Selektive Interne Radiotherapie (SIRT) Zur Behandlung von Lebertumoren Impressum Dies ist eine Informationsbroschüre des UniversitätsSpitals Zürich. Mit freundlicher Unterstützung der Firma Sirtex Medical Europe GmbH, Bonn 2 Sehr geehrte Ärztinnen und Ärzte Wir freuen uns, Ihnen in dieser Broschüre die Selektive Interne Radiotherapie (SIRT) – auch transarterielle Radioembolisation genannt – vorzustellen. SIRT ist eine minimalinvasive Krebstherapie für die Behandlung bösartiger Lebertumore. Das UniversitätsSpital Zürich (USZ) hat SIRT 2007 als erster Anbieter in der Schweiz eingeführt. Dabei arbeiten die Kliniken für Nuklearmedizin, Onkologie und das Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie eng zusammen. Bis Ende 2015 haben wir über 600 Therapien durchgeführt und können so auf eine grosse Erfahrung mit dieser Methode zurückgreifen. Die SIRT ist eine innovative Technik, die angewendet wird, wenn mit chirurgischen oder lokal-ablativen Verfahren das tumoröse Gewebe nicht vollständig entfernt werden kann. Dies trifft oft dann zu, wenn der Tumor bereits weit fortgeschritten ist. In dieser Broschüre erfahren Sie mehr darüber, wie SIRT wirkt, wie die Behandlung abläuft und welche Voraussetzungen die Patienten für eine solche Therapie erfüllen müssen. Freundliche Grüsse Prof. Dr. med. Thomas Pfammatter Dr. med. univ. Thomas Winder, MD-PhD 3 Eine erste Orientierung: Fünf Fragen und Antworten 1.Welche Patientinnen und Patienten können von der SIRT profitieren? Menschen mit – inoperablen primären Lebertumo- ren wie Leberzellkrebs oder Gallen- gangkrebs – inoperablen Lebermetastasen, die im Verlauf anderer Krebserkrankun- gen, entstehen (z.B. aus Darmkrebs) und auf die primären Systemthera- pien resistent sind oder – seltenen Tumoren mit Lebermetas- tasen, für die keine relevanten Sys- temtherapien etabliert sind. 2.Was sind die Voraussetzungen für eine erfolgversprechende SIRT? – inoperable Tumore (keine kurative Resektion/Ablation möglich) – keine Ansprache auf Chemothera- pie oder andere Systemtherapien – eine ausreichende Leberfunktion 3.Wie wirkt die SIRT? Die Selektive Interne Radiotherapie bestrahlt das tumoröse Gewebe in der Leber von innen und kann so zielgerichtet und mit geringen Neben- wirkungen eingesetzt werden. 4.Wird die SIRT von der Kranken- versicherung erstattet? Die SIRT wurde 2010 in den Katalog der krankenkassenpflichtigen Leis- tungen aufgenommen. Eine individu- elle Kostengutsprache für ausserkan- tonale Patienten ist nicht notwendig, wenn die Therapie ambulant durch- geführt wird – was die Regel darstellt. Auch eine Absprache mit dem Kan- tonsarzt ist nur notwendig, wenn die Behandlung nicht ambulant durchge- führt wird. Diese Absprache übernimmt das USZ. 5.Wer ist Ihr Ansprechpartner beim UniversitätsSpital Zürich? Für weitere Informationen und Abklä- rungen wenden Sie sich bitte an: Prof. Dr. med. Thomas Pfammatter, MD Diagnostische und Interventionelle Radiologie Tel. +41 44 255 32 69 Dr. med. univ. Thomas Winder, MD-PhD Medizinische Onkologie Tel. +41 44 255 22 14 Oder per Mail an: [email protected] 4 Der Nutzen: Welche Patientinnen und Patienten können von der SIRT profitieren? Die Selektive Interne Radiotherapie (SIRT) ist eine interventionelle onkologische Therapie für die gezielte Behandlung bösartiger Lebertumore. Indikationen Die Therapie ist für Lebertumore geeignet, die nicht operativ entfernt werden können. Dazu gehören z.B.: – fortgeschrittene primäre Lebertumore (Leberzellkarzinom, cholangiozellulä- res Karzinom) – Lebermetastasen als Folge von Tumo- ren in anderen Organen wie z.B. als Folge – des kolorektalen Karzinoms – des Mammakarzinoms – neuroendokriner Tumore Neben diesen Indikationen liegen auch bei einer Reihe weiterer Tumore erfolgversprechende Ergebnisse vor (z.B. Lebermetastasen beim Pankreaskarzinom oder Aderhautmelanom). Vorteile für Patientinnen und Patienten Die SIRT ist ein ambulantes Verfahren, das von den Patientinnen und Patienten in der Regel gut toleriert wird. Vor jeder Behandlung findet ein ausführliches Gespräch zu Therapiezielen, Behandlungsablauf und Wirkung statt. Die SIRT bietet je nach Primärtumor und Indikation der Patientin oder des Patienten unterschiedliche Nutzen. Sie kann beitragen zu – einer Verlängerung des Überlebens – einer Verlängerung der progressions- freien Zeit – einer Verkleinerung der Tumorlast – einer Verbesserung der Lebensqualität – einer Erhöhung der Ansprechraten auch bei therapierefraktären Erkran- kungen – Synergien in Verbindung mit Chemo- therapie oder als alleinige Behandlung – ihrer Alternative zu Resektion und Ablation – einer spätere Resektion 5 Die Therapieentscheidung: Wann ist eine SIRT zweckmässig? Voraussetzungen Patientinnen und Patienten sollten folgende Voraussetzungen erfüllen, damit eine möglichst komplikationsfreie Behandlung mit Aussicht auf Erfolg sichergestellt werden kann: – inoperable Lebertumore oder Leber- metastasen – Progression nach Chemotherapie oder keine Verfügbarkeit einer wirk samen Chemotherapie bei seltenen Tumoren – eine gute bis sehr gute Leberfunktion mit einem Bilirubin-Wert unter 35 μmol/L (< 1.5 x Norm) – Transaminasen < 5x der Norm – eine leberdominante Erkrankung – ein ausreichend guter Allgemein zustand (ECOG 0 – 1) Unterlagen Für die Entscheidung darüber, ob die Patientin oder der Patient für eine SIRT in Frage kommt, benötigt das Team im Spital: – einen umfassenden Arztbrief über die Vorgeschichte und die bisherige Be- handlung – einen Bericht des Pathologen mit der genauen Art und Klassifizierung des Tumors – die Voraufnahmen des Patienten, z.B. Computertomographie, PET/CT oder MRT-Aufnahmen (sofern vorhanden, ggf. erfolgt eine ergänzende Bildge- bung) – die aktuellen Laborwerte, insbeson- dere Blutbild, Gerinnung und Leber- werte Sobald sämtliche Unterlagen vorliegen, wird die Patientin oder der Patient in die Sprechstunde der Medizinischen Onkologie oder der Interventionellen Radiologie eingeladen, um den Eingriff zu besprechen. 6 Die Funktionsweise: Wie wirkt die SIRT? Im Gegensatz zur herkömmlichen Bestrahlung von ausserhalb des Körpers, die durch gesundes Gewebe hindurch zielt, wird bei der SIRT die Strahlenquelle über den Blutstrom direkt in den Tumor geleitet. Für die Behandlung werden über einen Mikrokatheter KunstharzKügelchen (Mikrosphären) lokal eingebracht. Diese sind mit dem Beta-Strahler Yttrium-90 angereichert und haben einen Durchmesser von rund 35 μm. Die SIRT macht sich hierbei die spezifischen Durchblutungswege der Leber zu Nutze: Gesundes Lebergewebe erhält einen Grossteil seiner Blutversorgung über die Pfortader und bedeutend weniger über die Leberarterie. Für Tumorgewebe in der Leber gilt das Gegenteil: Sie werden überwiegend über die Leberarterie mit Blut versorgt. Die Mikrosphären gelangen mit dem Blutstrom direkt in das gut durchblutete Tumorgewebe. Sie bleiben in den kleinen Gefässen, die den Tumor mit arteriellem Blut versorgen, hängen. Von dort strahlen sie über mehrere Tage (Halbwertszeit zirka 64 Stunden) im Umfeld von rund fünf Millimetern Reichweite und entwickeln dabei eine hohe lokale Wirkung. Aufgrund der geringen Reichweite erhält das gesunde Lebergewebe nur eine geringe Strahlenbelastung. Die Mikro- sphären können entweder in die gesamte Leber oder in jeden Leberlappen einzeln verabreicht werden. Sie werden in Kombination mit einer laufenden Chemotherapie oder auch als alleinige Therapie angewendet. Schnittbild der Leber mit zwei Lebermetastasen ( * ). Die nuklearmedizinische Untersuchung nach der SIRT zeigt eine selektive Anreicherung der strahlenden Kügelchen (Yttrium 90) in den Lebermetastasen. 7 Der Behandlungsablauf Die SIRT erfolgt in den drei Etappen; Vorbereitung, Therapie und Nachsorge. Dies wird in der Regel ambulant durchgeführt. 1. Etappe: Vorbereitung Zu Beginn der Behandlung bringt der Radiologe einen Katheter durch die Leistenarterie in die Leberarterie ein. Danach werden kleine Äste der Leberarterie verschlossen. Als Nächstes wird überprüft, ob möglicherweise ein Abfluss in die Lungengefässe (oder andere Organe, wie den Magen, den Darm, die Bauchspeicheldrüse) stattfindet. Zu diesem Zweck wird ein schwach strahlender Marker über den Katheter injiziert und dessen Verteilung gemessen. Ist der Abfluss in die Lunge zu hoch, kann die Therapie unter Umständen nicht durchgeführt werden. Nach dieser Intervention werden die Betroffenen während fünf Stunden am USZ überwacht. In dieser Zeit müssen sie eine Bettruhe einhalten. Anschliessend dürfen sie nach Hause gehen. Bild 1 Bild 2 Ziel der Vorbereitungsphase ist, zu verhindern, dass umgebende Organe ungewollt mitbestrahlt werden. Die Patientinnen und Patienten sollen nüchtern zur Vorbereitung erscheinen. Nach der Test-Behandlung am Abend dürfen sie wieder die gewohnte Kost zu sich nehmen. 8 Bild 3 2. Etappe: Therapie 3. Etappe: Nachsorge Die eigentliche Therapie erfolgt ein bis zwei Wochen später. Am Therapietag kommt der Patient nüchtern. Die Ärzte positionieren den Katheter und injizieren die Mikrosphären, wodurch sich die Wirkstoffe im Tumorgewebe anreichern. Unmittelbar nach der Therapie wird ein Szintigramm aufgenommen, um die Verteilung des Radionuklids zu dokumentieren. Danach halten die Patienten zirka fünf Stunden Bettruhe ein. In den zwei bis drei Tagen nach der Therapie sind sie nur reduziert leistungsfähig. Später können sie aber wieder ihrem gewohnten Tagesablauf folgen. Der Hausarzt oder der behandelnde Onkologe soll alle 14 Tage zur Überprüfung des Blutbilds sowie der Leber- und Nierenfunktion eine Blutabnahme vornehmen. Nach 3 Monaten wird eine Kontrolle der Leber mit MRT oder allenfalls eine FDG-PET-CT durchgeführt. Bild 1: Nach örtlicher Betäubung der Leiste wird durch einen Hautstich ein Katheter in die Arterie eingeführt und unter Durchleuchtung in die Leberarterie vorgeschoben. Bild 2: Die genau für den einzelnen Patienten errechnete Menge an strahlenden Kügelchen (Yttrium 90) liegt abgeschirmt im Plexiglasbehälter bereit. Bild 3: Zwei Spezialisten verabreichen die strahlenden Kügelchen über den vorgelegten Katheter in die Leber. 9 Seit Jahren erfolgreich: die SIRT am UniversitätsSpital Zürich Die SIRT wird seit 2007 in enger Zusammenarbeit den Kliniken für Nuklearmedizin, Onkologie und dem Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am UniversitätsSpital Zürich durchgeführt. Bis Ende 2015 wurden über 600 SIRT am UniversitätsSpital Zürich durchgeführt. Bei Fragen und für Anmeldungen wenden Sie sich bitte an: Ansprechperson Radiologie Prof. Dr. med. Thomas Pfammatter, MD UniversitätsSpital Zürich Diagnostische und Interventionelle Radiologie Rämistrasse 100 8091 Zürich Tel. +41 44 255 32 69 Ansprechperson Onkologie/ Nuklearmedizin Dr. med. Thomas Winder, MD-PhD UniversitätsSpital Zürich Medizinische Onkologie Rämistrasse 100 8091 Zürich Tel. +41 44 255 22 14 oder per Mail an: [email protected] 10 11