Strahlende Mikrokugeln gegen Leberkrebs

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HIRSLANDEN KLINIK ST. ANNA
Neue Tumortherapie: Selektive Interne Radiotherapie (SIRT)
Strahlende Mikrokugeln gegen Leberkrebs
Von PD Dr. med. Sebastian Kos, Prof. Dr. med. Augustinus L. Jacob, Dr. med. Udo Schirp,
PD Dr. med. Stephan Wildi, Prof. Dr. med. Martin Schilling, Dr. med. Hubert Schefer
Die Selektive Interne Radiotherapie
oder Radioembolisation ist eine neuartige Behandlungsmöglichkeit für primäre Lebertumore oder Lebermetastasen
verschiedener anderer Primärtumoren,
bei der hohe Strahlungsdosen direkt in
die Tumore appliziert werden. Für diese
Therapie sind Patienten geeignet, deren
Lebertumore nicht chirurgisch entfernt
werden können bzw. bei denen lokal ablative Massnahmen oder Standard(chemo)
therapien keinen Erfolg mehr zeigen.
Bei dieser minimalinvasiven Behandlung werden Millionen winziger radioaktiver SIR-Spheres® Mikrosphären über
einen Katheter in die Leber infundiert,
wo sie mit einer bis zu 40-fach höheren
Strahlendosis als bei der konventionellen
Radiotherapie Lebertumoren gezielt von
innen angreifen und dabei das gesunde
Gewebe schonen.
Diese winzigen biokompatiblen Mikropartikel haben im Mittel einen Durchmesser von ca. 32 µm (Bereich von 20 – 60
µm) (Abb. 1), sind also in etwa so gross
wie vier rote Blutkörperchen oder wie ein
Drittel des Durchmessers eines menschlichen Haares. Sie tragen den Betastrahler
90-­Yttrium und kumulieren in den präkapillären Arteriolen des Tumors, wo sie
dauerhaft im Tumorbett verbleiben. Die
und entfalten daher ihre strahlentherapeutische Wirkung nur im Tumor, während
das gesunde Leberparenchym kaum beeinträchtigt wird. Die Halbwertzeit des
Betastrahlers beträgt etwa 64 Stunden (2,5
Tage), so dass nach ca. zwei Wochen der
Grossteil der Strahlung (mehr als 97 %)
abgegeben ist
Abbildung 1: Applikations-Einheit mit
Mikrospähren am Boden der Einheit
(Bernsteinfarben).
beim Zerfall des 90-Yttrium emittierten
Betastrahlen haben eine Penetrationstiefe
von durchschnittlich 2,5 mm im Gewebe
01/05
02/05
05/05
08/05
Das SIRT-Verfahren macht sich die
Tatsache zunutze, dass die Leber von
zwei Gefässsystemen versorgt wird. Während das normale, gesunde Lebergewebe
zu über 75 % von der Pfortader versorgt
wird, erhalten Lebertumore und Lebermetastasen ihre Blutversorgung zu 90 %
aus der Leberarterie. Da die SIR-Spheres
Mikrosphären über den Katheter direkt in
die Leberarterie injiziert werden, kumulieren sie in sehr viel höherer Konzentration im Tumor als im gesunden Gewebe.
Studien haben gezeigt, dass die Konzentration des Betastrahlers nach der Applikation im Tumor besonders hoch ist und
somit zu einer mehrere Tage andauernden
inneren Bestrahlung der Lebertumore
führt. Dadurch stirbt das Tumorgewebe ab
und die Krankheit kann sich stabilisieren.
In einzelnen Fällen werden die Lebertumore durch die Behandlung so stark reduziert, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt
chirurgisch entfernt werden können.
Beispiel 1
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Luzerner Arzt 98/2014
Beispiel 2
20.04.2011
23.08.2011
14.10.2011
Abbildung 2: Beispiele mit mestastasiertem kolorektalem Karzinom vor Therapie und jeweils mehrere Monate nach SIRT. Isolierter
rechts hepatischer Befall (Bsp 1.) mit Schrumpfung und fehlendem Tumornachweis 7 Monate nach Therapie. Multifokaler Befall (Bsp.
2) mit massiver Reduktion der Tumorlast 6 Monate nach Therapie.
Palliatives Verfahren für mehr Lebensqualität
Bei der SIRT handelt es sich um ein palliatives Verfahren, welches eingesetzt wird,
um die Überlebenszeit des Patienten bei
guter Lebensqualität zu verlängern. Sie
führt – ähnlich wie die Chemotherapie –
nur in seltenen Fällen zu einer kompletten
Heilung der Erkrankung.
Klinische Studien belegen, dass Patienten mit Lebermetastasen eines kolorektalen Karzinoms, die mit SIR-Spheres
Mikrosphären behandelt wurden, höhere
Ansprechraten aufweisen als bei anderen
Behandlungsformen. Dies führt zu einer
höheren Lebenserwartung, längeren Zeiträumen ohne Tumoraktivität und einer
verbesserten Lebensqualität. Es zeigt sich,
dass SIRT die Grösse von Lebermetastasen eines kolorektalen Karzinoms stärker
reduziert als eine alleinige Chemotherapie
(Abb. 2).
Derzeit werden zahlreiche prospektive,
randomisierte mehrjährige Studien mit
SIR-Spheres Mikrosphären durchgeführt,
u.a. zur Behandlung von Patienten mit
Metastasen des kolorektalen Karzinoms
und zur Behandlung von Patienten mit
hepatozellulärem Karzinom (HCC), die
untersuchen, ob eine Kombination von
Chemotherapie und Radioembolisation
die Überlebenszeit von Patienten weiter
verbessern können.
Für die SIRT sind nur Patienten geeignet, bei denen die Erkrankung ausschliesslich oder hauptsächlich in der Leber vorliegt und bei denen andere Organe wie z.B.
Lunge oder Lymphknoten im wesentlichen
frei von weiteren Tumormanifestationen
sind, da diese durch die Radioembolisation nicht mitbehandelt werden. Weitere
Kontraindikationen für diese Therapie sind
eine vorbestehend stark eingeschränkte
Leberfunktion sowie schwere, die Lebenserwartung stark beeinträchtigende Begleiterkrankungen.
Vorabklärungen
Eine gründliche Planung und Vorbereitung des Patienten im Vorfeld einer SIRTBehandlung ist unerlässlich. Um zunächst
beurteilen zu können, ob ein Patient geeignet ist, sind aktuelle Schnittbildunter­
suchungen wie Computertomographien (CT), Magnetresonanztomographien
(MRT) oder PET/CT-Untersuchungen notwendig. Auch eine genaue Kenntnis der bisherigen Krankengeschichte, einschliesslich
der bereits durchgeführten Chemotherapien ist, neben aktuellen Arzt- und Operationsberichten, wichtig für die Beurteilung.
Nach interdisziplinärer Diskussion im Tumorboard bestehend aus Onkologen, Gastroenterologen, Chirurgen sowie in der minimalinvasiven Tumortherapie erfahrenen
interventionellen Radiologen und Nuklearmedizinern sollte ein intensives Aufklärungsgespräch mit dem Patienten erfolgen.
suchung (SPECT-CT) wird das Leber- und
Tumorvolumen ermittelt und in Kenntnis
des zuvor festgestellten Leber-LungenShunts die exakte Dosis für den individuellen Patienten berechnet.
3. SIRT/Radioembolisation
Etwa 14 Tage nach der Testembolisation,
die für die Auswertung der Untersuchungen, die Behandlungsplanung und für die
Bestellung der individuellen Substanzmenge benötigt werden, erfolgt die eigentliche
Behandlung. Im Angiographieraum werden die radioaktiven Mikrosphären über
einen Katheter in die Leber appliziert
(Abb. 3). Der Patient ist bei dieser Behandlung, die in der Regel eine Stunde dauert,
bei Bewusstsein.
Verfahren in drei
Arbeitsschritten
1. Testembolisation
Die Testembolisation beinhaltet eine genaue Darstellung der Gefässsituation (Angiographie), den Verschluss (Embolisation)
von kleineren Arterien, die nicht zur Leber
führen sowie die Applikation einer Testsubstanz, die eine ähnliche Grösse wie die
Mikrosphären besitzt. Ziel der Testembolisation ist es festzustellen, ob die individuelle Gefässsituation des Patienten für eine
Radioembolisation geeignet ist. Wichtig ist
es auszuschliessen, dass die über die Leberarterie applizierten Sphären in andere
Oberbauchorgane gelangen (Fehlembolisation). Dazu wird in der Regel die Arteria
gastroduodenalis und die rechte Magenarterie verschlossen. Ggf. müssen weitere
atypische Gefässe verschlossen werden.
Darüber hinaus wird festgestellt, ob und in
welcher Menge Mikrosphären aus der Leberarterie in die Lunge gelangen können
(SPECT-CT zur Ermittlung und Quantifizierung des Leber-Lungen-Shunts).
2. Dosisberechnung
Anhand der aktuellen Schnittbildunter-
Abbildung 3: Schematische Darstellung des
Kathetereingriffs über die rechte Leiste.
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Abbildung 4: Darstellung von 2 Tumorknoten, welche via
A. hepatica versorgt werden.
Nebenwirkungen
Die Radioembolisation ist insgesamt
ein relativ nebenwirkungsarmes und insbesondere auch komplikationsarmes Verfahren. Nahezu alle Behandlungen und
Arzneimittel können jedoch unerwünschte Nebenwirkungen hervorrufen, die individuell unterschiedlich ausfallen können.
Unmittelbar nach einer SIRT berichten
einige Patienten über grippeartige Symptome wie Übelkeit, Brechreiz und seltener
Gliederschmerzen, Fieber, Schüttelfrost
und Oberbauchschmerzen, die üblicherweise nach kurzer Zeit und/oder mit routinemässig verabreichten Arzneimitteln
nachlassen. Eine Schädigung des gesunden Lebergewebes durch die applizierte
Strahlung (REILD – Radioembolisationinduzierte Lebererkrankung) tritt bei korrekter Indikationsstellung selten auf.
Seltene Komplikationen
Die möglichen Komplikationen der
Radioembolisation sind in ihrer schweren Form selten. Selbst bei Durchführung
durch einen erfahrenen Spezialisten besteht das Risiko, dass eine geringe Anzahl
der radioaktiven Partikel aus der Leber
in andere Organe des Körpers wie z.B.
Gallenblase, Magen, Darm oder Pankreas gelangen und dort extrahepatische
Abbildung 5: Mittels Mikrokatheter erfolgt die selektive Behandlung durch Injektion der Mikrosphären.
Komplikationen auslösen. Dies kann z.B.
eine Entzündung der Gallenblase (Cholezystitis), des Magens (Gastritis) oder des
Darms (Duodenitis) verursachen. Nur selten kann es zu einer strahleninduzierten
Pneumonitis kommen, wenn Mikrosphären durch Shunt-Verbindungen aus der
Leber in die Lunge gelangen. Der ganze
geschilderte Behandlungsprozess ist darauf abgestellt, unser Behandlungsteam ist
speziell geschult, um diese Risiken zu minimieren und ihr Auftreten zu verhindern.
Insgesamt ist die Radioembolisation
ein sehr sicheres Verfahren, wenn sie mit
entsprechender Umsicht angewendet wird
und die Patientenselektion und Patientenvorbereitung sehr sorgfältig und in enger
Kooperation aller Spezialisten durchgeführt wird.
Verfahren ist von den Krankenkassen
anerkannt
Das Verfahren der Radioembolisation
ist in dieser Form seit Ende der Neunziger
Jahre bekannt und wird intensiv erforscht.
Die SIRT ist in der Schweiz bereits seit
Jahren von der Allgemeinen Krankenver­
sicherung als wirksame Therapieform anerkannt. Bis anhin wurde diese Therapieform
jedoch ausschliesslich den Patienten in den
Schweizer Universitätskliniken angeboten.
Verfügbarkeit in der Innerschweiz
Neu wurde nun auch dem Institut für
Radiologie und Nuklearmedizin der Hirslanden Klinik St. Anna die BAG Bewilligung zur Durchführung der SIRT erteilt.
Entsprechend stellen wir diese Methode
und unsere Expertise gerne auch Patienten aus den übrigen Innerschweizer Spitälern und Praxen zur Verfügung.
Merke: Mögliche Indikationen
• Hepatozelluläres Karzinom
• Cholangiozelluläres Karzinom
• Hepatisch metastasiertes
Colorectales Karzinom
• Hepatisch metastasiertes
neuroendokrines Karzinom
• Hepatisch metastasiertes
Mamma-Karzinom
• Hepatisch metastasiertes
Aderhautmelanom
Institut für Radiologie und
Nuklearmedizin
Klinik St. Anna
St. Anna-Strasse 32
6006 Luzern
T 041 208 30 30
[email protected]
www.hirslanden.ch/radiologie-stanna
Infos unter
www.doxmart.ch
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Luzerner Arzt 98/2014
Durchführende Ärzte aus der interventionellen Radiologie und Nuklearmedizin:
PD Dr. med. Sebastian Kos
Facharzt FMH für Radiologie
Interventionelle Radiologie (EBIR)
Interventionelle Schmerztherapie (SSIPM)
Prof. Dr. med. Augustinus L. Jacob
Facharzt FMH für Radiologie
Interventionelle Radiologie (EBIR)
Interventionelle Schmerztherapie (SSIPM)
Dr. med. Udo Schirp
Facharzt FMH für Radiologie
Facharzt FMH für Nuklearmedizin
Partner aus der Gastroenterologie, Viszeralchirurgie und Onkologie
PD Dr. med. Stephan Wildi
Facharzt FMH für Gastroenterologie
Facharzt FMH für Innere Medizin
Prof. Dr. med. Martin Schilling
Facharzt FMH für Chirurgie,
spez. Viszeralchirurgie
Dr. med. Hubert Schefer
Facharzt FMH für Onkologie
Facharzt FMH für OnkologieHämatologie
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