Praxis-Tipp: Therapieprinzipien der „chronischen Herzinsuffizienz“

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Therapie der chronischen Herzinsuffizienz
Therapie
Therapieprinzipien bei der „chronischen Herzinsuffizienz“ des Hundes
Bei jeder Herzerkrankung sollte so früh wie möglich mit einer gezielten Therapie
begonnen werden. Nur auf diese Weise kann über eine Blockade der peripheren und
kardialen Kompensationsmechanismen das Fortschreiten der Herzinsuffizienz
verzögert werden.
Ob eine Herzerkrankung überhaupt und zu welchem Zeitpunkt sie an Schwere
zunimmt, hängt von vielen Faktoren ab. Dazu gehören das Ausmaß der primären
Schädigung, der Gefäßwiderstand, der dem ventrikulären Auswurfvolumen
entgegensteht, die Kapazität des Atriums, die myokardiale Leistungsfähigkeit und
besonders die Konstitution des Patienten.
Kausale Behandlung
Eine kausale Behandlung der Herzinsuffizienz ist nur selten indiziert (z.B. bei einigen
angeborenen Herzerkrankungen oder beim Perikarderguss). Meistens ist sie
außerdem sehr aufwendig (Herzlungenmaschine) und von zweifelhafter Prognose1.
Hunde mit angeborenen Herzfehlern sind von der Zucht auszuschließen16.
Allgemeine Maßnahmen
Bewegungseinschränkung
Körperliche Belastungen, die das Herzzeitvolumen erhöhen, sollten möglichst gering
gehalten werden. Extreme Belastungen (z.B. Laufen am Fahrrad, Ballspielen,
Hundesport) sind für den herzkranken Hund verboten.
Gewichtsreduktion
Bei adipösen Herzpatienten ist die Gewichtsreduktion eine der wichtigsten
Maßnahmen. Die Adipositas erfordert eine Steigerung der Herzleistung, die eine
unnötige Belastung für ein vorgeschädigtes Herz darstellt und zu einer schnellen
Verschlechterung der Erkrankung führen kann. Raumfordernde Fettmassen im
Thorax reduzieren zudem die Kapazität der Lunge und führen zu einer alveolären
Hypoventilation.
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Gewichtszunahme
Im fortgeschrittenen Dekompensationsstadium einer Herzerkrankung (NYHA III-IV)
sind die Patienten häufig stark abgemagert. Der Organismus befindet sich in einer
katabolen Stoffwechsellage. In dieser hat die vermehrte Bildung von Laktat in den
Muskeln eine zunehmende Bewegungsunlust zur Folge.
In einem solchen Fall ist die Gewichtszunahme bzw. Gewichtserhaltung eine
lebenserhaltende Maßnahme, da mit zunehmender Kachexie die Mortalitätsrate bei
gleicher Therapie deutlich ansteigt. Es sollte hochwertiges, kalorienreiches, nicht
voluminöses und natriumarmes Futter verabreicht werden.
Natriumreduzierte Kost
Herzpatienten verlieren die Fähigkeit, natriumreiches Futter zu tolerieren. Die
peripheren Adaptationsmechanismen führen über eine vermehrte Natrium- und
Wasserretention zu einer gesteigerten Vorlast. Es ist daher sinnvoll, beim
herzkranken Tier schon frühzeitig (NYHA I-IV) auf natriumarme Futtermittel
umzustellen. Die Reduktion der Natriumaufnahme sollte dem Schweregrad der
Erkrankung entsprechen. Für die Fütterung von herzkranken Hunden sind
verschiedene Diäten auf dem Markt.
Therapie anderer Erkrankungen
Herzerkrankungen können durch andere Erkrankungen (z.B. NNR, Schilddrüse,
Nieren) negativ beeinflusst werden. Deshalb muss die Behandlung dieser
Erkrankungen in jedem Fall die Herztherapie ergänzen bzw. dieser vorangehen.
Medikamentelle Therapie
Gemischte Vasodilatatoren
Die Hemmer des Angiotensin-Converting-Enzyms (ACE) gehören zu den gemischten
Vasodilatatoren. Sie führen zu einer Senkung von Vor- und Nachlast des Herzen.
Zusätzlich haben sie einen leicht diuretischen (Aldosteronsenkung) und
antihypertrophen Effekt. ACE-Hemmer sind bei kongestiven Herzinsuffizienzen mit
einem Dekompensationsgrad von I/II bis IV (NYHA) angezeigt. Als
Kontraindikationen für den Einsatz von ACE-Hemmern gelten hämodynamisch
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relevante Stenosen (z.B. Aortenstenose, Mitralklappenstenose) oder hypertrophe
Kardiomyopathien4.
Zur Vermeidung einer initialen Hypotension ist eine einschleichende Dosierung
empfehlenswert6. ACE-Hemmer gelten als gut verträglich. Nebenwirkungen sind
selten. Zur Gruppe der ACE-Hemmer gehören beispielsweise Ramipril, Benazepril
und Enalapril. ACE-Hemmer können bei Bedarf mit Digitalisglykosiden, Pimobendan
und Diuretika kombiniert werden7.
Arterieller und venöse Vasodilatatoren
Die Anwendung rein arterieller Vasodilatatoren bewirkt eine Senkung der Nachlast
des Herzen. Die periphere Blutdruckabnahme kann zu einer unerwünschten
reflexbedingten Erhöhung der Herzfrequenz und zu einer Aktivierung des ReninAngiotensin-Aldosteron Systems (RAAS) führen.
Die Verringerung der Vorlast durch venöse Vasodilatatoren führt über den StarlingMechanismus zu einer Verminderung der Kontraktilität des Herzen. Dies kann
beispielsweise bei einer dilatativen Kardiomyopathie zu einer Verminderung des
Herzminutenvolumens unter die kritische Grenze und damit zum Kollaps führen.
Aus diesen Gründen ist die Anwendung gemischter Vasodilatatoren als sinnvoller
einzuschätzen7.
Diuretika
Diuretika werden zur Verminderung der venösen Stauung bei Herzinsuffizienzen mit
einem Schweregrad von II/III bis IV (NYHA) eingesetzt. Durch die Reduktion von
Flüssigkeitsansammlungen tragen Diuretika zur Senkung der Vorlast bei. Ein
Diuretikum sollte immer mit einem ACE-Hemmer kombiniert und in der niedrigsten
effektiven Dosis angewendet werden.
Wenn Schleifendiuretika (z.B. Furosemid) keine Wirkung mehr zeigen, kann die so
genannte sequentielle Nephronblockade angewendet werden. Zu diesem Zweck wird
Furosemid mit einem Thiazid kombiniert. Dabei sind regelmäßige Kontrollen
notwendig, da die Gefahr einer Hypovolämie, -kaliämie und –natriämie besteht. Zu
diesem Zweck sollten Hämatokrit, Kalium und Kreatinin an den Tagen 0, 7 und 30
nach Therapiebeginn kontrolliert werden4.
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Erhöhung der Kontraktilität
Zur Erhöhung der Kontraktilität werden positiv inotrope Mittel eingesetzt. Sie sind vor
allem bei Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie indiziert. Verwendbar sind
Digitalisglykoside (z.B. Digoxin, Methyldigoxin), katecholamin-ähnliche Substanzen
(z.B. Dobutamin), Phosphodiesterase-Hemmer (z.B. Amrinon, Milrinon) und
Pimobendan, als kombinierter Inodilator7.
Digitalis-Präparate
Die Wirkungsweise der Herzglykoside ist positiv inotrop sowie negativ chrono- und
dromotrop. Wegen der positiv inotropen Wirkung ist der Einsatz von Herzglykosiden
vor allem bei herabgesetzter Kontraktilität und/oder ventrikulärer Dilatation indiziert.
Außerdem bietet sich ein Einsatz bei starker Dekompensation (NYHA III-IV) sowie
angeborenen Aorten- und Pulmonalstenosen an. Als Kontraindikation gelten
Bradykardie und AV-Blockierung. Alle anderen Arrhythmien stellen keine absolute
Kontraindikation dar6.
Zu den in der Kleintierpraxis am häufigsten verwendeten Digitalis-Präparaten
gehören z.B. Methyldigoxin und Digoxin. Sie werden in einer Erhaltungsdosis
verabreicht. Diese muss zunächst in einer Sättigungsphase langsam oder schnell
erreicht und dann individuell angepasst werden.
Hypokaliämische Zustände (z.B. gastrointestinale Störungen, hochdosierte Diurese)
führen zu einer verminderten Glykosidtoleranz. Sie sollten deshalb vor der
Digitalisierung durch Kaliumgabe ausgeglichen werden. Parenterale Kalziumgaben
sind bei Patienten unter Glykosidtherapie, wegen möglicher Arrhythmien mit
tödlichem Ausgang, unbedingt zu vermeiden6.
Aufgrund der geringen therapeutischen Breite und der nicht sehr ausgeprägten
positiv inotropen Wirkung von Digitalis, wird seit längerer Zeit nach therapeutischen
Alternativen zur Kontraktilitätssteigerung gesucht8.
Pimobendan
Der relativ neue Wirkstoff Pimobendan bewirkt neben einer intrazellulären CaSensibilisierung (Ca-Sensitizer) eine Hemmung der Phosphodiesterase. Auf diese
Weise werden positiv inotrope und gemischte vasodilatatorische Eigenschaften
vereint (Inodilator)8. Dadurch wird bei gleichem oder sogar erniedrigtem
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Sauerstoffverbrauch eine bessere Arbeitsleistung des Herzens und damit
dosisabhängig eine Steigerung des Leistungsvermögens erreicht7.
Pimobendan grenzt sich damit von den reinen Phosphodiesterase-Hemmern (z.B.
Milirinon) ab, die eine Zunahme der intrazellulären Ca-Konzentration bewirken. Durch
den Ca-Anstieg nimmt der Energiebedarf des Myokards zu, wodurch das Risiko
eines plötzlichen Herztodes steigt8.
In einer Vergleichsuntersuchung zu Digoxin zeigte Pimobendan eine höhere
klinische Wirksamkeit mit Verbesserung der Lebensqualität und signifikant seltener
auftretende Nebenwirkungen8.
Beta-Blocker
Als Indikation für Beta-Blocker werden neben der Verwendung als Antiarrhythmika
u.a. Aortenstenosen, Pulmonalstenosen und die Tetralogie Fallot angegeben16.
Als Kontraindikationen gelten Stauungsinsuffizienz, Bradykardie, AV-Block, Schock,
Azidose und Diabetes Mellitus 2.
Bei nicht selektiven Beta-Blockern (z.B. Propranolol) besteht die Gefahr der
Dekompensation einer vorhandenden Herzinsuffizienz (negativ inotrop) und das
Risiko, Bronchospasmen auszulösen. Für kardioselektive Beta-Blocker (z.B.
Atenolol) liegen beim Tier nur geringe Erfahrungen vor18.
Beta-Blocker der 2. und 3. Generation (z.B. Carvedilol, Bisoprolol, Bucindolol)
genießen in der Humanmedizin zur Zeit großes Interesse7.
Antiarrhythmika
Bei Hunden mit Herzinsuffizienz tretenm, bedingt durch die Schädigungen des
Myokards, häufig auch Arrhythmien auf. Eine Therapie mit Antiarrhythmika ist erst
angezeigt, wenn die Rhythmusstörung so ausgeprägt ist, dass es zu Störungen der
Hämodynamik kommt. Bei vereinzelten Extrasystolen und partieller AV-Blockade 2.
Grades ist ein Einsatz von Antiarrhythmika nicht notwendig. Da die meisten
Antiarrhythmika negativ inotrop wirken und so zu einer weiteren Verschlechterung
der Herzinsuffizienz beitragen können, sollte immer gleichzeitig eine Digitalisierung
(positiv inotrop) vorgenommen werden. Bei bestehender Stauungsinsuffizienz oder
beeinträchtigter Herzleistung muss die Digitalisierung in jedem Fall einer weiteren
arrhythmischen Behandlung vorausgehen. Gelingt es nicht, eine festgestellte
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pathologische Arrhythmie eindeutig einzuordnen, sollte auch keine antiarrhythmische
Therapie vorgenommen werden6.
Bei einer hochgradigen Aszites oder einem Hydrothorax kann eine
Bauchhöhlenpunktion bzw. Thorakozentese notwendig sein, da eine
medikamentelle Therapie nicht mehr ausreicht. Allerdings ist die Rezidivgefahr in
einem solchen fortgeschrittenen Stadium relativ hoch6.
Kombinierte Maßnahmen
Je nach Krankheitsbild und Schweregrad der Erkrankung ist es notwendig, die
verschiedenen Maßnahmen miteinander in sinnvoller Weise zu kombinieren7.
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