Europa-KriseFokus 17 25. April 2010 Überschuss gibts nur in Norwegen Schulden, Arbeitslose, schwaches Wirtschaftswachstum – so kommen die europäischen Staaten aus der Krise x GROSSBRITANNIEN Arbeitslosenquote Staatsverschuldung (in % BIP) Haushaltsdefizit (in % BIP) Rendite 10-jähr. Staatsanleihe BIP-Wachstum 6 Prozent 4 2,5 1,3 2 0,5 0 Arbeitslosenquote Staatsverschuldung (in % BIP) Haushaltsdefizit (in % BIP) Rendite 10-jähr. Staatsanleihe Die Briten wurden von der Krise hart getroffen: Die Haushalte haben sich massiv verschuldet, der Staat musste mehrere Banken retten, das ISLAND Haushaltsdefizit läuft aus dem Ruder. Ein Vorteil: Die Briten haben eine eigene Währung. Prozent 4 2 1,8 1,5 1,8 -4 � 4,9 08 09 10 11 Prognose: Nach den Wahlen vom 6. Mai muss die neue Regierung den Haushalt sanieren, es wird zu Einschnitten kommen. x x x 1,8 1,1 1,8 0 -2 -2 x x 4 2 -6 x x 08 09 10 11 Arbeitslosenquote Staatsverschuldung (in % BIP) Haushaltsdefizit (in % BIP) Rendite 10-jähr. Staatsanleihe BIP-Wachstum 6 Prozent x 4 1,2 1,7 2 1,2 0 -2 Prognose: Der Ölpreis steigt und steigt, den Norwegern kann eigentlich nichts passieren. � 1,5 -4 x x Norwegen ist dank seiner Ölvorkommen ein reiches Land und verwaltet seinen Reichtum bisher ausgezeichnet. Die Nordländer haben kaum unter der Krise gelitten, als einziges Land weit und breit budgetiert es 2010 einen satten Überschuss. Prozent 6 3,3% 59,0% 9,4% 3,7% x BIP-Wachstum Prognose: �1,5 Die wirtschaftliche Erholung -4 schwächt sich ab, im besten -6 Fall sinkt die Arbeitslosigkeit leicht. 08 09 10 11 DÄNEMARK DEUTSCHLAND Arbeitslosenquote Staatsverschuldung (in % BIP) Haushaltsüberschuss (in % BIP) Rendite 10-jähr. Staatsanleihe x Die Schweiz hat die Krise bisher gut überstanden. Der Wohnungsbau und der private Konsum federten den Export-Einbruch ab. Auch die Geldpolitik der Nationalbank und die verlängerte Kurzarbeit wirkten sich positiv aus. BIP-Wachstum 6 4,2% 45,0% -1,2% 1,8% 0 -2 -6 NORWEGEN SCHWEIZ 8,0% 83,1% -12,8% 4,1% x -4 � 5,0 -6 x 08 09 10 11 8,5% 82,0% -5,6% 3,1% Wegen der Exportabhängigkeit brach die Wirtschaft 2009 massiv ein (-5%). Sie hat sich aber schneller als erwartet erholt, u.a. wegen der Abwrackprämie. Nach wie vor leidet Deutschland unter ausbleibenden Bestellungen aus dem Ausland und einer schwachen Binnennachfrage. Prognose: RUSSLAND Die Arbeitslosigkeit bleibt hoch, das Wachstum schwach. FINNLAND Arbeitslosenquote: aktuellste Zahlen Staatsverschuldung (in % BIP): Dez. 2009 Haushaltsdefizit (in % BIP): Budget 2010 BIP-Wachstum: 2010/11 Prognose IWF FRANKREICH Arbeitslosenquote Staatsverschuldung (in % BIP) Haushaltsdefizit (in % BIP) Rendite 10-jähr. Staatsanleihe 10,1% 92,5% -8,6% 3,4% x x NORWEGEN ITALIEN x x x x SCHWEDEN SCHOTTLAND x Arbeitslosenquote Staatsverschuldung (in % BIP) Haushaltsdefizit (in % BIP) Rendite 10-jähr. Staatsanleihe x ESTLAND 8,3% 127,0% -5,3% 3,9% LETTLAND BIP-Wachstum 6 Prozent 4 2 1,5 1,8 0,3 0 -2 -4 � 2,2 -6 08 09 10 11 Frankreich ist weniger vom Export abhängig als andere EU-Länder. Deshalb brach die Wirtschaft in der Krise nicht so massiv ein. Motor war der private Konsum. Langsam geht aber das Geld aus, um die Konjunktur weiter anzukurbeln. Prognose: Der Binnenkonsum schwächt sich ab, die Exporte profitieren vom schwachen Euro. DÄNEMARK x x x x x x LITAUEN BIP-Wachstum RUSSLAND 6 Prozent 4 0,8 1,2 2 DEUTSCHLAND IRLAND GROSSBRITANNIEN x x 0 NIEDERLANDE x x WEISSRUSSLAND POLEN x x x � 1,3 -2 -4 � 5,0 -6 BELGIEN 08 09 10 11 Hat im Herbst mit einem Mini-Aufschwung überrascht, ist jetzt aber wieder ins Mittelmass zurückgefallen. Wie Griechenland hat Italien mehr Schulden aufgetürmt, als es im Jahr erwirtschaftet. Der Konsum im eigenen Land bleibt schwach, die Exporte stagnieren. Prognose: Italien wurstelt sich weiter auf bescheidenem Niveau durch. UKRAINE TSCHECHIEN LUXEMBURG SLOWAKEI x x x x x x x GRIECHENLAND SPANIEN ÖSTERREICH Prozent 4 2 0,9 0,9 0 � 0,4 -2 -4 � 3,6 -6 08 09 10 11 x Prognose: Die Arbeitslosigkeit dämpft die Binnennachfrage, die Wirtschaft bleibt schwach. x x MOLDAWIEN SLOWENIEN ITALIEN SoZ Candrian; Quellen: IWF, HSBC, Bank Vontobel, OECD, Eurostat, The Economist, BfS, EFD 6 FRANKREICH x x x x BOSNIEN & HERZ. SERBIEN x MONTE� NEGRO x ANDORRA Arbeitslosenquote Staatsverschuldung (in % BIP) Haushaltsdefizit (in % BIP) Rendite 10-jähr. Staatsanleihe RUMÄNIEN N IE BIP-Wachstum Die spanischen Banken haben die Krise dank strengen Eigenkapitalvorschriften gut gemeistert und die Verschuldung hält sich im Rahmen. Doch Spanien leidet unter der schlimmsten Immobilienkrise Europas und einer extrem hohen Arbeitslosigkeit. UNGARN SCHWEIZ 19,0% 67,5% -11,5% 3,9% T OA KR Arbeitslosenquote Staatsverschuldung (in % BIP) Haushaltsdefizit (in % BIP) Rendite 10-jähr. Staatsanleihe x KOSOVO BULGARIEN MAZEDONIEN BIP-Wachstum ALBANIEN SPANIEN x x 6 PORTUGAL 4 x x x x EU�STAATEN x GRIECHENLAND x TÜRKEI Prozent 2,0 2 0 NICHT�EU�STAATEN � 1,1 -2 EURO offizielle Währung EURO vorgesehen Einseitige Übernahme des EURO x Das Sorgenkind schlechthin. Griechenland ist überschuldet GEORGIEN und nicht wettbewerbsfähig. Jetzt wurde den Griechen ein harter Sanierungskurs verordnet. Trotzdem droht weiter der Staatsbankrott. Prognose: Das zugesicherte EU-Rettungspaket wird nicht reichen. Es steht eine lange Phase von Deflation und stagnierender SYRIEN Wirtschaft bevor. x x x x � 2,0 � 2,0 -6 ZYPERN 08 09 10 11 EU-Beitrittskandidat EURO nicht geplant x x -4 MALTA x 11,3% 123,3% -9,4% 8,7% x x x x x x 3 FortSEtZunG von SEitE 15 Die EU läuft aus dem Ruder diese schmerzlose Weise ihre Exporte ankurbeln. Umgekehrt wird immer spekuliert, dass Deutschland Euroland verlässt und die Mark wieder einführt. Damit wäre es die Rolle des Zahlmeisters Europas los und müsste nicht mehr für das Lotterleben anderer geradestehen. Doch wären seine Probleme damit gelöst? Die Einheitswährung hat auch handfeste Vorteile. Sie hat Euroland eine sehr niedrige Inflationsrate beschert und dafür gesorgt, dass die Länder an den Kapitalmärkten Geld in ihrer eigenen Währung zu tiefen Zinsen aufnehmen konnten. Vor allem aber hat sie verhindert, was jetzt wieder geschieht: permanente spekulative Attacken auf einzelne Wäh- rungen. Solche Spekulationen sind zwar lohnend für einzelne Financiers und Hedgefonds. Für die reale Wirtschaft hingegen sind sie ein lästiger und schädlicher Störfaktor. Wie etwa soll ein international tätiges Unternehmen in Europa vernünftig geschäften, wenn alle paar Monate der französische Franc ab- oder die D-Mark aufgewertet wird? Der Euro hat Ordnung ins Währungschaos gebracht. «Seine Einführung war eine kluge und weitsichtige Entscheidung», sagt Peter Bofinger, Ökonomieprofessor und Mitglied der fünf «Wirtschaftsweisen» Deutschlands. Die Wirtschaftskrise hat das Chaos zurückgebracht und ist zum Dauerstresstest für den Euro ge- worden. Diese Krise kann nur gemeinsam gemeistert werden. «Es ist wie in einer guten Ehe», sagt Bofinger, «beide Seiten müssen Zugeständnisse machen.» Dummerweise erschwert die Krise solche Zugeständnisse. Auch in Euroland schaut jeder zuerst für sich, der Nationalismus ist auf dem Vormarsch. Dabei stehen alle Regierungen vor der gleichen Herausforderung. Die Märkte sind immer weniger bereit, Staatsanleihen ohne Ende zu finanzieren. Alle Regierungen stehen vor der wenig beneidenswerten Aufgabe, dass sie mit Sparmassnahmen die Investoren beruhigen, gleichzeitig aber immer noch die Konjunktur mit staatlichen Ausgaben stimulieren müssen, um die Folgen der Krise zu bewältigen. Dabei haben sie eigentlich nur schlechte Optionen: Sie können beten, dass es zu einem unerwartet starken Aufschwung kommen wird, oder sie können den Gürtel enger schnallen, also die Steuern erhöhen und die Ausgaben senken. Zu viel steht bei einer Pleite von Griechenland auf dem Spiel Diese harte Linie haben die Deutschen seit mehr als zehn Jahren verfolgt. Ihre Löhne sind deutlich weniger rasch gestiegen als die Produktivität ihrer Wirtschaft. Im Vergleich zu den anderen EuroMitgliedern sind die Lohnstückkosten in Deutschland um 20 Prozent gesunken. Das kann man auf zwei Seiten interpretieren. Die Deutschen sind überzeugt, deswegen zum Exportweltmeister aufgestiegen zu sein. Für die anderen Länder betreiben sie schlicht Lohndumping und rauben ihnen die Arbeitsplätze. Der drohende Staatsbankrott ist daher der Anfang eines gefährlichen Zanks in Euroland. Im Zentrum steht dabei die Frage: Macht die deutsche Exportmaschine alle anderen platt, und macht es Sinn, um den Preis von tieferen Löhnen auf Teufel komm raus zu exportieren? Um diese Frage wird nicht nur unter Ökonomen gestritten, sondern immer mehr auch in der Politik. So hat die französische Finanzministerin Christine Lagard ungewöhnlich deutlich in Richtung Deutschland formuliert: Nicht nur die angeblich faulen Südländer, auch die Exportländer im Norden müssten eine Teilschuld auf sich nehmen. Wer hat recht? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten, eine rasche Lösung des Problems gibt es nicht. Unbestritten ist, dass das Handelsgleichgewicht in Europa wiederhergestellt werden muss. Das geht nur im gegenseitigen Einverständnis. Die Südländer müssen ihre Staatsausgaben in den Griff bekommen, Deutschland muss mehr investieren. Die Chancen, dass dies gelingt, stehen nicht schlecht. Inzwischen haben die Staatsoberhäupter von Euroland entschieden, in den nächsten drei Jahren Griechenland Darlehen bis 30 Milliarden Euro zu gewähren. Zu viel steht bei einer Griechenlandpleite auf dem Spiel. Oder wie der Financier George Soros sich ausdrückt: «Der Schaden, den ein Kollaps des Euro bewirken würde, ist so gross, dass ich davon ausgehe, dass die verantwortlichen Menschen es letztlich nicht zulassen werden.» KommEntar SEitE 20