Kapitel VI Steuern auf Konsum und Einkommen

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Kapitel VI
Steuern auf Konsum und Einkommen
Steuern u. Staatsausg VI/1
Steuern
Zwangsabgaben ohne direkte Gegenleistung
Am wichtigsten in Österreich: Einkommensteuer, Umsatzsteuer,
Körperschaftsteuer, Mineralölsteuer.
Direkte Steuern (v. a. Einkommensteuer)
Indirekte Steuern (Umsatzsteuer, spezifische Gütersteuern)
Probleme: Verhaltensänderungen (unerwünscht oder
unbeabsichtigt, außer im Fall korrigierender Steuern),
Zusatzbelastung (Wohlfahrtsverlust für die betroffenen
Wirtschaftseinheiten, excess burden, deadweight loss).
Steuern u. Staatsausg VI/2
Zusammensetzung der Bundesabgaben
in Österreich
Vergleiche dazu das Aufkommen der wichtigsten Steuern in früheren
Jahren
Veranlagte Einkommensteuer
Lohnsteuer
Körperschaftsteuer
Umsatzsteuer
1990
2.456
7.666
1.002
11.229
2000
2.818
14.468
3.865
17.056
Quellen: Statistik Austria, http://www.statistik.at, Statistische Übersichen, Öffentliche Finanzen, 3.2 Gebarungserfolg der öffentlichen Abgaben des Bundes und
Bundesministerium für Finanzen, Budget, Budget 2006, Budgetbericht 2006, Übersicht 10, S. 82.
Steuern u. Staatsausg VI/3
Wirkung einer Steuer im Partialmarkt
Fragen: Inzidenz (Verteilung der Belastung), Wohlfahrtsverlust
(Zusatzbelastung).
Mengensteuer t pro
Einheit, Verschiebung der
~
Angebotskurve S zu S
,
Nachfragekurve D
E ... Gleichgewicht vor
Steuer
E'... Gleichgewicht nach
Steuer
~
Preis
S
D
t
p’b
p0
p’n
0
S
E’
E
F
x’ x0
Menge
Steueraufkommen: tx′ = (p′b − p′n )x′. Davon tragen die Nachfrager: (p′b − p0 )x′,
die Anbieter: (p0 − p′n )x′. Die unelastischere Marktseite trägt mehr.
Wohlfahrtsverlust: Fl. FEE', steigt quadratisch in t. Er ist umso
kleiner, je unelastischer Nachfrage und/oder Angebot.
Steuern u. Staatsausg VI/4
Unterscheidung:
- Pauschalsteuer (lump-sum tax): Höhe der Steuer durch Verhalten
des Steuerschuldners nicht beeinflussbar (z. B. Kopfsteuer).
Nur Einkommenseffekt.
- Verzerrende Steuer (distorting tax): Höhe der Steuer durch
Verhalten beeinflussbar (z. B. Einkommensteuer, Umsatzsteuer, ...).
Steuer ändert Preisrelation
Einkommenseffekt und Substitutionseffekt.
Steuern u. Staatsausg VI/5
Im Prinzip: Pauschalsteuer am effizientesten, keine Zusatzbelastung.
Verzerrende Steuer bringt Effizienzverlust (Zusatzlast, deadweight
loss, excess burden) wegen Substitutionseffekt.
Aber: Fehlender Anknüpfungspunkt der Pauschalsteuer, alle dem
Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechenden Besteuerungsgrundlagen
sind durch das Verhalten beeinflussbar. Insbesondere erscheint auch
eine Kopfsteuer als ungerecht. Daher existieren in der Realität nur
verzerrende Steuern.
Konflikt: Effizienz - Verteilung
Marginal cost of public funds: Begriff für die gesamten Kosten der
Einhebung eines weiteren Euro für öffentliche Zwecke, inklusive des
durch die Steuern verursachten Wohlfahrtsverlustes. Es existieren
verschiedene genaue Formulierungen, je nach verwendetem Modell.
Steuern u. Staatsausg VI/6
Effekte von Steuern auf Konsum und Einkommen
im Modell der rationalen Haushaltsentscheidung
Es geht um die Entscheidung eines Haushaltes über ein
Konsumgüterbündel oder über ein Konsum-Freizeit-Bündel.
Folgende Fälle werden hintereinander betrachtet: Effekt der
- Besteuerung eines Gutes,
- Besteuerung des gesamten Konsums,
- Besteuerung des Arbeitseinkommens,
- Besteuerung des Kapitaleinkommens.
Steuern u. Staatsausg VI/7
Besteuerung eines Gutes im Grundmodell
der rationalen Haushaltsentscheidung
Im vereinfachten Modell kann der Haushalt über die Konsummengen
x1, x2 zweier Güter entscheiden (x1, x2 sind Entscheidungsvariablen).
Er nimmt die Produzentenpreise p1,p2 und das Budget b als fix
gegeben (p1, p2, b sind Parameter oder exogene Variablen des
Modells), die Budgetbedingung lautet p1x1 + p2x2 ≤ b. D. h. die
Ausgaben dürfen das Budget nicht überschreiten.
Zwei Fragestellungen:
A) Wie lässt sich die Zusatzbelastung für den Haushalt, die durch eine
verzerrende Steuer entsteht, in diesem Modell darstellen?
B) Welche Verhaltensreaktion (Änderung der Güternachfrage) aufgrund
einer Steuer ergibt sich in diesem Modell?
Steuern u. Staatsausg VI/8
A) Zwei Möglichkeiten der graphischen Illustration der beim Haushalt
entstehenden Zusatzlast einer (verzerrenden) Steuer auf ein Gut.
Ausgangsmodell ist das Indifferenzkurven-Diagramm:
1. Eine verzerrende Steuer, die das gleiche Aufkommen wie eine
Pauschalsteuer erbringt, führt zu einem geringeren Nutzenniveau des
Haushalts, im Vergleich zur Pauschalsteuer.
x2
A
Gegeben: Budget b des Haushalts
und (Produzenten-)Preise p1, p2 der
beiden Güter. Im Fall ohne Steuer
sind das auch die
Konsumentenpreise (von den
Konsumenten zu zahlende Preise).
U0
F2
A'
E0
U2
A"
F1
E
E1
0
U1
B'
Budgetbedingung mit Steuer τ2:
p1x1 + p2(1 + τ2) ≤ b.
B
x1
Steuern u. Staatsausg VI/9
Ausgangspunkt (ohne Steuer): Budgetgerade AB, optimales Güterbündel bei
E0.
(i) Spezifische (verzerrende) Steuer τ2 auf Gut 2 (Konsumentenpreis wird zu
p2(1+τ2), Drehung der Budgetgeraden zu A"B), Höhe des anfallenden
Steuerbetrags hängt von der konsumierten Menge des Gutes 2 ab. Optimales
Güterbündel ist nun bei E1 (es treten im Vergleich zum Ausgangspunkt ein
Einkommenseffekt und ein Substitutionseffekt auf).
(ii) Pauschalsteuer (fixe Höhe des Steuerbetrags wird dem Haushalt entzogen unabhängig von der Konsumentscheidung, Parallelverschiebung der
Budgetgeraden zu A'B'): Optimales Güterbündel nun bei E2 (nur
Einkommenseffekt). Im Diagramm wurde die Höhe der Pauschalsteuer so
gewählt, dass sie das gleiche Aufkommen wie die Steuer auf Gut 2 (im Punkt
E1) erbringt: AA' = E2F2 = E1F1 (gemessen in Einheiten des Gutes 2). Aber es
ergibt sich U1 < U2, d. h. Nutzenniveau bei E1 (verzerrende Steuer) kleiner als
bei E2 (Pauschalsteuer), obwohl gleiches Steueraufkommen!
τ2 ist hier eine Wertsteuer. Für eine Mengensteuer ist die Überlegung ganz
analog (Konsumentenpreis p2 + τ 2 ).
Steuern u. Staatsausg VI/10
2. Eine verzerrende Steuer, die den Haushalt auf das gleiche
Nutzenniveau wie eine Pauschalsteuer führt, erbringt ein
geringeres Aufkommen, im Vergleich zur Pauschalsteuer.
x2
A
=
U0
A'
=
U1
F2
E0
A"
E2
F1
E1
G
0
B'
B
x1
Steuern u. Staatsausg VI/11
Im Diagramm ist die Höhe der Pauschalsteuer (bzw. das Ausmaß der
Parallelverschiebung der Budgetgeraden von AB zu A'B') so gewählt, dass
sich dabei das gleiche Nutzenniveau (im Punkt E2) wie bei der spezifischen
(verzerrenden) Steuer τ2 auf Gut 2 ergibt (im Punkt E1, Budgetgerade A"B).
Aber es zeigt sich, dass das Steueraufkommen E1F1 bei der spezifischen
Steuer kleiner als das Steueraufkommen A'A = E2F2 = GF1 bei der
Pauschalsteuer ist.
Der Unterschied GE1 : Maß (in Einheiten von Gut 2) für die Zusatzlast (excess
burden) der spezifischen Steuer.
Für Interessierte: Dieses Maß für die Zusatzlast beim Haushalt stimmt mit
jener im Partialmarktdiagramm überein, wenn die Präferenzen quasilinear sind
bzw. wenn man die kompensierte statt der üblichen (nichtkompensierten)
Nachfragekurve heranzieht.
Steuern u. Staatsausg VI/12
B) Theoretischer Effekt der verzerrenden Steuer auf die Güternachfrage
im Indifferenzkurven-Modell (Verhaltenswirkung):
-
Einkommenseffekt im Allgemeinen unbestimmt. Übliche Annahme:
normales (= superiores Gut). Bei einem solchen steigt (sinkt) die
Nachfrage bei Einkommenserhöhung (-entzug.) Die Einhebung der
Steuer bedeutet Einkommensentzug (Kaufkraftverlust)
-
Substitutionseffekt: Nachfrage nach dem Gut, das relativ teurer wird,
sinkt.
-
Gesamteffekt: bei einem normalen Gut sinkt die Nachfrage, wenn es
besteuert wird.
Beim zweiten (nicht besteuerten) Gut treten ebenfalls die beiden Effekte
auf. Der Substitutionseffekt bewirkt Steigen der Nachfrage, der
Einkommensentzug bewirkt bei normalem Gut ein Sinken; Gesamteffekt
unbestimmt.
Im 2. Diagramm (VI/11) kann man den Gesamteffekt (Bewegung von E0 zu
E1) in den Einkommenseffekt (E0 → E2) und den Substitutionseffekt (E2 →
E1) zerlegen.
Steuern u. Staatsausg VI/13
Ausmaß des Substitutionseffekts hängt von der Krümmung der
Indifferenzkurve ab. (Substitutionselastizität = wie stark reagiert das
Haushaltsgleichgewicht - das optimale Konsumgüterbündel - auf eine
Änderung des Preisverhältnisses.)
Geringe Substitutionselastizität
(= starke Krümmung):
Hohe Substitutionselastizität
(= geringe Krümmung):
x2
x2
geringe Reaktion
starke Reaktion
E2
E2
E1
E1
0
x1
0
x1
Steuern u. Staatsausg VI/14
Analytische Darstellung der Haushaltsentscheidung
Entscheidungsvariable: x1, x2; Parameter (Konstante): p1, p2, b. Es gibt in
diesem Modell keine Ersparnis (siehe später).
Budgetbeschränkung (nur solche x1,x2, die diese Bedingung erfüllen,
können gewählt, d. h. konsumiert werden):
- ohne Steuern: p1x1+p2x2 ≤ b,
- Steuersatz τ2 auf Gut 2 (Annahme: p1, p2 bleiben fix):
p1x1 + p2(1+τ2)x2 ≤ b.
Optimalitätsbedingung (Budgetgerade und Indifferenzkurve berühren
einander, wenn diese Bedingung erfüllt ist):
p
- ohne Steuern: MRS12 = - 1 ,
p2
wobei MRS12 = -(∂u/∂x1)/(∂u/∂x2) (= marginal rate of substitution, Anstieg
der Indifferenzkurve, wenn u eine Nutzenfunktion ist, die die
Präferenzen des Haushalts bez. der beiden Güter beschreibt). -p1/p2 ist
der Anstieg der Budgetgeraden.
- mit Steuer auf Gut 2: MRS12 = -
p1
.
p2 (1+ τ2 )
Steuern u. Staatsausg VI/15
Gleicher Steuersatz τ auf beiden Gütern wirkt in diesem Modell wie eine
Steuer auf das Einkommen (Budget). Die Budgetbedingung
p1(1 + τ)x1+ p2(1 + τ)x2 ≤ b kann umgeformt werden zu
(1 + τ)(p1x1 + p2x2) ≤ b.
Nach Division beider Seiten durch (1 + τ) ergibt sich
p1x1+p2x2 ≤ b/(1+ τ).
Dies ist äquivalent zu einer Budgetbedingung mit proportionaler Steuer τ' auf
das Budget (Einkommen):
p1x1 + p2x2 ≤ b(1 - τ'),
wenn τ' so, dass 1-τ' = 1/(1 + τ), d. h. wenn τ' = τ/(1 + τ).
Gleicher Steuersatz τ auf alle Güter (erhöht die Preise) und Steuersatz τ' auf
Einkommen (reduziert das Einkommen auf b(1- τ')) sind für rationalen
Haushalt äquivalent. Weil wir in diesem Modell annehmen, dass das Budget
b fix gegeben ist, unabhängig von der Haushaltsentscheidung, liegt hier eine
Pauschalsteuer vor.
Steuern u. Staatsausg VI/16
Verallgemeinerung im Modell mit n (soll heißen: mit einer großen Zahl von
Gütern:
- Verzerrende Steuer auf ein Gut, z. B. Steuersatz τ1 auf Gut 1:
p1(1+τ1) + p2x2 + ... + pnxn ≤ b.
Es treten Einkommens- und Substitutionseffekt auf.
- Gleicher Steuersatz τ auf alle Güter (wirkt in diesem Modell wie
Pauschalsteuer, weil Einkommen als fix angenommen, nur
Einkommenseffekt):
p1(1 + τ)x1 + p2(1 + τ)x2 + ... + pn(1 + τ)xn ≤ b,
bzw.
(1 + τ)(p1x1 + p2x2 + ... + pnxn) ≤ b,
bzw.
p1x1 + p2x2 + .... + pnxn ≤ b/(1 + τ).
Das ist äquivalent zu p1x1 + p2x2 + .... + pnxn ≤ b(1 - τ'),
wenn 1 - τ' = 1/(1 + τ) bzw. τ' = τ/(1+τ).
Genauso umgekehrt: Wenn das Einkommen fix ist, so ist eine Steuer darauf
eine Pauschalsteuer, äquivalent zur Besteuerung aller Güter mit dem
gleichen Steuersatz.
Steuern u. Staatsausg VI/17
Besteuerung des Arbeitseinkommens im Modell der
Arbeits-Freizeit-Entscheidung
Parameter: w (gegebener Lohnsatz), F0 (verfügbare Zeit), Preis von c wird als 1
angenommen. Entscheidungsvariable: c (Konsum, finanziert aus Einkommen
wL, nun nicht mehr fix), F (Freizeit, bzw. L = F0 - F ... Arbeitszeit).
Konsum c
Gegebene Präferenzen (dargestellt durch
Indifferenzkurven) über c und F,
A
A'
=
=
Budgetgerade AF0 (ohne Steuer), G0 optimaler Punkt.
G0
J
Budgetgerade A'F0 (mit proportionaler Steuer auf
Arbeitseinkommen, Steuersatz τl), G1 optimaler Punkt.
H
tan α = w (Preis der Freizeit,
Opportunitätskosten)
G2
G1
tan β = w(1-τl) (Steuer senkt
Preis der Freizeit)
Steueraufkommen G1H .
0
L
Arbeitszeit
F0
F
Freizeit
Steuern u. Staatsausg VI/18
Theoretische Wirkungen einer proportionalen Steuer mit Steuersatz τl auf
Arbeitseinkommen:
A) Es entsteht eine Zusatzlast (excess burden) wie bei verzerrender Steuer auf
ein Gut (siehe früher), wegen Substitutionseffekt. In der Graphik dadurch
illustriert, dass bei einer Pauschalsteuer (Parallelverschiebung der
Budgetgeraden, sodass der Haushalt gleich gut gestellt ist wie bei
proportionaler Steuer) ein höheres Aufkommen entsteht ( G2J > G1H ).
B) Verhaltenswirkung: Einkommenseffekt (G0 → G2) der Steuer bewirkt, dass
Freizeit - wenn normales Gut – zurück geht, Arbeitszeit steigt.
Substitutionseffekt (G2 → G1) bewirkt, dass Freizeit relativ billiger wird, daher
mehr Freizeit, weniger Arbeitszeit.
Gesamteffekt (G0 → G1) auf die Arbeitszeit ist - theoretisch – unbestimmt, im
Diagramm so gezeichnet, dass die Arbeitszeit zurückgeht.
Empirisch gefunden: eher geringe Elastizität des Arbeitsangebots in Bezug
auf den (Netto-)Lohnsatz. (D. h. Einkommenseffekt und Substitutionseffekt
sind etwa gleich groß.)
Steuern u. Staatsausg VI/19
Axel H. Börsch-Supan
"Demographie, Arbeitsangebot und
die Systeme der Sozialen
Sicherheit"
in: Sozialpolitik auf dem Prüfstand,
Leitlinien für Reformen, (Hrsg.)
Horst Siebert (1996)
kompensierte Lohnelastizität:
Substitutionseffekt
Einkommenselastizität insgesamt:
Einkommenseffekt
umkompensierte Lohnelastizität:
Gesamteffekt
Steuern u. Staatsausg VI/20
Lohnelastizität der Teilnahme am Erwerbsleben
Quelle: Winter-Ebmer, 2008, Daten aus dem österreichischen Mikrozensus..
Steuern u. Staatsausg VI/21
Lohnelastizität der Arbeitsstunden
Quelle: Winter-Ebmer. 2008, Daten aus dem österreichischen Mikrozensus.
Steuern u. Staatsausg VI/22
Möglichkeit der backward bending labour supply curve:
Nettolohnsatz
Falls die Arbeitsangebotskurve so verläuft,
dann bedeutet das:
In diesem Bereich dominiert der
Einkommenseffekt den Substitutionseffekt,
Arbeitsangebot sinkt mit steigendem
Lohnsatz.
0
Arbeitsangebot
Steuern u. Staatsausg VI/23
Nichtlineare Budgetlinie (keine Gerade) bei progressiver Steuer auf
Arbeitseinkommen:
Z. B. bei Stufengrenzsatztarif mit Grenzen r1,r2: Linie A'F0 mit Knick bei r1 bzw. r2,
Nettolohnsatz einer Person wird geringer bei höherem Einkommen (höherer
c
Arbeitszeit).
A'
Analyse ähnlich wie bei
proportionaler Steuer
r2
r1
0
F0
F
Vergleiche weiters auch die Überlegungen zu den Problemen bei
einkommensabhängigen Transfers (Armutsfalle) in "Marktwirtschaft und
Staat", Kap. IX.
Steuern u. Staatsausg VI/24
Analytische Darstellung der Arbeits-Freizeitentscheidung
Budgetbeschränkung (Entscheidungsvariable: c und F bzw. L). Preis
von c sei 1.
- ohne Steuer
c ≤ wL = w(F0 - F), umformuliert zu c/w + F ≤ F0,
- mit proportionaler Steuer τl auf Arbeitseinkommen:
c ≤ w(1 - τl)(F0 - F), umformuliert zu c/(w(1-τl)) + F ≤ F0,
das ist äquivalent zu c(1 + τ)/w + F ≤ F0, wenn Steuer τ auf den
Konsum so, dass 1 + τ = 1/(1-τl), also wenn τ = τl/(1- τl).
Optimalitätsbedingung für die Entscheidung des Haushalts über
Einkommen und Freizeit:
- ohne Steuer: MRSFc = -w, wobei MRSFc = -(∂u/∂F)/(∂u/∂c), wenn u
eine Nutzenfunktion ist, die die Präferenzen des Haushalts
über Freizeit und Konsum beschreibt.
- mit Steuer: MRSFc = -w(1 - τl).
Verzerrung wegen Änderung des Preisverhältnisses.
Steuern u. Staatsausg VI/25
Verallgemeinerung des Modells: Verwendung des Einkommens für den
Konsum von n Gütern. Parameter sind die Güterpreise p1 ..., pn sowie F0
und w, Entscheidungsvariable sind die Konsummengen x1, ..., xn der
Güter sowie F bzw. L.
Budgetbeschränkung
- ohne Steuern: p1x1 + p2x2 + ... + pnxn ≤ wL [= w(F0 - F)],
- mit Steuer auf Arbeitseinkommen:
p1x1 + p2x2 + ... + pnxn ≤ w(1 - τl)L.
Beachte: In diesem Modell wirkt die Besteuerung des
Arbeitseinkommens wie die Besteuerung aller Güter mit einem
einheitlichen Steuersatz τ, wenn gilt: 1/(1+τ) = 1-τl bzw. τl = τ/(1+τ). (Vgl.
vorheriges Modell). Ebenso umgekehrt: ein einheitlicher Steuersatz
(etwa Umsatzsteuer) auf alle Güter wirkt wie eine proportionale Steuer
auf das Arbeitseinkommen. Aber keine Pauschalsteuer, sondern
Verzerrung der Arbeits-Freizeit-Entscheidung.
Steuern u. Staatsausg VI/26
Besteuerung des Kapitaleinkommens, Ersparnis im
Modell der intertemporalen Konsumentscheidung
Haushalt plant Konsum über zwei Perioden ("Gegenwart","Zukunft").
Parameter: w1, w2 ... Arbeitseinkommen (als fix angenommen) in den beiden
Perioden; Zinssatz r. Preis des Konsums ist als 1 in jeder Periode
angenommen.
Entscheidungsvariable: c1, c2 ... Konsum in den beiden Perioden (sowie s1 = w1c1 ... Ersparnis in Periode 1).
c2
Gegebene Präferenzen (ausgedrückt
durch Indifferenzkurven) über Konsum
c1, c2 in beiden Perioden
w1(1+r) + w2 A
H0
W
w2
Fall 1: positive Ersparnis in Periode 1,
d. h. s1 > 0.
tan α = 1 + r, Anstieg der
Budgetgeraden AB
Zinssatz verringert den
Gegenwartspreis des
Zukunftskonsums auf 1/(1+r) .
B
0
s1>0
w1
w1+
w2
1+r
c1
Steuern u. Staatsausg VI/27
Je nach den Werten der Parameter bzw. der Lage der
Indifferenzkurven (Präferenzen), kann die gewählte (optimale)
Ersparnis auch negativ sein (Verschuldung). Im Diagramm sind
der Sparzinssatz und der Kreditzinssatz als gleich angenommen
(wenn letzterer größer ist, verläuft die Budgetgerade unterhalb von
W steiler als oberhalb).
c2
Fall 2: negative Ersparnis in
Periode 1, d. h. s1 < 0.
A
w2
0
W
H0
w1
s 1< 0
B
c1
Steuern u. Staatsausg VI/28
Effekt einer proportionalen Besteuerung des Zinseinkommens mit
Satz τe auf die Ersparnis: Nettozinssatz r(1-τe). (Es kann zusätzlich
eine Steuer τl auf Arbeitseinkommen geben, aber das wäre im
vorliegenden Modell eine Pauschalsteuer, weil fixes Arbeitseinkommen
angenommen wurde - daher weggelassen.)
c2
A
Budgetgerade ohne Steuer: AB
A'
Budgetgerade mit Steuer: A'B'
H0
H1
w2
W
Lage der Budgetgeraden und der
Indifferenzkurve ist so angenommen, dass
s1 > 0 auftritt. Außerdem ist Sparzinssatz
gleich Kreditzinssatz angenommen.
tan β = 1 + r(1-τe)
0
w1
B B'
c1
Steuern u. Staatsausg VI/29
Im Fall einer positiven Ersparnis (s1 > 0) schränkt die Steuer τe die
Konsummöglichkeiten ein, im Fall einer Verschuldung erweitert
die Steuer die Konsummöglichkeiten (unter der Annahme, dass
die Schuldzinsen abzugsfähig sind - von der sonstigen
Steuerschuld bzw. wenn es eine negative Steuer gibt, ansonsten
würde A'WB als Budgetbeschränkung gelten - Knick in W).
Wie bisher: Einkommens- und Substitutionseffekt durch die Steuer τe.
A) Wohlfahrtsverlust wegen Substitutionseffekt, wie bisher.
B) Verhaltenswirkung (im Fall 1, d. h. s1 > 0): Einkommenseffekt
bewirkt, dass c1 (und c2) zurück gehen, wenn normale Güter, d. h.
die Ersparnis s1 = w1 - c1 steigt.
Substitutionseffekt bewirkt, dass c1 steigt (weil es im Verhältnis zu
c2 nun relativ billiger ist), somit sinkt die Ersparnis s1.
Gesamteffekt auf die Ersparnis ist - theoretisch - unbestimmt.
Steuern u. Staatsausg VI/30
Zinselastizität der Ersparnis
Empirische Untersuchungen: Die meisten Studien zeigen
geringere Zinselastizität, sie liegt zwischen 0 und 0.4 %.
(Einkommenseffekt etwa gleich groß wie Substitutionseffekt)
Einige Beispiele
– Hall (1988)
– Dynan (1993)
– Skinner (1985)
– Blundell, Meghir, Neves (1993)
– Attanasio, Weber (1995)
0%
0%
0,3 – 0,5 %
0,5 %
0,6 – 0,7 %
Quelle: Engelhardt, Kuman. Federal Feserve Bank of Dallas. 2007.
Steuern u. Staatsausg VI/31
Analytische Darstellung der intertemporalen
Konsumentscheidung
Person lebt für zwei Perioden, z. B. als Erwerbsphase und
Pensionsphase interpretiert.
Vereinfachung: Wir betrachten ein Modell mit w2 = 0, dafür mit
zusätzlich ein Steuersatz τl auf Arbeitseinkommen, neben τe auf
Kapitaleinkommen. Bei synthetischer (und proportionaler)
Einkommensteuer gilt: τl = τe.
Budgetbeschränkung (in Gleichheitsform):
(Periode 1),
- ohne Steuer:
c1 = w1 - s1
c2 = s1(1 + r) (Periode 2), bzw. s1 = c2/(1+r),
zusammengefasst (eingesetzt in erste Gleichung): c1 +
- mit Steuern τl,τe :
c2
= w1.
1+ r
c1 = w1(1 - τl) - s1,
c2 = s1(1 + r(1 - τe)), bzw. s1 = c2/(1+r(1- τe)),
somit c1 +
c2
1 + r(1 − τe )
= w1(1 - τl).
Steuern u. Staatsausg VI/32
Optimalitätsbedingung für die Haushaltsentscheidung
über c1,c2 (und s1):
-
ohne Steuer: MRSc1c 2= -(1 + r), wobei MRSc1c 2 : - (∂u/∂c1)/(∂u/∂c2),
wenn u eine Nutzenfunktion ist, die die Präferenzen des Haushalts
über c1, c2 beschreibt.
-
mit Steuer: MRSc1c 2 = -(1 + r(1 - τe)).
Verzerrung durch τe (Gegenwartspreis des Zukunftskonsums steigt)
wegen Änderung des Preisverhältnisses.
Steuern u. Staatsausg VI/33
Diskussion: soll man Kapitaleinkommen besteuern? Historisch gesehen, gab
es nach dem 2. Weltkrieg in vielen Staaten sehr hohe Steuersätze auf
Kapitaleinkommen (bis etwa 90 %), sie wurden in den letzten
Jahrzehnten deutlich gesenkt. In Österreich früher normale
Einkommensteuer (max. 62 % bis 1988), jetzt KESt (25 %). Ähnlich in
Skandinavien und Deutschland (Dual Income Tax): eigener und
niedrigerer Steuersatz auf Kapitaleinkommen, getrennt vom sonstigen
Einkommen.
Generell: Wenn man das Steueraufkommen gleich hoch halten möchte und
Kapitaleinkommen nicht besteuert, müssen andere Steuersätze (auf
Arbeitseinkommen oder Konsum) höher sein.
Argumente gegen Steuer auf Kapitaleinkommen:
a) doppelte Besteuerung: es wird schon das Arbeitseinkommen besteuert,
dann noch einmal, wenn gespart wird und daraus Kapitaleinkommen
entsteht und dieses wieder besteuert wird. Nicht stichhaltig: auch (schon
versteuertes) Einkommen, das für den Konsum verwendet wird, unterliegt
dann noch der Umsatzsteuer. Außerdem ist auch ein Teil der
Steuern u. Staatsausg VI/34
Arbeitseinkommen auf "Humankapitalinvestitionen" (Ausbildung)
zurückzuführen, die aus versteuerten Einkommen finanziert wurde (Eltern
für die Kinder). Dieser Teil dürfte dann auch nicht besteuert werden.
b) Steuerfreiheit der Kapitaleinkommen fördert Ersparnisse und damit
Investitionen.
Gedanke: Im (neo-) klassischen Modell wirkt Ersparnis positiv für die
Gesamtwirtschaft, jedenfalls langfristig (Annahme: Gegebenes
Sozialprodukt = Gesamteinkommen, dieses kann für Konsum oder
Ersparnis verwendet werden, wobei der gesparte - nicht konsumierte - Teil
des Sozialprodukts für Investitionen verwendet werden kann, also
zukünftige Produktion ermöglicht).
Einwand aus keynesianischer Sicht: kurzfristig wirkt Ersparnis zunächst
negativ, als Nachfrageausfall, der nicht unmittelbar durch eine höhere
Investition ausgeglichen wird und daher zu geringerer Produktion, also zu
geringerem Sozialprodukt führt.
Steuern u. Staatsausg VI/35
Außerdem: Empirische Evidenz zeigt keine (große) Elastizität der
Ersparnis in Bezug auf den Nettozinssatz. In Österreich ist die Sparquote
ohnehin relativ hoch.
c)
Durch Verzicht auf die Besteuerung der Kapitaleinkommen wäre der
gesamte Wohlfahrtsverlust durch das Steuersystem geringer (trotz
höherem Steuersatz auf Arbeitseinkommen und/oder Konsum).
Dieses Argument kann man nur anhand eines theoretischen Modells
klären (Theorie optimaler Besteuerung). Manche Modelle führen zu
diesem Ergebnis, aber andere nicht.
Insgesamt: Frage bleibt (auch unter Ökonomen) weiterhin umstritten.
Steuern u. Staatsausg VI/36
Weitere Idee: nicht das gesamte Einkommen besteuern, sondern nur den
Konsum, d. h. Ersparnis ausnehmen (persönliche (Konsum-)
Ausgabensteuer - expenditure tax).
Im Weiteren zeigen wir die Äquivalenz der folgenden drei Möglichkeiten:
(i) Eine proportionale Steuer nur auf Arbeitseinkommen (nicht auf
Zinseinkommen - zinsbereinigte Einkommensteuer).
(ii) Eine proportionale Einkommensteuer, bei der die Ersparnis
ausgenommen wird, aber Entsparen wie (Arbeits-)Einkommen
besteuert wird (sparbereinigte Einkommensteuer, expenditure tax).
(iii) Eine einheitliche proportionale Steuer auf den Konsum in beiden
Perioden.
Im Besonderen sind die beiden Varianten (ii) und (iii) äquivalent zur
Variante (i), bei der Kapitaleinkommen nicht besteuert werden. (i) und
(ii) stellen bloß andere Wege der Einhebung dar. Zur prinzipiellen
Sinnhaftigkeit siehe die vorhergehende Diskussion
Steuern u. Staatsausg VI/37
Budgetbedingung (vgl. Folie VI/31)
(i) bei zinsbereinigter Einkommensteuer (Steuer τl auf
Arbeitseinkommen, τe = 0):
c1 = w1(1 - τl) - s1,
c2 = s1(1 + r),
somit
c1 + c 2 = w1(1 - τl).
1+ r
(ii) bei sparbereinigter Einkommensteuer (Steuer τl nur auf w1-s1 in der
1. Periode, aber dann auch auf die gesamte Rückzahlung s1(1+r) in
der 2. Periode):
c1 = w1 - s1 - τl(w1 - s1) = (w1 - s1)(1 - τl),
c2 = s1(1 + r)(1 - τl),
somit
c2
c1 +
= w1(1 - τl).
1+ r
Steuern u. Staatsausg VI/38
Gleiche Budgetbedingung wie in (i).
(iii) bei einheitlicher Konsumbesteuerung mit gleichem Steuersatz
τc in beiden Perioden: (gedanklich: Preise p1 = p2 = 1)
c1(1 + τc) = w1 - s1,
c2(1 + τc) = s1(1 + r),
somit c1(1 + τc) +
bzw. c1 +
c 2 (1 + τc )
1+ r
= w1,
1
c2
= w1
.
1+ τc
1+ r
Diese Bedingung ist (wie von früher bekannt), äquivalent zu
c1 + c 2 = w1(1 − τl ),
1+ r
falls τl so gewählt wird, dass 1 − τl = 1/(1 + τc ). Gleiche
Budgetbedingung wie in (i) und (ii).
Steuern u. Staatsausg VI/39
Somit: Bei allen drei Varianten ist die Budgetbeschränkung
identisch, Haushalt hat stets genau die gleichen Konsummöglichkeiten. Daher wird er gemäß seinen (fixen) Präferenzen stets
das gleiche Konsumgüterbündel wählen.
Allerdings: Unterschiedliche Übergangseffekte beim Systemwechsel
bzw. bei Einführung, Altersgruppen sind unterschiedlich betroffen.
Außerdem: Unterschiede bei progressiver Besteuerung. Nur eine
(persönliche) Einkommensteuer (eventuell auch eine persönliche
Ausgabensteuer) kann progressiv gestaltet sein (gesamtes
persönliches Einkommen, eventuell gesamte persönliche gesamte
Ausgaben werden erfasst), nicht aber eine (indirekte) Besteuerung
der Konsumgüter (- nur proportionaler Aufschlag auf den Preis
möglich, unabhängig von der persönlichen Situation des/der
Käufers/in).
Allgemeine Fragen: Wie rational sind Haushalte? Wie weit
beschreiben die Modelle das tatsächliche Verhalten? Nehmen die
Haushalt äquivalente Steuersysteme tatsächlich als solche wahr?
Steuern u. Staatsausg VI/40
Verallgemeinerung der intertemporalen Budgetbeschränkung:
Lebensdauer beträgt T Perioden (z. B. 80 Jahre), Erbschaft I (am
Beginn), Vererbung B (bei Lebensende), konstanter Zinssatz r
angenommen.
ct,wt = Konsum, Arbeitseinkommen in Periode t.
T
T
ct
wt
B
I
.
+
=
+
∑
∑
t
T
t
(1
r)
(1
r)
(1
r)
+
+
+
t =0
t =0
Die linke Seite beschreibt die Verwendung, die rechte die Zuflüsse.
Verschuldung oder Ersparnis in einzelnen Perioden möglich.
Beachte: nur die Erbschaft I und die Arbeitseinkommen wt, nicht
das Kapitaleinkommen, bestimmen das Lebenseinkommen.
Beachte: Vermögensteuer ist äquivalent zur Steuer auf
Kapitaleinkommen - wenn es solche (in ausreichender Höhe) gibt!
Steuern u. Staatsausg VI/41
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