Prof. Dr. Frank Stehling 4.4 AVWL 3 – SS 08 - 4. Komparative Statik 50 Nachfrageänderungen durch Preisänderung: Die Slutsky-Gleichung Wie schon in der ersten Abb. von Abschnitt 4.1 grafisch veranschaulicht wurde, führt die (isolierte) Erhöhung (Senkung) des Preises p1 des Gutes 1 zu einer Verschiebung der nutzenoptimalen Nachfrage nach Gut 1 von x1* = A zu x1*’: x2 B/p2 x*’ x* x1*’ x1* B/p1’ B/p1 x1 Dieser Gesamt-Preiseffekt von x1* zu x1*’, der die Größe x1*’ – x1* hat, kann gedanklich zerlegt werden in zwei Effekte: 1. Substitutionseffekt: Die Preiserhöhung (Preissenkung) von p1 bewirkt eine Veränderung der Preisverhältnisse p1/p2 , also eine Veränderung der relativen Preise: Bei einer Erhöhung von p1 wird das Gut 1 gegenüber dem Gut 2 relativ teurer, bei einer Senkung wird Gut 1 gegenüber Gut 2 relativ billiger. Auch wenn der Haushalt die mit der Preiserhöhung einhergehende Absenkung seines Realeinkommens durch eine Anhebung seines Budgets ausgeglichen bekäme, würde er wegen der Erhöhung des relativen Preises von Gut 1 gegenüber Gut 2 vom Gut 1 weniger nachfragen; d.h. es ergibt sich ein Substitutionseffekt durch die Änderung der relativen Preise. Dieser Substitutionseffekt stellt sich grafisch so dar: x2 B/p2 C B = x*’ x1*’x1C* Substitutionseffekt x* = A x1* B/p1’ B/p1 x1 Prof. Dr. Frank Stehling AVWL 3 – SS 08 - 4. Komparative Statik 51 Das Nutzenoptimum bei Ausgleich der Realeinkommenseinbuße und mit dem neuen relativen Preis p1’/p2 liegt im Punkt C; es ist also gegeben durch das Optimum, das der Haushalt bei diesem neuen Preisverhältnis auf der alten Isonutzenlinie erreichen kann. Der Substitutionseffekt ist also gegeben durch die Differenz x1C* - x1* < 0 (Substitutionseffekt) 2. Einkommenseffekt: Die Preiserhöhung (Preissenkung) bewirkt eine Veränderung der Konsummöglichkeiten durch die Veränderung des Realeinkommens: Eine Preiserhöhung von p1 bewirkt (bei konstantem Budget B und konstantem Preis p2) eine Einschränkung der Konsummöglichkeiten, eine Preissenkung eine Erweiterung der Konsummöglichkeiten. Dieser (reine) Einkommenseffekt entspricht grafisch der Bewegung von C zu D in der obigen Abbildung: x2 B/p2 C Substitutionseffekt D = x*’ x* = A x1*’x1C* x1* B/p1’ B/p1 x1 Einkommenseffekt Bei Konstanthalten des (neuen) relativen Preises wird das Budget (gedanklich) wieder auf das Niveau B abgesenkt, so dass der Optimalpunkt x*’ = D erreicht wird. Die Höhe des (reinen) Einkommenseffekts (bezogen auf Gut 1) ist damit die Differenz x1*’ - x1C* (Einkommenseffekt) Er ist in diesem Fall negativ. Der Gesamteffekt der Preisveränderung von Gut 1 lässt sich damit aufsplitten in die Summe von Substitutions- und Einkommenseffekt: Gesamteffekt = x1*’ – x1* = (x1C* - x1*) = Substitutionseffekt + (x1*’ - x1C*) = + Einkommenseffekt Prof. Dr. Frank Stehling AVWL 3 – SS 08 - 4. Komparative Statik 52 Grafisch: x2 B/p2 C Substitutionseffekt D = x*’ x* = A x1*’x1C* Einkommenseffekt x1* B/p1’ B/p1 x1 Gesamteffekt Die sogenannten Slutsky-Gleichungen drücken diesen Sachverhalt analytisch aus (sie sind nach E. Slutsky (russ. Mathematiker, Statistiker und Ökonom; 1880 - 1948) benannt, der diesen Sachverhalt als erster systematisch untersucht und diese Gleichungen abgeleitet hat. Zu ihrer Ableitung (hier nur für den Fall zweier Güter) erinnern wir uns (s. 3. Kap.), dass die (Marshallschen) Nachfragefunktionen die Abhängigkeit der Nachfrage nach Gut i im Haushaltsoptimum von den Preisen p1 und p2 sowie dem Budget B angeben. Für das Gut 1 ist also: x1* = n1(p1,p2,B) Dabei ist also x1* Optimierungsproblems (zusammen mit dem entsprechenden u(x1,x2) → max. unter der Nebenbedingung p1x1 + p2x2 = B x2*) Lösung des (P1) wobei wir wie früher voraussetzen wollen, dass die Nutzenfunktion u streng monoton wachsend und streng konkav ist. Die Optimalwerte x1* und x2* von (P1) sind dann eindeutig bestimmt. Im Unterschied dazu gibt die kompensierte (also Hickssche) Nachfragefunktion nach Gut 1 die Abhängigkeit der Nachfrage nach Gut 1, die bei minimaler Gesamtausgabe das Nutzenniveau u sichert, von eben diesem Nutzenniveau u und den geltenden Preisen p1 und p2 an: x1** = n1komp (p1, p2, u ), Prof. Dr. Frank Stehling AVWL 3 – SS 08 - 4. Komparative Statik wobei also x1** (zusammen Optimierungsproblems mit dem entsprechenden 53 x2**) Lösung p1x1 + p2x2 → min. unter der Nebenbedingung u(x1,x2) = u des (P2) ist. Wählt man nun als u in (P2) das Nutzenoptimum u* von (P1), so muss die kompensierte Nachfrage x1** gerade gleich der nutzenmaximalen Nachfragemenge x1* aus (P1) sein, d.h. es ist x1* = n1(p1,p2,B) = x1** = n1komp(p1,p2,u*) (4.13) Angenommen nämlich, es wäre x1* ≠ x1**, so wäre das Nutzenniveau u* beim Preissystem p1, p2 erreichbar mit der minimalen Ausgabe Bmin . Für diese müsste dann definitionsgemäß gelten: B ≥ Bmin = p1x1** + p2x2** , denn auch mit dem Budget B wird das Nutzenniveau u* beim Preissystem p1, p2 erreicht (und zwar mit x1* und x2*). Wäre nun sogar B > Bmin , so bedeutete dies, dass u* auch mit einem geringeren Budget als B erreichbar wäre (nämlich mit Bmin). Das kann aber nicht sein, weil die Nutzenfunktion u als streng monoton wachsend vorausgesetzt wurde und u* ja gerade der mit B maximal erreichbare Nutzen (bei den Preisen p1 und p2) ist. Also muss B = Bmin sein. Dann muss aber auch x1* = x1** (und x2* = x2**) sein, denn x1* und x2* sind (wegen der strengen Konkavität der Nutzenfunktion u) die eindeutigen Lösungen von (P1). Also gilt tatsächlich (4.13). Setzt man in (4.13) nun B = p1x1* + p2x2* ein, so erhält man die Gleichung n1(p1,p2, p1x1* + p2x2*) = n1komp(p1,p2, u*) Differenziert man diese Gleichung partiell nach p1, so liefert dies mit der Kettenregel ∂n1 (p1 , p 2 , B) ∂n1 (p1 , p 2 , B) ∂n komp (p1 , p 2 , u*) + ⋅ x1* = 1 ∂p1 ∂B ∂p1 oder (4.14) Prof. Dr. Frank Stehling AVWL 3 – SS 08 - 4. Komparative Statik ∂n1 (p1 , p 2 , B) ∂n1komp (p1 , p 2 , u*) ∂n1 (p1 , p 2 , B) = − ⋅ x1 * ∂p1 ∂p1 ∂B 54 (4.15) Diese Slutsky-Gleichung (4.15) besagt: Die Änderung der Nachfrage nach Gut 1 durch eine Preisänderung dieses Gutes setzt sich zusammen aus der Änderung der Nachfrage nach diesem Gut auf Veränderung nur von dessen Preis hin bei konstant gehaltenem Nutzenniveau u* (d.i. also der Substitutionseffekt) und der Nachfrageänderung durch die Realeinkommensveränderung (Einkommenseffekt). Beispiel: Für die Cobb-Douglas-Nutzenfunktion u ( x1 , x 2 ) = x1α x12− α mit 0<α<1 hatten wir im 3. Kap. die Nachfragefunktionen n1 (p1 , p 2 , B) = α B p1 (4.16) und n 2 (p1 , p 2 , B) = (1 − α) B p2 ermittelt (Hinweis: Setze in dem Beispiel von S. 33: β = 1 - α und γ = 0). Ferner hatten wir ebenfalls im 3. Kap. die zugehörigen kompensierten Nachfragefunktionen ermittelt als: 1− α ⎛ α ⎞ n1komp (p1 , p 2 , u ) = ⎜ ⎟ ⎝1− α ⎠ 1− α ⎛p ⎞ ⋅ u ⋅ ⎜⎜ 2 ⎟⎟ ⎝ p1 ⎠ und α n komp 2 ⎛p ⎞ ⎛1− α ⎞ (p1 , p 2 , u) = ⎜ ⎟ ⋅ u ⋅ ⎜⎜ 1 ⎟⎟ ⎝ α ⎠ ⎝ p2 ⎠ α Aus (4.16) erhält man damit den Gesamt-Preiseffekt als ∂n1 = −αB(p1 ) − 2 ∂p1 Der Einkommenseffekt ist (ebenfalls aus (4.16)): ∂n1 x * x1* = α 1 = α αB = α 2 B(p1 ) − 2 > 0 ∂B p1 ( p1 ) 2 (4.17) Prof. Dr. Frank Stehling AVWL 3 – SS 08 - 4. Komparative Statik und der Substitutionseffekt (aus (4.17) mit u* = ( x1*) α ( x 2 *)1− α = (α 55 B α B ) ((1 − α) )1− α p1 p2 wegen (4.16) und nach einigen Umformungen)): ∂n1komp α 1− α =( ) u * (p 2 )1− α (α − 1)(p1 ) α − 2 = −α(1 − α)B(p1 ) − 2 ∂p1 1− α Hieraus lässt sich einfach verifizieren, dass der Gesamt-Preiseffekt tatsächlich gleich der Summe aus Einkommens- und Substitutionseffekt ist, wie die Slutsky-Gleichung aussagt. Die Slutsky-Gleichung lässt sich auch für den Fall von irgend n Gütern verallgemeinern, auch für Nachfrageveränderungen eines Gutes i infolge von Preisänderungen eines anderen Gutes k.