PRAKTISCHE KARDIOLOGIE JOURNAL BY FAX IN ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BUNDESVERBAND NIEDERGELASSENER KARDIOLOGEN REDAKTION: W. BÖHM, Amberg; D. JESINGHAUS, Saarbrücken; F. SONNTAG, Henstedt-Ulzburg; N. WITTLICH, Mainz; R. ZIMMERMANN, Pforzheim 5. Jahrgang 2002; Nr. 9 Stellenwert der Betablocker bei der Therapie der schweren Herzinsuffizienz 1. Pathophysiologie Die neurohumorale Gegenregulation (RAAS, Sympathikus, ADH) als Folge der Pumpleistungsstörung ist für Aufrechterhaltung und Progression der Herzinsuffizienz von entscheidender Bedeutung. Der erhöhte Katecholaminspiegel hat weitreichende Folgen: Die ständige Stimulation der β1-Rezeptoren führt zu ihrer DownRegulation. Die Zahl der auf der Myozyten-Oberfläche nachweisbaren Betarezeptoren nimmt ab, die Funktion der verbliebenen ist gestört: Adrenerge Stimuli können nicht mehr die Herzleistung steigern. Katecholamine und auch andere neurohumorale Mediatoren wie Angiotensin, Endothelin und Aldosteron wirken wie Wachstumsfaktoren: Es kommt zu einer Hypertrophie der Myozyten, einen sinnvollen Kompensationsmechanismus, aber auch zu einer Vermehrung des Bindegewebes. Letzteres führt zusammen mit dem durch die ständige Überstimulation bedingten Myozytentod zu einem ungünstigen Ventrikelumbau. Tachykardie und erhöhte Wandspannung bei der so bedingten Ventrikelvergrößerung führen zu einem erhöhten Sauerstoffbedarf: Die Energiegewinnung wird anaerob, was Funktion und Struktur des Herzens weiter schädigt.1 2. Untergruppenanalysen der großen BetablockerStudien MERIT-HF (Metoprolol) und CIBIS II (Bisoprolol) Auch für die Herzinsuffizienz-Patienten im NYHA-Stadium III und IV (Beschwerden schon bei geringen Belastungen und in Ruhe) günstiger Effekt. Konsequenter Schritt war die COPERNICUS-Studie:2 2.289 Patienten mit Herzinsuffizienz im Stadium NYHA III oder IV und einer Ejektionsfraktion von < 25 % erhielten zusätzlich zur Basismedikation mit Digitalis, Diuretica und ACE-Hemmer entweder Carvedilol bis max. 2 x 25 mg oder Plazebo. Wegen des ganz erheblich positiven Effekts wurde die Studie nach einer Nachbeobachtungszeit von im Mittel nur 10,5 Monaten abgebrochen. Das Ein-JahresMortalitätsrisiko wurde durch das Medikament von 18,5 % auf 11,4 % gesenkt (relativ 35 %). Das heißt: Werden 1.000 solcher Patienten behandelt, können 70 vorzeitige Todesfälle innerhalb nur eines Jahres verhindert werden. Ein sensationeller Erfolg bei diesen schwer kranken Patienten! Subgruppenanalysen der großen Studien für Metoprolol-Succinat (MERIT-HF) und Bisoprolol (CIBIS II) zeigten ähnliche Ergebnisse für die NYHA III/IV-Patienten.3 3. Durchführung der Therapie Voraussetzung: ● stabile chronische Herzinsuffizienz (2 Wochen stabil) ● vollständige Basistherapie (ACE-Hemmer in ausrei chender Dosis, Diuretica, Digitalis) ● kein akut gestiegener Diuretikabedarf ● bei NYHA IV Beginn im Krankenhaus. Durchführung ● Testdosis (Carvedilol 3,125 mg, Metoprolol 10 mg, Bisoprolol 1,25 mg) unter Aufsicht und Beobachtung über mindestens 2 – 4 Stunden (Blutdruckkontrolle) ● Startdosis: Carvedilol (2 x 3,125 mg), Metoprolol Succ. (1 x 23,75 mg), Bisoprolol (1 x 1,25 mg) täglich ● Einstellungsphase: Verdopplung der Dosis alle 14 Tage nach ärztlicher Kontrolle (auch langsamer Dosissteigerung möglich) ● Zieldosis: Carvedilol (2 x 25 mg), Metoprolol-Succi nat (2 x 95 mg), Bisoprolol (10 mg) täglich ● Die jeweils höchste vertragene Dosis sollte beibe halten werden ● Symptomverbesserung zeigt sich frühestens nach 3 – 6 Monaten. Bei Patienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion und schwerer Herzinsuffizienz stehen uns jetzt fünf unterschiedliche Prinzipien für die medikamentöse Therapie zur Verfügung (Digitalispräparate, Diuretika, ACE-Hemmer, Betablocker, Aldosteron-Antagonisten), mit denen wir effektiv bzgl. Symptomatik und Prog-nose helfen können, wie dies in der Medizin nicht selbstverständlich ist. Wir sollten sie konsequent einsetzen. Peter Grooterhorst, Mühlheim Literatur 1. Hellige et al. “Betablocker bei chrnoischer Herzinsuffizienz, Arcis Verlag, München 1999 2. Packer M et.al: Effect of Carvedilol on Suvival in severe chronic Heart Failure. N Engl J Med 2001;344:1651-8 3. Goldstein et al. „Metoprolol CR/XL in Patients with severe Heart Failure JACC 2001;38:932-8