Selektive Interne Radiotherapie (SIRT): Behandlung von neuroendokrinen Tumoren Neuroendokrine Tumoren werden aufgrund ihres asymptomatischen Verhaltens häufig spät diagnostiziert und metastasieren im Verlauf der Erkrankung – im Fall von abdominalen Tumoren häufig in die Leber. Neben der chirurgischen Resektion, finden zunehmend palliative, lokal-ablative Behandlungsverfahren wie die selektive interne Radiotherapie (SIRT) Anwendung. Neuroendokrine Tumoren stellen eine klinisch und prognostisch heterogene Gruppe von Neoplasien dar. Sie entstammen neuraler oder endokriner Zellen und können in fast allen Organlokalisationen auftreten. Am häufigsten kommen sie im Gastrointestinaltrakt (GEPNET) vor und bilden im Spätstadium Metastasen in der Leber aus. Die Diagnostik und Therapie von GEP-NET erfolgt auf Basis des aktualisierten Grading- und Stagingsystem der WHO aus dem Jahr 2010.[1] Dieses nimmt eine Klassifikation der Tumoren hinsichtlich ihres Differenzierungsgrades sowie ihres Proliferationsverhaltens in neuroendokrine Tumoren Grad 1 bis 3 vor. Zudem reflektieren, bündeln und konkretisieren die von der europäischen Fachgesellschaft für Neuroendokrine Tumoren (European Neuroendocrine Tumor Society ENETS) publizierten Leitlinien zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge die in den vergangenen fünf bis sechs Jahren publizierten Daten zu gastroenteropankreatischen Neoplasien (GET-NET). Hierin finden insbesondere neue, europaweit zugelassene molekular-zielgerichtete Therapien für das Management von Metastasen Beachtung und Positionierung. Zudem werden die Rollen von Chirurgie, lokal ablativen Verfahren als auch Bildgebung und Pathologie definiert. Selektive Interne Radiotherapie zur Behandlung von Lebermetastasen Zwar ist die chirurgische Resektion bei der Behandlung von neuroendokrinen G1- und G2Tumoren die einzige kurative Option. Sie kommt jedoch primär nur bei 5-15 Prozent der Patienten in Frage. Alternativ oder ergänzend hierzu werden insbesondere bei nicht resektablen hepatischen Metastasierungen auch lokal-ablative Verfahren eingesetzt. Neben der transarteriellen (Chemo-)Embolisation hat auch die selektive interne Radiotherapie (SIRT) in den letzten Jahren bei der Behandlung von ausschliesslich oder dominant in die Leber metastasierten neuroendokrinen Tumoren (mNET) Einzug in das therapeutische Spektrum erhalten. Aufgrund des hohen Komplexitätsgrades der Tumorentitäten ist die bestmögliche Behandlungsstrategie jedoch für jeden Patienten individuell im Rahmen eines multidisziplinären Tumorboards festzulegen. Kommt ein Patient für die SIRT in Frage, übernehmen Nuklearmediziner und Interventionelle Radiologen die weitere Behandlung. Das Team bringt Yttrium-90 markierte HarzMikrosphären über einen Leistenkatheter in die Arteria hepatica ein. Die injizierten Mikrokügelchen wandern mit dem Blutstrom zum tumorösen Gewebe, bleiben in den Kapillaren hängen und geben dort punktgenau ihre Strahlung an die Tumoren ab. Umliegende Organe und gesunde Zellen werden dabei weitestgehend geschont. Die SIRT kann die Prognose und die Lebensqualität für Patienten mit neuroendokrinen Tumoren verbessern. Klinische Phase II-Studien belegen die Effektivität der SIRT in Bezug auf Tumorremission oder Stabilisierung der Erkrankung bei mNET. So untersuchte eine prospektive Studie[4] mit 34 Patienten mit progredierten nicht resektablen Lebermetastasen die Wirksamkeit der SIRT als Firstline-Therapie in Kombination mit einer systemischen Infusion von 5FU. Neben einer Verbesserung der tumorassoziierten Symptome bei der Hälfte der Patienten konnte bei 18 Prozent ein vollständiges und bei 32 Prozent ein partielles Therapieansprechen erzielt werden. Bei 15 Prozent der Patienten führte die SIRT zu einer Stabilisierung der Erkrankung. Das mediane Überleben nach 35 Monaten betrug fast 60 Prozent. Im Rahmen einer retrospektiven multizentrischen Studie[5] mit 148 stark vorbehandelten Patienten mit nicht resezierbaren NET-Lebermetastasen führte die SIRT bei 2,7 Prozent der Patienten zu einem vollständigem, bei 60,5 Prozent zu einem partiellen Ansprechen und bei 22,7 Prozent zu einer Stabilisierung der Erkrankung. Die mediane Überlebenszeit betrug 70 Monate. Erste retrospektive, allerdings nicht-randomisierte Untersuchungen an kleineren Patientenkollektiven zeigen darüber hinaus, dass die SIRT alternativ zur transarteriellen Chemoembolisation (TACE) in der First- und Secondline-Therapie inoperabler mNET (G1/G2) eingesetzt werden und im Vergleich zur TACE das progressionsfreie Überleben verdoppeln kann.[6] Wichtig anzumerken ist, dass selbst nach bereits durchgeführter Peptidrezeptor-vermittelter Radionuklidtherapie (PRRT) in der Vorgeschichte, ein sicherer und erfolgreicher Einsatz der SIRT möglich erscheint, wie in einer weiteren retrospektiven Untersuchung gezeigt werden konnte.[7] Damit ist die SIRT ein sicheres und effektives Verfahren zur Therapie von neuroendokrinen Tumoren. Am UniversitätsSpital Zürich behandeln wir jährlich etwa 75 Patienten mit SIRT. Die Therapie weist eine hohe Rate an Tumor- und Symptomkontrolle[2,3] auf und kann auch noch bei stark befallener Leber eingesetzt werden. In speziellen Situationen ist ihr Einsatz als “Upfront”-Verfahren möglich, in den meisten Fällen werden Patienten in der fortgeschrittenenen Situation nach multiplen Vortherapien mit einer SIR Therapie behandelt. Weitere Studien müssen jedoch ihren Einsatz als Monotherapie und in Kombination mit anderen Therapieoptionen überprüfen. Referenzen [1] Rindi G, Arnold R, Bosman FT et al. International Agency for Research on Cancer (IARC) 2010: 13-14 [2] Seidensticker R et al. Cardiovasc Interv Radiol 2012; 35: 1066-1073. [3] Cosimelli M et al. Br J Cancer 2010; 103: 324-331. [4] King J et al. Cancer 2008; 113: 921-929. [5] Kennedy AS et al. Am J Clin Oncol 2008; 31: 271-279 [6] Yuhsin V. Wu et al. J Clin Oncol 2012; 30, (suppl 4; abstr 300) [7] Ezziddin et al., J Nucl Med. 2012; 53:1663-9. Autor Prof. Dr. Niklaus Schäfer Klinik für Medizinische Onkologie und Klinik für Nuklearmedizin UniversitätsSpital Zürich E-Mail: [email protected]