Pathophysiologie-Seminar Wintersemester 2002/2003 Institut für klinische Physiologie der FU-Berlin Herzinsuffizienz - Neue Diagnostik- und Therapieansätze Referent: Torsten Semmler Betreuer: Prof. Dr. Ebel 1. Pathophysiologische Grundlagen Förderleistung des gesunden Herzens: in Ruhe: 5 l/min Maximum bei Belastung: 25-30 l/min Beeinträchtigung dieser Leistung bei Belastung → latente Insuffizienz in Ruhe → manifeste Insuffizienz unter das Minimum → Kreislaufschock Die Funktionsstörungen können sich chronisch oder akut ausbilden. Folgen der Herzinsuffizienz: Minderperfusion nach dem insuffizienten Ventrikel → Vorwärtsversagen Venöse Stauung davor → Rückwärtsversagen Vorwärtsversagen: Der minimal aufrechtzuerhaltende Druck im arteriellen System des Körperkreislaufs beträgt 90 mmHg. Bei Unterschreitung dieses Wertes kommt es zu Gegenregulationen. -Sympathikusaktivierung, erhöhte Katecholaminfreisetzung (Erhöhung von Schlagvolumen, Herzfrequenz und peripherem Widerstand) Dies führt zu einer Umverteilung des reduzierten Herzvolumens auf die einzelnen Organe: Relativ gut (konstant) versorgt: Herz, Gehirn, Intstinum Muskulatur Relativ schlecht versorgt: Haut, Nieren 1 Die Minderperfusion der Nieren führt zu Reninfreisetzung und damit zu erhöhter Natrium und Wasserretention sowie einer weiteren Erhöhung des peripheren Widerstands. Rückwärtsversagen: Hauptsymptom beim Rückwärtsversagen ist das Stauungsödem durch erhöhte Natrium und Wasserretention und den erhöhten Druck im vorgeschalteten Kreislaufsegment. Linksherzinsuffizienz: - Abnahme des Herzzeitvolumens mit daraus folgender Minderperfusion der Organe (Abnahme der zerebralen Leistungsfähigkeit, Muskelschwäche, Störung der renalen Ausscheidungsfunktionen, verminderte Rückresorption im Magen-Darm-Trakt) - Rückstau des Blutvolumens in den Lungenkreislauf (Lungenödem, Ventilationsstörungen) - Erhöhter Druck im Lungenkreislauf → Rechtsherzvergrößerung (Cor pulmonale) 2 Rechtsherzinsuffizienz: - verminderter Gasaustausch - Minderperfusion im Körperkreislauf durch vermindertes Blutangebot an den linken Ventrikel - Venöser Rückstau im Körperkreislauf → Ödeme (Pleuraerguss, Aszitis, Stauungsleber, -niere - Erhöhte Thromboseneigung durch Verlangsamung der Blutströmung Globalinsuffizienz: In der Praxis treten im Verlauf der Erkrankung durch Folgeschädigungen am jeweils anderen Ventrikel oft Kombinationen der Symptome von Link- und Rechtsherzinsuffizienz auf. Einteilung der Hezinsuffizienz (Klinik) NYHA Classification (New York Heart Association) Stadium I II III IV Keine Symptome Symptome bei stärkerer Belastung Symptome bei leichter Belastung Symptome in Ruhe Ursachen der Herzinsuffizienz - Kontraktionsschwäche (z.B. Sauerstoffmangel, Infektionen (myokarditis), Intoxikationen, akute Überlastung - Sekundär auch durch chronische Belastungszustände (Hypertonie, Vitien) - Lungenembolie - Behinderung der Herzfüllung (Fibrose der Herzwand, Herztamponade) - bradykarde / tachykarde Rhythmusstörungen 3 Hormonelle Regelmechanismen: Renin-Angiotensin-Aldosteron-System Anmerkungen: Renin wird außer in der Niere auch in vielen anderen Zellen des Körpers gebildet Die Umwandlung von Angiotensin I zu Angiotensin II geschieht durch die Peptidase „Angiotensin Converting Enzyme“ (ACE), die ebenfalls in vielen Geweben (auch Endothel) gebildet wird. Neben Angiotensin II wird die Aldosteronbildung noch durch weitere Faktoren stimuliert: (ACTH, Katecholamine, Hyperkalämie, Endothelin…) Angiotensin II: - wirkt hypertensiv durch konstriktorischen Effekt auf Arteriolen - starker Stimulator für die Biosynthese und Sekretion von Aldosteron Aldosteron: (Mineralocorticoid aus der zona glomerulose der Nebennierenrinde) - Rückresorption von Natrium- und Chloridionen im proximalen und distalen Nierentubulus - Gesteigerte Ausscheidung von Kalium → Abnahme der Kaliumkonzentration im Plasma Aldosteronsekretion und –plasmakonzentration Aldosteron-Sekretion / Tag Gesunde Personen Patienten mit Herzinsuffizienz 4 100-150 µg oder 277-485 nmol 400-500 µg oder 1100-1400 nmol Aldosteron-PlasmaKonzentration 5-15 ng/l oder 139-416 pmol/l Bis zu 300 ng/dl oder bis zu 8322 pmol/l Natriuertic Peptide (Natriuretischer Faktor) - Teil der neurohormonalen Regulation Typ A: wird in den Vorhöfen gebildet Typ B: wird im Myokard der Ventrikel gebildet Typ C: wird im vaskulären Endothel gebildet Wirkung: - vermehrte Natrium- und Wasserauscheidung (Hemmung der Natriumrückresorption in den medullären Sammelrohren) - Vasodilatation Bei hämodynamischem Stress (Druck- / Volumenerhöhung) kommt es in einigen Zellen dieser Gewebe zu einer erhöhten Transcription von Genen, die für diese Peptide kodieren. Nach ihrer Bildung werden sie ins Blut sezerniert. Entdecker dieses Peptids ist Tom Mack, der hier am Institut für Klinische Physiologie 2 Jahre mitgearbeitet hat. Diagnose der HI - wichtig: schnelle Diagnose - Goldstandard: Echokardiographie (teuer, nicht überall verfügbar) Neue Methode: (klinische Studie mit 1586 Patienten): Schnelltestmessung von BNP - Einschlusskriterium: unklare Dispnoe 5 Zusammenhang zwischen Konzentration Zusammenhang zwischen Konzentration von von BNP und Vorliegen von kardial BNP und NYHA Class bedingten Atembeschwerden Ergebnisse: BNP-Level korrelieren sehr gut mit dem Vorhandensein einer Herzinsuffizienz und auch mit deren Ausprägungsgrad. Setzt man den cut-off auf 100 pg/ml liegt die „Trefferquote“ dieses Tests bei 83%. Einige Therapieansätze 6 1. ACE-Hemmer Problem: - Umwandlung von Angiotensin I → Angiotensin II geschieht auch durch weitere Enzyme (z.B. Chymase, eine Protease, die im Herz gebildet wird) - Außer ACE werden noch andere Enzyme gehemmt (z.B. Hemmung der Inaktivierung von Bradykinin → Stickstoffmonoxidanstieg) 2. Angiotensin-Rezeptorblockade (in Kombination mit ACE-Hemmern) Problem: - Aldosteron-Escape-Phänomen (Aldosteron wird unabhängig von RAAS weiter sezerniert (z.B. durch Endothelin) - Klinische Studien zeigten keinen signifikanten Erfolg gegenüber ACEHemmer Monotherapie 3. Neutral-Endopeptidase-Hemmer (in Komb. mit ACE-Hemmern) NEP ist ein Enzym das mehrere biologisch aktive Peptide inaktiviert (z.B. Bradykinin, ANP, BNP) Problem: - auch hier zeigen klinische Studien nur geringen Erfolg 4. Aldosteron-Antagonisten Auch hier gab es eine Studie, die Konventionelle Therapie (ACE-Hemmer, Schleifendiuretika, Digoxin) gegen Konventionelle Therapie + Spironolacton getestet hat. Dabei zeigte sich für die Spironolacton Gruppe ein Benefit von etwa 30 % gegenüber der Vergleichsgruppe, dessen Resultat in diesem Fall die Steigerung der Überlebensrate zur Folge hatte. Deshalb wurde die Studie aus ethischen Gründen abgebrochen. Problem: - trotz guter Wirksamkeit hat Spironolacton starke Nebenwirkungen (Progesterone und Antiadroge Wirkungen) Aus diesem Grund werden heute spzifischere pharmaklogische Weiterentwicklungen eingesetzt 5. Endothelin-Antagonisten Über Hemmung der Endothelin-Rezeptoren wird die Aldosteronsekretion gesenkt. 7