiere
z 0 := 1, z n+1 := z n · z, z −n := (z −1 )n
Insbesondere gilt 00 := 1.
Satz 0.4.11. In C \ {0} gilt für n, m ∈ Z
(i) (z · w)n = z n · wn , (z −1 )n = (z n )−1 .
(ii) z n · z m = z n+m
(iii) (z n )m = z n·m .
Satz 0.4.12. Seien z, w ∈ C und n ∈ N0 . Dann gilt
n
(z + w) =
n
X
k=0
wobei
!
!
n k n−k
z w
,
k
n
n!
=
.
k!(n − k)!
k
(z 6= 0) .
26
KAPITEL 0. GRUNDLAGEN
Satz 0.4.13 (Fundamentalsatz der Algebra). Jede Gleichung
z n + an−1 z n−1 + an−2 z n−2 + . . . + a1 z + a0 = 0, n ≥ 1
mit a0 , . . . , an−1 hat mindestens eine Lösung in C.
Beispiel 0.4.14.
a1 · z + a0 = 0 ⇒ z = −
z 2 + a1 z + a0 = 0 ⇒ . . .
a0
a1
Kapitel 1
Die reellen Zahlen
1.1
Anordnung und Vollständigkeit
Erinnerung: Ein Körper K heißt angeordnet, wenn
1) K total geordnet ist, d. h. es gibt eine Relation „≤“, so dass für alle
a, b, c ∈ K
(a) a ≤ a
(b) a ≤ b ∧ b ≤ a ⇒ a = b
(c) a ≤ b ∧ b ≤ c ⇒ a ≤ c
(d) a ≤ b ∨ b ≤ a.
2) die Relation „≤“ verträglich ist mit der Körperstruktur, d. h.
(a) b > a ⇔ b − a > 0
(b) a > 0, b > 0 ⇒ a · b > 0.
Dabei ist a < b := a ≤ b ∧ a 6= b.
Folgerung: Für alle a, b ∈ K gilt entweder a < b, a = b oder a > b
(Trichotomie).
Satz 1.1.1 (Rechenregeln).
(1) a < b ∧ b < c ⇒ a < c
(2) a > 0 ∧ b > 0 ⇒ a + b > 0
(3) a < b ⇒ a + c < b + c, a < b ⇒ −a > −b
27
28
KAPITEL 1. DIE REELLEN ZAHLEN
(4) a < b ∧ c > 0 ⇒ ac < bc, a < b ∧ c < 0 ⇒ ac > bc
(5) a 6= 0 ⇒ a2 > 0. Insbesondere 1 = 1 · 1 > 0.
(6) a > 0 ⇒ a−1 > 0, a < 0 ⇒ a−1 < 0.
(7) 0 < a < b ⇒ a/b < 1 < b/a ∧ 1/a > 1/b
(8) a < b ∧ 0 < λ < 1 ⇒ a < λa + (1 − λ)b < b. Insbesondere a <
a+b
2
< b.
Beweis.
(1) Widerspruchsbeweis: Aus b < c und a ≥ c folgt b ≤ c und c ≤ a. Also
folgt b ≤ a im Widerspruch zu a < b.
(2) a > 0 ⇒ a + b > b. Da b > 0 folgt a + b > 0.
(3) Es gilt (b + c) − (a + c) = b − a > 0, denn b > a. Außerdem gilt
(−a) − (−b) = b − a > 0, denn a < b. Also ist (−a) > (−b).
(4) a < b ⇒ b − a > 0. Wenn c > 0, dann folgt cb − ca = c(b − a) > 0.
Also gilt cb > ca. Wenn c < 0, dann gilt −c > 0 nach (3). Also folgt
−ca < −cb ⇒ ca > cb.
(5) a 6= 0 ⇒ a > 0 ∨ −a > 0 ⇒ a2 > 0 ∨ (−a)2 > 0, aber (−a)2 = a2 , also
folgt a2 > 0.
(6) a−1 6= 0, denn sonst 1 = a−1 · a = 0 im Widerspruch zu 1 6= 0.
Falls a−1 < 0, dann −a−1 > 0. Also −1 = (−a−1 · a > 0 ⇒ 1 < 0
(Widerspruch zu 1 > 0).
(7) Übung.
(8) Übung.
Folgerung: C lässt sich nicht anordnen. Sonst wäre −1 = i2 > 0, also 1 < 0
im Widerspruch zu 1 > 0.
In jedem angeordneten Körper lassen sich natürliche Zahlen definieren
durch
2 := 1 + 1, 3 := 2 + 1, etc.
Dann gilt 1 < 2 < 3 < . . . und 1 > 1/2 > 1/3 > 1/4 > . . ..
In jedem angeordneten Körper ist der Betrag |a| von a definiert durch

a
|a| := 
,a ≥ 0
−a , a < 0 .
29
KAPITEL 1. DIE REELLEN ZAHLEN
Satz 1.1.2.
(1) | − a| = |a| und −|a| ≤ a ≤ |a|
(2) |a| ≥ 0 und (|a| = 0 ⇔ a = 0).
(3) |a · b| = |a| · |b|
(4) |a + b| ≤ |a| + |b|
(5) ||a| − |b|| ≤ |a − b|
Beweis. (1) - (3): Übung (Fallunterscheidung).
(1)
(4)
• a + b ≥ 0 ⇒ |a + b| = a + b ≤ |a| + |b|
(1)
(1)
• a + b < 0 ⇒ |a + b| = −(a + b) = −a − b ≤ | − a| + | − b| = |a| + |b|.
Sei K ein angeordneter Körper. Eine Teilmenge A ⊆ K heißt nach oben
beschränkt, wenn eine Zahl t ∈ K existiert mit x ∈ A ⇒ x ≤ t. Jede Zahl t
mit dieser Eigenschaft ist eine obere Schranke von A.
Die kleinste obere Schranke von A, falls existent, heißt Supremum von A
und wird mit sup A bezeichnet.
Bemerkung 1.1.3.
1. sup A (wenn existent) kann zu A oder zu K \ A
gehören. Wenn sup A ∈ A, dann heißt sup A das Maximum von A und
man schreibt max A.
2. Wenn t < sup A, dann existiert ein a ∈ A mit a > t. Sonst wäre t eine
obere Schranke und sup A nicht die kleinste obere Schranke.
Die Begriffe nach unten beschränkt und untere Schranke werden analog definiert. Die größte untere Schranke von A ⊆ K heißt Infimum (bzw. Minimum)
von A. (Letzteres nur, falls inf A ∈ A. Dann inf A = min A.)
Beispiel 1.1.4. Sei K := Q.
1) A = {q ∈ Q | q < 1} ist nach oben beschränkt und sup A = 1.
Beweis. Für alle q ∈ Q, q < 1 gilt q <
Schranke von A, denn 1+q
∈ A.
2
1+q
2
< 1. Also ist q keine obere
2) A = {q ∈ Q | q ≤ 1} ⇒ sup A = 1 = max A.
30
KAPITEL 1. DIE REELLEN ZAHLEN
3) A = {q ∈ Q | q 2 ≤ 2} ist nach oben beschränkt, denn1
1
1
3
q ∈ A ⇒ q = (2q) ≤ (1 + q 2 ) ≤ ,
2
2
2
aber sup A existiert nicht in Q (siehe Beweis von Satz 1.1.8).
Definition 1.1.5. Ein angeordneter Körper K heißt vollständig, falls jede
nichtleere nach oben beschränkte Teilmenge ein Supremum (in K) hat.
Beispiel 1.1.6. Q ist nicht vollständig! (siehe Bsp. 1.1.4)
Satz 1.1.7. Sind K1 , K2 vollständige angeordnete Körper, dann existiert eine
bijektive Abbildung φ : K1 → K2 mit φ(a+b) = φ(a)+φ(b), φ(a·b) = φ(a)·φ(b)
und a < b ⇔ φ(a) < φ(b).
Beweis. Siehe Pöschel, Amann & Escher.
Im Sinn von Satz 1.1.7 existiert höchstens ein Körper, der vollständig
und angeordnet ist. R bezeichnet diesen eindeutig bestimmten vollständigen
angeordneten Körper.
Satz 1.1.8. Zu jeder reellen Zahl a > 0 existiert genau
eine reelle Zahl w > 0
√
2
mit w = a. w heißt Wurzel von a und wird mit a bezeichnet.
Beweis. Eindeutigkeit: Für positive reelle Zahlen u, v gilt
u < v ⇔ u2 < v 2
(Übung) ,
also existiert höchstens eine Wurzel von a.
Existenz: Sei E := {x ∈ R | 0 ≤ x, x2 ≤ a}. Dann gilt E 6= ∅, denn 0 ∈ E
und es gilt
1
1
1
x ∈ E ⇒ x = (2x) ≤ (1 + x2 ) ≤ (1 + a) .
2
2
2
Somit ist E nach oben beschränkt. Da R vollständig ist, existiert w := sup E ∈
R. Wir zeigen w2 = a, indem wir w2 6= a auf einen Widerspruch führen.
2
Annahme: w2 < a. Sei δ := a−w
. Dann gilt 0 < δ < 1 und somit δ 2 < δ,
2+a
w + δ > w und
(w + δ)2 = w2 + 2wδ + δ 2 ≤ w2 + 2wδ + δ
≤ w2 + (1 + w2 )δ + δ = w2 + δ 2 + w2
≤ w2 + a − w2 = a .
1
Hierbei wird die Ungleichung a2 +b2 ≥ 2ab verwendet, die aus 0 ≤ (a−b)2 = a2 −2ab+b2
folgt.
31
KAPITEL 1. DIE REELLEN ZAHLEN
Also w + δ ∈ E und w + δ > w im Widerspruch dazu, dass w = sup E obere
Schranke von E ist.
2
Annahme: w2 > a. Dann gilt w > 0 und wir können δ := w2w−a definieren2 .
Also gilt
w2
w
0<δ<
= <w.
2w
2
Es folgt
(w − δ)2 = w2 − 2wδ + δ 2
> w2 − 2wδ
= w2 − (w2 − a)
=a,
aber a ≥ x2 für x ∈ E. Somit gilt w − δ ≥ x für alle x ∈ E. D. h. w − δ
ist obere Schranke von E im Widerspruch dazu, dass w die kleinste obere
Schranke von E ist.
1.2
Natürliche Zahlen, Induktion und Rekursion
Eine Teilmenge M ⊆ R heißt induktiv, wenn 1 ∈ M und
x∈M ⇒x+1∈M .
Wir definieren N als kleinste induktive Teilmenge von R. D. h.3
\
N=
M .
M ⊆R
M ist induktiv
Aus dieser Definition folgt sofort das Induktionsprinzip.
Satz 1.2.1. Falls M ⊆ N, 1 ∈ N und n ∈ M ⇒ n + 1 ∈ M , dann gilt M = N.
Beweis. Nach Annahme ist M induktiv, also M ⊇ N. Wegen M ⊆ N folgt
M = N.
Satz 1.2.2. Für alle n, m ∈ N gilt
2
d. h. w − δ ist der Schnittpunkt der Tangente von x 7→ x2 im Punkt w mit der Gerade
y = a.
3
Prinzipiell müsste man hier erst noch beweisen, dass aus der unteren Definition folgt,
dass N induktiv ist.
KAPITEL 1. DIE REELLEN ZAHLEN
32
(i) n ≥ 1.
(ii) n + m ∈ N, n · m ∈ N.
(iii) n = 1 oder n − 1 ∈ N.
(iv) m < n ⇒ n − m ∈ N.
(v) n < m ≤ n + 1 ⇒ m = n + 1.
Beweis. (i) Sei M := {n ∈ N | n ≥ 1}. Dann ist 1 ∈ M und n ∈ M ⇒ n ≥
1 ⇒ n + 1 ≥ 1 + 1 > 1. Also n + 1 ∈ M . Also ist M = N nach Satz
1.2.1.
(ii) Sei m ∈ N fest und M := {n ∈ N | n + m ∈ N}. Dann gilt 1 ∈ M ,
denn N ist induktiv, und n ∈ M ⇒ n + m ∈ N ⇒ (n + m) + 1 ∈ N ⇒
(n + 1) + m ∈ N ⇒ n + 1 ∈ M , weil N induktiv ist. Die Aussage für
n · m wird hier nicht bewiesen.
(iii) M := {n ∈ N | n = 1 ∨ n − 1 ∈ N} ist induktiv (Übung), also M = N.
(iv) M := {n ∈ N | ∀m ∈ N : m < n ⇒ n − m ∈ N} ist induktiv (Übung),
also M = N.
(v) Falls n < m ≤ n + 1, dann gilt nach (iv) m − n ∈ N, also
(i)
1 ≤ m − n ≤ (n + 1) − n = 1 .
Satz 1.2.3 (N ist wohlgeordnet). Jede nichtleere Teilmenge M ⊆ N hat ein
kleinstes Element. D. h. es gibt ein m ∈ M mit m ≤ k für alle k ∈ M .
Beweis. Wir zeigen: Hat M kein kleinstes Element, dann M = ∅. Sei
U := {n ∈ N | n ≤ k für alle k ∈ M }
die Menge der unteren Schranken von M . Es gilt 1 ∈ U und wenn n ∈ U ,
dann n 6∈ M , denn nach Annahme ist keine untere Schranke in M . Also n < k
für alle k ∈ M , d. h. k − n ≥ 1 für alle k ∈ M (Satz 1.2.2). Daraus folgt
k ≥ n + 1 für alle k ∈ M und somit n + 1 ∈ U . Somit ist U induktiv und
nach Satz 1.2.1 ist U = N. Da U ∩ M = ∅ (nach Annahme) folgt M = ∅.
KAPITEL 1. DIE REELLEN ZAHLEN
33
Prinzip von Archimedes
Satz 1.2.4. N ist in R nach oben unbeschränkt. D. h. für jedes a ∈ R gibt
es ein n ∈ N mit n > a.
Beweis. Wäre N nach oben beschränkt, dann wäre β := sup(N) ∈ R. Dann
wäre β − 1 keine obere Schranke von N, also ex. n ∈ N mit n > β − 1. Also
gilt N 3 n + 1 > β im Widerspruch dazu, dass β eine obere Schranke von N
ist.
Korollar 1.2.5. Zu jedem ε > 0 existiert ein n ∈ N mit 1/n < ε.
Beweis. Nach Satz 1.2.4 existiert ein n ∈ N mit n > 1/ε. Also gilt 1/n < ε
nach Satz 1.1.1.
Bemerkung 1.2.6. Ein angeordneter Körper heißt archimedisch angeordnet,
wenn die natürlichen Zahlen in ihm unbeschränkt sind.
Induktion
Satz 1.2.7. Sei A(n) eine Aussageform, welche für alle n ∈ N definiert ist
und
(i) A(1) wahr (Verankerung)
(ii) A(n) ⇒ A(n + 1) (Induktionsschritt) .
Dann ist A(n) für alle n ∈ N wahr.
Beweis. Sei M = {n ∈ N | A(n)}. Dann ist 1 ∈ M nach (i) und n ∈ M ⇒
n + 1 ∈ M nach (ii). Also ist M induktiv und somit M = N (Satz 1.2.1).
Bemerkung 1.2.8. Man kann die Verankerung bei einem beliebigen n0 ∈ N
machen und man bekommt dann, dass A(n) für alle n ≥ n0 gilt.
(Beweis: M := {k ∈ N | A(k + n0 − 1)} ist induktiv.)
Satz 1.2.9 (Bernoullische Ungleichung). Für alle x ≥ −1 und alle n ∈ N gilt
(1 + x)n ≥ 1 + nx
und Gleichheit gilt nur für x = 0 oder n = 1.
Beweis. Verankerung: Für n = 1 gilt (1 + x)n = (1 + x)1 = 1 + 1 · x = 1 + nx.
Induktionsschritt: Sei n ∈ N und (1 + x)n ≥ 1 + nx für x ≥ −1. Dann
folgt
(x≥−1)
(1 + x)n+1 = (1 + x)n (1 + x) ≥ (1 + nx)(1 + x)
= 1 + nx + x + nx2 ≥ 1 + (n + 1)x + nx2 ≥ 1 + (n + 1)x .
34
KAPITEL 1. DIE REELLEN ZAHLEN
Veranschaulichung:
4
2
−3
−2
−1
1
2
3
3
f (x) = (1 + x)
f (x) = 1 + 3x
−2
Satz 1.2.10. Sei A(n) eine Aussgageform, welche für jedes n ∈ N definiert
ist und außerdem
(i) A(1) sei wahr
(ii) aus A(1), . . . , A(n) folgt A(n + 1) .
Dann gilt A(n) für alle n ∈ N.
Beweis. Die Menge M := {n ∈ N | ∀k ≤ n : A(n)} ist induktiv: 1 ∈ M und
n ∈ M ⇒ n + 1 ∈ M . Also M = N nach Satz 1.2.1.
Rekursion Die Summen- und Produktzeichen:
n
X
k=1
n
Y
ak = a1 + a2 + . . . + an
ak = a1 + a2 + . . . + an
k=1
sind rekursiv definiert durch
1
X
k=1
n
X
k=1
1
Y
k=1
n
Y
k=1
ak := a1
ak :=
n−1
X
!
ak + an
k=1
ak := a1
ak :=
n−1
Y
k=1
!
ak · an .
35
KAPITEL 1. DIE REELLEN ZAHLEN
Beispiel: n! := (n − 1)! · n, wobei 0! := 1.
Satz 1.2.11. In jedem Körper gilt
(a)
n
X
!
ak +
k=1
n
X
n
X
!
bk =
k=1
n
X
λ
ak =
k=1
(ak + bk )
k=1
n
X
(λak ) ,
k=1
(b)
n
Y
!
ak ·
k=1
n
Y
!
bk =
k=1
n
Y
(ak · bk ) .
k=1
(c)
n
X
i=1
!
ak ·
m
X
k=1
!
bk =
n
X
m
X
i=1
k=1
!
ai b m
.
Beweis. (a) und (b) induktiv. (c) folgt aus (a).
Bemerkung 1.2.12. Die Existenz und Eindeutigkeit einer rekursiv definierten Folge kann man in großer Allgemeinheit beweisen (per Induktion), vgl.
Pöschel (Kap. 3.1 Satz 15) oder Amann, Escher (Kap. I.5 Satz 5.11).
1.3
Ganze und rationale Zahlen
Wir definieren
Z := {m − n | m, n ∈ N}
m
:=
Q
|m∈Z∧n∈N
n
Z ist ein kommutativer Ring mit Eins (d. h. es gelten alle Körperaxiome
außer M3). Q ist ein angeordneter Körper (Beweise: Übung).
Satz 1.3.1. Jede nichtleere, nach unten beschränkte Teilmenge von Z hat ein
Minimum.
36
KAPITEL 1. DIE REELLEN ZAHLEN
Beweis. Siehe Blatt 4.
Satz 1.3.2. Zu jedem Paar reeller Zahlen a < b gibt es eine rationale Zahl q
mit a < q < b.
Beweis. Sei n ∈ N so gewählt, dass 1/n < b − a (Korollar 1.2.5) und sei
m := min{k ∈ Z | k > na}. m existiert nach Satz 1.3.1. Es folgt
m > na ∧ m − 1 ≤ na
m
1
m
>a∧
≤a+ ,
⇔
n
n
n
also gilt a < m/n ≤ a + 1/n < b.
1.4
Mächtigkeit von R
Zwei Mengen A, B heißen gleichmächtig (A ∼ B), wenn es eine bijektive
Abbildung φ : A → B gibt (oder A = B = ∅). Eine Menge A heißt endlich,
falls ein n ∈ N existiert mit A ∼ {k ∈ N | 1 ≤ k ≤ n} (oder A = ∅). A
heißt abzählbar, falls A endlich ist oder A ∼ N (abzählbar unendlich). A heißt
überabzählbar, falls A nicht abzählbar ist.
Beispiel 1.4.1.
1) Jede Teilmenge von N ist abzählbar.
Beweis. Sei M ⊆ N und M 6= ∅ und sei φ(n) rekursiv definiert durch
φ(1) := min M
φ(2) := min (M \ {ϕ(1)})
..
. Falls M \ {ϕ(1), . . . , ϕ(n)} =
6 ∅:
φ(n + 1) := min (M \ {ϕ(1), . . . , ϕ(n)}) ∈ M ,
dann gilt φ(n) ∈ N, φ(1) < φ(2) < . . .. Wenn M beschränkt ist, dann
bricht dieses Verfahren ab und M ist endlich, also abzählbar. Falls
M unbeschränkt ist, dann bricht dieses Verfahren nicht ab und die
Rekursionsvorschrift definiert eine Bijektion φ : N → M (Übung). Also
M ∼ N und somit ist M abzählbar.
2) Z ∼ N, denn φ : N → Z mit
φ(n) :=
ist bijektiv.

n
2
− n−1
2
, n gerade
, n ungerade
KAPITEL 1. DIE REELLEN ZAHLEN
37
3) N×N ist abzählbar. Eine bijektive Abbildung φ : N → N×N ist gegeben
durch:
.. .. ..
.
. . . ..
4 8 13 . . .
2 5 9 ...
1 3 6 ...
Satz 1.4.2. Eine Menge A ist genau dann abzählbar, wenn sie gleichmächtig
wie eine Teilmenge von N ist.
Beweis. Ist A abzählbar, dann gilt A ∼ M mit M ⊆ N (folgt aus der
Definition von Abzählbarkeit).
Falls A ∼ M, M ⊆ N, dann ist A abzählbar, denn M ist abzählbar nach
Bsp. 1.4.1.
Satz 1.4.3.
(a) Jede Teilmenge einer abzählbaren Menge ist abzählbar.
(b) Sind A, B abzählbar, so ist auch A × B abzählbar.
(c) Ist (Ak )k≥1 eine abzählbare Familie von abzählbaren Mengen Ak , dann
S
ist k≥1 Ak abzählbar.
Beweis. (a) Sei A ⊆ B und B abzählbar. Dann ∃M ⊆ N mit B ∼ M (Satz
1.4.2), d. h. es ex. φ : B → M bijektiv. Also ist φ|A : A → φ(A) ⊆
φ(B) = M ⊆ N bijektiv. Also ist A abzählbar nach Satz 1.4.2.
(b) Sind A, B abzählbar, dann ex. M, N ⊆ N mit A ∼ M, B ∼ N . Also
A × B ∼ M × N (Übung), aber M × N ⊆ N × N, was abzählbar
ist (1.4.1). Also ist M × N abzählbar (nach (a)) und A × B ist auch
abzählbar.
(c) Sei zuerst Ak ∩ Al = ∅ für alle k 6= l. Sei
Ak = {akl | 1 ≤ l < Nk ≤ ∞}
und sei
φ:
[
Ak → N × N, akl 7→ (k, l) .
k≥1
S
Dann ist φ injektiv und somit k≥1 Ak gleichmächtig wie eine Teilmenge
S
der abzählbaren Menge N × N. Also ist auch k≥1 Ak abzählbar.
38
KAPITEL 1. DIE REELLEN ZAHLEN
Sind die Ak nicht paarweise disjunkt, dann konstruiert man erst disS
S
junkte Mengen Ãk ⊆ Ak mit k≥1 Ãk = k≥1 Ak durch
Ã1 := A1
Ã2 := A2 \ A1
Ãn := An \
n−1
[
Ak .
k=1
Nach dem bereits Gezeigten ist dann
bar.
S
Ãk und somit auch
S
Ak abzähl-
Satz 1.4.4. Q ist abzählbar.
Beweis. Jede rationale Zahl q hat eine eindeutige Darstellung
q=
m
, m ∈ Z, n ∈ N
n
mit minimalem n. Wir definieren
φ : Q → Z × N, q 7→ (m, n) .
Diese Abbildung ist injektiv. Somit ist Q gleichmächtig wie eine Teilmenge
von Z × N, was abzählbar ist (Beispiel 1.4.1). Also ist Q abzählbar nach Satz
1.4.3.
Satz 1.4.5. R ist überabzählbar.
Beweis. Annahme: R sei abzählbar. D. h. R = {xk | k ∈ N}. Wir konstruieren
α ∈ R mit α =
6 xk für alle k ∈ N, was im Widerspruch zur Annahme steht.
Wir konstruieren rekursiv Intervalle [ak , bk ] mit
xk 6∈ [ak , bk ] ⊆ [ak−1 , bk−1 ] .
Sei a1 := x1 + 1, b1 = x1 + 2 und für k ≥ 2 definieren wir
• Fall 1: xk+1 ≥ 12 (ak + bk ). Dann definieren wir ak+1 := ak und bk+1 :=
2
a + 13 bk ∈ (ak , bk ).
3 k
ak
ak+1
bk+1
ak +bk
2
xk+1
bk
39
KAPITEL 1. DIE REELLEN ZAHLEN
• Fall 2: xk+1 < 12 (ak + bk ). Dann definieren wir ak+1 := 13 ak + 23 bk und
bk+1 := bk .
ak xk+1
ak +bk
2
ak+1
bk
bk+1
Dann gilt a1 ≤ a2 ≤ . . . ≤ b3 ≤ b2 ≤ b1 . Sei α := sup{ak | k ∈ N} ∈ R.
Dann gilt α ∈ [ak , bk ] für alle k ∈ N und xk 6∈ [ak , bk ] für alle k ∈ N. Also
folgt α 6= xk für alle k ∈ N. Dies ist aber ein Widerspruch zur Annahme
R = {xk | k ∈ N}.
Folgerung: Die Menge der irrationalen Zahlen R \ Q ist überabzählbar,
sonst wäre R = (R \ Q) ∪ Q abzählbar.
Kapitel 2
Zahlenfolgen
2.1
Konvergenz
Eine Folge (zn )n≥1 komplexer (oder reeller) Zahlen zn ist eine Abbildung
z : N → C, n 7→ zn .
Die Zahlen zn heißen Glieder der Folge. Auch eine Abbildung von {n ∈ Z |
n ≥ k} nach C heißt Folge, der Index n muss also nicht bei 1 beginnen.
Vorsicht: (zn )n≥1 6= {zn | n ∈ N}.
Beispiel 2.1.1.
1) Fibonacci-Folge: x1 = 1, x2 = 1, x3 = 2, xn+1 = xn +
xn−1 für n ≥ 2.
2) x0 = 3, xn+1 = 12 xn + x2n (siehe Aufgabe 2.7). Wir erhalten x1 =
√
11/6 ≈ 1.8333, x2 ≈ 1.46212, x3 ≈ 1.415 und bald auch xn → 2
(n → ∞).
3) Flächenberechnung:
40
41
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
3
f (x) = 1/x
2
1
−1
1
2
3
−1
Der Flächeninhalt der blauen
Fläche wird mit s1 bezeichnet, der der grünen Fläche mit s2 , der der
roten Fläche mit s3 usw.
1
2
1 2 1
+
s2 =
2 3 2
1 1 1
s3 = + + ≈ 0.616
4 5 6
n
X
1
sn =
.
k=1 n + k
s1 =
Später werden wir sehen, dass sn → log(2) ≈ 0.6931.
4) zn := (1 + i)n . Dann gilt z1 = 1 + i, z2 = (1 + i)2 , z3 = 2(1 − i) und
√ π π
z1 = 2 cos
+ i sin
4
4 √ n π
π
zn = 2 cos n
+ i sin n
.
4
4
42
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
z1
i
√
2
π
4
1
5) Konstante Folge zn = c ∈ C
6) „Die Folge aller rationalen Zahlen“: Da Q abzählbar ist, existiert eine
Folge (qn )n≥1 mit Q = {qn | n ≥ 1}.
Definition 2.1.2. Eine Zahlenfolge (zn ) konvergiert gegen z ∈ C, in Zeichen
lim zn = z oder zn → z
n→∞
(n → ∞) ,
falls zu jedem ε > 0 eine natürliche Zahl Nε ∈ N existiert, so dass
n ≥ Nε ⇒ |zn − z| < ε .
Mit Quantoren:
∀ε > 0 : ∃Nε ∈ N : ∀n ≥ Nε : (n ≥ Nε ⇒ |zn − z| < ε) .
zn+1
zn+2
z1
ε
z
z2
zn
z3
43
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
Die Zahl z heißt Limes oder Grenzwert der Folge. Eine folge heißt konvergent, falls ein z ∈ C existiert mit zn → z (n → ∞), sonst heißt sie
divergent.
Die Menge
Bε (z) := {w ∈ C | |w − z| < ε}
heißt ε-Umgebung von z. Konvergenz zn → z bedeutet, dass jede ε-Ungebung
von z alle bis auf endlich viele Glieder („fast alle“) der Folge enthält.
Divergent bedeutet, dass keine Zahl z ∈ C Grenzwert der Folge ist, d. h.
zn 6→ z für alle z ∈ C. Mit Quantoren:
∃ε > 0 : ∀N ∈ N : ∃n ≥ N : |zn − z| ≥ ε .
In Worten: Es gibt ein ε > 0, so dass zn 6∈ Bε (z) für unendlich viele n ∈ N
(= Negation der „fast alle“-Beschreibung von Konvergenz).
Für eine reelle Zahlenfolge (xn )n≥1 ist |xn − a| < ε äquivalent zu a − ε <
xn < a + ε.
ε
a−ε
2.1.1
a
Bε (a)
a+ε
R
Graph einer Folge xn
a+ε
...
...
a
a−ε
Der grau hinterlegte Bereich wird manchmal auch als „ε-Schlauch“ bezeichnet.
Beispiel 2.1.3.
44
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
1) Jede konstante Folge ist konvergent.
2) Die Folge xn := 1/n ist konvergent mit Limes limn→∞ xn = 0.
3) Die Folge xn := (−1)n ist divergent.
4) Die Folge xn := n ist divergent.
Beweis.
1) Sei zn = z1 für alle n und ε > 0. Dann gilt |zn − z1 | = 0 < ε für alle
n ≥ 1. Wähle also Nε = 1 unabhängig von ε.
2) Sei ε > 0. Wir wählen N ∈ N mit 1/N < ε (Korollar 1.2.5). Dann gilt
n≥N ⇒
1
n
− 0
=
1
1
≤
<ε.
n
N
3) Annahme: (−1)n → z (n → ∞). Wähle ε = 1. Aus der Konvergenz
folgt die Existenz von N ∈ N mit n ≥ N ⇒ |(−1)n − z| < 1. Also
n ≥ N ⇒ 2 = |(−1)n − (−1)n+1 | ≤ |(−1)n − z| + |z − (−1)n+1 | < 2 ,
|
{z
<1
}
|
{z
<1
}
ein Widerspruch.
Definition 2.1.4. Eine Folge (zn ) heißt Nullfolge, wenn zn → 0 (n → ∞).
Sie heißt beschränkt, wenn R > 0 existiert mit |zn | < R für alle n.
R
z3
z2
z1
z4
45
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
Satz 2.1.5.
(a) Der Grenzwert einer Folge ist eindeutig.
(b) Die Aussagen limn→∞ zn = z, limn→∞ (zn −z) = 0 und limn→∞ |zn −z| =
0 sind äquivalent.
(c) zn → z (n → ∞) genau dann wenn Re zn → Re z, Im zn → Im z für
n → ∞.
(d) limn→∞ zn = z ⇒ limn→∞ |zn | = |z| und (zn ) ist beschränkt.
Beweis.
(a) Sei limn→∞ zn = z und limn→∞ zn = w, wobei ε := |z−w|
> 0. Dann
2
bekommen wir den Widerspruch, dass fast alle Glieder der Folge in
Bε (z) ∩ Bε (w) = ∅ liegen müssen.
Bε (z)
Bε (w)
z
w
(b) Folgt aus der Definition von Konvergenz.
(c) Sei limn→∞ zn = z und ε > 0. Dann ex. N ∈ N : n ≥ N ⇒ |zn − z| < ε.
Also
n ≥ N ⇒ | Re zn − Re z| = | Re(zn − z)| ≤ |zn − z| < ε
n ≥ N ⇒ | Im zn − Im z| = | Im(zn − z)| ≤ |zn − z| < ε .
Sei limn→∞ Re zn = Re z, limn→∞ Im zn = Im z und ε > 0. Sei ε0 := ε/2.
Nach Annahme existieren N1 , N2 ∈ N mit
ε
n ≥ N1 ⇒ | Re zn − Re z| < ε0 =
2
ε
0
n ≥ N2 ⇒ | Im zn − Im z| < ε = .
2
Sei N := max{N1 , N2 }. Dann folgt
n ≥ N ⇒ |zn − z| ≤ | Re(zn − z)| + | Im(zn − z)|
= | Re zn − Re z| + | Im zn − Im z| < ε .
|
{z
<ε/2
}
|
{z
<ε/2
}
46
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
(d) Sei limn→∞ zn = z und ε > 0. Dann existiert N ∈ N mit n ≥ N ⇒
|zn − z| < ε. Also
n ≥ N ⇒ |zn | − |z| ≤ |zn − z| < ε .
Daher folgt limn→∞ |zn | = |z|.
(zn ) ist beschränkt: Wir wissen |zn | → |z|. Also ex. N ∈ N mit n ≥
N ⇒ |zn | ∈ B1 (|z|). Daher gilt
|zn | ≤ max{|z1 |, |z2 |, . . . , |zN −1 |, |z| + 1} ∈ R .
Satz 2.1.6.
a) Falls limn→∞ an = 0 für eine reelle Zahlenfolge (an ) und |zn | ≤ an für
fast alle n, dann gilt auch limn→∞ zn = 0.
b) Ist (zn ) eine Nullfolge und (wn ) eine beschränkte Folge, dann ist (zn ·wn )
eine Nullfolge.
Beweis.
a) Sei limn→∞ an = 0 und ε > 0. Dann ex. N1 ∈ N mit n ≥ N1 ⇒
an ≤ |an − 0| < ε. Sei außerdem N2 := 1 + max{n | |zn | > an } und
N := max{N1 , N2 }. Somit gilt
n ≥ N ⇒ |zn − 0| = |zn | ≤ an < ε .
Also gilt limn→∞ zn = 0.
b) Sei limn→∞ zn = 0 und |wn | ≤ R für alle n. Sei ε > 0 und ε0 := ε/R.
Dann ex. N ∈ N mit
ε
n ≥ N ⇒ |zn − 0| ≤ ε0 =
.
R
Also gilt
n ≥ N ⇒ |zn · wn | = |zn | · |wn | <
ε
·R=ε .
R
Somit gilt limn→∞ (zn · wn ) = 0.
Satz 2.1.7. Falls limn→∞ zn = z und limn→∞ wn = w, dann gilt
(a) limn→∞ (zn + wn ) = z + w
(b) limn→∞ (zn · wn ) = z · w
47
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
(c) Falls w 6= 0, dann wn 6= 0 für fast alle n und
zn
z
→
wn
w
(n → ∞) .
Beweis.
(a) Sei ε > 0. Nach Annahme existieren N1 , N2 , sodass
n ≥ N1 ⇒ |zn − z| < ε0
n ≥ N2 ⇒ |wn − w| < ε0 ,
wobei ε0 := ε/2. Sei N := max{N1 , N2 }. Dann folgt:
n ≥ N ⇒ |(zn + wn ) − (z + w)| = |(zn − z) + (wn − w)|
≤ |zn − z| + |wn − w| < 2ε0 = ε .
(b) Es gilt
z · (wn − w) .
zn wn − zw = (zn − z) · wn + |{z}
| {z }
| {z } |{z}
→0
beschr.
beschr.
→0
Nach Satz 2.1.6 b) sind beide Summanden Nullfolgen. Nach Teil (a)
ist dann auch deren Summe eine Nullfolge. Mit Satz 2.1.5 b) folgt
zn wn → z · w.
(c) Sei ε = |w|/2 > 0. Wegen wn → w existiert N ∈ N, sodass
n ≥ N ⇒ |wn − w| < ε .
Also folgt
n ≥ N ⇒ |wn | = |w − (w − wn )| ≥ |w| − |w − wn |
> |w| − ε = |w|/2 > 0 .
Somit gilt |1/wn | < 2/|w| für n ≥ N .
Im Beweis von zn /wn → z/w (n → ∞) wobei n ≥ N genügt es nach
Teil b) zu zeigen, dass 1/wn → 1/w (n → ∞). Es gilt
1
1
w − wn
1
− ⇒
=
· (w − wn ) → 0
wn w
wn w
wn w | {z }
| {z }
|·|≤
→0
2
|w|2
nach Satz 2.1.6 b). Somit folgt limn→∞ 1/wn = 1/w.
48
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
Beispiel 2.1.8. Sei
an :=
(n + 1)(3n2 − n + 4)
.
(2n + 5)3
Wir dividieren Zähler und Nenner durch n3 :
an =
(1 + n1 )(3 −
1
n
3
2+
5
n
+
4
)
n2
=
bn · c n
,
dn
wobei
1
1+
=1
n
lim bn = lim
n→∞
n→∞
lim cn = 3
n→∞
5
2+
n
lim dn = lim
n→∞
Also
n→∞
3
= 23 = 8 .
1·3
bn c n
→
dn
8
nach Satz 2.1.7.
Satz 2.1.9. Seien (an ), (bn ), (cn ) reelle Zahlenfolgen.
(a) Falls an ≤ bn für fast alle n, an → a und bn → b, dann gilt a ≤ b.
(b) Falls an ≤ bn ≤ cn für fast alle n und limn→∞ an = L = limn→∞ cn ,
dann ist (bn ) konvergent mit Grenzwert L.
Beweis.
(a) Indirekt: Wir zeigen a > b ⇒ an > bn für unendlich viele n.
Sei ε := 12 (a − b). Dann ex. N ∈ N, sodass
n ≥ N ⇒ bn < b + ε = a − ε < an ,
insbesondere bn < an für unendlich viele n.
(b) Sei ε > 0. Dann ex. N ∈ N, sodass
n ≥ N ⇒ L − ε < an ≤ bn ≤ cn < L + ε .
Also
n ≥ N ⇒ |bn − L| < ε .
49
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
Bemerkung 2.1.10. Wenn in Teil (a) die strikte Ungleichung an < bn
angenommen wird, dann folgt trotzdem im Allgemeinen nur a ≤ b. Beispiel:
an = 0 und bn = 1/n.
Satz 2.1.11 (Wichtige Grenzwerte).
(a) |z| < 1 ⇒ limn→∞ z n = 0,
(b) |z| < 1 und p ∈ N ⇒ limn→∞ np z n = 0,
√
(c) limn→∞ n n = 1,
√
(d) a > 0 ⇒ limn→∞ n a = 1.
Beweis. (a) Es genügt zu zeigen, dass limn→∞ |z n | = 0, wobei |z n | = |z|n .
Sei ε > 0. Nach Aufgabe 4.1 ex. N ∈ N mit |z|N < ε. Also gilt:
n ≥ N ⇒ |z|n = |z|n−N |z|N < ε .
| {z } | {z }
≤1
<ε
(b) Wir zeigen limn→∞ |np z n | = 0, wobei |np z n | = np |z|n . Sei an = np |z|n .
Dann gilt
an+1
n+1
=
an
n
p
|z| =
1
1+
| {z n}
!p
(n→∞)
|z| −→ |z| < 1 .
→1
Sei ε := (1 − |z|) · 12 > 0. Dann ex. N ∈ N mit n ≥ N ⇒
1 − ε. Also gilt für n > N :
an =
an+1
an
< |z| + ε =
an
an−1 < (1 − ε)an−1 < (1 − ε)2 an−2 < . . . < (1 − ε)n−N aN
an−1
(n→∞)
= (1 − ε)n (1 − ε)−N an −→ 0 .
|
{z
→0
}|
{z
konstant
Also gilt limn→∞ an = 0.
}
50
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
50
an = n2 · 0.9n
40
an
30
20
10
0
0
20
40
60
80
100
n
(c) Sei ε > 0. Nach (b) ex. N ∈ N mit
n
1
=n
n≥N ⇒
n
(1 + ε)
1+ε
n
<1.
Also
n ≥ N ⇒ n < (1 + ε)n
√
⇒ n n < (1 + ε) .
Also n ≥ N ⇒ |1 −
√
n
n| < ε.
(d) Sei N ∈ N mit N ≥ max{a, a1 }. Dann gilt
1
≤a≤n
n
√
√
1
⇒ √
≤ na≤ nn,
n
|{z}
n
n≥N ⇒
| {z }
→1
→1
Also gilt limn→∞
2.2
√
n
a = 1 nach Satz 2.1.9 (b).
Monotone Folgen und Wurzeln
In diesem Abschnitt sind alle Folgen reellwertig.
Eine Folge (an ) reeller Zahlen heißt
(a) monoton wachsend, falls an ≤ an+1 für alle n.
51
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
(b) monoton fallend, falls an ≥ an+1 für alle n.
(c) monoton, falls sie monoton wachsend oder monoton fallend ist.
Gilt die strikte Ungl. in (a) oder (b), dann spricht man von einer streng
monoton wachsenden bzw. fallenden Folge.
Satz 2.2.1. Jede beschränkte, monotone Folge (an ) ist konvergent und es gilt
(a) limn→∞ an = sup{an | n ∈ N}, wenn (an ) monoton wachsend ist.
(b) limn→∞ an = inf{an | n ∈ N}, wenn (an ) monoton fallend ist.
Beweis. (a) Da {an | n ∈ N} nichtleer und beschränkt ist, ist L := sup{an |
n ∈ N} ∈ R (Vollständigkeit von R). Wir zeigen limn→∞ an = L. Sei
ε < 0. Dann ist L − ε keine obere Schranke von {an | n ∈ N}. Also
∃N ∈ N mit
aN > L − ε .
Also
n ≥ N ⇒ L − ε < aN ≤ an ≤ L .
Somit gilt
n ≥ N ⇒ |L − an | < ε .
(b) Ist (an ) monoton fallend, dann ist (−an ) monoton wachsend, also gilt
nach (a):
− n→∞
lim an = n→∞
lim (−an ) = sup{−an | n ∈ N}
⇒ n→∞
lim an = − sup{−an | n ∈ N} = inf{an | n ∈ N} .
Beispiel 2.2.2. Die Folge sn := nk=0 k!1 = 1 + 1 + 2!1 + 3!1 + . . . + n!1 ist (streng)
1
monoton wachsend, denn sn+1 = sn + (n+1)!
> sn . Es gilt für n ≥ 2:
P
sn − 2 =
=
n
n
X
X
1
1
1
1
≤
=
−
k
k=2 (k − 1)k
k=2 k − 1
k=2 k!
n
X
n−1
X
n
1 X
1
1
−
=1− <1 .
n
k=1 k
k=2 k
Also gilt
2 ≤ sn < 3
(2.2.1)
für n ≥ 2. Nach Satz 2.2.1 existiert
lim sn = n→∞
lim
n→∞
∞
X
1
1
=:
=: e .
k=0 k!
k=0 k!
n
X
e heißt Eulersche Zahl. Numerisch: e = 2.71828 . . .. Aus 2.2.1 folgt 2 ≤ e ≤ 3.
52
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
√
Wurzelberechnung Sei a > 0. Gesucht ist a, d. h. die Seite eines Quadrats mit Fläche a.
√
√
1. Schätzung: x1 . Falls x1 > a, dann xa1 < a.
a
x1
a
x1
2. Schätzung: x2 :=
1
x + xa1 .
2 1
1
a
x
+
.
2√ n
xn
Allgemein: xn+1 :=
Frage: limn→∞ xn = a?
Beispiel: a = 3, x1 = 2.
1
3
x2 =
2+
= 1.75
2
2 1
3
x3 =
x2 +
≈ 1.73214
2
x2 1
3
x4 =
x3 +
≈ 1.732050810
2
x3
(1 Nachkommastelle korrekt)
(3 Nachkommastellen korrekt)
(7 Nachkommastellen korrekt)
Offenbar gilt x1 > x2 > x3 > x4 > . . . > 0.
Satz 2.2.3 (Existenz von Wurzeln). Sei k ≥ 2 eine natürliche Zahl. Zu jeder
reellen Zahl a > 0 gibt es eine eindeutig√bestimmte Zahl x > 0 mit xk = a.
x heißt k-te Wurzel von a und wird mit k a bezeichnet. Für jeden Startwert
x1 > 0 ist die rekursiv definierte Folge
xn+1
gegen
√
k
1
a
:=
(k − 1)xn + k−1
k
xn
!
(2.2.2)
a konvergent und zwar monoton fallend für n ≥ 2.
Beweis.
1) Eindeutigkeit: Aus 0 < x < y folgt xk < y k (x < y ⇒ x2 <
xy, xy < y 2 , . . .). Also kann nur ein x > 0 existieren mit xk = a.
2) Falls x = limn→∞ xn existiert, dann folgt aus der Rekursionsgleichung:
kxn+1 xk−1
= (k − 1)xkn + a .
n
Mit Satz 2.1.7 folgt, dass
kxk = (k − 1)xk + a ,
d. h. 0 = −xk + a oder xk = a.
53
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
3) Konvergenz der Folge: Aus x1 > 0 und a > 0 folgt (induktiv) xn > 0
für alle n ∈ N. Wir schreiben (2.2.2) um als
k−1
a
+ k
k
kxn
xn+1 = xn
!
1
1+
k
= xn
|
Bernoulli
=⇒
xkn+1
=
1
1+
k
xkn
{z
>−1
}
!!k
a
−1
xkn
!!
a
1+ k −1
an
≥ xkn
!!
a
−1
xkn
= xkn
a
=a
xkn
für alle n ≥ 1. Also xkn ≥ a für n ≥ 2 und mit

xn+1
1
= xn  1 +
k
!
a
−1 
xkn
| {z }
<0
|
{z
∈(0,1)
}
für n ≥ 2 folgt, dass xn monoton fällt. Insbesondere gilt 0 < xn ≤ x2
für n ≥ 2. Die Folge (xn ) ist also monoton fallend und beschränkt, also
existiert limn→∞ xn nach Satz 2.2.1.
√
Beispiel 2.2.4. Berechnung von 3 a: xn+1 = 31 2xn + xa2 . Für a = 8:
n
x1
x2
x3
x4
2.3
= 2.5
≈ 2.093
≈ 2.0041
≈ 2.00001 . . .
Der Satz von Bolzano und Weierstraß
Eine Zahl z ∈ C heißt Häufungspunkt (HP) der Folge (zn ), falls jede εUmgebung von z unendlich viele Glieder der Folge enthält. D. h. für alle
ε > 0 ist {n ∈ N | zn ∈ Bε (z)} unendlich.
HP
HP
Beispiel 2.3.1.
1) Der Limes einer konvergenten Folge ist (der einzige) HP der Folge.
54
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
2) Die Folge (−1)n hat die HP (−1) und 1.
HP
0
HP
3) Die Folge zn := in hat die HP 1, i, −1, −i.
i0 , i, i2 = −1, i3 = −i, i4 = 1, i5 = i, . . .
Satz 2.3.2. Jede beschränkte Folge in R hat mindestens einen HP.
Beweis. Sei (xn ) eine beschränkte Folge in R. Dann gilt
−R ≤ xn ≤ R
für R groß genug. Wir konstruieren rekursiv Intervalle [ak , bk ] wie folgt:
[a0 , b0 ] := [−R, R] und
[ak+1 , bk+1 ] :=

[a
k , mk ]
[mk , bk ]
, falls xn ≤ mk für fast alle n
, sonst.
Hierbei ist
mk :=
ak + b k
.
2
Dann gilt [ak+1 , bk+1 ] ⊆ [ak , bk ] für alle k ≥ 0 und
2R
→ 0 (k → ∞) .
2k
b k − ak =
Also gilt
∞
[
[ak , bk ] = {α}
k=0
mit α ∈ R (Aufgabe 5.4) und α ist HP der Folge:
Sei ε > 0 und N ∈ N so groß, dass 22R
N < ε. Dann gilt [aN , bN ] ⊆ Bε (α),
wobei [aN , bN ] unendlich viele Folgenglieder enthält. Also enthält auch Bε (α)
unendlich viele xn .
Sei (zn ) eine beliebige Folge und sei (nk )k≥1 eine streng monoton wachsende
Folge (Auswahlfolge) natürlicher Zahlen. Dann heißt (znk )k≥1 Teilfolge von
(zn ).
Bemerkung 2.3.3. Falls zn → z
Teilfolge gegen z.
(n → ∞), dann konvergiert auch jede
55
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
Beispiel 2.3.4. Die Folge zn := (−1)n hat u. a. die Teilfolgen (z2n ) : 1, 1, 1, . . .
und (z2n+1 ) : −1, −1, −1, . . ..
Satz 2.3.5. Eine Zahl z ∈ C ist genau dann ein HP der Folge (zn ), wenn z
der Grenzwert von einer Teilfolge ist.
Beweis. Falls z der Grenzwert einer Teilfolge (znk ) ist, dann gilt znk ∈ Bε (z)
für fast alle k und für jedes ε > 0. Also ist z HP der Folge.
Sei z ein HP der Folge (zn ). Dann können wir (nk )k≥1 rekursiv definieren
durch
n1 := min{n | |z − zn | < 1}
1
:= min n > nk | |z − zn | <
k+1
nk+1
n
wobei n > nk | |z − zn | <
1
k+1
o
,
6= ∅, da z ein HP ist. Es gilt
|znk − z| <
1
→ 0 (k → ∞) .
k
Also limn→∞ znk = z.
Theorem 2.3.6 (Bolzano-Weierstraß). Jede beschränkte Folge komplexer
(oder reeller) Zahlen hat eine konvergente Teilfolge.
Beweis. Sei (xn ) eine beschränkte Folge reeller Zahlen. Dann gibt es nach
Satz 2.3.2 und Satz 2.3.5 eine konvergente Teilfolge.
Sei jetzt zn = an + ibn eine beschränkte Folge in C. Dann hat (an ) eine
konvergente Teilfolge (ank )k≥1 wie oben bewiesen. Also ank → a (k → ∞).
(bnk ) ist beschränkte Folge reeller Zahlen, hat also eine konvergente Teilfolge
(Satz 2.3.2, 2.3.5) bnkl → b (l → ∞). Da ankl → a (l → ∞) gilt
znkl = ankl + ibnkl → a + ib (l → ∞) .
2.4
Das Cauchy-Kriterium
Sei (zn ) eine konvergente Folge mit Grenzwert z ∈ C. Sei ε > 0. Dann ex.
N ∈ N:
ε
n ≥ N ⇒ |zn − z| < .
2
Dann folgt aus der Dreiecksungleichung:
|zn − zm | = |zn − z + z − zm | ≤ |zn − z| + |z − zm | .
56
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
Also
n, m ≥ N ⇒ |zn − zm | < ε
zm
(∗)
B 2ε (z)
z
zn
ε
Eine Folge (zn ) heißt Cauchy-Folge, wenn zu jedem ε > 0 ein N ∈ N
existiert, sodass (∗) gilt.
Lemma 2.4.1. Jede Cauchy-Folge ist beschränkt.
Beweis. Sei (zn ) eine Cauchy-Folge. Dann ex. N ∈ N, sodass
m, n ≥ N ⇒ |zn − zm | < 1 .
Insbesondere gilt
n ≥ N ⇒ |zn − zN | < 1
⇒ |zn | = |zn − zN + zN | ≤ |zn − zN | + zN < 1 + |zN | .
Also |zn | ≤ max{|z1 |, |z2 |, . . . , |zN −1 |, 1 + |zN |} < ∞.
Theorem 2.4.2 (Cauchy-Kriterium). Eine Folge komplexer Zahlen ist genau
dann konvergent, wenn sie eine Cauchy-Folge ist.
Beweis. Sei (zn ) eine Cauchy-Folge. Dann ist sie nach Lemma 2.4.1 beschränkt,
hat also nach Bolzano-Weierstraß eine konvertente Teilfolge (znk )k≥1 . Sei
z := lim znk .
n→∞
Sei ε > 0. Da (zn ) eine Cauchy-Folge ist, existiert N ∈ N, sodass
n, m ≥ N ⇒ |zn − zm | <
ε
2
57
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
Insbesondere gilt
n, nk ≥ N ⇒ |zn − znk | <
ε
.
2
Also gilt
n ≥ N ⇒ |zn − z| = lim
|zk − znk |
n→∞
|
{z
}
≤
ε
<ε.
2
< 2ε für fast alle k
Also gilt limn→∞ zn = z.
In einem archimedisch angeordneten Körper sind folgende Aussagen äquivalent:
(i) Jede nichtleere, nach oben beschränkte Teilmenge hat ein Supremum.
(ii) Jede Cauchy-Folge ist konvergent.
Wir haben (i) ⇒ (ii) bewiesen. Umkehrung (ii) ⇒ (i): Übung oder vgl.
Königsberger.
2.5
Uneigentliche Konvergenz
Sei (an ) eine Folge reeller Zahlen.
Falls zu jeder noch so großen Zahl M ∈ R ein N ∈ N existiert, sodass
n ≥ N ⇒ an > M ,
dann schreibt man limn→∞ an = ∞. Man sagt, die Folge hat den uneigentlichen
Grenzwert ∞ oder sie divergiert gegen ∞.
Falls limn→∞ (−an ) = ∞, dann schreibt man limn→∞ an = −∞. Die
Intervalle (M, ∞), M ∈ R heißen Umgebungen von ∞. Also gilt limn→∞ an =
∞ ⇔ jede Umgebung von ∞ enthält fast alle Glieder der Folge.
Beispiel 2.5.1.
√
• limn→∞ n = ∞
• limn→∞ 5n − n2 = −∞.
Satz 2.5.2. Seien (an ), (bn ) reelle Folgen und sei (zn ) eine komplexe Folge.
Dann gilt
(a) Falls limn→∞ an = ∞ und bn ≥ c für fast alle n, dann gilt limn→∞ (an +
bn ) = ∞.
58
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
(b) Falls limn→∞ an = ∞ und bn ≥ c > 0 für fast alle n, dann gilt
limn→∞ (an bn ) = ∞.
(c) Falls limn→∞ an = 0, an > 0 dann gilt
1
=∞.
n→∞ a
n
lim
(d) Aus limn→∞ |zn | = ∞ folgt limn→∞ 1/zn = 0.
Beweis.
(a) Sei M ∈ N. Dann ex. N ∈ N mit
n ≥ N ⇒ an > M − c ∧ b n ≥ c .
Also gilt
n ≥ N ⇒ an + bn > (M − c) + c = M ,
d. h. an + bn → ∞.
(b) Sei M ∈ R. Dann ex. N ∈ N mit
n ≥ N ⇒ an >
M
∧ bn ≥ c .
c
Also gilt
n ≥ N ⇒ an b n >
M
·c=M .
c
D. h. an · bn → ∞ (n → ∞).
(c) Sei 0 < M ∈ R (für kleinere M ist die Aussage trivial) und ε :=
Dann ex. N ∈ N mit
1
n ≥ N ⇒ 0 < an < ε =
M
1
⇒
>M .
an
(d) Sei ε > 0 und M := 1/ε. Dann ex. N ∈ N mit
1
n ≥ N ⇒ |zn | > M =
ε
1
⇔
<ε.
|zn |
D. h.
1
1
n ≥ N ⇒ =
<ε.
zn
|zn |
Also limn→∞
1
zn
= 0.
1
.
M
59
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
Beispiel 2.5.3.
n3 1 − n12 + n53
n3 − n + 5
=
an :=
2n + 1
n 2 + n1
= n 2 · bn ,
wobei
1 − n−2 + 5n−3
1
(n → ∞) .
→
−1
2+n
2
Also bn > 1/4 für fast alle n. Da n2 → ∞ (n → ∞) folgt aus Satz 2.5.2 (b),
dass
bn :=
n2 · bn → ∞ (n → ∞)
Satz 2.5.4. Für jede monotone Folge (an ) in R existiert limn→∞ an als
eigentlicher oder uneigentlicher Grenzwert. Es gilt:
an % sup{an | n ∈ N} ∈ R := R ∪ {−∞, ∞}
bzw.
an & inf{an | n ∈ N} ∈ R .
Beweis. Für beschränkte (monotone) Folgen ist das die Aussage von Satz
2.2.1. Falls (an ) monoton wachsend und unbeschränkt ist, dann ex. zu jedem
M ∈ R ein N ∈ N mit
n ≥ N ⇒ an ≥ aN > M
und somit an → ∞ (n → ∞). Falls (an ) monoton fallend und unbeschränkt ist, dann ist (−an ) monoton wachsend und unbeschränkt, also
−an → ∞, an → −∞ (n → ∞).
Eine reelle Zahlenfolge (an ) hat den uneigentlichen Häufungspunkt ∞,
wenn jede Umgebung von ∞ unendlich viele Glieder der Folge enthält (d.
h. ∀M ∈ R ist {n | an > M } unendlich). Das ist äquivalent dazu, dass eine
Teilfolge (ank ) existiert mit limn→∞ ank = ∞.
Beispiel 2.5.5. an := (−1)n · n hat die uneigentlichen HP ±∞.
Satz 2.5.6 (Bolzano-Weierstraß in R). Jede Folge reeller Zahlen hat einen
eigentlichen oder uneigentlichen Häufungspunkt in R.
Beweis. Wenn weder +∞ noch −∞ ein (uneigentlicher) HP ist, dann ex.
M+ , M− ∈ R, sodass nur endlich viele Glieder der Folge in (−∞, M− ) ∪
(M+ , ∞) sind. Somit ist die Folge beschränkt und hat daher nach Satz 2.3.2
einen HP in R.
60
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
2.6
Limes Superior und Limes Inferior
Sei (an ) eine Folge reeller Zahlen. Dann ist die Folge
n 7→ sup ak := sup{ak | k ≥ n}
k≥n
monoton fallend und die Folge
n 7→ inf ak := inf{ak | k ≥ n}
k≥n
monoton wachsend. Nach Satz 2.5.4 existieren somit der Limes Superior
!
lim an := lim sup ak
lim sup an := n→∞
n→∞
n→∞
k≥n
und der Limes Inferior
lim
inf an := lim an := n→∞
lim inf ak
n→∞
k≥n
n→∞
n
Beispiel 2.6.1. Sei (an ) die Folge (−1) . Es gilt
lim sup(−1)n = 1, lim
inf (−1)n = −1 .
n→∞
n→∞
lim sup (−1)n +
n→∞
1
2n
= lim sup (−1)k +
n→∞ k≥n
1
2k
=1
Es gilt offenbar
lim inf an ≤ lim sup an
n→∞
n→∞
und
lim sup(an + bn ) ≤ lim sup an + lim sup bn
n→∞
n→∞
n→∞
lim inf (an + bn ) ≥ lim inf an + lim inf bn .
n→∞
n→∞
n→∞
Beweis. Wir beweisen die erste Ungleichung. Für k ≥ n gilt
!
!
ak + bk ≤ sup ak + sup bk
k≥n
.
k≥n
Also
!
!
sup(ak + bk ) ≤ sup ak + sup bk
k≥n
k≥n
k≥n
!
⇒
lim sup(ak + bk ) ≤ n→∞
lim
n→∞ k≥n
!!
sup ak + sup bk
k≥n
k≥n
= lim sup an + lim sup bn .
n→∞
n→∞
61
KAPITEL 2. ZAHLENFOLGEN
Satz 2.6.2. Sei (an ) eine Folge reeller Zahlen. Dann gilt
(a) lim an ist der größte HP. Falls lim an ∈ R und ε > 0, dann gilt
an < lim an + ε
für fast alle n.
(b) lim an ist der kleinste HP. Falls lim an ∈ R und ε > 0, dann gilt
an > lim an − ε
für fast alle n.
Beweis.
(a) Falls lim an = −∞, dann gilt limn→∞ an = −∞. Dann ist −∞ der
einzige HP.
Falls lim an = +∞, dann gilt supk≥n ak = ∞ für fast alle n. Sei M ∈ R,
dann enthält (M, ∞) unendlich viele Glieder ak , also ist ∞ HP.
Falls a = lim an ∈ R und ε > 0, dann ex. N ∈ N mit
n ≥ N ⇒ a − ε < sup ak < a + ε .
k≥n
Also ak < a + ε für fast alle k und ak > a − ε für unendlich viele k.
Somit ak ∈ Bε (a) für unendlich viele Werte von k. Also ist a der größte
HP der Folge.
(b) wird analog bewiesen.
Satz 2.6.3. Sei (an ) eine Folge reeller Zahlen und sei a ∈ R. Dann sind
äquivalent:
(a) limn→∞ an = a
(b) limn→∞ an = limn→∞ an = a.
Beweis.
(a) ⇒ (b): Falls limn→∞ an = a, dann ist a der einzige HP der Folge und somit
lim an = a = lim an .
(b) ⇒ (a): Sei In := inf k≥n ak , Sn := supk≥n ak . Dann gilt
In ≤ an ≤ Sn .
Wegen In → a, Sn → a folgt an → a aus dem Sandwichkriterium für
Konvergenz (gilt auch für a = ±∞).
Kapitel 3
Reihen
3.1
Definition und Beispiele
Sei (zn ) eine Folge komplexer Zahlen und sei
s1 := z1
s2 := z1 + z2
s3 := z1 + z2 + z3
..
.
sn := z1 + z2 + . . . + zn =
n
X
zk .
k=1
Die Folge (sn ) heißt Reihe und die Glieder sn heißen Partialsummen der
Reihe. Die Zahlen zn heißen Glieder der Reihe. Wenn die Folge (sn ) konvergent
ist, dann heißt
∞
X
k=1
Summe der Reihe. Das Symbol
der Partialsummen verwendet.
zk := n→∞
lim
P∞
n
X
zk
k=1
wird auch als Bezeichnung der Folge
k=1 zk
Die geometrische Reihe Sei z ∈ C. Dann gilt:
1 + z + z2 + . . . + zn =
n
X
zk =
k=0

 1−z n+1
1−z
(n + 1)
,z =
6 1
,z = 1 .
Beweis.
(1 − z)
n
X
k=0
zk =
n
X
k=0
zk −
n
X
z k+1 =
k=0
n
X
k=0
62
zk −
n+1
X
k=1
z k = 1 − z n+1 .
63
KAPITEL 3. REIHEN
Falls |z| < 1, dann gilt lim z n+1 = 0 und somit
1 + z + z2 + . . . =
∞
X
zk =
k=0
1
1−z
für |z| < 1.
Falls |z| ≥ 1, dann divergiert die geometrische Reihe, denn
|sn+1 − sn | =
n+1
X
zk
−
k=0
n
X
k=0
z
k
= z n+1 = |z|n+1 ≥ 1 ,
also ist (sn ) keine Cauchy-Folge.
Beispiel 3.1.1.
∞ n
X
i
n=0
2
=
1
1−
i
2
=
2
2−i
3
3
3
3
3
0.333 . . . =
+
+
= lim
+ . . . + n+1
n→∞
10 100
1000
10
10
1
1
3
= lim
1+
+ ... + n
n→∞ 10
10
10
k
n X
3
1
= n→∞
lim
10 k=0 10
1
3
3
1
3
·
= = .
=
1 =
10 1 − 10
10 − 1
9
3
Die harmonische Reihe
∞
X
1
1 1 1
= 1 + + + + ... = ∞
2 3 4
k=1 k
ist divergent, denn die Partialsummen sn sind monoton wachsend und unbeschränkt:
s1 = 1
1
2
1 1
1
s4 = s2 + + > s2 +
2
|3 {z 4}
s2 = 1 +
>2· 14 = 12
1 1 1 1
1
s8 = s4 +
> s4 +
+ + +
5 6 {z 7 8 }
2
|
>4· 18 = 21
und per Induktion in n: s2n ≥ 1 + n · 21 . Also limn→∞ sn = ∞.
64
KAPITEL 3. REIHEN
Eine teleskopierende Reihe
∞
X
1
1
1
1
=
+
+
+ ... = 1 ,
1·2 2·3 3·4
k=1 (k + 1)k
denn
n
X
1
1
1
=
−
sn =
k+1
k=1 k
k=1 k(k + 1)
1
1 1
1 1
1
1
= 1−
−
−
−
+
+
+ ... +
2
2 3
3 4
n n+1
1
→ 1 (n → ∞) .
=1−
n+1
n
X
Satz 3.1.2. Wenn die Reihe
P∞
k=1 zk
konvergent ist, dann gilt limk→∞ zk = 0.
Beweis. Sei sn := nk=1 zk und s := limn→∞ sn . Dann gilt zn = sn − sn−1 →
s − s = 0 (n → ∞).
P
P
P
Satz 3.1.3. Sind die Reihen zk , wk konvergent, so ist auch
mit λ, µ ∈ C konvergent und es gilt
X
(λzk + µwk ) = λ
k≥1
X
zk + µ
k≥1
X
P
(λzk + µwk )
wk .
k≥1
Beweis.
n
X
(λzk + µwk ) = λ
k=1
n
X
!
zk + µ
k=1
→λ
X
k≥1
n
X
!
wk
k=1
X
zk + µ
wk
(n → ∞)
k≥1
nach Satz 2.1.7.
Beispiel 3.1.4.
X
n≥0
X 1 n
X 1
1
−n
−
7e
=
−
7
3n
n≥0 3
n≥0 e
1
1
.
=
1 −7
1− 3
1 − 1e
n
P
Satz 3.1.5 (Cauchy-Kriterium). Eine Reihe k≥1 zk ist genau dann konvergent, wenn zu jedem ε > 0 ein N ∈ N existiert, sodass
n>m≥N ⇒
X
n
zk k=m+1 <ε.
Beweis. Der Satz folgt aus dem Cauchy-Kriterium (Theorem 2.4.2) angewandt
P
auf die Folge der Partialsummen sn = nk=1 zk .
65
KAPITEL 3. REIHEN
3.2
Reihen mit nichtnegativen Gliedern und
Dezimalbrüche
Für Reihen mit nichtnegativen Gliedern ak ≥ 0 existiert die Summe
∞
X
n
X
ak = lim
n→∞
k=1
ak ≤ ∞
k=1
als eigentlicher oder uneigentlicher Grenzwert (Satz 2.5.4). Konvergenz liegt
P
genau dann vor, wenn ∞
k=1 ak < ∞, d. h. wenn die Folge der Partialsummen
beschränkt ist.
Satz 3.2.1 (Verdichtungskriterium). Sei (ak ) eine monoton fallende Folge
P
P∞
k
nichtnegativer Glieder. Dann sind die Reihen ∞
k=1 ak und
k=1 2 a2k beide
konvergent oder beide divergent.
Beweis. Wegen der Monotonie gilt:
a1 ≥ a2
≥ a2
2a2 ≥ a3 + a4
≥ 2a4
4a4 ≥ a5 + a6 + a7 + a8 ≥ 4a8
n
2 a2n ≥
n+1
2X
≥ 2n a2n+1
ak
k=2n +1
Durch Aufsummieren bekommen wir
n
X
k=0
k
n+1
(1) 2X
2 a2k ≥
(2)
ak ≥
k=2
n
X
k=0
P2n+1
P∞
Falls M = k=0 ak < ∞, dann
Pn+1 k
k=1 2 a2k ≤ 2M für alle n, d. h.
n
X
2k a2k+1 =
k=2
X
1 n+1
2k a2k .
2 k=1
ak ≤ M für alle n, also nach (2) ist
2k a2k ≤ 2M + a1 .
k=0
Umgekehrt folgt aus (1), dass nk=1 ak eine beschränkte Folge ist, falls
Pn
k
k=0 2 a2k eine beschränkte Folge ist.
P
Satz 3.2.2. Für alle s ∈ R gilt
∞
X

1 < ∞ , s > 1
s 
= ∞ ,s ≤ 1 .
n=1 n
Bemerkung: ns für s ∈ R wird später definiert. Wir nehmen hier vorweg,
dass ns ≥ 1 für s ≥ 0, |ns | < 1 für s < 0, und dass n 7→ ns monoton wachsend
ist für s > 0.
66
KAPITEL 3. REIHEN
Beweis. Sei s > 0. Da an = n−s > 0 und monoton fallend ist, können wir
Satz 3.2.1 anwenden. Es gilt
∞
X
n
2 a
2n
=
n=0
∞
X
n
n −s
2 (2 )
=
n=0
∞ X
k=0
1−s
2

n <
∞ , 21−s < 1
= ∞ , 21−s ≥ 1 .
Also
X
2n a2n

<
=
∞ ,s > 1
∞ ,s ≤ 1 .
Daraus folgt die Behauptung.
Beispiel 3.2.3.
∞
X
1
1
= ∞ (s = 1),
< ∞ (s = 2)
2
n=1 n
n=1 n
∞
X
Es gilt (Euler, 1734):
∞
X
1
1 1
1
π2
=
1
+
+
+
+
.
.
.
=
.
2
4 9 16
6
n=1 n
Dezimalbrüche
Beispiel 3.2.4. e = 2.71828 . . . = 2 + 7 · 10−1 + 1 · 10−2 + 8 · 10−3 + . . ..
Sei g ∈ N mit g ≥ 2 und a ∈ R gegeben durch
a=
∞
X
ak g −k , ak ∈ {0, 1, . . . , g − 1} .
k=−n
Dann schreibt man
a = a−n a1−n a2−n . . . a0 , a1 a2 a3 . . .
und man nennt das die g-adische Entwicklung von a. Für g = 10 spricht man
von der Dezimal(bruch)entwicklung, für g = 2 von der Dualbruchentwicklung.
Die g-adische Entwicklung ist nicht eindeutig. Z. B. gilt für g = 10
0, 999 . . . =
∞
X
k=1
9 · 10−k =
9
1
9
·
= 1, 000 . . . .
1 =
10 1 − 10
9
67
KAPITEL 3. REIHEN
Satz 3.2.5. Jede reelle Zahl a ≥ 0 hat eine g-adische Entwicklung
a = a−n . . . a0 , a1 a2 . . .
mit a−n 6= 0 und ai ∈ {0, . . . , g − 1}. Sie ist eindeutig, wenn man verbietet,
dass ak = g − 1 für fast alle k.
Beweis. Sei a ∈ [0, 1). Wir definieren ak rekursiv1 :
a1 := bagc
j
k
a2 := (a − a1 g −1 )g 2 = b(ag − a1 )gc
..
.
$
!
%
an+1 :=
a−
n
X
ak g −k g n+1
.
k=1
Dann gilt für alle n ∈ N: an ∈ {0, . . . , g − 1} und 0 ≤ a −
Beweis dieser Behauptung:
Pn
k=1
ak q −k <
1
.
gn
0 ≤ a < 1 ⇒ 0 < ag < g
⇒ a1 = bagc ∈ {0, . . . , g − 1}
und
1
1
0 ≤ a − a1 g −1 = (ag − a1 ) < .
g
g
Induktionsannahme: Für festes n ∈ N sei
a1 , . . . , an ∈ {0, . . . , g − 1} und 0 ≤ a −
n
X
ak g −k <
k=1
1
gn
Induktionsschritt: Aus (3.2.1) folgt
0≤ a−
n
X
!
ak g
−k
g n+1 < g .
k=1
Nach Definition von an+1 ist somit an+1 ∈ {0, . . . , g − 1} und
0≤ a−
n
X
!
ak g
−k
g n+1 − an+1 < 1 .
k=1
1
Prof. Griesemer schreibt [·] für die untere Gaußklammer, ich schreibe b·c.
(3.2.1)
68
KAPITEL 3. REIHEN
Also
0≤a−
n
X
ak g −k − an+1 g −(n+1) <
k=1
|
=a−
{z
Pn+1
k=1
ak
1
g n+1
.
}
g −k
Insbesondere haben wir nun gezeigt, dass
a = lim
n→∞
n
X
ak g −k =:
k=1
∞
X
ak g −k .
k=1
−k
−k
Eindeutigkeit: Sei ∞
= ∞
. mit ak , bk ∈ {0, . . . , g − 1}
k=1 ak g
k=1 bk g
wobei ak 6= bk für mindestens ein k. Sei
P
P
n := min{k | ak 6= bk } .
Dann an 6= bn und wir können annehmen bn ≥ an + 1.
Behauptung: ak = g − 1, bk = 0 für alle k ≥ n + 1.
Beweis: Wäre die Behauptung falsch, dann wäre ak − bk < g − 1 für ein
k ≥ n + 1, also
0=
∞
X
ak g −k −
k=1
∞
X
bk g −k
k=1
∞
X
= (an − bn )g −n +
|
{z
≤−g −n
< −g −n +
k=n+1
}
∞
X
(ak − bk )
|
{z
g −k
}
<g−1 für min. ein k
(g − 1)g −k
k=n+1
= −g
−n
+ (g − 1)g
∞
X
−(n+1)
g −k
k=0
| {z }
=(1− g1 )
= −g −n + (g − 1)
−1
1 1
gn g − 1
=0
Wir haben also den Widerspruch 0 < 0 bekommen. Damit ist die Behauptung bewiesen.
Im Fall a ≥ 1 wählen wir zuerst n ∈ N, sodass
g n−1 ≤ a < g n
und bestimmen dann die g-adische Entwicklung von gan ∈ [0, 1). Am Schluss
ist das Komma um n Stellen nach rechts zu verschieben.
69
KAPITEL 3. REIHEN
Beispiel 3.2.6. Was ist die g-adische Entwicklung von
1
9
5
9
7
9
8
9
4
9
2
9
·5=
·5=
·5=
·5=
·5=
·5=
1
9
für g = 5? Antwort:
5
5
=0+
9
9
25
7
=2+
9
9
35
8
=3+
9
9
40
4
=4+
9
9
20
2
=2+
9
9
10
1
=1+ .
9
9
Also 1/9 = 0, 023421 für g = 5.
3.3
Absolute Konvergenz
Eine Reihe
P∞
∈ C heißt absolut konvergent, falls
k=1 zk , zk
P∞
k=1
|zk | < ∞.
Theorem 3.3.1. Jede absolut konvergente Reihe ist konvergent.
Beweis. Wir wenden das Cauchy-Kriterium (Satz 3.1.5) an. Sei ε > 0. Da
P
k≥1 |zk | konvergent ist, gibt es ein N ∈ N, sodass
n
X
n>m≥N ⇒
|zk | < ε .
k=m+1
Wegen |
Pn
k=m+1 zk |
≤
Pn
k=m+1
|zk | folgt
n>m≥N ⇒
Somit ist
P
k≥1 zk
konvergent nach Satz 3.1.5.
P∞
k=1 zk
z1 + z2
z1
n
X
zk k=m+1 <ε.
70
KAPITEL 3. REIHEN
Beispiel 3.3.2.
1) Die geometrische Reihe
P∞
k=0
z k ist absolut konvergent für |z| < 1.
2) Die alternierende harmonische Reihe
∞
X
(−1)k+1
k=1
1
1 1 1
= 1 − + − + ...
k
2 3 4
ist konvergent, aber nicht absolut konvergent.
Korollar 3.3.3 (Majorantenkriterium). Falls |zk | ≤ ck für fast alle k ∈ N
P
P
und k≥1 ck < ∞, dann ist zk (absolut) konvergent.
P
P
Typische Majoranten sind q k mit 0 < q < 1 und k1s mit s > 1.
Beweis. Nach Voraussetzung existiert ein N ∈ N, sodass |zk | ≤ ck für k ≥ N .
Also gilt für alle m > N :
m
X
|zk | ≤
k=1
≤
N
−1
X
|zk | +
k=1
k=N
N
−1
X
m
X
|zk | +
k=1
Somit
P∞
k=1
|zk | ≤
m
X
PN −1
k=1
|zk |
|{z}
≤ck
ck ≤
k=N
|zk | +
P∞
k=N
N
−1
X
|zk | +
k=1
∞
X
ck < ∞ .
k=N
ck < ∞.
Beispiel 3.3.4.
√
k
k sin(k) + k 5
√
(2k − k)3
k=1
∞
X
ist konvergent.
Beweis.
|zk | =
√ −1 k 5 1 sin(k) + k
k 3
2
k 2 − k1
√
k
1 1 + k −1 k 5
≤ 2 3
k
2 − k1
|
→ 18
{z
}
(k→∞)
Also |zk | ≤ 1/k 2 für k ≥ N und N ∈ N groß genug. Weil 1/k 2 < ∞,
P
folgt aus Korollar 3.3.3, dass die Reihe zk absolut konvergent ist.
P
71
KAPITEL 3. REIHEN
Satz 3.3.5 (Quotientenkriterium). Falls zn 6= 0 für fast alle n ∈ N und falls
q = limn→∞ |zn+1 /zn | existiert, dann gilt
(a) q < 1 ⇒
P
zn ist absolut konvergent,
(b) q > 1 ⇒
P
zn ist divergent.
(a) Sei r := 12 (1 + q). Wegen q < 1 existiert ein N ∈ N, sodass
Beweis.
zn 6=
zn+1 0∧
zn
1+q
2
<r=
für alle n ≥ N . D. h. wenn n > N , dann
z |zn |
n |z
| < r|zn−1 | .
|zn | =
|zn−1 | = zn−1 n−1
|zn−1 |
Also
n > N ⇒ |zn | < r|zn−1 | < r2 |zn−2 | < r3 |zn−3 | < . . . < rn−N |zN | .
Insbesondere
|zn | < rn r−N |zN |
für fast alle n. Also ist
P
zn absolut konvergent nach Korollar 3.3.3.
(b) Sei q > 1. Dann ex. N ∈ N, sodass
n ≥ N ⇒ zn 6=
zn+1 0∧
zn
≥
1+q
2
D. h.
n ≥ N ⇒ |zn+1 | > |zn |
und somit
|zn | > |zn−1 | > . . . > |zN | > 0
für n > N . Insbesondere zn 9 0 und somit ist die Reihe divergent.
Bemerkung 3.3.6.
1. Im Fall zn = z n ist q = |z| und das Theorem reduziert sich auf bekannte
Tatsachen über die geometrische Reihe.
72
KAPITEL 3. REIHEN
2. Im Fall q = 1 ist sowohl Konvergenz als auch Divergenz möglich. Siehe
jedoch Aufgabe 8.5.
3. Die Aussage (a) dieses Satzes gilt auch mit q := limn→∞ |zn+1 /zn |, was
immer existiert. Siehe Blatt 8.
Beispiel 3.3.7. Sei zn := 1/n. Dann
zn+1 zn
1
n n =
→ 1 (n → ∞) .
· = n+1 1
n + 1
P
Also q = 1 und zn ist divergent.
Für zn := 1/n2 ist
q=
aber
P
zn+1 lim
n→∞ zn
=
n2 lim n→∞ (n + 1)2 =1,
zn ist konvergent.
Beispiel 3.3.8.
1)
P∞
n=0
3n /n! ist konvergent, denn
an+1
3
3n+1 n!
=
→ 0 (n → ∞) .
=
an
(n + 1)! 3n
n+1
q = 0 < 1, also ist die Reihe (absolut) konvergent.
2)
∞ √
X
n=0
|
−n
n!5
{z }
an
ist divergent, denn:
an+1
=
an
3)
P∞
n=1
q
(n + 1)! 5n
√ =
5n+1
n!
√
n+1
→ ∞ (n → ∞) .
5
z n /n mit z ∈ C beliebig aber fest.
zn+1 zn
=
z n+1 n n zn = |z|
n
→ |z| (n → ∞) .
n+1
| {z }
→1
Falls |z| < 1, dann ist die Reihe absolut konvergent und falls |z| > 1 ist
sie divergent. Für z = 1 ist sie (als harmonische Reihe) auch divergent.
73
KAPITEL 3. REIHEN
Theorem 3.3.9 (Wurzelkriterium). Sei q := limn→∞
Dann gilt
(a) q < 1 ⇒
P
zn ist absolut konvergent,
(b) q > 1 ⇒
P
zn ist divergent.
Beweis.
q
n
|zn |, wobei zn ∈ C.
(a) Da q < 1 ex. N ∈ N, sodass
1+q
2
P
n
für n ≥ N (Satz 2.6.2). Also |zn | < r für n ≥ N . Da r < 1, ist rn
eine konvergente Majorante und die Reihe ist absolut konvergent nach
Korollar 3.3.3.
q
n
|zn | < r :=
q
(b) Falls q > 1, dann ist n |zn | > 1 für unendlich viele Werte von n. Also ist
auch |zn | > 1 für unendlich viele Werte von n. Also zn 9 0 für n → ∞
und somit ist die Reihe divergent.
q
Bemerkung 3.3.10.
1. Nur wenn der Limes q := limn→∞ n |zn | nicht
existiert, muss man q durch den Limes Superior definieren.
2. Wenn das Wurzelkriterium den Wert q = 1 liefert, dann ist sowohl
Konvergenz als auch Divergenz möglich! Beispiele dafür sind die Reihen
P
−s
mit s ∈ R.
n≥1 n
Beispiel 3.3.11. Für die Reihe
√
n
an =
P∞
n=1
s
n
an mit an := 1/ns (s > 0) ist
1
=
ns
1
√
n
n
!s
→1
unabhängig von s.
Beispiel 3.3.12.
∞ n+(−1)
X
1
n=0
2
n
=
1 1
1
1
+1+ + +
+ ... < ∞
2
8 4 32
Quotientenkriterium:

, n gerade
an+1 2
=

an
1/8 , n ungerade,
d. h. limn→∞ an+1 /an existiert nicht und somit ist Satz 3.3.5 nicht anwendbar.
Wurzelkriterium:
s
s
√
1
2
1√
1
n
n
an ≤ n n−1 = n n =
2→ <1.
2
2
2
2
Also ist die Reihe absolut konvergent.
74
KAPITEL 3. REIHEN
3.4
Bedingte Konvergenz
Eine konvergente Reihe, welche nicht absolut konvergent ist, heißt bedingt
konvergent. Viele Beispiele bedingt konvergenter Reihen findet man unter den
alternierenden Reihen
∞
X
(−1)n an ,
an ≥ 0 .
(3.4.1)
n=0
Satz 3.4.1 (Leibniz). Jede alternierende Reihe (vgl. Gleichung (3.4.1)) mit
a1 ≥ a2 ≥ . . . ≥ an → 0 (n → ∞) ist konvergent. Der Abbruchfehler
P
s − nk=0 (−1)k ak hat gleichen oder kleineren Betrag und dasselbe Vorzeichen
wie das erste vernachlässigte Glied, (−1)n+1 an+1 .
Illustration:
−a1
a2
s
a0 = s 0
Beweis. (s2n+1 ) ist monoton wachsend, denn
s2n+3 = s2n+1 + a2n+2 − a2n+3 ≥ s2n+1 .
|
{z
≥0
}
(s2n ) ist monoton fallend, denn
s2n+2 = s2n − a2n+1 + a2n+2 ≤ s2n .
Außerdem gilt
s1 ≤ . . . ≤ s2n−1 ≤ s2n+1 = s2n − a2n+1 ≤ s2n ≤ s2n−2 ≤ . . . ≤ s0 .
Die Folgen (s2n ) und (s2n+1 ) sind also monoton und beschränkt. Also existieren:
su := n→∞
lim s2n+1 ∈ R
sg := lim s2n ∈ R
n→∞
75
KAPITEL 3. REIHEN
und es gilt su − sg = limn→∞ s2n+1 − s2n = limn→∞ (−a2n+1 ) = 0. Also
limn→∞ sn = s := su = sg .
Aus
s2n+1 ≤ s ≤ s2n+2 ≤ s2n
folgt
0 ≥ s − s2n ≥ s2n+1 − s2n = −a2n+1
0 ≤ s − s2n+1 ≤ s2n+2 − s2n+1 = a2n+2 .
Beispiel 3.4.2. Die alternierende harmonische Reihe
∞
X
(−1)n
n=1
1 1 1
1
= 1 − + − + ...
n
2 3 4
ist konvergent (an = 1/n & 0). Auch
1
1
1
1 − √ + √ − √ + ...
2
3
4
ist konvergent. Frage: Ist die Reihe
∞
X
sin(nx)
,x ∈ R
n
n=1
konvergent? Andere Reihe:
∞
X
zn
n=1
n
.
Die Reihe ist absolut konvergent, falls |z| < 1 (Quotientenkriterium) und
divergent, falls |z| > 1.
Satz 3.4.3 (Dirichlet). Sind die Partialsummen der Reihe ∞
n=0 zn beschränkt
und ist (pn ) eine monoton fallende Nullfolge, dann ist die Reihe
P
X
zn pn
n≥0
konvergent.
Beweis. Sei An =
Also
n
X
zk pk =
k=0
=
Pn
n
X
k=0 zk , A−1
= 0. Dann ist zn = An − An−1 für alle n ≥ 0.
(Ak − Ak−1 )pk =
k=0
n
X
k=0
n
X
k=0
Ak pk −
n−1
X
k=0
A k pk −
n
X
Ak−1 pk
k=0
n−1
X
Ak pk+1 = An pn +
k=0
Ak (pk − pk+1 ) ,
(∗)
76
KAPITEL 3. REIHEN
wobei |An pn | ≤ M pn → 0, wenn M := supn |An | < ∞ (nach Annahme).
Außerdem gilt
n−1
X
|Ak (pk − pk+1 )| ≤ M
k=0
n−1
X
(pk − pk+1 )
k=0
= M ((p0 − p1 ) + (p1 − p2 ) + . . . + (pn−1 − pn ))
= M (p0 − pn ) ≤ M p0
|{z}
≥0
für alle n ∈ N. D. h. n−1
k=0 Ak (pk − pk+1 ) ist absolut konvergent und insbesondere konvergent. Aus (∗) folgt nun die Konvergenz der Partialsummen von
P∞
k=0 zk pk .
P
n
∞
z
n
Beispiel 3.4.4. Die Reihe ∞
n=1 n ist von der Form
n=1 zn pn mit zn = z
und pn = 1/n. (pn ) ist eine monoton fallende Nullfolge und für |z| = 1, z 6= 1
ist
P
m
X
zn =
n=1
m
X
P
n
z =z
n=1
m−1
X
zn = z ·
n=0
1 − zm
.
1−z
Also
m
X
zm n=1
≤ |z|
|1 − z m |
|z|
2
≤
(1 + |z|m ) =
|1 − z|
|1 − z|
|1 − z|
für alle m ∈ N. Somit ist (Satz 3.4.3)
3.5
P∞
n=1
z n /n konvergent für |z| = 1, z 6= 1.
Umordnung von Reihen
Satz 3.5.1. Ist ∞
k=0 zk absolut konvergent und σ : N → N bijektiv, dann ist
P∞
auch k=0 zσ(k) absolut konvergent und
P
∞
X
zσ(k) =
k=0
∞
X
zk .
k=0
Beweis.
1. Zu zeigen: ∞
z
ist absolut konvergent. Wir müssen C ∈ R finden,
Pn k=0 σ(k)
sodass k=0 |zσ(k) | ≤ C für alle n ∈ N. Sei n ∈ N fest und m :=
max{σ(0), . . . , σ(n)}. Dann {σ(0), . . . , σ(n)} ⊆ {0, . . . , m}. Also
P
n
X
k=0
|zσ(k) | ≤
m
X
k=0
|zk | ≤
∞
X
|zk | < ∞ .
k=0
| {z }
=:C
77
KAPITEL 3. REIHEN
Somit
∞
X
k=0
2. Zu zeigen:
P∞
k=0 zσ(k)
|zσ(k) | = n→∞
lim
=
P∞
k=0 zk
n
X
|zσ(k) | ≤ C .
k=0
.
Sei ε > 0 und sei N ∈ N so groß gewählt, dass
n
X
n>m≥N ⇒
|zk | < ε .
k=m+1
(N existiert, da
Pn
k=0
|zk | eine Cauchy-Folge ist.)
Behauptung:
∞
X
zσ(k)
−
k=0
m
X
k=0
zk ≤ε
für m ≥ N .
Beweis: Sei n ≥ max{σ −1 (0), . . . , σ −1 (m)}. Dann {σ(0), . . . , σ(n)} ⊇
{0, . . . , m} und somit
n
X
zσ(k)
k=0
−
m
X
k=0
zk max{σ(k)|k≤n}
X
≤
|zk | < ε .
k=m+1
Es folgt im Limes n → ∞, dass
∞
X
zσ(k)
−
k=0
m
X
k=0
zk ≤ε,
was die Behauptung beweist. Somit, im Limes m → ∞:
∞
X
zσ(k)
k=0
−
∞
X
k=0
zk ≤ε.
Da ε > 0 beliebig klein gewählt werden kann, ist der Satz bewiesen.
Der Satz 3.5.1 gilt nicht für bedingt konvergente Reihen. Dies zeigt bereits
ein einfaches Beispiel: Ist s die Summe der alternierenden harmonischen Reihe
1−
1 1 1 1
+ − + − ... ,
2 3 4 5
dann gilt nach Satz 3.4.1
s≤1−
1 1
5
+ = .
2 3
6
78
KAPITEL 3. REIHEN
Wir vergleichen s mit der Summe der umgeordneten Reihe:
1 1
1 1 1
1
1
1
1+ −
+
+ −
+
+
−
+ ...
3 2
5 7 4
9 11 6
Sei s0n die Summe der ersten n Glieder der umgeordneten Reihe. Dann
s03k
=
s03(k−1)
1
1
1
+
+
−
> s03(k−1) .
4k − 3 4k
− 1 2k }
{z
|
>0
Die Folge (s03k ) ist somit streng monoton wachsend und limk→∞ s03k = sup{s03k |
k ∈ N} > s03 = 5/6. Die umgeordnete Reihe hat also eine größere Summe als
die ursprüngliche Reihe.
Satz 3.5.2 (Riemannscher Umordnungssatz). Ist die Reihe ∞
k=1 ak , a−k ∈ R
bedingt konvergent, dann gibt es zu jeder reellen Zahl s eine bijektive Abbildung
σ : N → N, sodass
P
∞
X
aσ(k) = s .
k=1
Beweis. Beweisidee: Nach Voraussetzung ist ak konvergent, aber |ak | =
∞. Also limn→∞ ak = 0. Die Summe der positiven Glieder ist +∞ und die
Summe der negativen Glieder ist −∞ (Übung!). Seien (bk ), (ck ) die Teilfolgen
von (ak ) mit bk ≥ 0 und ck < 0 für alle k.
Sei s > 0. Die Abbildung σ : N → N wird wie folgt konstruiert: Nehme
zuerst so viele positive Glieder, beginnend bei b1 , bis die Summe zum ersten
Mal s übersteigt:
s
P
0
b1
b2
P
b3 b4
Dann addiere man so viele negative Glieder, bis die Gesamtsumme zum
ersten mal kleiner als s ausfällt usw. Die so umorganisierte Reihe konvergiert
gegen s.
3.6
Die Exponentialfunktion
Für alle z ∈ C ist die Reihe
∞
X
zk
k=0
k!
=1+z+
z2 z3
+
+ ...
2
6
79
KAPITEL 3. REIHEN
absolut konvergent (|zk+1 /zk | = |z|/(k + 1) → 0 < 1 (k → ∞)). Durch die
Summe dieser Reihe wird eine Funktion exp : C → C definiert. Sie heißt
Exponentialfunktion:
∞
X
zk
exp(z) :=
k!
k=0
(Später: exp(x) = ex wenn x ∈ Q).
Satz 3.6.1. Sei z ∈ C und (zn ) eine Folge mit limn→∞ zn = z. Dann gilt
lim
n→∞
zn
1+
n
n
= exp(z) .
(Insbesondere limn→∞ (1 + z/n)n = exp(z)).
Beweis. Sei z ∈ C und limn→∞ zn = z. Sei ε > 0. Wir zeigen, dass
zn n
1+
n
−
n
X
z k k! (∗)
<ε
k=0
für n groß genug. Sei M ∈ N so groß, dass
n ≥ M ⇒ |zn | ≤ |z| + 1
und
∞
X
(|z| + 1)k
ε
< .
k!
3
k=M +1
Dann gilt:
zn
1+
n
n
−
n
X
zk
k=0
k!
=
=
n
X
k=0
M
X
k=0
n znk
zk
−
k nk
k!
!
!
n
n
X
X
n znk
zk
n znk
zk
−
+
−
,
k
k nk
k!
k=M +1 k n
k=M +1 k!
!
|
{z
An
!
}
!
|
{z
Bn
}
|
wobei
|Cn | ≤
|Bn | ≤
n
X
|z|k
ε
< ,
3
k=M +1 k!
n
X
{z
Cn
(|z| + 1)k n · (n − 1) · . . . · (n − k + 1)
ε
·
<
k
k!
n
3
k=M +1
}
80
KAPITEL 3. REIHEN
und An → 0 (n → ∞), denn:
M
X
!
n · (n − 1) · . . . · (n − k + 1)
1
znk ·
An =
− z k → 0 (n → ∞)
k
k!
n
k=0
wegen
n · (n − 1) · . . . · (n − k + 1)
1
k−1
= 1· 1−
· ... · 1 −
k
n
n
n
→ 1 (n → ∞) .
!
D. h. ∃N ∈ N mit N ≥ M und |An | < ε/3 für n ≥ N und somit |An + Bn −
CN | < ε für n ≥ N ≥ M . Damit ist (∗) bewiesen und somit
zn
1+
n
"
n
=
zn
1+
n
n
−
n
X
zk
k=0
k!
#
+
n
X
zk
k=0
→ exp(z) (n → ∞)
k!
nach (∗) und Definition von exp.
Satz 3.6.2.
(a) exp(z + w) = exp(z) · exp(w).
(b) exp(z) 6= 0 für alle z ∈ C und (exp(z))−1 = exp(−z).
(c) | exp(z) −
PN −1 k
z /k!|
k=0
≤ |z|N /N ! · exp(|z|).
(d) Für x ∈ R gilt exp(x) > 0 und | exp(ix)| = 1.
(e) e = exp(1) ist irrational.
Beweis.
(a) Nach Satz 3.6.1 ist
z n
w
lim
1
+
lim 1 +
n→∞
n→∞
n n
z n
w n
lim 1 +
1+
n→∞
n n w n
z
lim
1
+
1
+
n→∞
n
n
z w zw n
lim 1 + + + 2
n→∞
n n
n!
zw n
z+w+ n
lim 1 +
n→∞
n
exp(z) exp(w)
=
=
=
=
=
Satz 3.6.1
=
exp(z + w) .
n
81
KAPITEL 3. REIHEN
(b) Für alle z ∈ C ist nach (a)
exp(z) exp(−z) = exp(z − z) = exp(0) = 1 .
Also exp(z) 6= 0 und (exp(z))−1 = exp(−z).
(c)
N
−1 k X
z exp(z) −
k! k=0
n
X
lim n→∞ z k =
k=N k!
∞
X
|z|k
≤ lim
n→∞
k=N k!
n
|z|N X
|z|k−N
N!
= n→∞
lim
N ! k=N k!
∞
|z|N X
|z|l N !
≤
N ! l=0 (l + N )!
∞
|z|N X
|z|l
≤
N ! l=0 l!
|z|N
exp(|z|) ,
=
N!
denn (l + N )!/N ! ≥ l!.
(d) Für x ≥ 0 ist exp(x) =
für x < 0:
exp(x) =
P∞
k=0
xk /k! = 1 + x + x2 /2 + . . . ≥ 1 und somit
1
>0.
exp(−x)
(denn −x > 0)
Außerdem für x ∈ R:
| exp(ix)|2 = exp(ix) exp(ix) = exp(−ix) exp(ix) = 1 ,
denn
ix n
exp(ix) = lim 1 +
n→∞
n
ix n
= n→∞
lim 1 +
n
ix n
= lim 1 −
n→∞
n
= exp(−ix)
nach Satz 3.6.1.
82
KAPITEL 3. REIHEN
(e) Wir zeigen, dass e−1 irrational ist: Nach Definition von e und (b) gilt
e−1 = exp(1)−1 = exp(−1) =
∞
X
(−1)k
.
k!
k=0
Also gilt nach Leibniz:
0<
−1
e
N
X
1
(−1)k <
−
.
k!
(N + 1)!
k=0
(beachte, dass die Partialsummen s2n+1 und s2n aus dem Beweis des
Leibniz-Kriteriums streng monoton wachsend bzw. fallend sind, deswegen können wir hier < statt ≤ verwenden.)
Also
0 < e−1 N ! −
N
X
(−1)k 1
N! <
<1
k!
N +1
k=0
|
{z
}
∈Z
und somit e−1 N ! 6∈ Z für alle N ∈ N. Also kann e−1 nicht rational
sein.
Satz 3.6.3. Für alle rationalen Zahlen p/q (p ∈ Z, q ∈ N) gilt
p
exp
q
!
=
√
q
ep =: ep/q .
Beweis. Für n ∈ N gilt (mit Satz 3.6.2 und Induktion):
exp(n) = exp(1)n = en
und
exp(−n) = exp(n)−1 = (en )−1 = e−n .
also exp(p) = ep für alle p ∈ Z. Für p ∈ Z, q ∈ N gilt somit
p
exp
q
!q
!
p
= exp
· q = exp(p) = ep ,
q
wobei exp(p/q) > 0 nach Satz 3.6.2. Also ist
p
exp
q
!
=
√
q p
e
nach Satz 2.2.3 (Eindeutigkeit der q-ten Wurzel).
83
KAPITEL 3. REIHEN
Aufgrund von Satz 3.6.2 und Satz 3.6.3 definiert man für z ∈ C:
ez := exp(z) .
Die Exponentialfunktion bildet R bijektiv auf (0, ∞) ab (Beweis später). Die
Umkehrung:
exp−1 : (0, ∞) → R
heißt natürlicher Logarithmus und wird mit log (oder ln) bezeichnet. Also
log(x) = exp−1 (x) .
Für a > 0 und x ∈ R definiert man
ax := elog(a)x .
Für x ∈ R definieren wir
1 ix
e + e−ix
2
1 ix
e − e−ix ,
sin(x) := Im eix =
2i
cos(x) := Re eix =
sodass
eix = (cos x) + i(sin x) .
Nach Satz 3.6.2 gilt für alle x ∈ R
(cos x)2 + (sin x)2 = 1 .
Später werden wir sehen, dass für x ∈ [0, 2π) das Kreissegment zwischen
ei0 = 1 und eix auf dem Einheitskreis {z ∈ C : |z| = 1} die Länge x hat.
C
eix
x
1
84
KAPITEL 3. REIHEN
Satz 3.6.4. Für alle x ∈ R gilt
∞
X
x2 x4
x2n
=1−
+
− ...
(2n)!
2!
4!
n=0
∞
X
x2n+1
x3 x5
sin(x) =
(−1)n
=x−
+
− ...
(2n + 1)!
3!
5!
n=0
cos(x) =
(−1)n
mit absolut konvergenten Reihen.
Beweis. Absolute Konvergenz folgt aus
N
2N
+1
∞
X
X
X
|x|2n
|x|n
|x|n
|x|2n+1
+
=
≤
= e|x| < ∞
n=0 (2n)!
n=0 n!
n=0 n!
n=0 (2n + 1)!
N
X
für alle n ∈ N. Außerdem:
eix = lim
N →∞
= lim
N →∞
2N
+1
X
n=0
N
X
(ix)n
n!
N
(ix)2n+1
(ix)2n X
+
n=0 (2n + 1)!
n=0 (2n)!
N
X
!
N
X
x2n
x2n+1
(−1)
(−1)n
= lim
+i
N →∞
(2n)!
(2n + 1)!
n=0
n=0
∞
∞
2n+1
2n
X
X
x
x
(−1)n
(−1)n
+i
.
=
(2n)!
(2n + 1)!
n=0
n=0
n
Einige Partialsummen der Sinusreihe:
2
1
1
−1
−2
2
3
4
5
6
7
!
85
KAPITEL 3. REIHEN
3.7
Potenzreihen
Eine Reihe der Form
∞
X
ak z k = a0 + a1 z + a2 z 2 + a3 z 3 + . . .
(ak , z ∈ C)
(3.7.1)
k=0
heißt Potenzreihe. Das Konvergenzverhalten einer Potenzreihe hängt von der
Wahl von z ∈ C ab. Die geometrische Reihe
∞
X
zk = 1 + z + z2 + . . .
k=0
konvergiert für |z| < 1 und sie divergiert für |z| > 1. Die Exponentialreihe
∞
X
zk
k=0
k!
=1+z+
z2 z3
+
+ ...
2
3!
konvergiert für alle z ∈ C.
Satz 3.7.1. Die Potenzreihe (3.7.1) konvergiert absolut für |z| < R und sie
divergiert für |z| > R, wobei
R := lim sup
q
n
n→∞
−1
|an |
.
Hier ist 0−1 := ∞ und ∞−1 := 0. R heißt Konvergenzradius.
Beweis. Gemäß Wurzelkriterium ist die Reihe (3.7.1) absolut konvergent, falls
1 > lim sup
q
n
n→∞
|an z n | = lim sup
q
n
n→∞
|
|an | |z| =
{z
|z|
R
}
R−1
und (3.7.1) ist divergent, falls
1 < lim sup
n→∞
q
n
|an z n | = lim sup
q
n
n→∞
|
{z
R−1
|an | |z| =
}
Beispiel 3.7.2. Berechne den Konvergenzradius von
(2i)n 2n
n=0 (n+1)3 z .
|z|
.
R
(2i)n n
n=0 (n+1)3 z
P∞
und von
P∞
Lösung: an =
lim sup
n→∞
(2i)n
,
(n+1)3
also gilt
s
q
n
|an | = lim sup
n→∞
n
2
2n
=
lim
sup
q
3 = 2 .
(n + 1)3
n→∞
n
(n + 1)
86
KAPITEL 3. REIHEN
Also R = 1/2.
(2i)n
n=0 (n+1)3
P∞
n
(z 2 ) ist absolut konvergent für |z 2 | < 1/2 und divergent für
|{z}
w
√
2
2
|z 2√
| > 1/2. Außerdem
√ gilt |z| < 1/2 ⇔ |z| < 1/ 2 und |z| > 1/2 ⇔ |z| >
1/ 2. D. h. R = 1/ 2.
Sind die Potenzreihen
∞
X
ak z k = a0 + a1 z + a2 z 2 + . . .
k=0
∞
X
bk z k = b 0 + b1 z + b2 z 2 + . . .
(3.7.2)
(3.7.3)
k=0
im Punkt z ∈ C absolut konvergent, dann erwarten wir, dass
(a0 + a1 z + a2 z 2 + . . .)(b0 + b1 + b1 z + b2 z 2 + . . .)
= a0 b0 + (a0 b1 + a1 b0 )z + (a0 b2 + a1 b1 + a2 b0 )z 2 + . . . .
Theorem 3.7.3. Sind die Reihen (3.7.2), (3.7.3) im Punkt z ∈ C absolut
konvergent, dann auch die Reihe
∞
X
k
ck z , ck :=
k=0
k
X
al bk−l
l=0
und es gilt
∞
X
!
ak z
k
k=0
∞
X
!
bk z
k
k=0
=
∞
X
ck z k .
k=0
Beweis. Es genügt, das Theorem für z = 1 zu beweisen; falls z 6= 1 setzen
wir ãk = ak z k , b̃k = bk z k . Wir zeigen
AN =
N
X
k=0
!
ak
N
X
l=0
!
bl −
N
X
n=0
cn → 0 (N → ∞) ,
87
KAPITEL 3. REIHEN
P∞
dann folgt automatisch
|AN | =
=
≤
≤
n=0 cn
=
P∞
k=0
ak
P∞
l=0 bl .
Es gilt
N X
n
X
X
ak b l −
ak bn−k 0≤k≤N
n=0 k=0
0≤l≤N
X
ak bl 0≤k,l≤N
k+l>N
X
|ak bl |
0≤k,l≤N
k+l>N
N X
X
k=0 l> N
k> N
2
2
N
X
=
!
X

|ak |
≤

l> N
2
!
|ak |
{z
<∞

 X
|bl | + 

 X
|bl | + 
l> N
2
k> N
2
{z
}
→0
l=0

X

}|
!
∞
 X
|ak |
|bl |
k> N
2


k=0
|
|ak bl |
l=0


k=0
∞
X
N
X X
|ak bl | +
|
!
∞
 X
|ak |
|bl |
(N → ∞)
l=0
}|
{z
<∞
{z
→0
}
mit k + l > N ⇒ k > N/2 ∨ l > N/2 und dem Cauchy-Kriterium. Es bleibt
P
noch zu zeigen, dass ∞
k=0 |cn | < ∞. Nach dem bereits Gezeigten gilt
∞
X
|ak |
k=0
∞
X
|bl | =
∞ X
n
X
|ak ||bn−k | ,
n=0 k=0
l=0
wobei
|cn | =
n
X
ak bn−k ≤
k=0
n
X
|ak ||bn−k | .
k=0
Also
∞
X
n=0
|cn | ≤
∞
X
k=0
|ak |
∞
X
|bl | .
l=0
Übung: Zeigen Sie exp(z) exp(w) = exp(z + w) mit Hilfe von Theorem
3.7.3.
Satz 3.7.4 (Identitätssatz). Falls die Summen der Potenzreihen
a0 + a1 z + a2 z 2 + . . .
b0 + b1 z + b2 z 2 + . . .
88
KAPITEL 3. REIHEN
für |z| < ε oder wenigstens auf einer Nullfolge (zn ) in C \ {0} übereinstimmen,
dann gilt ak = bk für alle k ∈ N0 .
Beweis. Sei R der kleinere der beiden Konvergenzradien der beiden Reihen
P
m
und sei f (z) = ∞
m=0 cm z , cm = am − bm , |z| < R. Dann f (zn ) = 0 für n so
groß, dass |zn | < R. Falls m existiert mit cm 6= 0, dann
N := min{m | cm 6= 0} < ∞ .
Es folgt für |z| ≤ R/2:
f (z) − cN z N =
X
∞
m
cm z m=N +1
∞
X
≤ |z|N +1
m=N +1
∞
X
≤
m=N +1
m−(N +1)
|cm |
R
2
{z
|
|cm ||z|m
=:c<∞
}
Für n so groß, dass |zn | ≤ R/2 folgt
|cN ||zn |N = |cN znN | =
N
f (zn ) −cN zn | {z }
≤ |zn |N +1 c
=0
⇒ |cN | ≤ |zn |c → 0 (n → ∞)
im Widerspruch zu cN 6= 0. Also war die Annahme, dass cm 6= 0 existieren,
falsch.
Kapitel 4
Stetige Funktionen
Motivation: Sie wollen beim Fußball einem Mitspieler eine Flanke zuspielen,
der die Höhe h hat. Die Höhe des Balls beim Mitspieler beschreiben wir
durch h0 = f (v, ϑ0 ) in Abhängigkeit von der Schussgeschwindigkeit und dem
Schusswinkel. Wenn v, ϑ die Werte sind, für die f (v, ϑ) = h gilt, dann sollte bei
einem Abspiel mit ϑ0 ≈ ϑ (d. h. |ϑ0 − ϑ| ist klein) auch f (v, ϑ0 ) ≈ h = f (v, ϑ)
gelten. Diese Eigenschaft der Funktion f heißt Stetigkeit.
4.1
Definition und Beispiele
Eine Funktion f : D → C, D ⊆ R heißt stetig im Punkt x ∈ D, falls zu jedem
ε > 0 ein δ > 0 existiert, sodass
y ∈ D, |y − x| < δ ⇒ |f (y) − f (x)| < ε .
Gleichbedeutend dazu ist
x + h ∈ D, |h| < δ ⇒ |f (x + h) − f (x)| < ε .
Die Funktion f heißt stetig (auf D), wenn sie in jedem Punkt (von D) stetig
ist.
Illustration einer Funktion, die stetig in x ist:
89
90
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
Γ(f )
f (x) + ε
f (x)
f (x) − ε
x
x−δ
x+δ
Illustration einer Funktion, die nicht stetig in x ist:
Γ(f )
f (x) + ε
f (x)
f (x) − ε
x
x−δ
Beispiel 4.1.1.
x+δ
1) f (x) = ax + b (a, b ∈ C) ist stetig auf R.
Beweis. Sei x ∈ R und ε > 0. Falls a = 0 wählen wir δ := 1. Falls a 6= 0
wählen wir δ := ε/|a|. Dann gilt
|y − x| < δ ⇒
|f (y) − f (x)|
= |(ay − b) − (ax − b)|

= |a||y − x|
<
<
ε
|a|δ = |a| ·
ε
|a|
,a = 0
= ε , a 6= 0 .
2) f (x) = x2 ist stetig auf R.
Beweis. Sei x ∈ R, ε > 0. Wir wählen δ := min{ε/(2|x| + 1), 1}. Dann
91
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
gilt:
0 < |h| < δ ⇒ |f (x + h) − f (x)| = |(x + h)2 − x2 |
= |2xh + h2 |
= |h||2x + h|
≤ |h|(2|x| + |h|)
< δ(2|x| + δ)
≤ δ(2|x| + 1)
≤ε.
3) Die Dirichletfunktion
f (x) =

1
0
,x ∈ Q
,x ∈ R \ Q
ist in keinem Punkt stetig.
4) Die Funktion

x
f (x) = 
0
,x ∈ Q
,x ∈ R \ Q
ist nur im Punkt x = 0 stetig.
Bemerkung 4.1.2. In einem isolierten Punkt a ∈ D, d. h. Bδ (a) ∩ D =
{a}, δ > 0 ist jede Funktion f : D → C stetig. Wahr aber uninteressant.
Eine Funktion f : D → C heißt Lipschitz-stetig, falls ein L ∈ R existiert,
sodass
|f (y) − f (x)| ≤ L|y − x|
für alle y, x ∈ D. Diese Bedingung heißt Lipschitz-Bedingung und L heißt
Lipschitz-Konstante.
Jede Lipschitz-stetige Funktion ist stetig (wähle δ = ε/L, L > 0).
Beispiel 4.1.3. f (x) = ax + b ist Lipschitz-stetig (L = |a|).
f (x) = |x| ist Lipschitz-stetig, denn |f (y) − f (x)| = ||y| − |x|| ≤ |y − x|
(L = 1).
92
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
2
1
−2
−1
1
2
−1
−2
Theorem 4.1.4. Folgende Aussagen über f : D → C und x ∈ D ⊆ R sind
äquivalent:
(a) f ist stetig in x.
(b) Für jede Folge (xn ) in D mit xn → x (n → ∞) gilt limn→∞ f (xn ) =
f (x). (Folgenstetigkeit)
Beweis.
(a) ⇒ (b): Sei ε > 0 und (xn ) Folge in D mit xn → x. Dann existiert ein δ > 0 mit
y ∈ D, |y − x| < δ ⇒ |f (y) − f (x)| < ε
(4.1.1)
und es existiert N ∈ N mit
n ≥ N ⇒ |xn − x| < δ .
(4.1.2)
Also gilt
(4.1.2)
(4.1.1)
n ≥ N ⇒ |xn − x| < δ ⇒ |f (xn ) − f (x)| < ε .
Also limn→∞ f (xn ) = f (x).
¬(a) ⇒ ¬(b): Die Aussage ¬(a) bedeutet
∃ε > 0 : ∀δ > 0 : ∃yδ : |yδ − x| < δ ∧ |f (yδ ) − f (x)| ≥ ε .
Das bedeutet insbesondere, dass
∃ε > 0 : ∀k ∈ N : ∃xk : |xk − x| <
1
∧ |f (xk ) − f (x)| ≥ ε .
k
Also existiert eine Folge (xk ) in D \ {x}, für die lim xk = x und
limk→∞ f (xk ) 6= f (x) gilt, was die Negation von (b) ist.
93
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
Bemerkung 4.1.5. Der Beweis zeigt, dass es in (b) genügt, Folgen aus
D \ {x} zu betrachten.
Folgerungen:
1) Die Funktion x 7→
√
x ist stetig auf [0, ∞) (siehe Aufgabe 5.1).
2) ex , eix und eαx (α ∈ C) sind stetig auf R.
Beweis. Sei x ∈ R und (xn ) eine Folge mit xn → x (n → ∞). Dann
gilt
|eαxn − eαx |
=
αx αxn −αx
e
e
≤
=
e|α||x| |α(xn − x)|e|α(xn −x)|
e|α||x| |α||xn − x|e|α||xn −x|
(|xn −x|≤1)
≤
−1 e|α|(|x|+1) |α||xn − x| → 0 (n → ∞) .
Wir haben benutzt, dass |ez − 1| ≤ |z|e|z| , was aus Theorem 3.6.2 (c)
folgt.
Satz 4.1.6. Sei f : D → R stetig in a ∈ D und sei f (a) > 0. Dann existiert
δ > 0, so dass für alle x ∈ D ∩ Bδ (a) gilt
f (x) >
f (a)
>0.
2
Beweis. Wähle ε = f (a)/2 und benutze die Stetigkeit in a.
Γ(f )
3
ε
2
ε
1
ε
2
x
a+δ
a−δ
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
4.2
94
Rechnen mit stetigen Funktionen
Sind f : D(f ) → C, g : D(g) → C gegebene Funktionen, dann sind die
Funktionen f + g, f · g und 1/f definiert durch:
(f + g)(x) := f (x) + g(x)
(f · g)(x) := f (x) · g(x)
!
1
1
(x) :=
f
f (x)
D(f + g) = D(f ) ∩ D(g)
D(f · g) = D(f ) ∩ D(g)
!
1
D
= {x ∈ D(f ) | f (x) 6= 0} .
f
Die Funktionen |f |, λf, f , Re f, Im f sind auf D(f ) definiert durch
|f |(x) := |f (x)|
(λf )(x) := λf (x)
(Re f )(x) := Re f (x)
(Im f )(x) := Im f (x)
f (x) := f (x) .
Satz 4.2.1. Sind f und g stetig im Punkt a ∈ D(f ) ∩ D(g), dann auch
f + g, f · g, f /g (g(a) 6= 0), |f |, λf, f , Re f und Im f .
Beweis. Wir zeigen die Stetigkeit von f /g in a falls g(a) 6= 0. Nach Theorem
4.1.4 gilt für jede Folge (xn ) in D(f ) ∩ D(1/g) mit xn → a auch f (xn ) → f (a)
und g(xn ) → g(a). Also gilt
f
f (xn ) 2.1.7 limn→∞ f (xn )
(xn ) = lim
=
n→∞ g
n→∞ g(x )
limn→∞ g(xn )
n
!
f
f (a)
=
(a) .
=
g(a)
g
lim
Also ist f /g stetig im Punkt a nach Theorem 4.1.4. Die übrigen Behauptungen folgen analog aus Satz 2.1.5, Satz 2.1.6 und Satz 2.1.7 (Rechnen mit
konvergenten Folgen).
Folgerungen
1) cos und sin sind stetig auf R (cos x = Re eix , sin x = Im eix ).
2) Potenzen x 7→ xn (n ∈ Z) sind stetig auf R bzw. auf R \ {0} für n < 0.
3) Jedes Polynom p(x) = an xn + an−1 xn−1 + . . . + a1 x + a0 (ak ∈ C) ist
stetig auf R.
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
95
4) Jede rationale Funktion p/q mit Polynomen p, q ist stetig auf {x ∈ R |
q(x) 6= 0}.
Satz 4.2.2. Ist f : D(f ) → R stetig in a ∈ D und g : D(g) → R stetig in
b = f (a), dann ist g ◦ f stetig im Punkt a.
Beweis. Sei xn eine Folge in D(g ◦ f ) = {x ∈ D(f ) | f (x) ∈ D(g)} =
D(f ) ∩ f −1 (D(g)) und lim xn = a. Dann gilt lim f (xn ) = f (a) und somit
lim (g ◦ f )(xn ) = lim g(f (xn )) = g(b) = g(f (a)) = (g ◦ f )(a) .
n→∞
n→∞
Satz 2 folgt also aus Theorem 4.1.4 .
Beispiel 4.2.3.
x2
2
• x 7→ e− 2 = exp − x2
ist stetig auf R.
• x 7→ sin(1/x) ist stetig auf R \ {0}.
4.3
Stetige Funktionen auf Intervallen
Erinnerung: Eine Teilmenge I ∈ R heißt Intervall, falls für alle a, b ∈ I, c ∈ R
gilt
a<c<b⇒c∈I .
Satz 4.3.1 (Zwischenwertsatz). Sei f : [a, b] → R stetig und sei f (a) < c <
f (b) (oder f (a) > c > f (b)), dann existiert ein Punkt t ∈ (a, b) mit f (t) = c.
f (b)
c
f (a)
t
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
96
Beweis. Es genügt, den Fall f (a) < 0 < f (b) und c = 0 zu betrachten. Die
anderen Fälle lassen sich auf diesen Fall zurückführen durch Betrachtung von
f − c (bzw. c − f ). Sei K := {x ∈ [a, b] | f (x) ≤ 0}. Dann ist K =
6 ∅ und nach
oben beschränkt, also
t := sup K ∈ R .
Für n ∈ N ist t − 1/n keine obere Schranke von K, also existiert xn ∈ K mit
t − 1/n < xn ≤ t. Also limn→∞ xn = t und t ∈ [a, b], denn xn ∈ [a, b] (Satz
2.1.9). Da f stetig ist, folgt
f (t) = lim f (xn ) ≤ 0 .
n→∞ |
{z }
≤0
Wäre f (t) < 0, dann wäre f (x) < 0 für alle x ∈ Bδ (t) für ein δ > 0 (Satz
4.1.6) im Widerspruch zur Definition von t. Also f (t) = 0.
Satz 4.3.2. Jedes reelle Polynom
xn + an−1 xn−1 + . . . + a1 x + a0 , ai ∈ R
mit n ungerade hat mindestens eine reelle Nullstelle.
Beweis. Für x 6= 0 ist p(x) = xn f (x) mit
f (x) := 1 +
a0
an−1 an−2
+ 2 + ... + n ,
x
x
x
wobei f (±k) → 1 (k → ∞). Also f (±k) > 0 für k ∈ N groß genug. Halte
solches k fest. Da n ungerade ist, folgt
p(−k) = (−k)n f (−k) < 0
p(k) = k n f (k) > 0 .
Da p stetig ist, folgt aus Satz 4.3.1 die Existenz einer Nullstelle t ∈ (−k, k).
Bemerkung 4.3.3. Nach dem (noch unbewiesenen) Fundamentalsatz der
Algebra (Satz 0.4.13) hat p mindestens eine Nullstelle in C. Falls n gerade
ist, existiert möglicherweise keine reelle Nullstelle (Beispiel: p(x) = x2 + 1).
Satz 4.3.4. Ist f : I → R stetig und I ⊆ R ein Intervall, dann ist auch f (I)
ein Intervall. Zusatz: Wenn α = inf x∈I f (x), β = supx∈I f (x) ∈ R, dann gilt
(α, β) ⊆ f (I).
97
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
Beweis. Wenn α < γ < β, dann existieren x1 , x2 ∈ I mit f (x1 ) < γ < f (x2 ).
Nach Satz 4.3.1 existiert ein t ∈ I mit f (t) = γ. Also (α, β) ⊆ f (I). Außerdem
gilt α ≤ f (x) ≤ β für alle x ∈ I. Also muss f (I) eines der folgenden Intervalle
sein: (α, β), (α, β], [α, β), [α, β].
Beispiel 4.3.5.
• I = (0, 1] und f (x) = 1/x. Dann ist f (I) = [1, ∞).
4
3
2
1
0
0
1
2
3
4
• I = R und f (x) = 1/(1 + x2 ). Dann ist f (I) = (0, 1].
1
0.8
0.6
0.4
0.2
0
−4
−2
0
2
4
Eine Funktion f : D ⊆ R → R heißt (streng) monoton wachsend, falls
a < b ⇒ f (a) ≤ f (b) (bzw. f (a) < f (b)) .
Sie heißt (streng) monoton fallend, falls −f (streng) monoton wachsend ist.
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
98
Satz 4.3.6. Sei I ⊆ R ein Intervall und f : I → R streng monoton wachsend
und stetig. Dann bildet f das Intervall I bijektiv auf das Intervall J = f (I)
ab und f −1 : J → I ist auch streng monoton wachsend und stetig.
15
10
5
0
0
5
10
15
Beweis. Da f streng monoton wachsend ist, ist f injektiv und die Surjektivität
folgt aus J = f (I).
Es gilt f (a) < f (b) ⇒ a < b, denn a ≥ b würde f (a) ≥ f (b) implizieren,
da f monoton wachsend ist. Daher ist f −1 streng monoton wachsend. Es
bleibt die Stetigkeit von f −1 zu beweisen. Sei y0 ∈ J und sei ε > 0. Sei
x0 = f −1 (y0 ). Wir müssen δ > 0 finden mit f −1 (Bδ (y0 ) ∩ J) ⊆ Bε (x0 ).
Wir betrachten zuerst den Fall, bei dem x0 im Inneren von I ist, d. h.
Bε0 (x0 ) ⊆ I, wobei ε0 ≤ ε. Wegen der strengen Monotonie von f ist y0 ein
innerer Punkt des Intervalls J0 = f (Bε0 (x0 )). Also existiert ein δ > 0 mit
Bδ (y0 ) ⊆ J0 . Daraus folgt
f −1 (Bδ (y0 )) ⊆ f −1 (J0 ) = Bε0 (x0 ) ⊆ Bε (x0 ) .
Sei jetzt x0 = max I und ε0 ≤ ε so klein, dass [x0 − ε0 , x0 ] ⊆ I. Es gilt
y0 = max J. Sei δ > 0 definiert durch y0 − δ = f (x0 − ε0 ) < y0 . Dann gilt
y0 − δ < y < y0 ⇒ x0 − ε0 < f −1 (y) < x0 ,
da f −1 streng monoton ist. Also f −1 (Bδ (y0 ) ∩ J) ⊆ Bε0 (x0 ) ⊆ Bε (x0 ).
Wurzeln Sei n ∈ N. Die Funktion f (x) = xn ist stetig, streng monoton
wachsend auf [0, ∞) und
f (0) = 0, sup f (x) = ∞ .
x≥0
99
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
Also ist f ([0, ∞)) = [0, ∞) nach Satz 4.3.4
und f : [0, ∞) → [0, ∞) ist bijektiv
√
−1
n
(Satz 4.3.6). Die Umkehrung f : x 7→ x ist streng monoton wachsend und
stetig (Sat 4.3.6). Das ist ein weiterer Beweis der Existenz und Eindeutigkeit
der n-ten Wurzel (vgl. Satz 2.2.3).
Ein kompaktes Intervall I ⊆ R ist ein Intervall, das abgeschlossen und
beschränkt ist. d. h. I = [a, b] mit a, b ∈ R.
Satz 4.3.7. Eine stetige Funktion f : I → R auf einem kompakten Intervall
I nimmt ihr Maximum und ihr Minimum an. D. h. es existieren x∗ , x∗ ∈ I
mit
f (x∗ ) ≤ f (x) ≤ f (x∗ ) für alle x ∈ I .
Beweis. Sei β := supx∈I f (x) ≤ ∞ und sei (xn ) eine Folge in I, für die
limn→∞ f (xn ) = β gilt. Da I beschränkt und abgeschlossen ist, hat (xn ) eine
Teilfolge (xnk )k∈N mit Grenzwert x∗ = limk→∞ xnk ∈ I (Bolzano-Weierstraß,
Satz 2.1.9). Da f stetig ist, folgt
f (x∗ ) = lim f (xnk ) = β .
k→∞
Die Existenz von x∗ wird analog bewiesen.
Beispiel 4.3.8.
1) f : (0, 1) → R mit f (x) = x2 ist stetig, nimmt aber
weder ihr Maximum noch ihr Minimum an.
1
0.8
0.6
0.4
0.2
0
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
2) Die Funktion f : [1, ∞) → R mit f (x) = 1/x ist stetig, nimmt aber ihr
Minimum nicht an. ([1, ∞) ist unbeschränkt!)
3) f : [0, 1] → R mit

x
f (x) = 
1
,x > 0
,x = 0
100
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
nimmt ihr Minimum nicht an (ist aber auch nicht stetig).
Korollar 4.3.9. Eine stetige Funktion f : I → C auf einem kompakten
Intervall I ist beschränkt. D. h.
sup |f (x)| < ∞ .
x∈I
Beweis. x 7→ |f (x)| ist stetig auf I (Satz 4.2.1), also nimmt diese Funktion
ihr Maximum an (Satz 4.3.7).
Eine Funktion f : D → C (D ⊆ R) heißt gleichmäßig stetig, falls zu jedem
ε > 0 ein δ > 0 existiert, sodass
x, y ∈ D ∧ |x − y| < δ ⇒ |f (x) − f (y)| < ε .
Aus gleichmäßiger Stetigkeit folgt auch Stetigkeit (wobei δ unabhängig
von x ist). Aus Lipschitz-Stetigkeit folgt gleichmäßige Stetigkeit (δ = ε/L).
Die Funktion f ist nicht gleichmäßig stetig, wenn ein ε > 0 existiert,
sodass für alle δ > 0 zwei Punkte x, y ∈ I gefunden werden können mit
|x − y| < δ ∧ |f (x) − f (y)| ≥ ε .
Beispiel 4.3.10.
1) f (x) = x2 ist nicht gleichmäßig stetig auf R.
Beweis. Wähle ε = 1 und sei δ > 0. Setze x = 1/δ und y = x + δ/2.
Dann |x − y| = δ/2 < δ und
δ
f (y) − f (x) = y 2 − x2 = x +
2
2
δ
=1+
>1.
4
!2
− x2 = x · δ +
δ2
4
2) f (x) = 1/x ist nicht gleichmäßig stetig auf (0, 1] (Übung).
√
3) f (x) = x auf [0, ∞) ist gleichmäßig stetig.
Satz 4.3.11. Eine stetige Funktion f : I → C auf einem kompakten Intervall
I ist gleichmäßig stetig.
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
101
Beweis. Mit Widerspruch: Wir nehmen an, f sei nicht gleichmäßig stetig.
Dann ex. ε > 0, sodass zu jedem δ = 1/n, n ∈ N, zwei Punkte xn , yn ∈ I
existieren mit
1
|yn − xn | <
(4.3.1)
n
und
|f (yn ) − f (xn )| ≥ ε .
(4.3.2)
Da I beschränkt und abgeschlossen ist, hat (xn ) eine konvergente Teilfolge
(xnk ) mit Limes x0 ∈ I (Bolzano-Weierstraß und Satz 2.1.9). Nach (4.3.1) gilt
|ynk − xnk | <
1
→0,
nk
also limk→∞ ynk = x0 . Da f stetig ist, folgt
f (xnk ) → f (x0 ) (k → ∞)
f (ynk ) → f (x0 ) (k → ∞) .
Also
|f (ynk ) − f (xnk )| → 0 (k → ∞)
im Widerspruch zu (4.3.2).
4.4
Grenzwerte von Funktionen
Definition 4.4.1. Eine Funktion f : D → C hat im Punkt x0 ∈ R den
Grenzwert a oder f strebt gegen a für x → x0 , in Zeichen
lim f (x) = a oder f (x) → a (x → x0 ) ,
x→x0
wenn zu jedem ε > 0 ein δ > 0 existiert mit
x ∈ D \ {x0 } ∧ |x − x0 | < δ ⇒ |f (x) − a| < ε .
Die Funktion f hat in ∞ den Grenzwert a, falls zu jedem ε > 0 ein R ∈ R
existiert mit
x ∈ D ∧ x > R ⇒ |f (x) − a| < ε .
Der Grenzwert in −∞ wird analog definiert.
Beispiel 4.4.2.
102
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
• limx→0
√
x = 0 (δ = ε2 )
• limx→∞ 1/x = 0 (R = 1/ε)
• limx→0 sin(1/x) existiert nicht
1
0.5
0
−0.5
−1
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
Bemerkung 4.4.3.
1. Es ist irrelevant, ob x0 ∈ D oder x0 ∈ R \ D ist; limx→x0 f (x) hängt nur
von f (x) für x ∈ D \ {x0 } ab.
2. Die Menge Ḃδ (x0 ) := Bδ (x0 ) \ {x0 } heißt punktierte δ-Umgebung von
x0 . Falls Bδ (x0 ) ∩ D = ∅ für ein δ > 0, dann gilt limx→x0 f (x) = a für
jedes a ∈ C. Dieser Fall ist uninteressant; die folgenden Sätze sind dann
trivial. Nur der Fall, wo Ḃδ (x0 ) ∩ D 6= ∅ für alle δ > 0 ist interessant.
Dann heißt x0 Häufungspunkt von D und der Grenzwert limx→x0 f (x)
ist eindeutig, falls er existiert. x0 ist genau dann Häufungspunkt von D,
wenn es eine Folge (xn ) in D \ {x0 } gibt mit limn→∞ xn = x0 .
Satz 4.4.4. Eine Funktion f : D → C ist genau dann stetig im Punkt x0 ∈ D,
wenn
lim f (x) = f (x0 ) .
x→x0
Beweis. Vergleiche die Definition von limx→x0 f (x) mit der Definition von
Stetigkeit im Punkt x0 .
Satz 4.4.5. Folgende Aussagen über f : D → C, x0 ∈ R und a ∈ C sind
äquivalent:
(a) limx→x0 f (x) = a.
103
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
(b) limx→x0 f (xn ) = a für jede Folge (xn ) in D \ {x0 } mit limn→∞ xn = x0 .
(c) Die Funktion f˜ : D ∪ {x0 } → C definiert durch
f˜(x) :=

f (x)
a
, x ∈ D \ {x0 }
, x = x0
ist stetig in x0 .
Beweis. Für alle x ∈ D \ {x0 } gilt nach Definition von f˜: |f (x) − a| =
|f˜(x) − f˜(x0 )|.
lim f (x) = a
x→x0
lim f˜(x) = f˜(x0 )
⇔
x→x0
Satz 4.4.4
f˜ ist stetig im Punkt x0
Satz 4.1.4 + Bem.
⇔
lim f˜(xn ) = f˜(x0 ) für jede
⇔
x→x0
Folge (xn ) in D \ {x0 } mit lim xn = x0 .
(b), denn f˜ = f in D \ {x0 } und f˜(x0 ) = a.
⇔
Die Funktion f˜ aus Teil (c) heißt stetige Fortsetzung von f in den Punkt
x0 .
Korollar 4.4.6. Folgende Aussagen über f : D → C sind äquivalent:
(a) limx→x0 f (x) existiert
(b) f hat eine stetige Fortsetzung in den Punkt x0 .
Satz 4.4.7 (Rechenregeln). Alle Funktionen im Folgenden seien auf D ⊆ R
definiert mit Werten in C und x0 ∈ R.
(a) limx→x0 f (x) = 0 ⇔ limx→x0 |f (x)| = 0.
(b) Falls |f (x)| ≤ p(x) in Ḃδ (x0 ) ∩ D und limx→x0 p(x) = 0, dann gilt
lim f (x) = 0 .
x→x0
(c) Ist limx→x0 f (x) = a und limx→x0 g(x) = b, dann gilt
lim (f (x) + g(x)) = a + b
x→x0
lim f (x)g(x) = ab
x→x0
lim
x→x0
f (x)
a
= (falls b 6= 0)
g(x)
b
und Re f, Im f, f , |f |, λf streben gegen Re a, Im a, a, |a|, λa für x → x0 .
104
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
(d) Zusätzlich zu (c) sei f (x) ≤ g(x) in Ḃδ (x0 ) ∩ D. Dann gilt a ≤ b.
(e) Falls f1 ≤ g ≤ f2 in Ḃδ (x0 ) ∩ D und limx→x0 f1 (x) = limx→x0 f2 (x) = a,
dann gilt
lim g(x) = a .
x→x0
Beweis.
(a)
(b) folgen direkt aus der Definition von limx→x0 f (x).
(c) Sind f˜ und g̃ stetige Fortsetzungen von f und g in den Punkt x0 , dann
gilt
lim (f (x) + g(x)) = x→x
lim (f˜(x) + g̃(x))
x→x0
0
= f˜(x0 ) + g̃(x0 )
=a+b ,
(Satz 4.4.4)
denn die Summe stetiger Funktionen ist wieder stetig (Satz 4.2.1). Der
Rest von (c) folgt analog mit Satz 4.2.1.
(d) a > b ⇔ f˜(x0 ) > g̃(x0 ) ⇒ f (x) > g(x), Widerspruch für x ∈ Bε (x0 )∩D
(Satz 4.1.6).
(e) Übung.
Beispiel 4.4.8.
(i) Für alle α ∈ C gilt
eαx − 1
=α.
x→0
x
lim
(ii)
lim
x→0
Beweis.
sin x
=1.
x
105
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
(i) eαx = 1 + αx + R(αx), wobei
|R(αx)| ≤
|αx|2 |αx|
e
.
2
Also
αx
e
R(αx) −1
|α|2
≤
− α = |x|e|αx|
x x
2
|
{z
}
=:p(x)
nach Satz 3.6.2, wobei p stetig ist, also limx→0 p(x) = p(0) = 0. Also
lim
αx
e
x→0
−1
−α =0 .
x
(ii)
sin x
Im(eix )
eix − 1
=
= Im
x
x
x
!
→ Im(i) = 1 .
Bemerkung 4.4.9. In Satz 4.4.5 gilt (a) ⇔ (b) auch für x0 ∈ {±∞}, ebenso
wie in Satz 4.4.7.
Beispiel 4.4.10. Für alle n ∈ N gilt
lim xn e−x = 0
x→∞
Beweis. Es gilt ex ≥ xn+1 /(n + 1)! für alle x > 0. Also
xn
(n + 1)!
xn
≤
(n + 1)! =
→ 0 (x → ∞) .
x
n+1
e
x
x
Also limx→∞ xn e−x = 0 mit Satz 4.4.7 (b) (x0 = ∞).
Satz 4.4.11. Falls der Grenzwert y0 = limx→x0 f (x) existiert und g stetig ist
in y0 , dann gilt
lim g(f (x)) = g(y0 )
x→x0
Beweis. Übung.
Theorem 4.4.12 (Cauchy-Kriterium). Sei f : D → C und x0 ∈ R, D ⊆ R.
Dann sind äquivalent:
(a) limx→x0 f (x) existiert.
106
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
(b) Zu jedem ε > 0 existiert ein δ > 0 mit
x, y ∈ Ḃδ (x0 ) ∩ D ⇒ |f (x) − f (y)| < ε .
Beweis. (a) ⇒ (b): Sei a = limx→x0 f (x) und ε < 0. Sei δ > 0 so gewählt,
dass
x ∈ Ḃδ (x0 ) ∩ D ⇒ |f (x) − a| <
ε
.
2
Dann gilt
x, y ∈ Ḃδ (x0 ) ∩ D ⇒ |f (x) − f (y)| ≤ |f (x) − a| + |a − f (y)| < ε .
(b) ⇒ (a): Wir nehmen an, x0 sei ein Häufungspunkt von D. Dann
existiert eine Folge (xn ) in D \ {x0 } mit limx→x0 xn = x0 . Sei ε > 0 und
sei δ > 0 so gewählt, dass |f (x) − f (y)| < ε/2 für x, y ∈ Ḃδ (x0 ) ∩ D. Da
xn → x0 (n → ∞), existiert N ∈ N mit
n ≥ N ⇒ xn ∈ Ḃδ (x0 ) .
Also
m, n ≥ N ⇒ xn , xm ∈ Ḃδ (x0 ) ∩ D ⇒ |f (xn ) − f (xm )| <
ε
.
2
D. h. (f (xn ))n∈N ist eine Cauchy-Folge in C. Also existiert a := limn→∞ f (xn ).
Für x ∈ Ḃδ (x0 ) ∩ D und n ≥ N gilt |f (x) − f (xn )| < ε/2, also gilt
x ∈ Ḃδ (x0 ) ∩ D ⇒ |f (x) − a| = lim |f (x) − f (xn )| ≤
n→∞
ε
<ε.
2
Also limx→x0 f (x) = a.
Anwendung: Ist f gleichmäßig stetig auf (a, b), dann existieren limx→a f (x)
und limx→b f (x).
Beweis. Übung.
Bemerkung 4.4.13. Theorem 4.4.12 gilt auch für x0 = ∞ und x0 = −∞,
wenn man Ḃδ = (1/δ, ∞) definiert (analog für −∞).
107
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
4.4.1
Uneigentliche Grenzwerte
Definiert man
1
,∞
Bε (∞) := Ḃε (∞) :=
ε
Bε (−∞) := Ḃε (−∞) := −∞, −
1
ε
,
dann gilt limx→x0 f (x) = a für x0 ∈ R = R ∪ {±∞} genau dann, wenn zu
jedem ε > 0 ein δ > 0 existiert mit
x ∈ Ḃδ (x0 ) ∩ D ⇒ f (x) ∈ Bε (a) .
So definieren wir jetzt auch die uneigentlichen Grenzwerte limx→x0 f (x) =
±∞.
Satz 4.4.14 (Folgenkriterium). Sei f eine reellwertige Funktion und seien
x0 , a ∈ R. Dann sind äquivalent:
(a) limx→x0 f (x) = a
(b) limn→∞ f (xn ) = a für jede Folge (xn ) in D\{x0 } mit xn → x0 (n → ∞).
Beweis. Wie die Äquivalenz (a) ⇔ (b) in Satz 4.4.5.
Lemma 4.4.15 (Reduktionslemma). Sei f : D → R mit f (x) → ∞ für
x → x0 ∈ R. Dann gilt
lim g(f (x)) = y→∞
lim g(y) ,
x→x0
sofern limy→∞ g(y) als eigentlicher oder uneigentlicher Grenzwert existiert.
Beweis. Übung mit Satz 4.4.14.
4.4.2
Einseitige Grenzwerte
Sei D ⊆ R, x0 ∈ R und D+ := D∩(x0 , ∞). Dann hat f in x0 den rechtsseitigen
Grenzwert a ∈ C, in Zeichen
lim f (x) = a oder f (x0 +) = a ,
x→x0 +
falls f D+ in x0 den Grenzwert a hat. Ist x0 ∈ D, dann heißt f rechtsseitig
stetig oder rechtsstetig, wenn
f (x0 ) = f (x0 +) .
Der linksseitige Grenzwert und linksstetig werden analog definiert.
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
108
Beispiel 4.4.16. Die Gaußklammer
f (x) = bxc = max{n ∈ Z | n ≤ x}
ist rechtsstetig, aber nicht linksstetig. Für n ∈ Z gilt f (n−) = n − 1, f (n) = n
und f (n+) = n.
5
4
3
2
1
1
2
3
4
5
6
Satz 4.4.17. Eine Funktion f : D → C ist in einem inneren Punkt x0 von
D genau dann stetig, wenn f (x0 ±) existieren und
f (x0 −) = f (x0 ) = f (x0 +) .
Beweis. Übung.
Eine Unstetigkeit erster Art liegt vor im Punkt x0 ∈ R, wenn die Grenzwerte f (x0 ±) als eigentliche Grenzwerte existieren, aber nicht beide mit f (x0 )
übereinstimmen, also wenn entweder f (x0 −) 6= f (x0 +) (Sprungstelle) oder
f (x0 −) = f (x0 +) 6= f (x0 ). Wenn einer der Grenzwerte f (x0 ±) nicht existiert,
dann ist die Unstetigkeit von zweiter Art.
Beispiel 4.4.18. f : R → R mit

1
f (x) =  x
0
,x > 0
,x ≤ 0
hat in x0 = 0 eine Unstetigkeit zweiter Art. Auch f (x) = sin(1/x) und
f (0) = 0 hat in x = 0 eine Unstetigkeit zweiter Art.
Lemma 4.4.19. Ist f : (a, b) → R monoton wachsend, dann existieren die
einseitigen Grenzwerte f (a+), f (b−) und
f (a+) = inf{f (x) | x ∈ (a, b)} ≥ −∞
f (b−) = sup{f (x) | x ∈ (a, b)} ≤ ∞ .
109
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
Theorem 4.4.20. Ist f : (a, b) → R monoton wachsend und x0 ∈ (a, b),
dann existieren f (x0 ±) und es gilt
f (x0 −) ≤ f (x0 ) ≤ f (x0 +) .
Korollar 4.4.21. Eine monotone Funktion f : (a, b) → R ist stetig bis auf
abzählbar viele Sprungstellen.
Beweis. Sei f monoton wachsend. Ist f nicht stetig in x0 ∈ (a, b), dann gilt
f (x0 −) < f (x0 +). D. h. x0 ist Sprungstelle und es gibt eine rationale Zahl
r(x0 ) mit f (x0 −) < r(x0 ) < f (x0 +). Sind x1 < x2 zwei Sprungstellen, dann
ist r(x1 ) < r(x2 ). Also ist x 7→ r(x) eine injektive Abbildung von der Menge
der Sprungstellen nach Q. Die Menge der Sprungstellen ist also gleichmächtig
wie eine Teilmenge von Q, also abzählbar.
4.5
Die Logarithmusfunktion
Die Exponentialfunktion ist auf R streng monoton wachsend, denn für h > 0
gilt eh > 1 und somit ex+h = eh ex > ex . exp ist stetig und limx→∞ ex =
∞, limx→−∞ ex = limx→∞ 1/ex = 0. Außerdem ex > 0 für alle x ∈ R. D. h.
exp(R) = (0, ∞) nach Satz 4.3.4. Die Umkehrabbildung
log = exp−1 : (0, ∞) → R
ist nach Theorem 4.3.6 wieder stetig und streng monoton wachsend. Per
Definition von log:
elog(x) = x
log(ex ) = x
(x > 0)
(x ∈ R)
und wegen der Monotonie (Lemma 4.4.19)
lim log(y) = inf log(y) = −∞
y→0
y>0
lim log(y) = sup log(y) = ∞ .
y→∞
y>0
Für alle u, v > 0 gilt
log(u · v) = log(u) + log(v)
u
log
= log(u) − log(v) .
v
(log(u · v) = log(ex · ey ) = log(ex+y ) = x + y = log(u) + log(v))
110
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
Satz 4.5.1. Für alle a > 0 und alle p/q ∈ Q (p ∈ Z, q ∈ N \ {0}) gilt
log(ap/q ) =
wobei ap/q :=
√
q
p
log(a) ,
q
ap .
Beweis. Für p ∈ Z gilt
ap = elog(a)
p
= ep log a .
(per Induktion)
Andererseits ap = exp(log(ap )). Also log(ap ) = p log(a). Wegen
ap/q
q
= ap
folgt nun
q log(ap/q ) = log ap/q
p
⇒ log(ap/q ) = log(a)
q
q = log(ap ) = p log(a)
Nach Satz 4.5.1 gilt
p
p
a q = elog(a)· q ,
was folgende Definition motiviert: Für alle a > 0 und x ∈ R ist
ax := elog(a)·x
Satz 4.5.2. Für alle a, b > 0 und alle x, y ∈ R gilt
(a) log(ax ) = x log(a)
(b) ax+y = ax ay
(c) (ax )y = axy
(d) ax bx = (ab)x
Beweis.
(a) ⇔ Definition von ax .
(b) Übung.
111
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
(c) Es gilt
(a)
(ax )y = exp(log((ax )y )) = exp(y log(ax ))
(a)
(a)
= exp(xy log(a)) = exp(log(axy )) = axy .
(d) Übung.
Satz 4.5.3. Für jedes α > 0 gilt
(a)
lim
x→∞
log x
=0,
xα
(b)
lim xα log x = 0 .
x→0+
Beweis.
(a) Nach Definition von xα :
lim
x→∞
1
α log x
log x
=
lim
xα
α x→∞ eα log x
1
y
= y→∞
lim y = 0 .
α
e
(Reduktionslemma)
(b)
1
1
lim xα log(x) = y→∞
lim α log
x→0+
y
y
|
{z
!
=0.
}
=− log(y)
4.6
(a)
Hyperbolische Funktionen
Eine Funktion f : R → C heißt
• gerade, falls f (−x) = f (x) für alle x ∈ R
• ungerade, falls f (−x) = −f (x) für alle x ∈ R.
112
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
6
gerade
ungerade
4
2
−2
−1
1
2
−2
−4
−6
Jede Funktion f : R → C lässt sich zerlegen in die Summe
f (x) =
f (x) + f (−x) f (x) − f (−x)
+
2
2
einer geraden und einer ungeraden Funktion. Z. B. sind
cosh x :=
ex − e−x
ex + e−x
, sinh x :=
2
2
der gerade und der ungerade Anteil von ex . Man rechnet leicht nach, dass
(cosh x)2 − (sinh x)2 = 1
20
10
−3
−2
−1
−10
1
2
ex
e−x
cosh(x)
sinh(x)
3
113
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
4.6.1
Hyperbolischer Sinus und Areasinus
sinh(x) =
ex − e−x
2
ist streng monoton wachsend und stetig als Summe der streng monoton
wachsenden, stetigen Funktionen ex /2 und −e−x /2. Es gilt
1 x
1
e − x =∞
x→∞
x→∞ 2
e
lim sinh(x) = − x→∞
lim sinh(x) = −∞ .
lim sinh(x) = lim
x→−∞
Somit ist sinh(R) = R nach Satz 4.3.4. Nach Theorem 4.3.6 ist
sinh−1 : R → R
(Areasinus)
wieder streng monoton wachsend und stetig. Durch Auflösen der Gleichung
y = 12 (ex − 1/ex ) nach x (ex y = 12 (e2x − 1) ist quadratische Gleichung für ex )
erhält man
sinh−1 (y) = log(y +
4.6.2
q
y 2 + 1) .
Hyperbolischer Cosinus und Areacosinus
ex + e−x
cosh(x) =
2
ist streng monoton wachsend auf [0, ∞) q
(streng monoton fallend auf (−∞, 0])
und stetig. Ersteres folgt aus cosh(x) = 1 + (sinh(x))2 weil sinh(x) nichtnegativ und streng monton wachsend auf [0, ∞) ist. Weiter gilt
cosh(0) = 1
lim cosh(x) = ∞ .
x→∞
Also bildet cosh das Intevall [0, ∞) bijektiv auf [1, ∞) ab. Die Umkehrfunktion
cosh−1 : [1, ∞) → [0, ∞)
(Areacosinus)
ist wieder streng monoton wachsend und stetig. Ähnlich wie im Fall des sinh
gilt
cosh−1 (y) = log(y +
q
y 2 − 1)
114
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
4.6.3
Hyperbolischer Tangens und Areatangens
sinh(x)
ex − e−x
tanh(x) =
= x
cosh(x)
e + e−x
ist ungerade, stetig und −1 < tanh(x) < 1 für alle x ∈ R. Da außerdem
lim tanh(x) = 1
x→∞
lim tanh(x) = −1 ,
x→−∞
ist tanh(R) = (−1, 1). Weiter ist tanh streng monoton wachsend, denn
s
tanh(x) =
1−
1
(cosh(x))2
für x > 0, die Funktion cosh ist streng monoton wachsend auf [0, ∞) und
tanh ist ungerade.
0.5
−3
−2
−1
1
2
3
−0.5
tanh(x)
Die Umkehrfunktion tanh−1 : (−1, 1) → R ist wieder streng monoton
wachsend und stetig. Durch Auflösen von
y=
ex − e−x
ex + e−x
nach x bekommt man
1
1+y
tanh−1 (y) = log
2
1−y
4.7
!
.
Trigonometrische Funktionen
Nach Kapitel 3.6 ist eix = cos x + i sin x. Die Funktion cos x = 12 (eix + e−ix )
ist gerade und die Funktion sin x = 2i1 (eix − e−ix ) ist ungerade.
115
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
Satz 4.7.1. Für alle x, y ∈ R gilt
(a) cos(x + y) = cos x cos y − sin x sin y
(b) sin(x + y) = sin x cos y + cos x sin y
(c)
cos x − cos y = −2 sin
x+y
x−y
sin
2
2
(d)
x+y
x−y
sin x − sin y = 2 cos
sin
2
2
Beweis.
(a), (b) Zerlege ei(x+y) = eix eiy in Real- und Imaginärteil.
(c), (d) Definiere u, v durch x = u+v, y = u−v, d. h. u = 12 (x+y), v = 12 (x−y).
Dann folgen (c), (d) aus (a), (b).
Lemma 4.7.2.
(a) cos x ≤ 1 −
x2
2
+
x4
4!
(b) sin x ≥ x −
x3
3!
für alle x ≥ 0.
für alle x ∈ R,
Beweis.
(a) Nach Satz 3.6.4 ist
x2 x4
+
+ R(x)
2
4!
x6 x8
R(x) := − +
− ... .
6!
8!
cos x = 1 −
R(x) ist die Summe einer alternierenden Reihe, deren Glieder für |x| ≤ 7
dem Betrag nach monoton fallen (gegen 0). Also R(x) ≤ 0 für |x| ≤ 7
nach Satz 3.4.1. Für |x| > 7 gilt
!
x2 x4
x2
1−
+
=1+
2
4!
2
x2
− 1 > 1 ≥ cos x
3·4
|
(b) beweist man analog.
{z
>0
}
116
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
Lemma 4.7.3.
(a) sin x > 0 für x ∈ (0, 2].
(b) Die Funktion cos ist streng monoton fallend in [0, 2].
Beweis.
(a) Nach obigem Lemma 4.7.2 gilt für x ∈ (0, 2]
x3
x2
sin x ≥ x −
=x 1−
3!
6
!
4
x
≥x 1−
= >0.
6
3
(b) Nach Satz 4.7.1 und Teil (a) gilt für 2 ≥ x > y ≥ 0:
x+y
x−y
cos(x) − cos(y) = −2 sin
sin
2 }
2 }
| {z
| {z
∈(0,2)
<0.
∈(0,2]
Satz 4.7.4. Die Funktion cos hat im Intervall (0, 2) genau eine Nullstelle.
Diese wird mit π/2 bezeichnet.
Beweis. cos(0) = 1 > 0 und nach Lemma 4.7.2 gilt
cos 2 ≤ 1 −
22 24
1
+
=− <0.
2
4!
3
Da cos stetig ist, folgt aus dem Zwischenwertsatz die Existenz einer Nullstelle
im Intervall (0, 2). Da cos in (0, 2) streng monoton fallend ist, existiert nur
eine Nullstelle.
1
cos(x)
0.5
−2
−1
1
2
117
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
Theorem 4.7.5.
eiπ/2 = i, eiπ = −1, ei3π/2 = −i, ei2π = 1 .
Beweis.
eiπ/2 = cos(π/2) +i sin(π/2) = i sin(π/2)
|
{z
=0
}
⇒ 1 = |eiπ/2 | = | sin(π/2)|
Lemma 4.7.3 (a)
=
sin(π/2) .
Somit eiπ/2 = i, also
eiπ = eiπ/2 · eiπ/2 = i2 = −1
ei3π/2 = −1 · i = −i
ei2π = eiπ eiπ = 1 .
Korollar 4.7.6.
(a) cos(x + 2π) = cos x, sin(x + 2π) = sin x
(b) cos(x + π) = − cos x, sin(x + π) = − sin x
(c) cos(π/2 − x) = sin x, sin(π/2 − x) = cos x
Beweis.
(a) folgt aus ei2π = 1:
cos(x + 2π) = Re ei(x+2π) = Re(eix ei2π ) = cos x .
(b) folgt aus eiπ = −1.
(c) folgt aus eiπ/2 = i:
cos(π/2 − x) = Re ei(π/2−x)
= Re eiπ/2 e−ix = Re(ie−ix )
= Re (i(cos x − i sin x)) = sin x .
118
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
1
cos x
sin x
0.5
−2
−1
1
2
3
4
−0.5
−1
Korollar 4.7.7.
(a) sin x = 0 ⇔ x = kπ
(k ∈ Z)
(b) cos x = 0 ⇔ x = kπ + π/2
(c) eix = 1 ⇔ x = k2π
4.7.1
(k ∈ Z)
(k ∈ Z).
Geometrische Interpretation von eix , cos x und
sin x
Nach Korollar 4.7.7 (c) ist eix injektiv auf [0, 2π), denn
eiy = eix ⇔ ei(y−x) = 1 ⇔ y − x = 0 ,
falls y, x ∈ [0, 2π).
Für f ∈ [0, 2π) sind also
eitk/n , k ∈ {0, 1, . . . , n}
n + 1 verschiedene Punkte auf dem Einheitskreis. Es sind die Eckpunkte eines
Streckenzugs γt,n bestehend aus n Seiten gleicher Länge:
it(k+1)/n
e
− eitk/n = |eit/n − 1|
119
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
eit2/n
eit3/n
eit1/n
1
Die Länge von γt,n ist somit
n eit/n − 1 .
Man definiert die Länge L(γt ) des Kreissegments
n
o
γt := eis | s ∈ [0, t]
als Grenzwert der Länge von γt,n für n → ∞. Nach Kapitel 4.4 gilt
L(γt ) := n→∞
lim
n eit/n
− 1
=
eit/n − 1 lim t
n→∞ t/n = |i|t = t ,
denn (eix − 1)/x → i (x → 0).
Die Funktionen Tangens, Cotangens, Secant und Cosecant sind aus cos
und sin zusammengesetzt:
sin x
cos x
cos x
cot(x) =
sin x
1
sec(x) =
cos x
1
csc(x) =
sin x
tan(x) =
4.7.2
Die Umkehrfunktionen
cos ist streng monoton fallend auf [0, π], cos ist stetig und cos(0) = 1, cos(π) =
−1. Also ist cos : [0, π] → [−1, 1] invertierbar und
arccos : [−1, 1] → [0, π]
120
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
ist wieder stetig und streng monoton fallend.
3
cos x
arccos x
2
1
−2
−1
1
2
3
−1
−2
Die Funktion sin ist stetig und streng monoton wachsend auf [−π/2, π/2],
wobei sin(−π/2) = −1, sin(π/2) = 1. Also ist sin : [−π/2, π/2] → [−1, 1]
bijektiv.
arcsin : [−1, 1] → [−π/2, π/2]
ist wieder stetig und streng monoton wachsend.
2
sin x
arcsin x
1
−2
−1
1
2
−1
−2
Tangens ist auf (−π/2, π/2) stetig und streng monoton wachsend (auf
(0, π/2) sind sin und 1/ cos streng monoton wachsend und positiv, außerdem
ist tan ungerade). Weiter gilt
lim tan(x) = ∞
x→π/2−
lim
x→−π/2+
tan(x) = −∞ .
Also ist tan : (−π/2, π/2) → (−∞, ∞) = R bijektiv. Die Umkehrung
arctan : R → (−π/2, π/2)
121
KAPITEL 4. STETIGE FUNKTIONEN
ist wieder stetig und streng monoton wachsend.
2
tan x
arctan x
1
−2
−1
1
2
−1
−2
4.7.3
Polardarstellung
Satz 4.7.8. Die Funktion t 7→ eit bildet das Intervall [0, 2π) bijektiv auf den
Einheitskreis S 1 := {z ∈ C : |z| = 1} ab.
Beweis. Die Injektivität folgt aus Korollar 4.7.7. Sei x+iy ∈ S 1 , also x2 +y 2 =
1. Im Fall y ≥ 0 setzen wir t = arccos(x) ∈ [0, π]. Dann gilt
cos(t) = x
sin(t) =
q
1 − (cos t)2 =
√
1 − x2 = y .
Im Fall y < 0 ist x ∈ (−1, 1) und daher t := 2π − arccos(x) ∈ (π, 2π). Es folgt
cos(t) = x
√
√
sin(t) = − 1 − cos2 t = − 1 − x2 = −|y| = y .
Also eit = x + iy.
Nach Satz 4.7.8 lässt sich jede Zahl z ∈ C schreiben als
z = reiϕ ,
(Polardarstellung)
wobei r = |z| und das Argument ϕ ∈ R nur bis auf ein Vielfaches von 2π
eindeutig ist (ϕ ist eindeutig, wenn man verlangt, dass ϕ ∈ [0, 2π) und r =
6 0).
z1 · z2 = r1 eiϕ1 · reiϕ2 = (r1 r2 )ei(ϕ1 +ϕ2 ) .
Die Beträge werden multipliziert, die Argumente (= Winkel) werden addiert.
Kapitel 5
Differentialrechnung
5.1
Die Ableitung einer Funktion
Sei I ⊆ R ein Intervall, f : I → C eine Funktion und x0 ∈ I. Falls der
Grenzwert
f 0 (x0 ) := x→x
lim
0
f (x0 + h) − f (x0 )
f (x) − f (x0 )
= lim
h→0
x − x0
h
existiert, dann heißt f differenzierbar im Punkt x0 . Der Quotient
∆f (x0 )
f (x) − f (x0 )
:=
∆x
x − x0
heißt Differenzenquotient und der Grenzwert f 0 (x0 ) heißt Ableitung von f im
Punkt x0 . Die einseitigen Grenzwerte
f (x) − f (x0 )
x→x0 ±
x − x0
f 0 (x0 ±) := lim
heißen rechtsseitige bzw. linksseitige Ableitung von f in x0 . Der Graph der
Geraden
y = f (x0 ) + f 0 (x0 )(x − x0 )
heißt Tangente von f im Punkt (x0 , f (x0 )). Ist f reellwertig, dann ist f 0 (x0 )
die Steigung der Tangente von f im Punkt (x0 , f (x0 )). Die lineare Abbildung
df (x0 ) : R → C, h 7→ df (x0 )h := f 0 (x0 ) · h
heißt Differential von f im Punkt x0 .
122
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
123
2
∆f df
1
−1
∆x
−0.5
0.5
1
f (x)
−1
f (0) + f 0 (0) · (x − 0)
∆f = tatsächlicher Zuwachs von f auf [x0 , x]
df = lineare Approximation des Zuwachses = df (x0 ) · ∆x.
Bemerkung 5.1.1.
1) Ist x0 ein Randpunkt von I, dann ist f 0 (x0 ) = f 0 (x0 +) bzw. f 0 (x0 ) =
f 0 (x0 −).
2) Ist x0 kein Randpunkt von I, dann ist f genau dann differenzierbar in
x0 , wenn f 0 (x0 −) = f 0 (x0 +) (Übung).
Satz 5.1.2. Eine Funktion f : I → C ist genau dann differenzierbar im
Punkt x0 ∈ I, wenn eine im Punkt x0 stetige Funktion ϕ : I → C existiert
mit
f (x) − f (x0 ) = (x − x0 ) · ϕ(x) .
Dann ist f 0 (x0 ) = ϕ(x0 ).
Beweis. Nach Korollar 4.4.6 ist die Existenz von limx→x0 (f (x)−f (x0 ))/(x−x0 )
äquivalent zur Existenz einer stetigen Fortsetzung in den Punkt x0 von
f (x) − f (x0 )
.
x − x0
Folgerung: Ist f differenzierbar in x0 , dann ist f stetig in x0 . Alternative
Argumentation:
f (x) − f (x0 ) =
f (x) − f (x0 )
· (x − x0 ) → 0 (x → x0 ) .
| {z }
x − x0
|
{z
→f 0 (x0 )
}
→0
124
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
Satz 5.1.3. Eine Funktion f : I → C ist genau dann differenzierbar im
Punkt x0 ∈ I, wenn Re f und Im f in x0 differenzierbar sind und es gilt
(Re f )0 (x0 ) = Re f 0 (x0 )
(Im f )0 (x0 ) = Im f 0 (x0 ) .
Beweis. Folgt aus Satz 4.4.7: Rechenregeln für Grenzwerte.
Die Ableitung einer Funktion f : I → C ist die Funktion f 0 : I 0 → C,
wobei I 0 := {x ∈ I | f ist differenzierbar in x}. Statt f 0 schreibt man auch
df
, Df oder f˙ (falls x = t = Zeit) .
dx
Wenn I 0 = I, dann heißt f differenzierbar auf I. Wenn f 0 zusätzlich stetig ist,
dann heißt f stetig differenzierbar auf I.
Beispiel 5.1.4.
1) f (x) = xn (n ∈ N) ist differenzierbar auf R mit f 0 (x) = nxn−1 .
Beweis.
!
n
n
f (x + h) = (x + h) = x + nx
n−1
n n−2 2
h+
x h + ...
2
= f (x) + h nxn−1 + . . . = f (x) + hϕ(h) ,
wobei ϕ : R → R stetig ist mit ϕ(0) = nxn−1 .
2) Für α ∈ C gilt
d αx
e = αeαx
dx
und insbesondere
d x
e = ex
dx
d ix
e = ieix .
dx
Beweis.
eα(x+h) − eαx
= eαx
h
eαh − 1
h }
| {z
→α
(h→0)
→ αeαx
(h → 0) .
125
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
3)
d
d
sin x = cos x,
cos x = − sin x ,
dx
dx
denn
d
dx
ix
= ieix = i(cos x + i sin x)
e
|{z}
=cos x+i sin x
= − sin x + i cos x .
5.2
Ableitungsregeln
Satz 5.2.1. Seien f, g : I → C und α ∈ C. Dann gilt für alle x ∈ I, für
welche der Ausdruck auf der rechten Seite definiert ist:
(a) (αf )0 = αf 0
(b) (f + g)0 = f 0 + g 0
(c) (f g)0 = f 0 g + f g 0 (Produktregel)
(d) (f /g)0 = (f 0 g − f g 0 )/g 2 (Quotientenregel)
Beweis.
(a) Übung.
(b) Übung.
(c)
f (x)g(x) − f (x0 )g(x0 )
x − x0
g(x) − g(x0 )
f (x) − f (x0 )
=
g(x0 ) + f (x)
| {z }
x − x0
x − x0
{z
|
}
→f 0 (x0 )g(x0 )
→f (x0 ) |
{z
→g 0 (x0 )
(x → x0 ) .
}
(d) Wir zeigen (1/g)0 = −g 0 /g 2 :
1
g
(x) −
1
g
x − x0
(x0 )
=
g(x0 ) − g(x)
1
−g 0 (x0 )
→
x − x0
g(x)g(x0 )
g(x0 )2
|
{z
→−g 0 (x0 )
}|
{z
→g(x0 )2
}
(x → x0 ) .
126
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
Wir haben benutzt, dass differenzierbar ⇒ stetig, g(x0 ) 6= 0 und somit
g(x) 6= 0 für x nahe x0 , da g stetig in x0 ist.
f
g
!0
!0
!0
1
1
1
= f·
= f0 · + f
g
g
g
0
0
0
0
−g
f
f g − fg
+f 2 =
=
.
g
g
g2
Satz 5.2.2 (Kettenregel). Sei f : I → J und g : J → C mit Intervallen I
und J. Ist f differenzierbar in x0 und g differenzierbar in y0 = f (x0 ), dann
ist g ◦ f differenzierbar in x0 und es gilt
(g ◦ f )0 (x0 ) = g 0 (f (x0 ))f 0 (x0 ) .
Beweis. Nach Voraussetzung gilt
f (x) − f (x0 ) = (x − x0 )ϕf (x)
g(y) − g(y0 ) = (y − y0 )ϕg (y) ,
(5.2.1)
(5.2.2)
wobei ϕf in x0 und ϕg in y0 stetig ist (Satz 5.1.2). Also
(5.2.2)
g(f (x)) − g(f (x0 )) = (f (x) − f (x0 ))ϕg (f (x))
(5.2.1)
= (x − x0 )ϕf (x) · ϕg (f (x)) = (x − x0 )ϕ(x) ,
wobei ϕ(x) := ϕf (x) · ϕg (f (x)) stetig ist in x0 , denn ϕf ist in x0 stetig, f ist
in x0 stetig und ϕg ist in f (x0 ) stetig (Satz 4.2.2, 4.2.1). Es gilt
ϕ(x0 ) = ϕf (x0 ) · ϕg (f (x0 )) = f 0 (x0 ) · g 0 (f (x0 )) .
Beispiel 5.2.3.
d
sin ( |{z}
x3 ) = g 0 (f (x))f 0 (x) = cos(x3 ) · 3x2 .
dx |{z}
3
g
f (x)=x
Satz 5.2.4 (Ableitung der Umkehrfunktion). Sei f : I → R stetig und streng
monoton auf dem Intervall I. Ist f differenzierbar im Punkt x0 und f 0 (x0 ) 6= 0,
dann ist f −1 differenzierbar in y0 = f (x0 ) und
(f −1 )0 (y0 ) =
1
f 0 (x
0)
=
1
f 0 (f −1 (y
0 ))
.
127
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
Beweis. Nach Satz 5.1.2 existiert eine in x0 stetige Funktion ϕ mit f (x) −
f (x0 ) = (x − x0 )ϕ(x). Sei g = f −1 . Dann gilt
y − y0 = f (g(y)) − f (g(y0 ))
= (g(y) − g(y0 )) · ϕ(g(y)) ,
wobei ϕ(g(y)) in y0 stetig ist und
ϕ(g(y0 )) = ϕ(x0 ) = f 0 (x0 ) 6= 0 .
Also ist auch ϕ(g(y)) 6= 0 für y nahe y0 und
g(y) − g(y0 ) = (y − y0 ) ·
1
.
ϕ(g(y))
Da 1/ϕ(g(y)) in y0 stetig ist, folgt mit Satz 5.1.2, dass g in y0 differenzierbar
ist und
g 0 (y0 ) =
1
1
1
=
= 0
.
ϕ(g(y0 ))
ϕ(x0 )
f (x0 )
Bemerkung 5.2.5. Die Formel für (f −1 )0 bekommt man aus der Kettenregel:
f (f −1 (y)) = y impliziert
d
f (f −1 (y)) = 1
dy
|
{z
}
f 0 (f −1 (y))·(f −1 )0 (y)
⇒ (f −1 )0 (y) =
1
f 0 (f −1 (y))
.
Diese Formel kann man sich dadurch vorstellen, dass die Umkehrabbildung
durch Spiegelung an der ersten Winkelhalbierenden entsteht, d. h. statt dy/dx
hat man jetzt dx/dy.
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
Tabelle wichtiger Ableitungen
d α
x = αxα−1 (x > 0, α ∈ R oder x ∈ R, α ∈ N)
dx
d
d x
e = ex , ax = log(a)ax (a > 0)
dx
dx
d
1
log |x| =
dx
x
d
sin x = cos x
dx
d
cos x = − sin x
dx
d
1
tan x =
= 1 + (tan x)2
dx
(cos x)2
d
1
arcsin x = √
(|x| < 1)
dx
1 − x2
1
d
arccos x = − √
(|x| < 1)
dx
1 − x2
1
d
arctan x =
dx
1 + x2
d
d
sinh x = cosh x und
cosh x = sinh x
dx
dx
d
1
tanh x =
= 1 − (tanh x)2
dx
(cosh x)2
1
d
sinh−1 (x) = √
dx
1 + x2
d
1
cosh−1 (x) = √ 2
(|x| > 1)
dx
x −1
d
1
tanh−1 (x) =
(|x| < 1)
dx
1 − x2
Beispiel 5.2.6. Für x > 0:
d
d
1
1
1
log |x| =
log(x) =
=
= .
0
dx
dx
exp (log(x))
exp(log(x))
x
Für x < 0 folgt mit der Kettenregel und der letzten Gleichung:
d
d
1
d
1
log |x| =
log(−x) =
· (−x) = .
dx
dx
(−x) dx
x
128
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
129
Außerdem:
d log(a)·x
d x
a =
e
dx
dx
d
= elog(a)·x (log(a) · x) = ax · log(a)
dx
d α
d (log x)·α
d
x =
e
= e(log x)·α · (log(x) · α)
dx
dx
dx
α−1
α 1
.
= x · · α = αx
x
5.3
Maxima und Minima
Eine Funktion f : D → R, D ⊆ R, hat im x0 ∈ D ein lokales Maximum, falls
ein δ > 0 existiert mit
f (x) ≤ f (x0 ) für alle x ∈ Bδ (x0 ) ∩ D .
f hat in x0 ein globales (oder absolutes) Maximum, falls
f (x) ≤ f (x0 ) für alle x ∈ D .
Lokales und globales Minimum sind analog definiert. Extremum ist der gemeinsame Oberbegriff für Maximum und Minimum.
10
8
6
4
2
0
−2
−2
−1
0
1
• Lokales Maximum bei −2, 0, 2
• Globales Maximum in −2
• Lokales Minimum in −1, 1
2
130
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
• Globales Minimum in 1
Satz 5.3.1. Hat f : (a, b) → R in x0 ein lokales Extremum und ist f
differenzierbar in x0 , dann gilt
f 0 (x0 ) = 0 .
Beweis. Die Funktion f habe in x0 ein lokales Maximum. Dann ist f (x0 +h) ≤
f (x0 ) für |h| klein genug. Also gilt
f (x0 + h) − f (x0 )
≤0
h→0+
h
f (x0 + h) − f (x0 )
f 0 (x0 ) = lim
≥0.
h→0−
h
f 0 (x0 ) = lim
Es folgt f 0 (x0 ) = 0.
Die Nullstellen von f 0 heißen kritische oder stationäre Punkte von f .
Korollar 5.3.2. Sei f : [a, b] → R stetig und in (a, b) differenzierbar und
seien {x1 , . . . , xn } die kritischen Punkte von f in (a, b). Dann gilt
max f (x) = max{f (a), f (b), f (x1 ), . . . , f (xn )} .
x∈[a,b]
Beweis. Da [a, b] kompakt und f stetig ist, existiert ein x0 ∈ [a, b] mit
f (x0 ) ≥ f (x) für alle x ∈ [a, b]. Also x0 ∈ {a, b} oder x0 ist nach Satz 5.3.1
ein kritischer Punkt von f .
Beispiel 5.3.3. f (x) = x log(x) für x > 0 und f (0) = 0. Nach Satz 4.5.3 gilt
limx→0 f (x) = 0 = f (0). Also ist f : [0, ∞) → R stetig. Außerdem
lim f (x) = ∞ ⇒ f (x) ≥ 0 für x > R .
x→∞
Kritische Punkte:
0 = f 0 (x) =
d
1
x log x = log x + x = log x + 1
dx
x
⇒ log(x) = −1
⇒ x = e−1 .
Somit
min f (x) = min f (x)
x≥0
0≤x≤R
Kor. 5.3.2
=
min{f (0), f (R), f (e−1 )}
= f (e−1 ) = e−1 log(e−1 ) = −
1
.
e
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
5.4
131
Mittelwertsatz
Satz 5.4.1 (Satz von Rolle). Sei f : [a, b] → R eine stetige Funktion, welche
in (a, b) differenzierbar ist. Falls f (a) = f (b), dann existiert t ∈ (a, b) mit
f 0 (t) = 0.
1
0.5
0
−0.5
−1
−1
−0.5
0
0.5
1
Beweis. Entweder ist f konstant, dann ist die Aussage trivial. Sonst wird
entweder das globale Maximum oder das globale Minimum an einer Stelle
t ∈ (a, b) angenommen. Also gilt f 0 (t) = 0 nach Satz 5.3.1.
Theorem 5.4.2 (Mittelwertsatz). Sei f : [a, b] → R stetig und in (a, b)
differenzierbar. Dann existiert t ∈ (a, b) mit
f (b) − f (a)
= f 0 (t) .
b−a
Beweis. Satz von Rolle anwenden auf:
g(x) := f (x) −
f (b) − f (a)
·x .
b−a
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
132
Es gilt
g(b) − g(a) = f (b) − f (a) −
f (b) − f (a)
(b − a) = 0 ,
b−a
also existiert ein t ∈ (a, b) mit g 0 (t) = 0.
Bemerkung 5.4.3. Für komplexwertige Funktionen ist die Aussage des
Mittelwertsatzes falsch: Für f : [0, 2π] → C, f (t) = eit gilt f (0) = 1 = f (2π),
aber f 0 (t) = ieit 6= 0 für alle t ∈ (0, 2π).
Korollar 5.4.4. Sei f : (a, b) → R differenzierbar. Dann gilt
(a) f 0 = 0 auf (a, b) ⇔ f ist konstant.
(b) f 0 ≥ 0 auf (a, b) ⇔ f ist monoton wachsend.
(c) f 0 > 0 auf (a, b) ⇒ f ist streng monoton wachsend.
Beweis. Wir beweisen (b): Ist f monoton wachsend, dann ist
f (x + h) − f (x)
≥0.
h→0
h
Ist f nicht monoton wachsend, dann ex. x < y mit
f 0 (x) = lim
0>
f (y) − f (x)
= f 0 (t)
y−x
nach dem Mittelwertsatz, wobei t ∈ (x, y).
Korollar 5.4.5. Sei f : R → C differenzierbar, α ∈ C und f 0 = αf . Dann
gilt
f (x) = f (0)eαx .
Beweis.
d f (x)e−αx = f 0 (x)e−αx + f (x)(−αe−αx )
dx
= e−αx (f 0 (x) − αf (x)) = 0 .
Mit Korollar 5.4.4 folgt f (x)e−αx = f (0)e−α·0 = f (0), also f (x) = f (0)eαx .
Satz 5.4.6. Sei f : [a, b] → C stetig und in (a, b) differenzierbar. Dann
existiert ein t ∈ (a, b) mit
|f (b) − f (a)| ≤ |f 0 (t)|(b − a) .
Wenn f auf [a, b] stetig differenzierbar ist, dann ist f Lipschitzstetig.
(∗)
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
133
Beweis. Ist f 0 stetig auf [a, b], dann ist
L := sup |f 0 (t)| < ∞ .
t∈[a,b]
Also folgt aus (∗), dass |f (y) − f (x)| ≤ L|y − x|. Es bleibt noch (∗) zu
beweisen.
Sei ϕ ∈ R so gewählt, dass
|f (b) − f (a)| = eiϕ (f (b) − f (a)) .
Sei
g(x) := Re(eiϕ f (x)) .
Dann erfüllt g die Voraussetzung des Mittelwertsatzes und
g 0 = Re(eiϕ f 0 ) ≤ |eiϕ f 0 | = |f 0 | .
Also existiert ein t ∈ (a, b) mit
|f (b) − f (a)| = Re(eiϕ (f (b) − f (a)))
= g(b) − g(a)
= g 0 (t)(b − a) ≤ |f 0 (t)|(b − a) .
Satz 5.4.7 (Verallgemeinerter Mittelwertsatz). Seien f, g : [a, b] → R stetig
und in (a, b) differenzierbar. Dann existiert ein t ∈ (a, b) mit
(f (b) − f (a))g 0 (t) = (g(b) − g(a))f 0 (t) .
Beweis. Wende den Satz von Rolle an auf die Funktion
h(x) = (f (b) − f (a))g(x) − (g(b) − g(a))f (x) .
Bemerkung 5.4.8. Für g(x) = x erhält man aus dem verallgemeinerten
Mittelwertsatz wieder den Mittelwertsatz.
Bemerkung 5.4.9. Ist im verallgemeinerten Mittelwertsatz g(b) − g(a) 6= 0
und g 0 (t) 6= 0 für t ∈ (a, b), dann folgt
f (b) − f (a)
f 0 (t)
= 0
.
g(b) − g(a)
g (t)
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
134
Unter der Annahme f (b) = g(b) = 0 folgt
f 0 (t)
f (a)
= 0
g(a)
g (t)
und ebenso
f (x)
f 0 (tx )
= 0
g(x)
g (tx )
für x ∈ (a, b) und tx ∈ (x, b). Also
f 0 (x)
f (x)
= lim 0
.
x→b− g (x)
x→b− g(x)
lim
Theorem 5.4.10 (de l’Hôpital). Seien f, g : (a, b) → R differenzierbar,
b ≤ ∞ und g(x) 6= 0, g 0 (x) 6= 0 für alle x ∈ (a, b). Falls entweder
lim f (x) = 0 = lim g(x)
x→b−
x→b−
oder limx→b− g(x) = ∞, dann gilt
f 0 (x)
f (x)
= lim 0
,
x→b− g (x)
x→b− g(x)
lim
sofern der zweite Grenzwert existiert.
Beweis. Sei λ := limx→b− f 0 (x)/g 0 (x) und sei ε > 0. Dann existiert x0 ∈ (a, b),
sodass
f 0 (t)
x0 < t < b ⇒ 0
∈ Bε/2 (λ) .
(5.4.1)
g (t)
Sei nun x0 ≤ x < y < b. Nach Satz 5.4.7 gibt es ein t ∈ (x, y) mit
f (y) − f (x)
f 0 (t)
= 0
,
g(y) − g(x)
g (t)
(5.4.2)
wobei g(y) − g(x) 6= 0, denn sonst hätte g 0 nach dem Satz von Rolle eine
Nullstelle in (a, b). Nach (5.4.1) und (5.4.2) gilt
x0 ≤ x < y < b ⇒
f (y) − f (x)
∈ Bε/2 (λ) .
g(y) − g(x)
(5.4.3)
• Fall 1: limy→b− f (y) = 0 = limy→b− g(y). Aus (5.4.3) folgt im Limes
y → b−, dass
f (x)
∈ Bε (λ) .
g(x)
Das beweist das Theorem im Fall 1.
135
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
• Fall 2: limy→b− g(y) = ∞. Nach (5.4.3) mit x = x0 gilt
f (y) − f (x )
0
g(y) − g(x0 )
− λ
<
ε
.
2
Dividiere Zähler und Nenner durch g(y) und multipliziere beide Seiten
der Ungleichung mit |1 − g(x0 )/g(y)|. Wir bekommen
f (y)
g(y)
f (x0 )
g(x0 )
−
−λ 1−
g(x0 )
g(y)
!
ε g(x0 ) < 1 −
.
2
g(y) Mit Hilfe der Dreiecksungleichung folgt daraus
f (y)
g(y)
− λ
ε
g(x0 ) f (x0 ) g(x0 ) < 1 −
+
+ λ
.
2
g(y) g(y) g(y) Da g(y) → ∞ für y → b− gibt es ein y0 < b, sodass für alle y ∈ (y0 , b):
f (y)
g(y)
− λ
<ε.
Das beweist die Aussage im Fall 2.
Beispiel 5.4.11.
tan(x) − x
tan0 (x) − 1
=
lim
x→0−
x→0−
x3
3x2 !
2
1
tan(x)
= lim
3 x→0−
x
0
tan x
tan (x)
lim
= lim
= lim (1 + tan2 (x)) = 1 + tan2 (0) = 1
x→0−
x→0−
x→0−
x
1
lim
mit tan0 = 1 + tan2 . Also
lim
x→0−
5.5
tan(x) − x
1
=
3
x
3
Unstetigkeiten der Ableitung sind zweiter Art
Satz 5.5.1. Sei f : [a, b] → R differenzierbar und f 0 (a) < λ < f 0 (b) (oder
f 0 (a) > λ > f 0 (b)). Dann existiert ein t ∈ (a, b) mit
f 0 (t) = λ .
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
136
Beweis. Sei f 0 (a) < λ < f 0 (b) und g(x) = f (x) − λx. Dann gilt g 0 (a) < 0 <
g 0 (b). Also nimmt die stetige Funktion g ihr Minimum weder in a noch in b
an. Also existiert t ∈ (a, b) mit g(t) ≤ g(x) für alle x ∈ [a, b]. Nach Satz 5.3.1
ist g 0 (t) = 0 und f 0 (t) = λ.
Korollar 5.5.2. Die Ableitung f 0 einer differenzierbaren Funktion f : [a, b] →
R hat keine Unstetigkeiten erster Art.
Beweis. Dieses Bild für den Graphen der Ableitung einer differenzierbaren
Funktion steht im Widerspruch zu Satz 5.5.1. Das beweist Korollar 2.
1
0.5
0
−0.5
−1
−1
5.6
−0.5
0
0.5
1
Ableitungen höherer Ordnung
Eine Funktion f : I → C heißt n mal differenzierbar auf I mit n-ter Ableitung
f (n) , wenn f (n−1) auf I differenzierbar ist und
f (n) :=
d n−1
f (x) .
dx
f (0) = f heißt n mal stetig differenzierbar, falls f (n) zusätzlich stetig ist.
Null mal stetig differenzierbar ⇔ stetig. Notationen für f (n) :
dn f
d
,
n
dx
dx
!n
f, ∂ n f .
Folgende Bezeichnungen sind üblich: C 0 (I) = C(I) = Menge der stetigen
Funktionen auf I. C n (I) = Menge der n mal stetig differenzierbaren Funktionen auf I. Außerdem bezeichnet man mit
C ∞ (I) =
\
n∈N
C n (I)
137
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
die Menge der beliebig oft differenzierbaren Funktionen auf I. Statt f ∈ C n (I)
sagt man auch „f sei von der Klasse C n “.
Satz 5.6.1. Sind f, g : I → C n mal (stetig) differenzierbar und α, β ∈ C,
dann ist auch αf + βg n mal (stetig) differenzierbar und
(αf + βg)(n) = αf (n) + βg (n) .
Beweis. Induktion in n ≥ 0. Für n = 0 folgt die Behauptung aus Satz 4.2.1.
Induktionsannahme: Die Behauptung sei richtig für ein n ≥ 0.
Induktionsschritt: Seien f, g (n + 1) mal (stetig) differenzierbar. Dann
sind f, g n mal (stetig) differenzierbar und
(αf + βg)(n) = αf (n) + βg (n) .
Die rechte Seite davon ist (stetig) differenzierbar (Satz 5.2.1 und Satz 4.2.1),
also auch die linke Seite und es gilt
(αf + βg)(n+1) =
d
(αf (n) + βg (n) ) = αf (n+1) + βg (n+1) .
dx
Satz 5.6.2 (Leibnizsche Regel). Sind f, g : I → C n mal (stetig) differenzierbar, dann ist auch (f g) n mal (stetig) differenzierbar und
(n)
(f g)
=
n
X
k=0
!
n (k) (n−k)
f g
.
k
Beweis. Für n = 0 folgt die Behauptung aus Satz 4.2.1. Induktionsschritt:
Übung (Blatt 14).
Hinweis:
(f g)0 = f 0 g + f g 0
(f g)00 = (f 0 g + f g 0 )0 = f 00 g + f 0 g 0 + f 0 g 0 + f g 00 = f 00 + 2f 0 g 0 + f g 00 .
Satz 5.6.3. Sind f : I → R und g : f (I) → C n mal (stetig) differenzierbar,
dann ist auch g ◦ f n mal (stetig) differenzierbar.
Beweis. Für n = 0 folgt die Behauptung aus Satz 4.2.2. Die Behauptung sei
richtig für ein n ≥ 0 und f, g seien (n + 1) mal (stetig) differenzierbar. Dann
sind f, g 1 mal stetig differenzierbar und
(g ◦ f )0 = (g 0 ◦ f ) · f 0
(Kettenregel) ,
wobei g 0 , f, f 0 noch n mal stetig differenzierbar sind. Nach Induktionsannahme
und Satz 5.6.2 ist die rechte Seite n mal (stetig) differenzierbar, also auch die
linke Seite. D. h. (g ◦ f ) ist (n + 1) mal (stetig) differenzierbar.
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
138
2
Beispiel 5.6.4. x 7→ e−x , x 7→ sin(cos x) sind beliebig oft stetig differenzierbar.
Satz 5.6.5. Ist f : I → R n ≥ 1 mal (stetig) differenzierbar und f 0 (x) 6= 0
für alle x ∈ I, dann ist auch f −1 : f (I) → R n mal (stetig) differenzierbar.
Beweis. Sei g = f −1 und h(x) = 1/x. Nach Satz 5.2.4 gilt
1
g0 = 0
= h ◦ f0 ◦ g .
f ◦g
(∗)
Ist f 0 stetig, dann ist die rechte Seite, also auch die linke Seite stetig (Satz
4.2.2). Damit ist die Behauputung für n = 1 bewiesen. Sie sei nun richtig für
n ≥ 1 und f sei (n + 1) mal (stetig) differenzierbar. Dann sind f 0 und g n mal
(stetig) differenzierbar. Somit ist auch h ◦ f 0 ◦ g n mal (stetig) differenzierbar
(Satz 5.6.3). Aus (∗) folgt nun, dass g 0 n mal stetig differenzierbar ist. Also
ist g (n + 1) mal (stetig) differenzierbar.
5.7
Die Taylorsche Formel
Sei f : I → R und a ∈ I, dann gilt
f (x) ≈ f (a) + f 0 (a)(x − a)
im Sinn einer Approximation für x nahe bei a, wobei der Fehler klein ist im
Vergleich zu |x − a|. Ist f n mal differenzierbar, dann kann man versuchen,
diese Approximation zu verbessern durch ein Polynom der Form Tn (x) =
a0 + a1 (x − a) + a2 (x − a)2 + . . . + an (x − a)n mit a0 , a1 , . . . , an ∈ R. Man
kann a0 , . . . , an bestimmen aus der Forderung
f (k) (a) = Tn(k) (a),
k ∈ {0, . . . , n} .
Man bekommt a0 = f (a), a1 = f 0 (a), . . . , an = f (n) (a)/n!. D. h.
Tn (x) =
n
X
f (k) (a)
(x − a)k
k!
k=0
f 00 (a)
f (n)
(x − a)2 + . . . +
(x − a)n .
2
n!
Theorem 5.7.1 (Taylorsche Formel). Die reellwertige Funktion f sei (n − 1)
mal stetig differenzierbar auf [a, b] und n mal differenzierbar auf (a, b). Dann
gibt es zu jedem x ∈ [a, b] ein tx ∈ (a, x) mit
= f (a) + f 0 (a)(x − a) +
f (x) =
n−1
X
f (n) (tx )
f (k) (a)
(x − a)k +
(x − a)n .
k!
n!
k=0
Falls zusätzlich f (n) (a) existiert, dann f (n) (tx ) → f (n) (a) für x → a.
139
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
Beweis. Es genügt, die Aussage für x = b zu beweisen. Wir definieren
g(t) := f (t) − Tn−1 (t) − M (t − a)n ,
wobei wir M ∈ R so wählen, dass g(b) = 0. Nach Konstruktion von Tn−1 gilt
g(a) = g 0 (a) = . . . = g (n−1) (a) = 0 .
Mit dem Satz von Rolle findet man rekursiv t1 ∈ (a, b) mit g 0 (t1 ) = 0,
t2 ∈ (a, t1 ) mit g 00 (t2 ) = 0, t3 ∈ (a, t2 ) mit g 000 (t3 ) = 0, . . . , tn ∈ (a, tn−1 ) mit
g (n) (tn ) = 0. Also
0 = g (n) (tn ) = f (n) (tn ) − M · n!
und somit M = f (n) (tn )/n!.
Beweis des Zusatzes: Nun sei g(x) := f (x) − Tn (x). Dann folgt aus der
Taylorformel einerseits
g(x) = f (n) (tx ) − f (n) (a)
(x − a)n
n!
(5.7.1)
und andererseits
g(x) = g (n−1) (sx )
(x − a)n−1
.
(n − 1)!
(5.7.2)
Da g (n−1) in a differenzierbar ist, gilt
g (n−1) (s) = g (n−1) (a) +ϕ(s)(s − a) = ϕ(s)(s − a) ,
|
{z
0
}
wobei ϕ(s) → ϕ(a) = g (n) (a) = 0. Also
g (n−1) (sx ) = ϕ(sx )(sx − a)
und ϕ(sx ) → 0 für x → a. Aus (5.7.1), (5.7.2) und (5.7.3) folgt
(n)
f (tx ) − f (n) (a)
=
=
n! g(x)
(x − a)n n
(n−1)
g
(sx )
|x − a|
|sx − a|
= n|ϕ(sx )|
→ 0 (x → a) .
|x − a|
Bemerkung 5.7.2.
(5.7.3)
140
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
1) f (n) (tx )(x − a)n /n! heißt Lagrangesches Restglied.
2) Für n = 1 reduziert sich die Aussage auf den Mittelwertsatz.
3) Die Taylorsche Formel gilt auch für b ≤ x ≤ a.
Satz 5.7.3. Für alle n ∈ N, x ∈ R gilt
(a)
n
2k+1 X
x
sin x −
(−1)k
(2k + 1)! k=0
≤
|x|2n+3
(2n + 3)!
(b)
n
2k X
x
cos x −
(−1)k
(2k)! k=0
≤
|x|2n+2
(2n + 2)!
Beweis.
(a) Sei f (x) = sin x. Dann gilt
f (2n) (x) = (−1)n sin(x), f (2n+1) (x) = (−1)n cos x .
und daher f (2n) (0) = 0, f (2n+1) (0) = (−1)n und |f (k) (x)| ≤ 1. Die
Behauptung folgt nun aus Theorem 5.7.1 mit 2n + 3 an Stelle von n.
(b) beweist man analog.
Satz 5.7.4. Die Funktion f : Bε (a) → R sei n ≥ 2 mal differenzierbar und
f (n) (a) sei die erste nichtverschwindende Ableitung im kritischen Punkt a:
f 0 (a) = . . . = f (n−1) (a) = 0 , f (n) (a) 6= 0 .
Ist n gerade, dann hat f in a ein lokales Minimum oder ein lokales Maximum,
je nachdem ob f (n) (a) > 0 oder f (n) (a) < 0. Ist n ungerade, dann hat f in a
einen Wendepunkt, aber kein lokales Extremum.
Illustration: f (x) = ax2 , f 0 (0) = 0, f 00 (0) = 2a.
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
1
141
f 00 (0) > 0
f 00 (0) < 0
0.5
−1
−0.5
0.5
1
−0.5
−1
Beweis. Nach Theorem 5.7.1 gilt
f (x) = f (a) +
f (n) (tx )
(x − a)n ,
n!
wobei f (n) (tx ) → f (n) (a) (x → a). Also hat f (n) (tx ) das selbe Vorzeichen
wie f (n) (a) für x ∈ Bδ (a), δ klein genug. Ist n gerade, dann ist (x − a)n > 0
für x 6= a und somit für x ∈ Bδ (a):
f (n) (tx )
(x − a)n > 0, wenn f (n) (a) > 0
n!
und
f (n) (tx )
(x − a)n < 0, wenn f (n) (a) < 0 .
n!
Ist n ungerade, dann wechselt (x − a)n in x = a das Vorzeichen. Also wechselt
auch f (x) − f (a) = f (n) (tx )(x − a)n /n! in x = a das Vorzeichen. Also hat f
in a kein lokales Extremum. Nach Theorem 5.6.1 angewandt auf g = f 00 gilt
f 00 (x) =
f (n) (tx )
(x − a)n−2 ,
(n − 2)!
wobei f (n) (tx ) in x = a das Vorzeichen nicht wechselt, (x − a)n−2 aber schon.
D. h. f 00 (x) wechselt in x = a das Vorzeichen und somit hat f in a einen
Wendepunkt.
5.7.1
Landausche O-Symbole
Sei f : D → C, D ⊆ R und β ∈ R. Dann bedeutet
f (x) = o |x − a|β
(x → a) ,
(„klein Oh“)
142
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
dass
f (x)
=0
x→a |x − a|β
lim
und
f (x) = O |x − a|β
(x → a)
(„groß Oh“)
bedeutet, dass |f (x)| ≤ C|x − a|β für x nahe bei a.
Beispiel 5.7.5. f : I → C ist genau dann differenzierbar in a ∈ I, wenn
λ ∈ C existiert mit
f (x) = f (a) + λ(x − a) + o(|x − a|) (x → a) .
Korollar 5.7.6. Sei a ∈ I und die Funktion f : I → C sei:
(a) n mal differenzierbar, dann gilt
f (x) =
n
X
f (k) (a)
(x − a)k + o (|x − a|n )
k!
k=0
(x → a) ,
(b) (n + 1) mal differenzierbar, dann gilt
n
X
f (k) (a)
f (x) =
(x − a)k + O |x − a|n+1
k!
k=0
(x → a) .
Beweis. Im Fall (a) ist
f (x) −
n
X
f (k) (a)
1 (n)
(x − a)k =
f (tx ) − f (n) (a) (x − a)n
k!
n!
k=0
= o (|x − a|n ) (x → a)
nach Theorem 5.7.1 (Zusatz) und
f (x) −
n
X
1
f (k) (a)
(x − a)k =
f (n+1) (tx )(x − a)(n+1)
k!
(n
+
1)!
k=0
= O |x − a|n+1
(x → a) ,
denn f (n) (tx ) − f (n) (a) → 0 (x → a) bzw. f (n+1) (tx ) → f (n+1) (a) für x →
a.
143
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
√
Beispiel 5.7.7. 1 + x = 1 + 1/2 · x + O (x2 ) für x → 0. Ist f : I → C
beliebig oft differenzierbar und a ∈ I, dann heißt
∞
X
f (n) (a)
(x − a)n
n!
n=0
(*)
Taylorreihe von f um a.
Fragen: Für welche x konvergiert diese Reihe? Konvergiert sie gegen
f (x)? Auch wenn (∗) konvergent ist, dann braucht die Summe nicht mit f (x)
übereinzustimmen.
Beispiel 5.7.8.
f (x) :=

e−1/x
0
,x > 0
,x ≤ 0
ist in C ∞ , wobei f (n) (0) = 0 und somit
∞
X
f (n) (0) n
x = 0 6= f (x)
n!
n=0
für x > 0.
Wichtige Taylor-Reihen
(a)
∞
X
xn
e =
n=0 n!
x
(b)
∞
X
sin x =
(−1)n
n=0
x2n+1
(2n + 1)!
(c)
cos x =
∞
X
(−1)n
n=0
x2n
(2n)!
(d)
∞
X
1
=
xn
1 − x n=0
(|x| < 1)
(e)
log(1 + x) =
∞
X
(−1)n−1
n=1
xn
n
(−1 < x ≤ 1)
144
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
5.8
Konvexe Funktionen
(Dieser Abschnitt ist nicht prüfungsrelevant für Analysis I.)
Sei I ⊆ R ein beliebiges Intervall. Eine Funktion f : I → R heißt konvex,
wenn für alle x, y ∈ I und alle λ ∈ (0, 1) gilt
f ((1 − λ)x + λy) ≤ (1 − λ)f (x) + λf (y) .
Die Funktion f heißt strikt konvex, wenn „<“ gilt. f heißt (strikt) konkav,
wenn −f (strikt) konvex ist.
Lemma 5.8.1. Wenn die Funktion f : I → R (strikt) konvex ist, dann ist
der Differenzenquotient
m(x, y) :=
f (y) − f (x)
y−x
(x < y)
sowohl als Funktion von x wie auch als Funktion von y (streng) monoton
wachsend. Wenn m(x, t) ≤ m(t, y) für x < t < y, dann ist f konvex bzw.
strikt konvex wenn „<“ gilt.
Beweis. Wir betrachten nur den Fall, wo f strikt konvex ist. Seien x < t < y
drei Elemente von I und sei λ := (t − x)/(y − x) ∈ (0, 1). Dann ist t =
(1 − λ)x + λy und somit wegen der strikten Konvexität von f
f (t) < (1 − λ)f (x) + λf (y) .
Daraus folgt
f (t) − f (x) < λ(f (y) − f (x)) ,
f (y) − f (t) > (1 − λ)(f (y) − f (x)) .
Nach Division durch λ bzw. (1 − λ) erhalten wir m(x, t) < m(x, y) < m(t, y),
was die behauptete strenge Monotonie von m beweist.
Sei m(x, t) < m(t, y) für alle t ∈ (x, y). Zu gegebenem λ ∈ (0, 1) wählen
wir t := (1 − λ)x + λy und lösen
f (t) − f (x)
f (y) − f (t)
<
t−x
y−t
nach f (t) auf: Nach Multiplikation mit (t − x)(y − t)/(y − x) bekommen wir
f (t) < (1 − λ)f (x) + λf (y) .
Nach Definition von t ist somit f strikt konvex.
145
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
Theorem 5.8.2. Sei I ⊆ R ein offenes Intervall und f : I → R konvex.
Dann gilt
(a) f ist stetig.
(b) In jedem Punkt x0 ∈ I existieren die einseitigen Ableitungen f 0 (x0 ±)
und es gilt
f 0 (x0 −) ≤ f 0 (x0 +) .
(c) Für jede Zahl m mit f 0 (x0 −) ≤ m ≤ f 0 (x0 +) gilt
f (x) ≥ f (x0 ) + m(x − x0 )
für alle x ∈ I.
Beweis. Sei x0 ∈ I. Aus Lemma 5.8.1 folgt für x, y ∈ I mit x < x0 < y, dass
m(x, x0 ) ≤ m(x, y) ≤ m(x0 , y), und somit dass
m(x, x0 ) ≤ m(x0 , y) .
(5.8.1)
Weiter folgt aus der Monotonie von m und Lemma 4.4.19 die Existenz der
einseitigen Ableitungen f 0 (x0 ±), und wegen (5.8.1) gilt
f 0 (x0 −) ≤ f 0 (x0 +) ,
wobei beide Werte endlich sind. Also ist auch f beidseitig stetig, denn
lim (f (x) − f (x0 )) = lim
x→x0 ±
x→x0 ±
f (x) − f (x0 )
(x − x0 ) = f 0 (x0 ±) · 0 = 0 .
x − x0
Zu (c): Sei nun f 0 (x0 −) ≤ m ≤ f 0 (x0 +). Dann folgt aus der Monotonie
von m, dass
m(x, x0 ) ≤ m ≤ m(x0 , y)
für alle x, y ∈ I mit x < x0 < y. Durch Auflösen dieser Ungleichungen nach
f (x) und f (y) erhält man
f (x) ≥ f (x0 ) + m(x − x0 )
und
f (y) ≥ f (x0 ) + m(y − x0 ) .
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
146
I differenzierbar. Dann sind äquivaSatz 5.8.3. Sei f : I → R stetig und in ˚
lent:
(a) f ist (strikt) konvex.
(b) f 0 ist (streng) monoton wachsend.
Beweis. Ist f strikt konvex und x, y ∈ ˚
I mit x < y, dann ist m nach Lemma
5.8.1 streng monoton und somit
f 0 (x) = f 0 (x+) < m(x, y) < f 0 (y−) = f 0 (y) .
D. h. f 0 ist streng monoton wachsend.
Sei nun umgekehrt f 0 streng monoton wachsend und sei x < t < y. Nach
dem Mittelwertsatz existieren τ1 ∈ (x, t) und τ2 ∈ (t, y), sodass
m(x, t) = f 0 (τ1 ),
m(t, y) = f 0 (τ2 ) .
Wegen τ1 < τ2 ist f 0 (τ1 ) < f 0 (τ2 ) und somit m(x, t) < m(t, y). Die strikte
Konvexität folgt nun aus Lemma 5.8.1.
Korollar 5.8.4. Sei f : I → R stetig und in ˚
I zwei mal differenzierbar. Dann
gilt:
(a) f 00 ≥ 0 ⇔ f ist konvex.
(b) f 00 > 0 ⇒ f ist strikt konvex.
Beweis. Kombiniere Satz 5.8.3 mit Korollar 5.4.4.
Satz 5.8.5. Für alle x > −1 gilt
(1 + x)α ≥ 1 + αx
(1 + x)α ≤ 1 + αx
, falls α < 0 oder α > 1.
, falls 0 < α < 1.
Beweis. Setze f (x) = (1 + x)α . Dann ist f 0 (x) = α(1 + x)α−1 , f 00 (x) =
α(α − 1)(1 + x)α−2 und
f (0) + f 0 (0)x = 1 + αx .
Die Voraussetzungen an α garantieren, dass f 00 > 0 bzw. f 00 < 0. Also folgt
die Behauptung aus Korollar 5.8.4 und Theorem 5.8.2 (c).
Theorem 5.8.6 (Jensensche Ungleichung). Sei f : I → R konvex und
P
p1 , . . . , pn ∈ (0, 1) mit nk=1 pk = 1. Dann gilt für alle x1 , . . . , xn ∈ I
f
n
X
k=1
!
p k xk ≤
n
X
k=1
pk f (xk ) .
147
KAPITEL 5. DIFFERENTIALRECHNUNG
Beweis. Per Induktion in n. Für n = 2 folgt die Behauptung direkt aus der
Definition der Konvexität.
Satz 5.8.7. Sind p1 , . . . , pn ∈ (0, 1) mit
n
Y
xpkk ≤
k=1
Pn
n
X
k=1
pk = 1, dann gilt
p k xk
k=1
für x1 , . . . , xn > 0. Insbesondere gilt für n ∈ N
√
x1 + . . . + xn
n
.
x1 · . . . · xn ≤
n
Beweis. Sei uk = log xk . Aus der Jensenschen Ungleichung und der Konvexität
der Exponentialfunktion folgt
n
Y
k=1
xpkk
=
n
Y
k=1
e
uk pk
= exp
n
X
k=1
!
u k pk ≤
n
X
k=1
pk exp(uk ) =
n
X
k=1
p k xk .
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