Einführung in die algebraische Zahlentheorie - Goethe

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Einführung in die algebraische
Zahlentheorie
Amir Džambić
13. März 2009
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung
1.1 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Diophantische Gleichungen in der algebraischen Zahlentheorie
2
Arithmetik in Zahlkörpern
2.1 Algebraische Vorbereitungen . . . . . . . . . . .
2.2 Ganzheit, ganzalgebraische Zahlen . . . . . . . .
2.3 Hauptsatz der Dedekindschen Idealtheorie . . .
2.4 Folgerungen und Ergänzungen zum Hauptsatz .
2.5 Elemente der Verzweigungstheorie . . . . . . . .
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22
Geometrie der Zahlen
3.1 Gitterpunktsatz von Minkowski . . . . .
3.2 Ganzalgebraische Zahlen als Gitterpunkte
3.3 Klassenzahl . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4 Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2
2
Kapitel 1
Einleitung
1.1
Vorwort
Das vorliegende Skript ist aus der zweistündigen Vorlesung „Einführung in
die algebraische Zahlentheorie“, die ich an der Goethe-Universität in Frankfurt im Wintersemester 08/09 gehalten habe. Neben den grundlegenden algebraischen Strukturen der Zahlkörper und ihrer Hauptordnungen, und dabei
insbesondere der Dedekindschen Idealtheorie, habe ich die klassischen Anwendungen der Minkowskischen Geometrie der Zahlen zur Bestimmung der
Klassenzahlen und Einheiten diskutiert. Aus Mangel an Zeit konnten leider
keine analytischen Methoden in der algebraischen Zahlentheorie (Zeta- und LFunktionen) behandelt werden. Als Literautur habe ich hauptsächlich folgende
Bücher herangezogen:
• J. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Springer, Grundlehren der mathematichen Wissenschaften (1992)
• H. Koch: Zahlentheorie. Vieweg (1997)
• D. Marcus: Number Fields. Springer, Universitext (1977)
Ich möchte den Leser auf die Gefahr aufmerksam machen, dass der Text in
diesem Zustand noch fehlerhaft sein könnte, und würde ihm daher sehr empfehlen, den Text kritisch zu lesen. Ich bedanke mich bei Thorsten Riedel für
seine zahlreiche Hinweise auf Fehler in der früheren Version des Manuskripts.
Für weitere Hinweise auf Fehler jeder Art bin ich dankbar.
1.2
Diophantische Gleichungen in der algebraischen
Zahlentheorie
Algebraische Zahlentheorie ist eine mathematische Disziplin, die sich systematisch mit den algebraischen Zahlen, also Nullstellen von Polynomen aus Q[x],
und insbesondere mit den ganzalgebraischen Zahlen, d.h. Nullstellen von
normierten Polynomen aus Z[x], als algebraischen Objekten beschäftigt. Diese Disziplin ist in einer natürlichen Weise aus einigen klassischen Problemen
der elementaren Zahlentheorie entstanden, die nach ganzzahligen Lösungen
2
von gewissen diophantischen Gleichungen, also polynomialen Gleichungen in
mehreren Variablen mit den Koeffizienten in Z, fragen. Die wohl berühmteste
solche Gleichung ist die sogenannte Fermat-Gleichung
xn + y n = z n .
(1.2.1)
Der große Satz von Fermat, auch Fermatsche Vermutung genannt1 , sagt aus,
dass diese Gleichung für n > 2 nur die trivialen ganzzahligen Lösungen, d.h.
(0, 0, 0), (±1, 0, ±1), (0, ±1, ±1) und ihre ganzzahlige Vielfache, besitzt.
Ein wichtiger Punkt in der Entwicklung der modernen algebraischen Zahlentheorie, wenn nicht ihre Geburtstunde, sind die Arbeiten von Ernst Eduard
Kummer zur Fermat-Gleichung. Die Methode, die er für gewisse prime Exponenten n der Gleichung (1.2.1) erfolgreich anwendete, bestand darin, die
Gleichung (1.2.1) als eine Gleichung im Kreisteilungskörper der n-ten Einheitswurzeln zu betrachten. Aufgrund der Arithmetik in diesem Körper konnte er
Konsequenzen für die Fermat-Gleichung ziehen. Aber mehr noch hat er erkannt, wo die Grenzen seiner Methode liegen und von welchen arithmetischen
Eigenschaften diese abhängen. Diese Untersuchungen gaben den Anstoß für
die Entwicklung der modernen Zahlentheorie, die von Mathematikern wie Richard Dedekind, Emmy Noether und anderen erfolgreich vorangetrieben wurde. Um die erste Einsicht in die Methode von Kummer und um auch den
Vorgeschmack auf die algebraische Zahlentheorie zu geben betrachten wir die
Gleichung (1.2.1) zum Exponenten 2, also die Gleichung des Pythagoras, und
fragen nach den ganzzahligen Lösungen, von den es unendlich viele gibt, wie
schon Diophant wußte.
Sei i =
√
−1 und
Z[i] = {α = a + bi | a, b ∈ Z}.
Wir nennen die Elemente aus Z[i] die ganzen Gaußschen Zahlen. Z[i] ist ein
kommutativer Ring mit 1 ohne Nullteiler, ist isomorph zu Z[x]/(x2 + 1) und
enthält Z. Auf Z[i] ist eine Normabbildung definiert durch
N (a + ib) = (a + ib)(a − ib) = a2 + b2 .
Diese Abbildung ist multiplikativ und hat Werte in den natürlichen Zahlen
(inklusive Null). Die Normabbildung ist eine sehr hilfreiche Funktion. Man
weiß zum Beispiel, dass eine Gaußsche Zahl α genau dann eine Einheit ist,
wenn N (α) = 1 (eine leichte Übung). Damit folgt unmittelbar (Übung), dass
die einzigen Einheiten in Z[i] die vierten Einheitswurzeln 1, −1, i, −i sind.
Der wesentliche Hilfssatz für die Anwendung der ganzen Gaußschen Zahlen
auf diophantische Gleichungen ist die Tatsache, dass in Z[i] die Eindeutigkeit
der Primfaktorzerlegung garantiert ist.
Lemma 1.2.1. Z[i] ist ein Euklidischer Ring. Insbesondere ist Z[i] faktoriell.
Beweis. Ein unmittelbarer Kandidat für die Gradabbildung eines Euklidischen
Rings ist die schon betrachtete Normabbildung N : Z[i] → N0 . Um zu zeigen,
1 bewiesen
durch A. Wiles in 1995
3
dass Z[i] Euklidisch ist, müssen wir nachweisen, dass zu zwei ganzen Gaußschen Zahlen α und β 6= 0, Elemente κ, ρ ∈ Z[i] existieren mit der Eigenschaft,
dass
α = κβ + ρ
und N (ρ) < N (β) gilt.
Weil wir β 6= 0 angenommen haben, ist α/β = R + iS mit rationalen Zahlen
R, S ∈ Q. Wir wählen x, y ∈ Z mit der Eigenschaft, dass |R − x| ≤ 1/2 und
|S − y| ≤ 1/2. Dann gilt
N (α/β−(x+iy)) = N (R+iS−(x+iy)) = N ((R−x)+i(S−y)) ≤ 1/4+1/4 = 1/2.
Wir setzen κ = x + iy. Dann liefert die Multiplikativität der Norm
N (α − κβ) ≤ 1/2N (β).
Mit ρ = α − κβ haben wir die gewünschte Bedingung erhalten.
Betrachten wir nun die diophantische Gleichung
x2 + y 2 = z 2 .
(1.2.2)
Es ist leicht zu sehen, dass es ausreichend ist, sich nur auf diejenigen Lösungen
(x, y, z) von (1.2.2) zu konzentrieren, bei den x, y und z teilerfremd sind. Wir
nennen solche Lösungen primitiv.
Wir können die pythagoräische Gleichung als eine Normgleichung in den ganzen Gaußschen Zahlen interpretieren, nämlich als
N (x + iy) = N (z) = z 2 ,
bzw. als eine multiplikative Gleichung
0
αα = z 2 ,
(1.2.3)
0
zwischen zwei Gaußschen Zahlen α = x + iy und α = x − iy. Nun kann man
allgemein folgendes zeigen (Übung):
Seien γ und δ teilerfremde ganze Gaußsche Zahlen, mit der Eigenschaft, dass
0
0
γδ = η 2 gilt. Dann gibt es Einheiten , ∈ Z[i]∗ mit γ = ω 2 und δ = θ2 . Mit
anderen Worten, wenn das Produkt ein Quadrat ist, dann sind die Faktoren
auch Quadrate (bis auf eine Einheit). Das ist eine Tatsache, die in den ganzen
Zahlen selbstverständlich auch gilt.
Wendet man diese Tatsache auf die zu der pythagoräischen Gleichung (1.2.2)
äquivalente Gleichung (1.2.3) folgert man (Übung)
Theorem 1.2.2. Die diophatische Gleichung (1.2.2) hat unedlich viele ganzzahlige
Lösungen. Alle primitiven Lösungen sind von der Form
x = u2 − v 2 ,
y = 2uv,
z = u2 + v 2
mit der Eigenschaft, dass u > v > 0, teilerfremd und nicht beide ungerade.
Eine Variation der pythagoräischen Gleichung x2 + y 2 = z 2 ist die von Fermat
betrachtete Frage, wann eine Primzahl Summe von zwei Quadraten ist. Wir
fragen also nach der Existenz von ganzzahligen Lösungen der Gleichung
4
x2 + y 2 = p,
(1.2.4)
wobei p eine Primzahl ist. Wieder können wir diese Gleichung als eine Normgleichung in den ganzen Gaußschen Zahlen interpretieren. Die Frage nach den
ganzzahligen Lösungen der Gleichung (1.2.4) ist nämlich äquivalent zu der
Frage nach der Existenz von ganzen Gaußschen Zahlen π = x + iy, mit der
Eigenschaft, dass für die Norm gilt N (π) = p.
Lemma 1.2.3. Es gilt
1. 2 = N (1 + i)
2. Sei p eine Primzahl, p ≡ 1 mod 4, dann ist p kein Primelement in Z[i].
Beweis. Die Aussage 1. ist klar.
Wenn p ≡ 1 mod 4, dann ist −1 ein quadratischer Rest modulo p. Das sagt
das erste Ergänzungsgesetz zum quadratischen Reziprozitätsgesetz aus. Wir
können es kann aber auch direkt sehen:
Angenommen p = 1 + 4n. Nach dem Satz von Wilson ist dann
−1 ≡ (p − 1)! = (4n)! = 1 · 2 · · · (p − 1) = 1 · 2 · · · 2n (p − 1) · · · (p − 2n))
≡ (2n)! (−1)2n (2n)! mod p
≡ ((2n)!)2 mod p.
Sei x ein Repräsentant der Klasse (2n)! mod p, welches kleiner als p ist. Dann
gilt p|x2 + 1 in Z. Damit gilt in Z[i] p|(x + i)(x − i). Andererseits teilt p keinen
der Faktoren (x ± i), weil xp ± pi nicht in Z[i] liegt. Somit ist p nicht prim.
Folgerung 1.2.4. Eine Primzahl p läßt sich genau dann als Summe von zwei Quadraten schreiben, wenn entweder p = 2 oder p ≡ 1 mod 4 ist.
Beweis. 2 = 12 + 12 . Ist p eine ungerade Primzahl, für die p = x2 + y 2 gilt,
dann ist p ≡ 1 mod 4, weil Quadrate immer kongruent zu 0 oder zu 1 modulo 4 sind. Wir haben schon festgestellt, dass die Bedingung, dass p sich als
Summe von zwei Quadraten schreiben läßt äquivalent ist zu der Bedingung,
dass p eine Norm eines Elementes aus Z[i] sein muss. Nach Lemma 1.2.3 sind
die Primzahlen p ≡ 1 mod 4 nicht prim in Z[i]. Also gibt es Nichteinheiten
α, β ∈ Z[i] mit der Eigenschaft p = αβ. Dann ist p2 = N (p) = N (α)N (β) und
N (α), N (β) 6= 1. Dann ist p = N (α) = N (β) und ist somit eine Norm.
Die wesentliche Idee bei unseren beiden Beispielen – und das ist die treibende Idee, die zur Entwicklung der algebraischen Zahlentheorie geführt hat – ist
der Übergang von einer schwer zugänglicher Gleichung in den ganzen Zahlen zu einer “hoffentlich” einfacheren Gleichung in einem Erweiterungsring
(wie etwa Z[i]). Genauer, eine diophantische Gleichung ist im Allgemeinen gemischt, vom additiven und multiplikativen Typ. Mit dem Übergang zu dem
“richtigen” Erweiterungsring wird die Gleichung zu einer rein multiplikativen Gleichung, die in der Regel einfacher zu behandeln ist. Der Erfolg hängt
davon ab, wie kompliziert die Arithmetik in diesem Erweiterungsring ist. In
unseren beiden Beispielen etwa, war die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung in Z[i] zentral. In dieser Vorlesung werden die artihmetische Struktur
5
solcher “Zahlringe” studieren und werden gewisse Invarianten kennen lernen,
die ein Maß dafür sind, wie kompliziert die Arithmetik algebraischer Zahlen
ist. Die zentralen Objekte bei der Untersuchung der Arithmetik der Zahlringe,
um die sich auch die Vorlesung aufbauen wird, sind die sogenannte Klassengruppe und die Einheitengruppe. Wir werden sehen, wie man mit Hilfe geometrischer und analytischer Methoden, die auf Peter Gustav Lejeune Dirichlet
und Hermann Minkowski zurückgehen, Aussagen zu diesen Objekten treffen
kann. Diese Methoden weisen auch sehr interessante Verbindungen zwischen
der Zahlentheorie und mehr geometrischen Objekten auf.
6
Kapitel 2
Arithmetik in Zahlkörpern
2.1
Algebraische Vorbereitungen
Seien K und L Körper und K ⊂ L. Dann sagen wir, dass K ein Unterkörper
von L ist und dass L eine Erweiterung oder ein Erweiterungskörper von K ist.
Wir schreiben oft L/K, um diese Situation anzudeuten. Gegeben eine solche
Erweiterung L/K, dann ist L offensichtlich ein K-Vektorraum. Die Dimension
dimK L =: [L : K] heißt der Grad der Erweiterung. Dieser kann endlich sein,
wir sprechen dann von einer endlichen Erweiterung, oder der Grad kann unendlich sein, wir sagen dann, dass die Erweiterung unendlich ist. Eine Basis
der Erweiterung L/K ist einfach eine Basis des K-Vektorraums L. Wir nennen ein Element a ∈ L algebraisch über K, wenn ein Polynom f (x) ∈ K[x]
existiert mit der Eigenschaft, dass f (a) = 0 gilt. Andernfalls sagen wir, dass
a transzendent über K ist. Wir nennen L/K algebraisch, wenn alle a ∈ L algebraisch über K sind. Zu gegebenen Elementen a1 , . . . , an ∈ L schreiben wir
K(a1 , . . . , an ) für den kleinsten Körper, der mit K auch alle a1 , . . . , an enthält.
Wir sagen K(a1 , . . . , an ) entsteht durch Adjunktion der Menge {a1 , . . . , an }
an K. Im Fall n = 1, also bei einer Erweiterung K(a)/K sprechen wir von
einer einfachen Erweiterung. Ist a algebraisch über K, dann gibt es ein irreduzibles und normiertes Polynom pa (x) ∈ K[x] mit der Eigenschaft, dass gilt
K(a) ∼
= K[x]/hpa (x)i, wobei hpa (x)i das von pa (x) erzeugte Ideal bezeichnen
soll. Insbesondere ist pa (a) = 0 und pa (x) ist minimal mit dieser Eigenschaft
im Sinne, dass aus f (a) = 0 folgt pa | f . Das Polynom pa (x) heißt das Minimalpolynom von a. Der Grad des Minimalpolynoms ist genau der Grad der
Erweiterung K(a)/K.
Einen Unterkörper K ⊂ C nennen wir einen algebraischen Zahlkörper, oder
kurz Zahlkörper, wenn K eine endliche Erweiterung von Q ist. Der Grad von
K ist einfach der Grad [K : Q].
Die Bedingung, dass ein Zahlkörper in C enthalten sein muss, die wir in der
obigen Definition fordern, dient lediglich dazu, uns auf einen algebraischen
Abschluß von Q festzulegen. Wir nehmen nämlich den, der in C enthalten ist.
Wir nennen zwei prominente Beispiele von Zahlkörpern, die uns auch stets
7
begleiten werden:
√
A) Sei d ∈ Z, d 6= 0, 1, quadratfrei. Dann heißt Q( √d) ein quadratischer
√
Zahlkörper. Weil x2 √
−d das Minimalpolynom
von d ist, hat Q( d) Grad
√
2. Eine Basis von Q( d) ist {1, d} und damit
√
√
Q( d) = {a + db | a, b ∈ Q}.
B) Sei ζ eine primitive n-te Einheitswurzel. Also ist ζ eine Nullstelle des
Polynoms xn − 1 mit der Eigenschaft, dass alle anderen Nullstellen Potenzen von ζ sind. Wir können ζ = exp(2πi/n) wählen. Wir nennen den
Körper Q(ζ), den n-ten Kreisteilungskörper.
Das Minimalpolynom von
Q
ζ ist das n-te Kreisteilungspolynom (k,n)=1 (x−ζ k ). Daher ist der Grad
von Q(ζ) genau ϕ(n), wenn ϕ(·) die Eulersche phi-Funktion bezeichnet.
Ist n = p eine Primzahl, dann hat das p-te Kreisteilungspolynom die Gestalt xp−1 + xp−2 + . . . + x + 1. Eine Basis von Q(ζ) ist {1, ζ, . . . , ζ p−2 }.
Als eine endliche Erweiterung ist jeder Zahlkörper eine algebraische Erweiterung von Q. Aber es gilt mehr: Jeder Zahlkörper ist eine separable Erweiterung
von Q, d. h. das Minimalpolynom eines jeden Elements hat nur einfache Nullstellen in K. Aus Separabilität folgt die Existenz eines primitiven Elements für
K/Q, d. h. es gibt ein θ ∈ K mit der Eigenschaft, dass K = Q(θ). Insbesondere
ist jeder Zahlkörper eine einfache Erweiterung von Q.
Die Begriffe der Norm und der Spur sind sehr wichtige Hilfsmittel in unseren Betrachtungen. Wir erinnern uns kurz an diese. Sei L/K eine endliche separable Körpererweiterung vom Grad n = [L : K] und sei HomK (L, K̄) die
Menge der Homomorphismen von L in den algebraischen Abschluß von K,
die K elementweise festhalten. Wir nennen die Elemente σ ∈ HomK (L, K̄) KEinbettungen, oder kurz Einbettungen, von L1 .
Lemma 2.1.1. Sei L/K separabel und [L : K] = n. Dann gibt es genau n Homomorphismen σ ∈ HomK (L, K̄).
Beweis. Der Grund ist der Folgende: Sei θ ein primitives Element von L/K
und sei pθ (x) = xn + an−1 xn−1 + . . . + a0 das Minimalpolynom von θ. Sei
σ ∈ HomK (L, K̄). Wir beachten, dass σ eindeutig bestimmt ist durch das Bild
θσ := σ(θ), weil {1, θ, . . . , θn−1 } eine Basis von L/K ist. Wir wenden σ auf die
definierende Gleichung θn + an−1 θn−1 + . . . a1 θ + a0 = 0 an und wir erhalten,
wegen aσj = aj ,
(θσ )n + an−1 (θσ )n−1 + . . . a1 θσ + a0 = 0.
Damit ist θσ ebenfalls eine Nullstelle des Minimalpolynoms. Weil L/K separabel ist, hat das Minimalpolynom genau n verschiedene Nullstellen. Das ist die
0
00
Anzahl der möglichen Einbettungen. Seien θ = θ , θ , . . . , θ(n) alle Nullstellen
des Minimalpolynoms pθ . Dann definiert σ(i) : θ 7→ θ(i) eine K-Einbettung von
L. Damit sind auch alle Einbettungen realisiert.
1 Der Begriff “Einbettung” weist auf die Injektivität der Abbildung hin. Aus der Algebra wissen
wir aber, dass Körperhomomorphismen stets injektiv sind.
8
Für alle x ∈ L sind dann die relative Norm und die relative Spur definiert
durch:
Y
NL/K (x) =
xσ
(2.1.1)
σ∈HomK (L,K̄)
X
T rL/K (x) =
xσ
(2.1.2)
σ∈HomK (L,K̄)
Gegeben seien n Elemente α1 , . . . αn von L/K. Man definiert die Diskriminante d(α1 , . . . , αn ) dieser Menge als das Quadrat der Determinante der Matrix
(αjσi )i,j ,
d(α1 , . . . , αn ) = det[(αjσi )i,j ]2 .
Dabei sind die Einbettungen aus HomK (L, K̄) durchnummeriert, HomK (L, K̄) =
{σ1 , σ2 , . . . , σn }. Wir fassen einige Eigenschaften der Norm, Spur und der Diskriminante zusammen:
Lemma 2.1.2. Sei L/K separabel und endlich vom Grad n. Es gilt:
1. Die relative Norm definiert einen Homomorphismus
NL/K : L∗ → K ∗ .
Insbesondere ist NL/K (·) multiplikativ. Ist x ∈ K, dann ist NL/K (x) = xn
2. d(α1 , . . . , αn ) = det(T rL/K (αi αj ))
3. {α1 , . . . , αn } ist eine Basis von L/K ⇐⇒ d(α1 , . . . , αn ) 6= 0. Die relative
Spur definiert eine nichtausgeartete Bilinearform
(x, y) 7→ T rL/K (xy)
auf L. Für x ∈ K ist T rL/K (x) = nx.
4. Bei einem Turm F/L/K von (endlichen separablen) Erweiterungen gilt NF/K =
NL/K ◦ NF/L und T rF/K = T rL/K ◦ T rF/L
Beweis. Die Aussage 1 ist eine unmittelbare Folgerung aus der Definition. Man
beachte, dass das Bild NL/K (α) immer in K liegt, weil NL/K (α) invariant unter allen Homomorphismen σ ∈ HomK (L, K̄) ist.
σ
2
t
2. Sei A = (αi j ), alsoP
d(α1 , . . . , αn ) = (det
PA) . DieσkMatrix B = A A hat folglich
σk σk
als Einträge Bi,j = 1≤k≤n αi αj = k (αi αj ) = T rL/K (αi αj ). Damit ist
At A = (T rL/K (αi αj )) und det A2 = det(T rL/K (αi αj )).
Die Aussage 3 hängt nicht von der Wahl der Basis ab. Dann wählen wir ein
primitives Element θ und damit eine Basis 1, θ, . . . , θn−1 von L/K. Seien θ1 =
θσ1 = θ, θ2 = θσ2 , . . . , θn = θσn die Konjugierten von θ. Die Diskriminante
d(θ) = d(1, θ, . . . , θn−1 ) ist einfach
Q das Quadrat der Determinante der Vandermondeschen Matrix, d(θ) = i<j (θi − θj )2 , die nicht verschwindet, weil für
i 6= j gilt θi = θσi 6= θj = θσj . Nach der Interpretation der Diskriminante wie
in 2., impliziert das Nichtverschwinden von d(α1 , . . . , αn ) die Regularität der
Bilinearform T rL/K (·, ·), deren Darstellungsmatrix gerade [T rL/K (αi αj )] ist.
9
Die vierte Aussage verifiziert man direkt. So ist etwa für die Norm nach Definition
Y
NF/K (x) =
xσ .
σ∈HomK (F,K̄)
Die Relation σ ≡ τ ⇔ σ|L = τ |L ⇔ στ −1 ∈ HomL (F, K̄) definiert eine Äquivalenzrelation auf HomK (F, K̄) und damit ist für jedes feste σ
Y
xτ = NF/L (x)σ .
τ ≡σ
Dann ist
NF/K (x) =
Y
NF/L (xσ̄ ) = NL/K (NF/L (x)),
σ̄
wobei σ̄ ein Repräsentantensystem bzgl. ≡ durchläuft. Bei der Spur argumentiert man genauso.
2.2
Ganzheit, ganzalgebraische Zahlen
Sei A ein Integritätsbereich, d. h. ein nullteilerfreier kommutativer Ring mit
Eins. Sei K = Quot(A) der Quotientenkörper von A, d.h. der kleinste Körper,
der A enthält, und sei L eine Erweiterung von K. Ein Element α ∈ L heißt ganz
über A, falls α einer normierten polynomialen Gleichung
αn + an−1 αn−1 + . . . + a1 α + a0 = 0,
(2.2.1)
bei der alle ai ∈ A liegen, genügt. Wir geben zwei weitere, äquivalente Charakterisierungen der Ganzheit:
Lemma 2.2.1. Folgende Aussagen sind äquivalent:
a) α ∈ L ist ganz über A.
b) Es existiert ein endlich erzeugter und nichttrivialer A-Modul M ⊂ L mit der
Eigenschaft, dass αM ⊂ M .
c) A[α] ist ein endlich erzeugter A-Modul.
Beweis. Erfüllt α die Gleichung (2.2.1), dann ist der A-Modul
A[α] = h1, α, . . . , αn−1 i = A + Aα + Aα2 + . . . + Aαn−1
offensichtlich endlich erzeugt. Also a) ⇒ c). c) ⇒ b) gilt, weil man M = A[α]
wählen kann. Angenommen es gilt αM ⊂ M mit M =< y1 , . . . , yn >, dann ist
αy1 =
n
X
a1i yi , . . . , αyn =
i=1
n
X
ani yi ,
(2.2.2)
i=1
bzw.
(α − a11 )y1 −
n
X
a1i yi = 0, . . . , (α − ann )yn −
i=2
n−1
X
i=1
10
ani yi = 0,
(2.2.3)
mit gewissen aij ∈ A, die nicht alle 0 sind. Dann verschwindet die Determinante der Matrix
(2.2.4)
[α1n − (aij )]
( 1n sei die Einheitsmatrix) und liefert damit eine Gleichung der Form (2.2.1)
für α. Damit gilt b) ⇒ a)
Allgemeiner heißt ein Ring B ⊂ L ganz über A, wenn alle seine Elemente ganz
über A sind. Ganzheit ist eine Eigenschaft, die sich auf Erweiterungen vererbt.
Das zeigt das folgende
Lemma 2.2.2. Seien A ⊂ B ⊂ C Integritätsbereiche mit der Eigenschaft, dass B
ganz über A und C ganz über B ist. Dann ist auch C ganz über A.
Beweis. Weil C ganz über B ist, erfüllt jedes c ∈ C eine Gleichung der Form
cn + bn−1 cn−1 + . . . + b1 c + b0 = 0 mit gewissen b0 , . . . bn−1 ∈ B. Sei R =
A[b0 , . . . , bn−1 ]. Es folgt induktiv aus Lemma 2.2.1 c), dass R ein endlich erzeugter A-Modul ist. Und weil R[c] ein endlich erzeugter R-Modul ist, ist es
auch endlich erzeugt als A-Modul. Nach Lemma 2.2.1 ist dann c ganz über
A.
Wir interessieren uns nun für die Struktur der Menge aller über A ganzen Elemente aus L, die wir mit AL bezeichnen, AL = {α ∈ L | α ganz über A}.
Dann ist AL ein Ring und heißt der ganze Abschluß von A in L. Es ist nicht
schwer einzusehen, dass AL ein Ring ist: Sind nämlich α1 , α2 zwei Elemente
aus AL , dann gibt es endlich erzeugte A-Moduln M1 und M2 , beide 6= 0, so
dass α1 M1 ⊂ M1 und α2 M2 ⊂ M2 ( α1 , α2 sind ganz über A!). Für die endlich
erzeugte Moduln M1 + M2 , M1 M2 (das von allen Summen m1 + m2 , m1 ∈
M1 , m2 ∈ M2 , bzw. allen Produkten m1 m2 , m1 ∈ M1 , m2 ∈ M2 erzeugte Moduln) gilt dann (α1 +α2 )(M1 +M2 ) ⊂ M1 +M2 und α1 α2 M1 M2 ⊂ M1 M2 . Damit
ist AL ein Ring. Einen Ring A ⊂ L nennen wir ganzabgeschlossen in L, wenn
A = AL . Wir sagen, dass A ganzabgeschlossen ist, wenn A ganzabgeschlossen
in K (seinem Quotientenkörper) ist, also falls A = AK .
Lemma 2.2.3. Jeder faktorelle Ring A ist ganzabgeschlossen.
Beweis. Wir betrachten ein a/b ∈ K = Quot(A), von dem wir annehmen dürfen, dass es gekürzt ist, und wir nehmen an, dass a/b ganz über A ist. Dann
genügt a/b einer Gleichung (a/b)n + an−1 (a/b)n−1 + . . . + a1 (a/b) + a0 = 0, also
gilt
an + an−1 an−1 b + . . . + a1 abn−1 + a0 bn = 0
⇔
an = −(an−1 an−1 b + . . . + a0 bn )
Die zweite Gleichung impliziert nun, dass jeder Primteiler π von b auch a teilen
wird. Das steht im Widerspruch zur Annahme, dass a/b gekürzt ist. Folglich
ist b eine Einheit in A und a/b ∈ A. A ist also ganzabgeschlossen.
Aus Lemma 2.2.2 shließen wir auf die folgende Eigenschaft des ganzen Abschlußes.
Proposition 2.2.4. Gegeben sei ein Turm von Körpererweiterungen K = Quot(A) ⊂
L ⊂ E und sei B = AL der ganze Abschluß von A in L. Dann gilt
11
a) B ist ganzabgeschlossen (d. h. ganzabgeschlossen in L).
b) B E = AE , d. h. der ganze Abschluß von A in E und der ganze Abschluß von
B in E sind gleich.
Unser Hauptinteresse gilt den Ringen, die ganz über Z sind, den sog. Ringen
von ganzalgebraischen Zahlen. Eine über Q algebraische Zahl heißt ganzalgebraisch, wenn sie ganz über Z ist. Den ganzen Abschluß OK := ZK von Z in
einem Zahlkörper K nennt man den Ring der ganzen Zahlen in K oder die
Hauptordnung von K. Unsere obigen Ausführungen implizieren sofort
Lemma 2.2.5. Es gilt:
a) OK ist ganzabgeschlossen.
b) Ist L/K eine Erweiterung von Zahlkörpern, dann ist OL der ganze Abschluß
von OK in L.
c) OK ∩ Q = Z.
Beweis. Die ersten zwei Behauptungen sind unmittelbare Folgerungen aus Lemma 2.2.4. Um c) zu beweisen, benutzen wir, dass Z ganzabgeschlossen ist, weil
faktoriell (Lemma 2.2.3). Damit ist ein α ∈ OK ∩ Q einerseits ganz über Z und
liegt gleichzeitig in Q = Quot(Z). Also α ∈ Z.
Es stellt sich heraus, dass die Norm und die Spur sehr nützlich sind für die
Charakterisierung der Ganzheit sind.
Proposition 2.2.6. Sei K ein Zahlkörper. Dann sind folgende Aussagen äquivalent:
1. α ist ganzalgebraisch.
2. Das Minimalpolynom von α ∈ K hat Koeffizienten in Z.
Zusätzlich gilt
3. Wenn α ganzalgebraisch ist, dann ist jede ihrer Konjugierten ασ , σ ∈ HomQ (K, C),
auch ganzalgebraisch.
4. Ist α ∈ OK , dann liegen NK/Q (α) und T rK/Q (α) in Z.
Beweis. 2. ⇒ 1. ist klar. Sei umgekehrt α ganzalgebraisch. Dann erfüllt es eine
Gleichung f (α) = 0 mit einem normierten Polynom f (x) ∈ Z[x]. Dann gilt für
einen irreduziblen Faktor p(x) von f (x) auch p(α) = 0. Das ist nach Definition
das Minimalpolynom von α.
Um die Aussage 3. zu zeigen, nehmen wir an, dass α ∈ OK ist und betrachten
eine Gleichung
αn + an−1 αn−1 + . . . + a0 = 0,
die α erfüllt, und bei der alle Koeffizienten in Z liegen. Wenden wir nun ein
σ ∈ HomQ (K, C) auf diese Gleichung an, erhalten wir
σ
αn + an−1 αn−1 + . . . + a0 = (ασ )n + an−1 (ασ )n−1 + . . . + a0 = 0.
Das ist offensichtlich eine Gleichung, die ασ als ein Element aus OK charakterisiert.
12
σ
Die letzte Aussage ist eine Folgerung aus 3: Ist
Q α aus OK , dann auch alle α , σ ∈
HomQ (K, C). Dann aber auch NK/Q (α) = σ∈HomQ (K,C) ασ und T rK/Q (α) =
P
σ
σ∈HomQ (K,C) α . Aber gleichzeitig liegen NK/Q (α) und T rK/Q (α) in Q nach
Lemma 2.1.2. Also NK/Q (α), T rK/Q (α) ∈ OK ∩ Q = Z nach Lemma 2.2.5.
Um die erste ganz wichtige Invariante einer Hauptordnung zu definieren, benötigen wir weitere vorbereitende Bemerkungen und wollen unsere Ausführungen noch um den Begriff der Ganzheitsbasis erweitern. Dazu beweisen wir
Theorem 2.2.7. Sei K ein Zahlkörper vom Grad n und OK der Ring der ganzen Zahlen in K. Dann ist OK ein freier Z-Modul vom Rang n, d. h. es existieren ω1 , . . . , ωn ∈
OK mit der Eigenschaft, dass jedes x ∈ OK als Linearkombination
x = a1 ω1 + . . . + an ωn
mit eindeutig bestimmten a1 , . . . , an ∈ Z geschrieben werden kann.
Beweis. Zum Beweis genügt es zu zeigen, dass es freie Z-Moduln M1 und M2
vom Rang n gibt, mit der Eigenschaft, dass M1 ⊆ OK ⊆ M2 gilt.
Sei α1 , . . . , αn eine Basis von K/Q. Wir finden dann eine ganze Zahl c ∈ Z
mit der Eigenschaft, dass cαj ∈ OK für alle j = 1, . . . , n. Dazu beachten wir,
dass jedes α ∈ K eine algebraische Gleichung αm + qm−1 αm−1 + . . . + q0 mit
q0 , . . . , qm−1 ∈ Q erfüllt. Multiplizieren wir diese Gleichung mit der (m − 1)ten Potenz des Hauptnenners h der q0 , . . . , qm−1 , dann erhalten wir eine Gleichung mit ganzzahligen Koeffizienten für hα, die vom Typ (2.2.1) ist. Nehmen
wir für c das kleinste gemeinsame Vielfache aller Hauptnenner der Koeffizienten der αj , dann gilt cαj ∈ OK für alle j = 1, . . . , n. Wir können also ohne Beschränkung der Allgemeinheit {α1 , . . . , αn } ⊂ OK annehmen. Dann ist
M1 = Zα1 + . . . + Zαn ein freier Z-Modul vom Rang n, der in OK liegt. Zur
Konstruktion von M2 betrachten wieder eine Basis α1 , . . . , αn von K/Q, von
der wir o. B. d. A. annehmen, dass alle αi in OK liegen. Nach Lemma 2.1.2
ist die von der Spur T rK/Q (·) induzierte Bilinearform nicht ausgeartet, woraus
folgt, dass der Q-Vektorraum K zu seinem Dualraum K ∨ = Hom(K, Q) isomorph ist via x 7→< x, · >= T rK/Q (x·). Sei α̃1 , . . . , α̃n die Komplementärbasis
von K, d. h. so gewählt, dass < α̃i , αj >= δij , wobei δij das Kronecker-Delta
bezeichnet. Wir beachten wieder, dass wir immer ein c ∈ Z wählen können, so
dass für jedes i = 1, . . . , n die Zahl cα̃i in OK liegt.
Sei nun x ∈ OK . Dann hat x eine Darstellung
x = a1 α1 + . . . + an αn ,
wobei alle ai aus Q sind. Die Zahl xcα̃i ist ganz über Z und nach Konstruktion
ist
T rK/Q (xcα̃i ) = T rK/Q (ca1 α̃i α1 + . . . + cai α̃i αi + . . .) = cai
Nach Proposition 2.2.6 ist T rK/Q (OK ) ⊆ Z, womit cai ∈ Z. Dann liegt x in dem
Z-Modul vom Rang n
M2 = Zc−1 α1 + . . . + Zc−1 αn .
Weil x beliebig war, folgt OK ⊂ M2 .
13
Die Aussage des Satzes kann man auch als eine Aussage über die Existenz
von ganz speziellen Basen von K/Q verstehen. Allgemein definiert man bei
gegebener endlichen und separablen Erweiterung L/K, mit A ⊂ K = Quot(A)
ganzabgeschlossen und B = ĀL , eine Ganzheitsbasis ω1 , . . . , ωn von B über
A als eine Basis von L/K mit den Eigenschaften:
i) ω1 , . . . , ωn ⊂ B.
ii) Jedes x ∈ B kann eindeutig geschrieben werden als x = a1 ω1 +. . .+an ωn
mit gewissen a1 , . . . , an ∈ A.
Die Existenz einer Ganzheitsbasis für B ist gleichwertig mit der Eigenschaft,
dass B ein freier A-Modul ist, und im Allgemeinen gibt es keine Ganzheitsbasen. Der Satz 2.2.7 garantiert aber die Existenz einer Ganzheitsbasis für die
Hauptordnung OK eines Zahlkörpers über Z, die wir kurz eine Z-Basis nennen
wollen. Die Diskriminante gibt ein nützliches Kriterium bei der Entscheidung,
ob die gegebene Basis eine Z-Basis ist oder nicht. Dazu notieren wir eine unmittelbare Folgerung aus dem Elementarteilersatz.
Lemma 2.2.8. Sei K ein Zahlkörper vom Grad n und seien M = hα1 , . . . , αn i und
N = hβ1 , . . . , βn i zwei Z-Moduln vom Rang n und M ⊆ N ⊆ OK . Dann ist der
Index (N : M ) endlich und berechnet sich als
2
(N : M ) =
d(α1 , . . . , αn )
d(β1 , . . . , βn )
Pn
Beweis. Weil M ⊂ N , ist jedes αi (i=1,. . . ,n) dargestellt als αi = j=1 aij βj mit
gewissen ganzzahligen Koeffizienten aij ∈ Z. Sei A = (aij ) ∈ Mn (Z). Nach
dem Elementarteilersatz gibt es invertierbare Matrizen P, Q ∈ GLn (Z) mit der
Eigenschaft, dass
P AQ = diag(d1 , . . . , dn ) mit d1 |d2 | . . . |dn .
Insbesondere folgt daraus
N/M ∼
= Z/d1 Z × . . . × Z/dn Z,
und damit (N : M ) = |N/M | = |d1 · · · dn | = | det(P AQ)| = | det A|. Andererseits ist aber d(α1 . . . , αn ) = (det A)2 d(β1 , . . . , βn ), wie man leicht sieht.
Folgerung 2.2.9. Sei K ein Zahlkörper vom Grad n. Sei {ω1 , . . . , ωn } eine Z-Basis
von K und sei M = hα1 , . . . , αn i ⊆ OK ein Untermodul vom Rang n mit d(α1 , . . . , αn ) =
d(ω1 , . . . , ωn ). Dann gilt M = OK . Insbesondere ist die Diskriminante einer Ganzheitsbasis von OK von der Wahl der Basis unabhängig.
Die Folgerung berechtigt uns die Diskriminante einer Ganzheitsbasis d(ω1 , . . . , ωn )
von OK als die Diskriminante von K zu nennen. Wir schreiben kurz dK für
diese. Sie ist eine zentrale Invariante des Zahlkörpers.
Wir schließen diesen Abschnitt mit Beispielen.
√
Theorem 2.2.10. Sei K = Q( d) ein quadratischer Zahlkörper mit o.B.d.A d ∈ Z
quadratfrei. Dann gilt:
( √
d, wenn d ≡ 2, 3 mod 4
√
OK = Z + Zω mit ω =
1+ d
2 , wenn d ≡ 1 mod 4
14
Für die Diskriminante dK gilt:
4d,
dK =
d,
wenn d ≡ 2, 3 mod 4
wenn d ≡ 1 mod 4
Beweis. Jedes a ∈ K erfüllt die quadratische Gleichung a2 + T rK/Q (a)a +
NK/Q (a), woraus folgt, dass a ∈ OK genau dann, wenn die Spur und die Norm
√
in Z liegen, also a = a1 + a2 d ∈ K mit a1 , a2 ∈ Q ist ganz genau dann, wenn
T rK/Q (a) = 2a1 ∈ Z und NK/Q (a) = a21 − a22 d ∈ Z. Dann ist auch 2a2 ∈ Z,
weil (2a2 )2 d = (2a1 )2 − 4(a21 − a22 d) ∈ Z und d als quadratfrei vorausgesetzt ist.
Somit ist a1 = A/2, a2 = B/2 mit A, B ∈ Z und A2 − B 2 d ≡ 0 mod 4. Ist nun
d ≡ 2, 3 mod 4,√
dann ist die letzte Kongruenz nur durch gerade A, B erfüllt, al0
0
0
0
so a = A + B d, mit A , B ∈ Z. Im Fall d ≡ 1 mod 4 ist die letzte Kongruenz
√
äquivalent zu A ≡ B mod 2, d. h. A = B + 2C und a = C + B(1 + d)/2 mit
B, C ∈ Z. Die Berechnung der Diskriminante sei dem Leser überlassen.
Neben den quadratischen Zahlkörpern, wollen wir auch Ganzheitsbasen von
Kreisteilungskörpern diskutieren. Wir brauchen aber einige vorbereitende Betrachtungen.
Wir erinnern zunächst an den Begriff eines Eisenstein-Polynoms. Sei f (x) =
xn + qn−1 xn−1 + . . . + q1 x + q0 ∈ Z[x] und sei p eine Primzahl. Dann nennen wir
f (x) ein Eisenstein-Polynom bezüglich p, falls p alle Koeffizienten q0 , . . . , qn−1
teilt und keine höheren Potenzen von p den Koeffizienten q0 teilen, also p2 - q0 .
Wir wissen, dass ein Eisenstein-Polynom irreduzibel über Q ist.
Proposition 2.2.11. Sei K = Q(ϑ) ein Zahlkörper vom Grad n. Angenommen, das
Minimalpolynom pϑ (x) = xn + an−1 xn−1 + . . . + a0 ist ein Eisenstein-Polynom
bezüglich der Primzahl p. Dann gilt
p - (OK : Z[ϑ]) .
Beweis. Angenommen, die Primzahl p teilt den Index. Das bedeutet, dass es
in der Restklassengruppe OK /Z[ϑ] ein nicht-triviales Element der Ordnung
/ Z[ϑ], aber pβ ∈ Z[ϑ]. Dann gilt pβ =
p gibt, also gibt es ein β ∈ OK , β ∈
n−1
n−1
∈
/ Z[ϑ], ist
b0 + b1 ϑ + . . . + bn−1 ϑ
∈ Z[ϑ]. Weil β = bp0 + bp1 ϑ + . . . + bn−1
p ϑ
nicht jedes bk durch p teilbar. Sei j der kleinste Index, so dass p - bj . Die Zahl
b
b
n−1
j−1
ρ = pj ϑj + . . . + bn−1
liegt als Differenz ρ = β − ( bp0 + bp1 ϑ + . . . + j−1
)
p ϑ
p ϑ
bk
zweier ganzalgebraischer Zahlen in OK (für k = 0, . . . j − 1 sind alle p ganz
n
nach Voraussetzung). Ebenfalls ist ϑp ∈ OK , denn pϑ (ϑ) = a0 + . . . + an ϑn = 0,
P
also ϑn /p = −( 0≤k≤n−1 apk ϑk ). Weil pϑ (x) Eisensteinsch bezüglich p ist, sind
alle ak durch p teilbar, d.h. apk ∈ Z und folglich ϑn /p ∈ OK .
b
Dann gilt aber auch, dass pj ϑn−1 ∈ OK . Das gilt wegen der folgenden Gleichheit
bj
ϑn
ρϑn−j−1 = ϑn−1 +
bj+1 + . . . + bn−1 ϑn−j−2 ,
p
p
bei der wir bereits wissen, dass ρ und ϑn /p in OK sind.
bn
b
b
Wir berechnen die Norm der Zahl pj ϑn−1 : NK/Q ( pj ϑn−1 ) = pjn NK/Q (ϑ)n−1 .
Die Zahl ϑ ist ein primitives Element der Erweiterung K/Q. Damit ist die
15
Norm NK/Q (ϑ) gerade das Produkt über alle Nullstellen des Minimalpolynoms pϑ (x). Nach dem Satz von Vieta ist dieses Produkt gerade NK/Q (ϑ) =
(−1)n a0 , das Absolutglied von pϑ (x). Insgesamt ist also
NK/Q (
bnj
bj n−1
ϑ
) = n (−1)n(n−1) an−1
0
p
p
bn
b
. Weil pj ϑn−1 in OK liegt, muss die Norm pjn (−1)n(n−1) an−1
eine ganze Zahl
0
n n−1
sein. Nach der Voraussetzung gilt p - bj . Damit gilt p |a0 . Das liegt im Widerspruch zur Annahme, dass pϑ (x) ein Eisenstein-Polynom bezüglich p ist,
wonach pn−1 die höchste Potenz von p ist, die an−1
teilt.
0
Wir wollen dieses Ergebnis auf die Bestimmung einer Ganzheitsbasis des Ringes der ganzen Zahlen im Körper K = Q(e2πi/p ) der p-ten Einheitswurzel anwenden. Ein unmittelbarer Kandidat für eine solche Basis ist {1, ζ, ζ 2 , . . . , ζ p−2 },
wobei ζ eine primitive p-te Einheitswurzel ist. Wir berechnen die Diskriminante dieser Basis bis auf Vorzeichen.
Lemma 2.2.12.
d(1, ζ, . . . , ζ p−2 ) = ±pp−2
Qp−1
p
−1
= k=1 (x−ζ k ) das Minimalpolynom von ζ. Nach DeBeweis. Sei φ(x) = xx−1
p−2
finition ist die Diskriminante d(1, ζ,
das Quadrat der VandermondeQ. . . , ζi ) jgenau
p−2
Determinante d(1, ζ, . . . , ζ
) = i<j (ζ − ζ )2 . Damit ist bis auf Vorzeichen
Y
±d(1, ζ, . . . , ζ p−2 ) =
(ζ i − ζ j ).
i,ji6=j
Andererseits gilt für die Ableitung von φ(x):
0
φ (x) =
p−1 Y
X
(x − ζ k ),
l=1 k6=l
und damit ist für jedes i ∈ {1, . . . , p − 1}
Y
0
φ (ζ i ) =
(ζ i − ζ k ),
k6=i
also insegasamt
Y
±d(1, . . . , ζ p−2 ) =
0
0
φ (ζ i ) = NK/Q (φ (ζ)).
1≤i≤p−1
0
0
Wegen (x − 1)φ(x) = xp − 1, gilt für die Ableitung φ (x): φ(x) + (x − 1)φ (x) =
0
pxp−1 . Substituieren wir x = ζ und beachten φ(ζ) = 0, erhalten wir φ (ζ) =
Qp−1
p
i=1 (1−
ζ(ζ−1) . Weiterhin gilt NK/Q (ζ) = 1 und NK/Q (ζ −1) = NK/Q (1−ζ) =
0
ζ i ) = φ(1) = p. Damit ist NK/Q (φ (ζ)) = ±pp−2 .
Theorem 2.2.13. Sei p eine Primzahl und ζ eine primitive p-te Einheitswurzel sowie
K = Q(ζ). Dann gilt
OK = Z[ζ].
16
Beweis. Klar ist, dass Z[ζ] ⊆ OK , weil ζ als Nullstelle des Polynoms φ(x) =
xp −1
p−1
+ . . . + x + 1 offensichtlich ganz ist. Das zeigt ebenfalls, dass
x−1 = x
der Ring Z[ζ] ein freier Z-Modul vom Rang p − 1 = [K : Q]. Für den Index
(OK : Z[ζ]) gilt nach Proposition 2.2.11 und obigen Lemma 2.2.12
2
(OK : Z[ζ]) =
pp−2
,
dK
(2.2.5)
wobei dK die Diskriminante von K bezeichnet.
Es ist leicht zu sehen, dass gilt Z[ζ] = Z[ζ − 1], denn die Abbildung ζ 7→ ζ − 1
induziert einen Basiswechsel mit einer ganzzahligen Matrix der Gestalt


1 0 ... 0
∗ 1
0 . . .




∗ . . . . . .

∗
∗
...
1
die offensichtlich die Determinante 1 hat. Das Minimalpolynom von ζ − 1 ist
offensichtlich das Polynom
p
p
p
(x + 1)p − 1
.
x+
xp−2 + . . . +
= xp−1 +
φ(x + 1) =
1
2
x
p−1
Jeder Binomialkoeffizient pj ist durch p teilbar und p1 = p. Damit ist φ(x +
1) ein Eisenstein-Polynom bezüglich der Zahl p2 . Nach Proposition 2.2.11 gilt
dann
p - (OK : Z[ζ − 1]) = (OK : Z[ζ]) .
Dann folgt aber aus der Gleichung (2.2.5), dass (OK : Z[ζ]) = 1 und d(1, . . . , ζ p−2 ) =
dK . Damit gilt OK = Z[ζ] nach Folgerung 2.2.9
2.3
Hauptsatz der Dedekindschen Idealtheorie
In der Theorie der Zahlkörper übernimmt der Ring der ganzen Zahlen OK eines Zahlkörpers K die Rolle von Z aus der elementaren Zahlentheorie und es
stellt sich in natürlicher Weise die Frage nach der Gültigkeit von Sätzen in OK ,
die man aus der elementaren Zahlentheorie kennt, so zum Beispiel der Fundamentalsatz der Arithmetik. Schon bei der Betrachtung von quadratischen
Zahlkörpern sieht man, dass so ein Satz nicht mehr im Allgemeinen gelten
kann, wie folgendes Gegenbeispiel zeigt. In OQ(√−5) ist einerseits
21 = 3 · 7
aber gleichzeitig
√
√
21 = (1 + 2 −5)(1 − 2 −5).
Es gilt weiter
√
√
Lemma 2.3.1. Die Zahlen 3, 7, 1+2 −5, 1−2 −5 sind alle irreduzibel in OQ(√−5)
und sind nicht assoziiert zueinander.
2 Das ist gleichzeitig ein Beweis, dass φ(x + 1) irreduzibel ist und tatsächlich das Minimalpolynom für ζ − 1
17
Beweis. Man argumentiert mit Hilfe der Norm. Angenommen 3 = αβ, wobei α
und β Elemente aus OQ(√−5) und keine Einheiten sind. Dann gilt NQ(√−5)/Q (3) =
NQ(√−5)/Q (α)NQ(√−5)/Q (β) = 9. Und damit ist NQ(√−5)/Q (α) = NQ(√−5)/Q (β) =
√
±3. Nach Lemma 2.2.10 sind α und β von der Form a + b −5 mit a, b ∈ Z. Für
solche Zahlen ist die Norm die ganze Zahl a2 +5b2 . Die Gleichung a2 +5b2 = ±3
hat aber keine Lösung in den ganzen Zahlen. Das erzeugt den Widerspruch zur
Annahme. Genauso beweist man die Irreduzibilität
der anderen Zahlen.
√
Angenommen 3 und eine der Zahlen √
1±2 −5 wären assoziiert, also es gäbe ei∗ √
mit 3 = 1 ± 2 −5. Weil NQ(√−5)/Q () = ±1 ist (warum
ne Einheit ∈ OQ(
−5)
√
eigentlich?), muss dann 9 = NQ(√−5)/Q (3) = ±NQ(√−5)/Q (1 ± 2 −5) = ±21.
Widerspruch! Den
wenn man annimmt,
√ gleichen Widerspruch√erreicht man, √
dass 7 und 1 ± 2 −5 assoziiert sind. 1 + 2 −5 und 1 − 2 −5 können als Konjugierte nicht assoziiert sein.
Die Entdeckung, dass die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung in OK nicht
allgemein gegeben ist geht auf Eduard Kummer zurück, der auf diese Frage im
Zusammenhang mit seiner Arbeit über den letzten Satz von Fermat kam. Auf
Kummer geht auch die Beobachtung zurück, dass die Eindeutigkeit erreicht
werden kann, wenn man anstelle von Zahlen Ideale in OK betrachtet. In dem
obigen Beispiel beobachten √
wir folgendes:
√
Sei p1 das von 3 und 1 + 2 −5 erzeugte Ideal in O√−5 , p1 = h3, 1 + 2 −5i.
√
√
√
Weiterhin seien p2 = h3, 1 − 2 −5i, p3 = h7, 1√+ 2 −5i, p4 = h7,√1 − 2 −5i.
Dann gilt p1 p2 = h3i, p3 p4 = h7i, p1 p3 = h1 + 2 −5i, p2 p4 = h1 − 2 −5i. Dann
gilt h21i = p1 p2 p3 p4 . Die Ideale pi sind alle prim3 und plötzlich ist die Zerlegung beim Übergang zu Idealen eindeutig. R. Dedekind systematisierte diese
Idee von Kummer und entwickelte die heute nach ihm bennante Theorie der
Dedekindchen Ringe, die wir an dieser Stelle vorstellen wollen.
Ein Noetherscher und ganzabgeschlossener Integritätsbereich A heißt DedekindRing, wenn jedes Primideal in A ungleich dem Nullideal maximal ist. Es gilt
Theorem 2.3.2. Die Hauptordnung OK eines algebraischen Zahlkörpers K ist ein
Dedekind-Ring.
Beweis. OK ist nach Definition genau dann Noethersch, wenn jedes Ideal in
OK endlich erzeugt ist. Nach dem Satz 2.2.7 ist OK ein freier Z-Modul vom
Rang [K : Q]. Damit ist jedes Ideal I in OK ebenfalls ein freier Z-Modul vom
Rang [K : Q]. Das folgt aus der Tatsache, dass jeder Untermodul eines freien
Moduls über einem Hauptidealring wieder frei ist, und da der Rang von I als
Z-Untermodul von OK einerseits kleiner oder gleich [K : Q], und weil andererseits als OK -Modul der Rang von I über Z größer oder gleich [K : Q] sein muss.
Insgesamt ist insbesondere I endlich erzeugt als Z-Modul und damit endlich
erzeugt als OK -Modul. Als ganzer Abschluß von Z in K ist OK ganzabgeschlossen (Proposition 2.2.4). Es bleibt noch die Maximalität von Primidealen
zu zeigen. Zunächst zeigen wir: Ist p 6= (0) ein Primideal von OK , dann ist
(p) = p ∩ Z ein Primideal in Z und p 6= 0. Seien dazu α, β ∈ Z mit αβ ∈ p ∩ Z.
Weil p prim ist, folgt dann α ∈ p ∩ Z oder β ∈ p ∩ Z, womit p ∩ Z prim ist. Sei
0 6= α ∈ p und sei pα (x) = xn +an−1 xn−1 +. . .+a0 das Minimalpolynom von α.
Weil α ∈ OK , sind alle Koeffizienten ai ganze Zahlen in Z und weil pα (x) das
3 Sie
sind sogar maximale Ideale
18
Minimalpolynom ist, gilt a0 6= 0. Ebenfalls ist a0 ∈ p ∩ Z, weil a0 ∈ Z[α] ⊂ p.
Betrachten wir die minimale Gleichung für α:
αn + an−1 αn−1 + . . . + a1 α + a0 = 0,
und reduzieren diese Gleichung modulo p. Wir erhalten für ᾱ = α + p ∈ OK /p:
ᾱn + ān−1 ᾱn−1 + . . . + ā1 ᾱ + ā0 = 0,
wobei ā0 , . . . , ān−1 ∈ Z/pZ = Z/(p ∩ Z) die Restklassen der ai modulo p, i =
0, . . . , n − 1. Weil Z/pZ ein Körper ist, hat ᾱ (im Falle ᾱ 6= 0) ein Inverses in
OK /p. Das sehen wir folgendermaßen ein: Sei i der erste Index für den gilt
āi 6= 0. Dann ist −(āi )−1 (ᾱn−i−1 + ān−1 ᾱn−i−2 + . . . + āi+1 ) das Inverse zu ᾱ.
Damit ist OK /p ein Körper, d. h. p ist ein maximales Ideal.
An einigen Stellen haben wir schon mit Idealen und OK -Moduln „gerechnet“.
Wir wollen nun die möglichen Rechenoperationen systematischer studieren
und sie algebraisch und arithmetisch interpretieren.
Zunächst führen wir einen leicht allgemeineren Begriff von Idealen. Sei A ein
Dedekind-Ring und K sein Quotientenkörper (man denke an die Hauptordnung eines Zahlkörpers). Ein endlich erzeugter A-Modul in K heißt gebrochenes Ideal. Ein Ideal von A nennen wir in diesem Zusammenhang auch ganzes Ideal. Die Menge aller gebrochenen Ideale bezeichnen wir mit IK und die
Menge der ganzen Ideale mit IA . Offensichtlich ist IA ⊂ IK . Nahezu unmittelbar sieht man aber auch, dass zu jedem a ∈ IK ein a ∈ A existiert mit der Eigenschaft, dass aa ∈ IA 4 . Folgende Operationen sind definiert: Seien a, b ∈ IK ,
dann sei
• a + b = {a + b | a ∈ a, b ∈ b}. Das ist das kleinste Ideal, das a und b
enthält.
P
• ab = { ai bi | ai ∈ a, bi ∈ b}. Das ist das von allen Produkten ab mit
a ∈ a und b ∈ b erzeugte Ideal.
• a−1 = {x ∈ K | xa ⊆ A}.
Seien nun a, b ∈ IA . Dann definiert man:
• ha, bi = a + b = ggT (a, b). Das ist der größter gemeinsamer Teiler von a
und b. a und b sind teilerfremd, wenn a + b = A.
• a ∩ b = kgV (a, b). Das ist das kleinste gemineinsame Vielfache von a
und b.
• a|b ⇔ b ⊆ a. Man sagt in diesem Fall a teilt b.
Man überzeugt sich leicht, dass die obigen Definitionen im Falle A = Z äquivalent sind zu den üblichen Definitionen von Teilbarkeit von Zahlen. Das folgende Lemma gibt den technischen Kern des Hauptsatzes und zeigt, dass die
Teilbarkeit von Idealen die gleichen Eigenschaften hat wie die Teilbarkeit in
den ganzen Zahlen.
4 Das könnte als Rechtfertigung für die Namensgebung „gebrochene Ideale“ gesehen werden.
Sie sind im gewissen Sinn Quotienten ganzer Ideale.
19
Lemma 2.3.3. Sei A ein Dedekind-Ring und sei p ein Primideal welches nicht das
Nullideal ist.
1. Zu jedem a ∈ IA existieren Primideale p1 , . . . , pl ∈ IA mit der Eigenschaft,
dass
a|p1 p2 . . . pl .
2. Angenommen es gilt p|ab in IA . Dann ist entweder p|a oder p|b.
3. Wenn p 6= h1i = A ist, dann enthält p−1 ein Element, das nicht in A liegt.
4. pp−1 = A.
Beweis. 1. Angenommen die Aussage gilt nicht für ein Ideal a. Dann gilt sie
auch nicht für jedes Ideal, das a teilt (d. h. welches a umfasst). Weil A Noethersch
ist, gibt es ein maximales solches a. Dieses a kann nicht prim sein. Also existieren Elemente a, b ∈ A mit der Eigenschaft, dass ab ∈ a aber a ∈
/ a und b ∈
/ a. Sei
a1 = ha, ai das von a und a erzeugte Ideal und a2 = hb, ai. Dann gilt a|a1 a2 aber
a - a1 , a - a2 . Weil a maximal mit der obigen Eigenschaft ist, gibt es Primideale
p1 , . . . , pl und q1 , . . . , qs mit der Eiganschaft, dass a1 |p1 . . . pl , a2 |q1 . . . qs . Dann
gilt aber a|p1 , . . . pl q1 . . . qs . Widerspruch!
2. Angenommen, dass p weder a noch b aber das Produkt ab teilt. Dann gibt es
Elemente a ∈ a, b ∈ b, die nicht in p liegen, dessen Produkt aber in ab ⊆ p liegt.
Das ist aber nicht möglich, weil p ein Primideal ist.
3. Sei a ∈ p, a 6= 0. Betrachte das Ideal hai. Es gilt p|hai. Nach der Aussage
1., existieren Primideale p1 , . . . , pl mit hai|p1 . . . pl und damit p|p1 . . . pl . Wegen
der Aussage 2, teilt p einen der Faktoren, etwa p1 , und damit p = p1 . Damit gilt
hai|pp2 . . . pl und hai - p2 , . . . , pl . Das bedeutet, dass ein b ∈ p2 . . . pl existiert mit
b∈
/ hai und bp ⊆ hai. Das ist aber äquivalent zu der Aussage, dass ba−1 ∈
/ A
und ba−1 p ⊆ A. Nach Definition ist also ba−1 ∈ p−1 aber ba−1 ∈
/ A.
4. Es gilt p ⊆ pp−1 ⊆ A. Weil p maximal ist (A ist Dedekindsch), gilt entweder
pp−1 = p oder pp−1 = A. Im ersten Fall lässt jedes a ∈ p−1 den endlich erzeugten A-Modul p invariant und ist damit nach Definition ganz über A. Damit sind
auch solche a ∈ p−1 mit a ∈
/ A auch ganz über A. Aber A ist ganzabgeschlossen. Widerspruch.
Theorem 2.3.4. Sei A ein Dedekind-Ring und a ein ganzes Ideal ungleich dem Nullideal. Dann lässt sich a als ein Produkt
a = pe11 . . . pel l
schreiben, wobei alle pi Primideale sind und ei ganze Zahlen größer oder gleich Null.
Diese Darstellung ist eindeutig bis auf die Reihenfolge der Primfaktoren.
Beweis. Um die Existenz der Zerlegung zu zeigen, nehmen wir an, dass ein
Ideal a keine Primidealzerlegung besitzt. Mit der gleichen Begründung wie
bei Beweis von Lemma 2.3.3.1. können wir a als maximal mit dieser Eigenschaft annehmen. Man beachte, dass a in einem maximalen Ideal p enthalten
ist, welches ein Primideal sein muss. Andererseits ist a 6= p, denn sonst wäre
a = p eine Zerlegung von a. Wir haben dann ap−1 $ pp−1 = A. Damit ist ap−1
ein ganzes Ideal, welches nicht in a enthalten ist, und besitzt eine Zerlegung
ap−1 = pe11 · · · pel l . Dann ist a = ap−1 p = ppe11 · · · pel l eine Zerlegung von a. Widerspruch.
20
Die Eindeutigkeit ist leicht zu folgern:
Angenommen das Ideal a hätte zwei Zerlegungen a = pe11 · · · pel l = qf11 · · · qfss .
Dann gilt p1 |qf11 · · · qfss . Nach Lemma 2.3.3 2 muss dann p1 eines der Ideale qi
sein, zum Beispiel p1 = q1 (nach geeigneter Umnummerierung). Genauso muss
es für die restlichen Primfaktoren gelten, und nach geeigneter Umnummerierung ist pi = qi . Insbesondere ist l = s und damit ei = fi .
Der Satz 2.3.4 ist das richtige Analogon des Hauptsatzes der Arithmetik für die
Hauptordnung OK eines Zahlkörpers K. Wir sehen, dass dort die Ideale bzw.
die Primideale die richtigen Objekte für die Arithmetik von OK sind.
2.4
Folgerungen und Ergänzungen zum Hauptsatz
Sei wieder A ein Dedekind-Ring, K sein Quotientenkörper und bezeichnen IA
und IK die Mengen der ganzen und gebrochenen Ideale von K.
Proposition 2.4.1. Die Menge IK der gebrochenen Ideale bildet bezüglich der Idealmultiplikation eine abelsche Gruppe, in der A = h1i das Einselement ist, und in der
a−1 das Inverse zum Ideal a ist.
Beweis. Die Kommutativität und Assoziativität folgen unmittelbar aus der Definition der Idealmultiplikation (überzeugen Sie sich davon). Ebenso offensichtlich ist die Gleichheit ah1i = a aus welcher A sich als das neutrale Element
herausstellt. Ist p ein Primideal, dann gilt nach Lemma 2.3.3 (4), pp−1 = A. Damit ist p−1 das Inverse von p. Um die Behauptung für ein beliebiges ganzes
Ideal a zu zeigen, zerlegen wir es zunächst nach dem Hauptsatz a = p1 · · · pr
−1
und beachten, dass a−1 = p−1
(Übungsaufgabe). Dann gilt aa−1 =
1 · · · pr
−1
−1
−1
−1
p1 · · · pr p1 · · · pr = p1 p1 · · · pr pr = A. Sei schließlich a ein beliebiges gebrochenes Ideal. Dann existiert ein a ∈ A mit der Eigenschaft, dass aa = c ganz
ist. Das Inverse von c ist c−1 = a−1 a−1 . Damit ist a−1 das Inverse zu a.
In der naheliegenden Weise ist ein gebrochenes Hauptideal definiert als ein
Hauptideal hai = aA, wobei a ein Element aus K ∗ ist. Die gebrochenen ganzen
Ideale bilden eine Untergruppe PK von IK . Die Faktorgruppe
ClK = IK /PK
nennen wir die Idealklassengruppe oder oft einfach Klassengruppe von K.
Die Klassengruppe ist eine zentrale Invariante eines Dedekind-Rings, denn ihre Größe misst im gewissen Sinn, wie viel komplizierter die Arithmetik ist bei
dem Übergang von den Zahlen zu Idealen, bzw. wie weit der Dedekind-Ring
von einem Hauptidealring “entfernt“ ist. Denn offensichtlich gilt
Theorem 2.4.2. Sei A ein Dedekind-Ring und K = Quot(A). A ist genau dann ein
Hauptidealring, wenn die Klassengruppe ClK trivial ist.
Um weitere Analogien zu der bekannten Zahlentheorie von Z herzustellen,
wollen wir die Verallgemeinerung des chinesischen Restsatzes auf beliebige
Dedekind-Ringe vorstellen.
21
Theorem 2.4.3. Seien a und b zwei teilerfremde Ideale eines Dedekind-Rings A,
d. h. ggt(a, b) = a + b = h1i = A. Dann gilt
A/(a ∩ b) ∼
= A/a ⊕ A/b.
Beweis. Sei κ : A −→ A/a ⊕ A/b der kanonische Homomorphismus gegeben
durch a 7→ (a mod a, a mod b). Der Kern von κ besteht aus genau den Elementen von A, die sowohl in a als auch in b liegen. Damit ist ker(κ) = a ∩ b. Um
zu zeigen, dass κ surjektiv ist, finden wir Elemente a ∈ a und b ∈ b mit der
Eigenschaft, dass a + b = 1. Das ist möglich, weil ggT (a, b) = 1. Gegeben nun
(x, y) ∈ A/a ⊕ A/b, dann sei u = xb + ya. Es gilt dann u ≡ x mod a und
u ≡ y mod b, weil a ≡ 1 mod b und b ≡ 1 mod a. Damit ist (x, y) ein Bild unter
κ und κ ist surjektiv.
Ein einfaches Induktionsargument verallgemeinert die Aussage des Satzes auf
mehr als zwei Summanden.
Theorem 2.4.4. Seien a1 , a2 , . . . , an paaarweise teilerfremde
Tn Ideale eines DedekindRings A, d. h. ggT (ai , aj ) = h1i für i 6= j, und sei a = j=1 aj Dann gilt
A/a ∼
=
n
M
A/aj .
i=1
2.5
Elemente der Verzweigungstheorie
√
√
Betrachten wir ein Beispiel: Sei K = Q( −5). Dann ist OK = Z( −5). Wir
interessieren uns für die Primidealzerlegung von den Hauptidealen√2OK , 3OK
(zur Übung
kann der Leser
√
√5OK , 7OK betrachten). Sei p1 = h2, 1 + −5i, p2 =
h3, 1 + −5i, p3 = h3, 1 − −5i.
Lemma 2.5.1. Die Ideale p1 , p2 , p3 sind alle Primideale von OK und es gilt p1 =
2OK = p21 und 3OK = p2 p3 .
Beweis. Wir zeigen, dass die betreffenden Ideale maximal sind. Dazu berechnen wir zuerst den Index (OK : pi ). Dieser ergibt sich nach Beweis von Lemma
2.2.8 als die
√ Determinante der Matrix, die den Übergang von der Ganzheitsbasis {1, −5} zu einer Basis von pi beschreibt. Dann ergibt sich unmittelbar
(OK : p1 ) = 2, (OK : p2 ) = (OK : p3 ) = 3. Wenn wir nun annehmen, dass die
Ideale pi nicht maximal sind, dann muss es ein Ideal I geben mit pi ⊂ I ⊂ OK .
Dann muss auch (OK : I) | (OK : pi ). Da die betreffenden Indizes alle Primzahlen sind, ist das nur mit (OK : I) = 1 oder (OK : I) = p, prim, also I = OK oder
I = pi möglich. Die restlichen Behauptungen sind leicht nachzurechnen.
Wir können am obigen Beispiel beobachten, dass einerseits die von den Primzahlen in Z erzeugten Ideale einer Hauptordnung keine Primideale bleiben.
Wir merken aber auch, dass in OK das Hauptideal pOK in ein Produkt zerfallen kann (man spricht von einer zerlegten Primzahl), oder aber dass pOK
Potenz eines einzigen Primideals von OK ist (wir sagen p ist verzweigt). Wir
wollen in diesem Abschnitt eine Übersicht über alle möglichen Zerlegungen
einer Primzahl in einer (endlichen) Erweiterung geben.
22
Sei K ein Zahlkörper vom Grad n und sei p ∈ Z eine Primzahl. Dann beobeachten wir,
Lemma 2.5.2.
pOK ( OK .
Beweis. Sei P = pa mit einer ganzen Zahl a, die teilerfremd zu p ist. Dann
finden wir ganze Zahlen x, y mit der Eigenschaft, dass 1 = xp+ya (chinesischer
Restsatz). Sei s = ya. Dann gilt p - s. Angenommen pOK = OK . Dann gilt
sOK = spOK ⊆ P OK . Dann ist s = P x mit einem x ∈ OK ∩ Q = Z. Damit
p|P |s. Widerspruch.
Wir können damit nach dem Hauptsatz der Dedekindschen Idealtheorie das
Hauptideal pOK in Produkt von Primidealpotenzen schreiben
pOK = pe11 · . . . pemm .
(2.5.1)
Die Exponenten ei dieser (eindeutigen) Zerlegung heißen Verzweigungsidizes von p an der Stelle pi . Wir ordnen jedem Faktor dieser Zerlegung noch
eine weitere Zahl zu, den sogenannten Restklassengrad fi von p an der Stelle
pi , auch Trägheitsindex von p an der Stelle pi genannt, definiert als der Grad
der Erweiterung endlicher Körper fi := [OK /pi : Z/pZ].
Unser Ziel ist es zu zeigen, dass die Zahlen ei , fj assoziiert zur Zerlegung
(2.5.1) nicht willkürlich sein können, sondern dass es eine Beziehung zwischen
den Verzweigungs- und Trägheitsindizesindizes und dem Grad n = [K : Q]
von K gibt. Dazu ist die Norm eines Ideals ein nützlicher Begriff. Sei a ein ganzes Ideal in K, dann defininieren wir die Idealnorm N (a) von a als den Index
von a in OK , d.h. N (a) = |OK /a| = (OK : a).
Theorem 2.5.3. Sei K ein Zahlkörper vom Grad n. Dann gilt:
1. Die Idealnorm ist multiplikativ, d.h. N (ab) = N (a)N (b) für alle ganzen Ideale
a, b ∈ IOK .
2. Ist α ∈ OK , dann gilt N (αOK ) = |NK/Q (α)|.
Beweis. Zu 1.):
Sind a und b teilerfremde Ideale, also mit der Eigenschaft a + b = OK , dann
ist die Multiplikativität der Idealnorm eine unmittelbare Konsequenz aus dem
chinesischen Restsatz 2.4.3. Zunächst beachten wir, dass für teilerfremde Ideale
a, b gilt ab = a ∩ b (Übung). Nach dem Satz 2.4.3 gilt dann
OK /ab ∼
= OK /a × OK /b,
und damit N (ab) = N (a)N (b). Desweiteren, zeigen wir, dass für ein Primideal
p stets N (pe ) = N (p)e für alle e ≥ 0 gilt. Dazu betrachten wir die aufsteigende
Kette von Idealen
OK ⊃ p ⊃ p 2 ⊃ . . . ⊃ p e .
(2.5.2)
Wegen der Multiplikativät des Index, welcher die Idealnorm gerade ist, erhalten wir
e−1
Y
(OK : pe ) = N (pe ) =
|pi /pi+1 |.
i=0
23
Wir beweisen aber, dass für alle k ∈ N0 gilt OK /p ∼
= pk /pk+1 , woraus unmittelbar die Behauptung folgt. Einen Isomorphismus zwischen OK /p und
pk /pk+1 konstruiert man folgendermaßen: Sei a ∈ pk \ pk+1 und man definiere ρ : OK −→ pk /pk+1 durch ρ(α) = aα. Der Kern von ρ ist nach Definition genau aOK ∩ pk+1 = kgV (aOK , pk+1 ). Weil wir aber a ∈ pk \ pk+1
gewählt haben, muss aOK ∩ pk+1 = p gelten. Andererseits ist das Bild von
ρ genau (aOK + pk+1 )/pk+1 = ggT (aOK , pk+1 )/pk+1 . Wegen der Wahl von a
muss aOK + pk+1 = pk sein, woraus die Surjektivität von ρ folgt. Aus diesen
Fakten folgt nun die Aussage 1. unmittelbar. Für zwei beliebige Q
ganze Ideale
r
ei
a und
b
können
wir
die
zugehörigen
Primidealzerlegungen
a
=
i=1 p und
Qs
di
b = i=1 q betrachten. Dann gilt
N (ab) = N (
r
Y
p
s
Y
ei
i=1
di
q )=
i=1
r
Y
ei
N (p)
i=1
s
Y
N (q)di = N (a)N (b).
i=1
Zu 2.)
Sei α1 , . . . , αn irgendeine Ganzheitsbasis von OK /Z und sei α ∈ K. Die Multiplikation mit α definiert eine Q-lineare Abbildung mα : K −→ K, mα (x) =
αx. Sei A die Darstellungsmatrix von mα bezüglich der gegebenen Basis. Sei
0
0
0
αi = ααi . Wir betrachten die Diskriminanten d(α1 , . . . , αn ) und d(α1 , . . . , αn ).
Einerseits haben wir die Relation
0
0
d(α1 , . . . , αn ) = det(A)2 d(α1 , . . . , αn ),
(2.5.3)
und andererseits ist nach Definition
0
0
0
d(α1 , . . . , αn ) = det((αi )σj )2 = det((ααi )σj )2 =
σj 2
= det(α )
σ
det(αi j )2
(2.5.4)
σj 2
= det(α ) d(α1 , . . . , αn ).
Der Vergleich von (2.5.3) und (2.5.4) ergibt
| det(A)| = | det(ασj )| = |NK/Q (α)|.
Aber gleichzeitig ist det(A) gerade der Index (OK : αOK ) (vgl Lemma 2.2.8),
womit die Behauptung folgt.
Folgerung 2.5.4 (Fundamentalgleichung). Sei p ∈ Z eine Primzahl und
pOK = pe11 · . . . pemm
die zugehörige Primidealzerlegung in OK . Dann gilt
[K : Q] = n = e1 f1 + e2 f2 + . . . + em fm .
Beweis. Nach dem obigen Satz 2.5.3 gilt wegen der Multiplikativität der Idealnorm
N (pOK ) = N (p1 )e1 · . . . N (pm )em .
Nun gilt für die linke Seite der Gleichung N (pOK ) = NK/Q (p) = pn . Auf der
rechten Seite haben wir N (pi ) = |OK /pi | = |Z/pZ|fi = pfi . Damit gilt
pn = p
Pm
i=1
und die Behauptung ist bewiesen.
24
ei f i
Die Fundamentalgleichung impliziert, dass die Primidealzerlegung des von
einer rationalen Primzahl erzeugten Hauptideals nicht willkürlich sein kann,
sondern dass der Grad des Zahlkörpers eine Art obere Schranke für die ”Verzweigung“ darstellt. Sei p eine Primzahl und
pOK = pe11 · . . . pemm
die Primidealzerlegung von pOK . Wir sagen, dass p zerlegt in K ist, wenn
m > 1, also wenn pOK mehr als einen Primfaktor hat. Wir nennen p vollständig zerlegt, wenn m = [K : Q]. Nach der Fundamentalgleichung muss dann
gelten ei = fi = 1 für jeden Primfaktor von pOK . Die Primzahl p heißt unverzweigt, wenn für alle Verzweigungsindizes ei = 1 gilt. Eine unverzweigte
und unzerlegte Primzahl heißt träge. Die Aussage, dass eine Primzahl p träge
ist, heißt nichts anderes als dass p auch in OK prim ist. Nach der Fundamentalgleichung ist in diesem Fall f = f1 = [K : Q]. Das erklärt auch den Namen
Trägheitsgrad: seine Größe bestimmt die Anzahl der Primfaktoren von pOK .
Wenn an einer Stelle der Verzweigungsindex größer als 1 ist, heißt p verzweigt.
p heißt vollständig verzweigt, wenn p unzerlegt ist und für alle Trägheitsindizes gilt fi = 1. Nach der Fundamentalgleichung muss in diesem Fall pOK die
[K : Q]-te Potenz eines einzigen Primideals sein, pOK = p[K:Q] .
Wir wollen nun zeigen, wie man explizit und systematisch die Primidealzerlegung einer rationalen Primzahl, bzw. des von einer Primzahl erzeugten Hauptideals, in einem Ring der ganzen Zahlen OK erhält.
Theorem 2.5.5. Sei p eine Primzahl in Z und K ein Zahlkörper vom Grad n mit
der Eigenschaft, dass OK = Z[θ] gilt. Sei pθ (x) das Minimalpolynom von θ und sei
p̄θ (x) ∈ Z/pZ[x] die Reduktion von pθ (x) modulo p.5 Sei
p̄θ (x) = P̄1 (x)e1 · P̄2 (x)e2 · . . . · P̄r (x)er
die Primfaktorzerlegung von p̄θ (x). Dann gilt
pOK = pe11 · . . . · perr ,
mit Primidealen pi = pOk + Pi (θ)OK = hp, P (θ)i. Dabei bezeichnet Pi (x) (irgend-)
ein Polynom aus Z[x], dessen Reduktion modulo p genau P̄i (x) ist.
Beweis. Wir schreiben Fp := Z/pZ, um die Körperstruktur von Z/pZ zu betonen. Wir zeigen zuerst, dass der Restklassenring OK /pOK isomorph zu Rp,θ :=
Fp [x]/hp̄θ (x)i ist. Dazu betrachten wir die (zusammengesetzte) kanonische Abbildung
Z[x] −→ Fp [x] −→ Rp,θ = Fp [x]/hp̄θ (x)i.
Der Kern dieser Abbildung ist genau das Ideal pθ (x)Z[x] + pZ[x]. Damit ist
Rp,θ ∼
= Z[x]/(pθ (x)Z[x] + pZ[x]). Andererseits liefert x 7→ θ einen Isomorphismus
Z[x]/(pθ (x)Z[x] + pZ[x]) ∼
= Z[θ]/(pθ (θ)Z[θ] + pZ[θ]) = OK /pOK ,
weil OK = Z[θ] und pθ (θ) = 0, nach Annahme. Insgesamt ist also Rp,θ ∼
=
OK /pOK .
5 p̄ (x)
θ
entsteht dadurch, dass man die Koeffizienten von pθ modulo p reduziert.
25
Sei P̄1 (x)e1 · P̄2 (x)e2 · . . . · P̄r (x)er die Primfaktorzerlegung von p̄θ (x). Wir wenden den chinesischen Restsatz auf den (Dedekindchen) Hauptidealring Fp [x]
an, aus dem direkt folgt
Rp,θ = Fp [x]/hp̄θ (x)i ∼
= Fp [x]/hP̄1 (x)ie1 ⊕ . . . ⊕ Fp [x]/hP̄r (x)ier .
Diese Isomorphie zeigt, dass die Primideale von Rp,θ genau die von den irreduziblen Faktoren P̄i (x) von p̄θ erzeugten Ideale sind. Der Grad [Fp [x]/hP̄i (x)i :
Fp ] ist dann offensichtlich gleich dem Grad von P̄i (x) und der Durchschnitt
hP̄1 (x)ie1 ∩ . . . ∩ hP̄r (x)ier ist das Nullideal hp̄θ i = h0̄i. Wir nutzen nun die
Isomorphie Pp,θ ∼
= OK /pOK aus, die die Idealstruktur in Rp,θ nach OK /pOK
überträgt. Damit sind die Primideale p̄i von OK /pOK genau die von den Bildern hPi (θ)i erzeugten Hauptideale. Betrachten wir nun die Urbilder pi der
Primideale p̄i unter dem kanonischen Homomorphismus κ : OK −→ OK /pOK .
Diese sind von der Form pi = pOK + Pi (θ)OK , wobei Pi (x) wie in der Aussage
des Theorems gewählt ist. Dann gilt offensichtlich pOK |pi für jedes i = 1, . . . , r.
Der Restklassengrad [OK /pi : Fp ] = fi ist genau der Grad des Polynoms
P̄i (x), weil [OK /pi : Fp ] = [Fp [x]/hP̄i (x)i : TFp ]. Das Urbild vonT p̄ei i unter
r
r
κ
pei i und aus der
h0̄i = i=1 p̄ei i folgt, dass i=1 pei =
Qrist genau
QrRelation
ei
ei
pOK , d.h. pOK | i=1 p . Nehmen wir auf beiden Seiten die Norm,
i=1 p ⊆P
r
folgtP
n ≤ i=1 ei fi . Andererseits muss nach der Fundamentalgleichung 2.5.4
r
n = i=1 ei fi gelten, weil alle pi Primteiler von pOK sind. Damit folgt pOK =
Q
r
ei
i=1 p .
Wir möchten betonen, dass die Annahme OK = Z[ϑ] bei dem Beweis des obigen Satzes eine sehr wichtig und einschränkend war. Im Allgemeinen ist es
nämlich nicht richtig, dass OK von dieser Form ist. Der Satz ist also nicht allgemein gültig. Es ist aber möglich den Satz auch auf die allgemeine Situation
zu verallgemeinern. In dieser algemeinen Form lautet der Satz (ohne Beweis)
Theorem 2.5.6. Sei K ein Zahlkörper vom Grad n und sei θ ein primitives Element
von K, d. h. K = Q(θ). Sei pθ (x) das Minimalpolynom von θ und sei p eine Primzahl,
n−1
)
die kein Teiler von d(1,θ,...,θ
ist. Ist p̄θ (x) ∈ Z/pZ[x] die Reduktion von pθ (x)
dK
modulo p und
p̄θ (x) = P̄1 (x)e1 · P̄2 (x)e2 · . . . · P̄r (x)er
die Primfaktorzerlegung von p̄θ (x), dann gilt
pOK = pe11 · . . . · perr ,
mit Primidealen pi = pOk + Pi (θ)OK = hp, P (θ)i (Pi (x) ein Polynom aus Z[x],
dessen Reduktion modulo p genau P̄i (x) ist).
Wir können also die Methode des
Satzes 2.5.5 immer bis auf endlich viele
n−1
)
anwenden. In den von uns betrachteten
Ausnahme-Primzahlen p| d(1,θ,...,θ
dK
√
Beispielen K = Q( d) und K = Q(ζp ) ist aber der Satz 2.5.5 in seiner ursprünglichen Form anwendbar. Im Fall quadratischer Zahlkörper liefert dieser
das vollständige Bild über das Zerlegungsverhalten von Primzahlen. Wir beachten als erstes, dass die Fundamentalgleichung in diesem Fall nur drei Arten
von Zerlegung zulässt. Eine Primzahl kann nämlich in K nur vollständig verzweigt, vollständig zerlegt oder träge sein.
26
√
Theorem 2.5.7. Sei K = Q( d) ein quadratischer Zahlkörper und dK die Diskriminante von K. Sei p eine Primzahl in Z. Dann gilt
• p ist genau dann verzweigt, wenn p | dK .
• Sei p eine ungerade Primzahl mit p - dK . Dann gilt
– p ist genau dann vollständig zerlegt, wenn dK ein quadratischer Rest modulo p ist.
– p ist genau dann träge, wenn dK kein quadratischer Rest modulo p ist.
• Für p = 2 - dK gilt:
– 2 ist genau dann (vollständig) zerlegt, wenn dK ≡ 1 mod 8.
– 2 ist genau dann träge, wenn dK ≡ 5 mod 8.
Beweis. Wir benutzen√den Satz 2.5.5 und
√ beachten den Satz 2.2.10, nach dem
1+ d
OK = Z[ω] mit ω = d oder d = 2 , abhängig davon, ob d ≡ 2, 3 mod 4
oder d ≡ 1 mod 4 ist. Im ersten Fall ist dK = 4d und im zweiten dK = d.
In beiden Fällen können wir das Minimalpolynom Pω (x) von ω schreiben als
Pω (x) = x2 − T x + N,
mit T = T rK/Q (ω) und N = NK/Q (ω).
Zuerst betrachten wir den Fall einer ungeraden Primzahl p. In diesem Fall ist
2 invertierbar modulo p, und damit existiert ein m ∈ Z mit 2m ≡ 1 mod p. Für
dieses m gilt dann auch 4m2 ≡ 1 mod p. Dann gilt aber für das Minimalpolynom Pω (x):
Pω (x) ≡ (x − mT )2 − m2 (T 2 − 4N ) mod p.
Eine kurze Rechnung zeigt, dass stets dK = T 2 − 4N gilt, womit
Pω (x) ≡ (x − mT )2 − dK m2 mod p.
Nun gilt: Wenn p die Diskriminante dK teilt, dann ist Pω (x) ≡ (x−mT )2 mod p
und p ist verzweigt in K nach Satz 2.5.5. Ist dK ein Quadrat modulo p, wenn
also ein n mit dK ≡ n2 mod p existiert, dann ist Pω (x) ≡ (x − mT − mn)(x −
mT +mn) mod p, und damit ist p zerlegt in K. Ist andererseits dK kein Quadrat
modulo p, dann ist die Gleichung (x − mT )2 − dK m2 ≡ 0 mod p nicht lösbar
und Pω (x) ist irreduzibel modulo p. Damit ist p in diesem Fall träge.
Es bleibt uns noch den Fall p = 2 zu betrachten. Wir unterscheiden zwei Fälle:
• 2 | dK . Dann muss d ≡ 2, 3 mod 4 gelten, und daher ist Pω (x) = x2 − d.
Dann sieht man unmittelbar, dass modulo 2 gilt
2
x mod 2, wenn d ≡ 2 mod 4
Pω (x) ≡
x2 + 1 ≡ (x + 1)2 mod 2, wenn d ≡ 3 mod 4
In beiden Fällen ist Pω (x) ein Quadrat modulo 2 und 2 verzweigt in K.
27
• 2 - dK . In diesem Fall ist d ≡ 1 mod 4 und Pω (x) = x2 − x + 1−d
4 . Eine
kurze Rechnung bestätigt, dass in diesem Fall gilt
2
x − x = x(x − 1) mod 2, wenn d ≡ 1 mod 8
Pω (x) ≡
x2 + x + 1 mod 2, wenn d ≡ 5 mod 8
Nach Satz 2.5.5 ist im ersten Fall 2 zerlegt und im zweiten träge in K
(weil x2 + x + 1 irreduzibel modulo 2 ist).
Nach Satz 2.5.7 ist die Zerlegung von ungeraden Primzahlen in quadratischen
Zahlkörpern durch das Legendre-Symbol ( dpK ) kontrolliert. In der elementaren Zahlentheorie definiert man es als

 1, falls a quadratischer Rest mod p ist
a
−1, falls a kein quadratischer Rest mod p ist
=

p
0, falls p | a
(2.5.5)
Mit Hilfe des Satzes 2.5.7 bekommt das Legendre-Symbol eine neue Interpretation:
Für eine ungerade Primzahl gilt:

√
 1, wenn p vollkommen zerlegt in Q( a),
√
a
−1, wenn p träge in Q( a),√
=

p
0, wenn p verzweigt in Q( a).
Diese Interpretation ist weit mehr als nur eine sprachliche Umformulierung.
In gewisser Weise liefert die algebraische Zahlentheorie den ”richtigen“ Rahmen für das Legendre-Symbol und insbesondere eine natürliche Erklärung für
das von Gauß bewiesene quadratische Reziprozitätsgesetz, nach welchem für
zwei verschiedene ungerade Primzahlen stets die Relation
(p−1) (q−1)
p
q
2
= (−1) 2
q
p
gilt. Erst die Interpretation im Rahmen der algebraischen Zahlentheorie scheint
diese Relation ”vernünftig“ zu erklären, nämlich dadurch, dass man das LegendreSymbol als eine Größe interpretiert, die das Zerlegungsverhalten im Kreisteilungskörper kontrolliert. Das passiert in der sogenannten Klassenkörpertheorie, die den Rahmen einer Einführung in die algebraische Zahlentheorie bei
weitem sprengt.
28
Kapitel 3
Geometrie der Zahlen
3.1
Gitterpunktsatz von Minkowski
Eine Teilmenge Λ ⊂ Rn heißt Gitter in Rn ,1 falls es linear unabhängige Vektoren v1 , . . . , vn gibt mit der Eigenschaft, dass
Λ = Zv1 + . . . Zvn .
Die Menge {v1 , . . . , vn } heißt Basis von Λ. Das von der Standardbasis e1 , . . . , en
des Rn erzeugte Gitter Λ0 = Ze1 + . . . + Zen heißt das Standardgitter. Die
Menge
F(Λ) = {x1 v1 + . . . xn vn | xi ∈ R, 0 ≤ xi < 1}
heißt die Grundmasche oder Fundamentalmasche von Λ.
Lemma 3.1.1. Λ ⊂ Rn ist genau dann ein Gitter, wenn es eine umkehrbare lineare
Transformation A : Rn −→ Rn gibt, mit der Eigenschaft
A(Λ0 ) = Λ.
Beweis. Wenn Λ ein Gitter mit der Basis {v1 , . . . , vn } ist, dann wählen wir als A
die lineare Abbildung, die den Basiswechsel vi = Aei beschreibt. Umgekehrt
sind die Bilder vi = Aei der Standardbasis unter der invertierbaren linearen
Abbildung A alle linear unabhängig und bilden eine Basis eines Gitters.
Es ist nützlich Gitter in einer gleichwertigen, mehr geometrischeren, Weise zu
definieren. Dazu erinnern wir daran, dass eine Teilmenge T von Rn diskret
heißt, wenn sie nur aus isolierten Punkten besteht, d.h. wenn zu jedem Punkt
x ∈ T eine Umgebung U von x mit der Eigenschaft U ∩ T = ∅ existiert.
Proposition 3.1.2. Jedes Gitter in Rn ist eine diskrete Untergruppe von Rn . Die
Grundmasche F(Λ) hat die Eigenschaft, dass die Menge der Translate λ + F(Λ) den
ganzen Rn lückenlos überdeckt. Umgekehrt ist jede diskrete Untergruppe Λ ⊂ Rn mit
der Eigenschaft, dass eine beschränkte Menge M ⊂ Rn mit
[
Rn = Λ + M :=
(λ + M)
λ∈Λ
1 In
der Literatur findet man auch den Namen vollständiges Gitter.
29
existiert, ein Gitter in Rn .
Beweis. Sei Λ ein Gitter mit der Basis {v1 , . . . , vn }. Λ ist offensichtlich eine Untergruppe von Rn und ist diskret, weil zu einem Punkt λ = a1 v1 +. . .+an vn ∈ Λ
die Menge {x1 v1 + . . . + xn vn | |ai − xi | < 1} eine Umgebung ohne weitere Gitterpunkte ist.
Nehmen wir v1 , . . . , vn als Basis von Rn und betrachten einen Punkt v = x1 v1 +
0
. . . + xn vn ∈ Rn . Schreiben wir jede der Zahlen xi ∈ R als xi = [xi ] + xi , wo0
bei [xi ] den ganzzahligen Anteil von xi bezeichnen soll, dann gilt 0 ≤ xi :=
0
0
xi − [xi ] < 1 und v = λ + v mit λ = [x1 ]v1 + . . . + [xn ]vn ∈ Λ und v =
0
0
x1 v1 + . . . + xn vn ∈ F(Λ). Damit liegt v in dem Translat λ + F(Λ) von F(Λ).
Weil v ∈ Rn beliebig war, überdecken die Translate von F(Λ) den ganzen Rn .
Sei nun umgekehrt Λ eine diskrete Untergruppe von Rn . Wir zeigen zuerst,
dass in diesem Fall Λ von der Form Λ = Zv1 + . . . + Zvm ist, mit linear unabhängigen Vektoren v1 , . . . , vm . Dazu betrachten wir den von Λ aufgespannten
Unterraum W , der aus allen (endlichen) R-Linearkombinationen der Punkte in
Λ besteht. Als Unterraum von Rn ist W selbst endlich-dimensional mit der Dimension m ≤ n. Sei w1 , . . . , wm eine Basis von W und sei ΛW = Zw1 +. . .+wm .
Nach Konstruktion ist ΛW ein Gitter in W und ΛW ⊆ Λ. Für die Behauptung
genügt es zu zeigen, dass Λ das Gitter ΛW mit endlichen Index enthält, denn
in diesem Fall ist Λ ⊆ (Λ:Λ1 W ) ΛW ein Untermodul eines freien Z-Moduls und
damit selbst frei, nach dem Elementarteilersatz.
Sei λ1 , λ2 , . . . ein Repräsentantensystem der Klassen Λ/ΛW . Weil ΛW ein Gitter in W ist, überdecken die Translate µ + F(ΛW ) der Grundmasche ganz W .
Dann gilt für jeden obigen Repräsentant λi = µi +ϕi mit µi ∈ ΛW , ϕi ∈ F(ΛW ).
Dann liegt jedes ϕi = λi − µi einerseits in Λ und andererseits in in F(ΛW ). Sei
F(ΛW ) der topologische Abschluß von F(ΛW ). Dieser ist kompakt, und nach
dem Satz von Bolzano-Weierstraß können nur endlich viele Punkte ϕi der diskreten Menge {ϕ1 , ϕ2 , . . .} in F(ΛW ) und damit auch in F(ΛW ) liegen. Damit
ist der Index endlich. Wir müssen noch zeigen, dass der Rang von Λ n ist. Das
ist äquivalent zu der Aussage, dass die Menge aller Linearkombinationen W
der Elemente in Λ schon der ganze Rn ist. Wir nutzen dazu die zusätzliche Bedingung aus, dass eine beschränkte Menge M existiert, so dass die Λ-Translate
von M den ganzen Rn überdecken. Sei v ∈ Rn beliebig. Dann können wir jedes
Vielfache nv ∈ Rn von v auch schreiben als nv = λn + an mit λn ∈ Λ ⊂ W und
an ∈ M. Weil M beschränkt ist, muss limn→∞ ann = 0 gelten. Damit gilt
v = lim
n→∞
an
λn
λn
+ lim
= lim
.
n→∞ n
n→∞ n
n
Jedes λnn liegt in W , und W ist abgeschlossen. Dann liegt auch der Grenzwert
v = limn→∞ λnn in W . Damit ist Rn = W
Oft ist folgende Charakterisierung der Diskretheit nützlich:
Lemma 3.1.3. Eine Untergruppe Λ ⊂ Rn ist genau dann diskret, wenn jedes Kompaktum K ⊂ Rn nur endlich viele Punkte von Λ enthält
Beweis. Das Argument haben wir im Beweis der obigen Proposition schon benutzt. Wenn ein Kompaktum unendlich viele Punkte aus Λ enthält, dann liefert Satz von Bolzano-Weierstraß eine konvergente Teilfolge in Λ. Das steht im
30
Widerspruch zur Diskretheit. Umgekehrt ist klar, dass eine Menge Λ, deren
Schnitt mit jedem Kompaktum endlich viele Elemente hat nur aus isolierten
Punkten bestehen kann.
Rn ist in natürlicher Weise mit einer positiv definiten Bilinearform h·, ·i versehen, die eine euklidische Metrik auf Rn definiert. Diese Metrik induziert die kanonische Volumenform vol(·), die gerade so definiert ist, dass ein von einer Orthonormalbasis erzeugtes Parallelepiped2 das Volumen 1 hat. Dann hat ein von
einer beliebigen Basis {v1 , . . . , vn } erzeugtes Parallelepiped P = P(v1 , . . . , vn )
das Volumen vol(P) = | det A|, wobei A die Matrix mit den Spalten v1 , . . . , vn
ist. Dieses Volumen ist gleichzeitig durch die Determinante der Gram-Matrix
beschrieben. Es gilt nämlich
p
vol(P(v1 , . . . , vn )) = | det T |,
wobei T = (hvi , vj i)i,j = At ·A die Gram-Matrix bezeichnet (vgl. die Argumentation im Beweis von Lemma 2.1.2).
Sei nun Λ ein Gitter in Rn und v1 , . . . , vn eine Basis von Λ. Dann heißt das
Volumen der Grundmasche
p
vol(Λ) := vol(F(Λ)) = | det T |
das Volumen von Λ oder die Gitterdeterminante von Λ. Diese ist von der Wahl
der Basis unabhängig.
In vielen Anwendung der Gittertheorie in der Zahlentheorie (wir werden im
nächsten Abschnitt eine solche betrachten) ist es wichtig zu wissen, unter welchen Umständen eine Teilmenge von Rn einen oder mehrere Punkte eines Gitters Λ enthält. Es ist intuitiv klar, dass die Existenz von solchen Gitterpunkten
von dem Volumen der gegebenen Menge abhängt. Der Minkowskische Gitterpunksatz gibt die Antwort auf die Frage für eine Klasse von Teilmengen.
Eine Teilmenge C ⊂ Rn heißt zentralsymmetrisch, wenn zu jedem Punkt
x ∈ C das Negative −x von x ebenfalls in C liegt. C heißt bekanntlich konvex, wenn zu je zwei Punkten x, y ∈ C die Verbindungsstrecke zwischen x
und y ganz in C liegt.
Theorem 3.1.4 (Gitterpunktsatz). Sei Λ ein Gitter in Rn und C eine zentralsymmetrische und konvexe Teilmenge des Rn mit der Eigenschaft, dass gilt vol(C) >
2n · vol(Λ). Dann enthält C außer des Nullpunkts mindestens noch einen weiteren
Gitterpunkt von Λ.
Beweis. Als erstes überlegen wir uns, dass es ausreicht zu zeigen, dass zwei
0
Gitterpunkte λ 6= λ ∈ Λ existieren, für die gilt
0
1
1
C +λ ∩
C + λ 6= ∅.
2
2
Dabei haben wir 21 C = { 12 x | x ∈ C} gesetzt. Wenn nämlich
der Durchschnitt
1
0
1
nicht leer ist, dann gilt für einen Punkt x ∈ 2 C + λ ∩ 2 C + λ
x=
0
1
1
x1 + λ = x2 + λ
2
2
2 konvexe Hülle dieser Vektoren. Wenn man die Standardbasis nimmt, dann erhält man den
n-dimensionalen Einheitswürfel
31
0
mit gewissen x1 , x2 ∈ C. Dann gilt auch 0 6= λ − λ = − 12 x2 + 12 x2 . Dieser
Punkt liegt dann einerseits in Λ aber andererseits als Mittelpunkt der Verbindungsstrecke zwischen −x1 und x2 auch in C, weil C konvex und zentralsymmetrisch ist. Das wäre neben dem Nullpunkt ein weiterer Punkt in C ∩ Λ.
0
Um zu zeigen, dass es Gitterpunkte λ 6= λ mit obiger Eigenschaft gibt, führen
wir einen Widerspruchsbeweis.
Angenommen, alle Mengen der Form 12 C + λ für λ ∈ Λ wären paarweise
disjunkt. Dann wären die Mengen F(Λ) ∩ 21 C + λ auch paarweise disjunkt.
Dann muss gelten
[
X
1
1
vol(F(Λ)) ≥ vol(
F(Λ) ∩ C + λ ) =
vol(F(Λ) ∩ C + λ). (3.1.1)
2
2
λ
λ
Als die Grundmasche eines Gitters, hat F(Λ) die Eigenschaft, dass die Menge
der Translate den ganzen Rn überdeckt. Damit gilt offensichtlich
[
1
1
1
C = Rn ∩ C =
(F(Λ) + λ) ∩ C.
2
2
2
(3.1.2)
X
1
1
vol((F(Λ) + λ) ∩ C).
vol( C) =
2
2
(3.1.3)
λ∈Λ
Damit gilt
λ∈Λ
Offensichtlich haben die Translate einer Menge alle das gleiche Volumen und
damit gilt vol(F(Λ) + λ ∩ 12 C) = vol(F(Λ) ∩ 12 C − λ). Damit gilt auch
X
λ∈Λ
X
1
1
vol((F(Λ) + λ) ∩ C).
vol(F(Λ) ∩ C + λ) =
2
2
λ∈Λ
Dann folgt aus (3.1.1) und (3.1.2)
1
1
vol(F(Λ)) ≥ vol( C) = n vol(C).
2
2
Das steht im Widerspruch zur Annahme 2n vol(F(Λ)) < vol(C). Damit sind
nicht alle Mengen 21 C + λ paarweise disjunkt, und die Aussage ist bewiesen.
3.2
Ganzalgebraische Zahlen als Gitterpunkte
Sei K ein Zahlkörper vom Grad n = [K : Q]. Jeder Homomorphismus σ ∈
HomQ (K, C) definiert eine Einbettung von K in C, so dass wir eine Einbettung
K −→ Cn erhalten, die gegeben ist durch α 7→ (ασ1 , . . . , ασn ) ∈ Cn . Das Bild
von K liegt aber oft bereits in einem viel kleineren Unterraum von Cn , bzw. es
reicht aus, sich das Bild in einem kleineren Unterraum anzuschauen. Wir kön√
nen es am Beispiel von quadratischen Zahlkörpern illustrieren. Wenn √
Q( d)
reell quadratisch ist, d.h. wenn d > 0 ist, dann liegt das Bild von Q( d)
√ in
C2 bereits im reellen (reell-) 2-dimensionalen Unterraum von C2 . Wenn Q(√d)
imaginär quadratisch ist, d.h. wenn d < 0 gilt, dann besteht das Bild von Q( d)
aus Paaren (α, α) ∈ C2 , wobei α die komplexe Konjugation bezeichnet. Die
32
zweite Koordinate bringt keine wesentlich neuen Informationen. Betrachten
wir nämlich C2 als einen R-Vektorraum, liegt das Bild wie im reell quadratischen Fall ebenfalls in einem 2-dimensionalen Unterraum. Um diese Situation zu verallgemeinern, unterscheiden wir zwischen den reellen Einbettungen
ρ ∈ HomQ (K, C), also solchen, die die Eigenschaft haben ρ(K) ⊂ R, und den
komplexen Einbettungen, also solchen σ ∈ HomQ (K, C) mit σ(K)∩(C\R) 6= ∅.
Wir müssen beachten, dass komplexe Einbettungen immer in Paaren auftreten,
0
0
denn mit σ ist σ , definiert als σ (α) = σ(α), ebenfalls eine Einbettung. Bezeichne r die Anzahl der reellen Einbettungen von K und s die Anzahl der Paare
von komplexen Einbettungen von K. Es gilt n = r + 2s.
Bezeichnen ab jetzt ρ1 , . . . , ρr stets alle reellen Einbettungen von K und τ1 , . . . , τs
ein festes Repräsentantensystem komplexer Einbettungen modulo der Operation der komplexen Konjugation. Wir betrachten die Abbildung
ι : K −→ Rr+2s ,
(3.2.1)
ρ1
ι : α 7→ (α , . . . , αρr , Re(ατ1 ), Im(ατ1 ), . . . , Re(ατs ), Im(ατs )),
Die Abbildung ι ist ein injektiver Gruppenhomomorphismus und definiert eine Einbettung von K in Rr+2s . Wir wollen im Folgenden immer die obige Reihenfolge der Einbettungen in der kanonischen Einbettung fixieren, um notationelle Schwierigkeiten zu reduzieren.
Für Anwendungen ist es wichtig zu wissen, in welcher Weise sich die von der
Spur T rK/Q (·) induzierte Bilinearform bK/Q unter der Einbettung ι transformiert.
Lemma 3.2.1. Für alle α, β ∈ K gilt bK/Q (α, β) := T rK/Q (αβ) = BK (ι(α), ι(β)),
wobei die Bilinearform BK : Rr+2s × Rr+2s −→ R definiert ist durch
BK (v, w) =
r
X
i=1
vi wi + 2
r+2s−1
X
(vi wi − vi+1 wi+1 ).
j=r+1
Beweis. Das Nachrechnen sei dem Leser überlassen.
Der folgende Satz erklärt, warum wir die Theorie der Gitter in Rn so ausführlich behandelt haben.
Theorem 3.2.2. Sei K ein Zahlkörper vom Grad n = r + 2s und sei a ein ganzes
Ideal in K. Das Bild ι(a) von a unter der kanonischen Einbettung ι : K −→ Rn ist
ein Gitter in Rn vom Volumen
p
1
vol(ι(a)) = s N (a) |dK |.
2
Beweis. Wie wir bereits wissen, ist jedes Ideal a in OK ein freier Z-Modul vom
Rang n. Sei ω1 , . . . , ωn eine Z-Basis von a. Sei A die Matrix, deren Spalten die
Bilder ι(ω1 ), . . . , ι(ωn ) der Basis ω1 , . . . , ωn unter der kanonischen Einbettung
ι. Um zu zeigen, dass ι(a) ein Gitter ist, genügt es zu zeigen, dass die Matrix A
eine nichtverschwindende Determinante hat, denn dann sind die Spalten alle
linear unabhängig und bilden nach Definition die Basis eines Gitters in Rn . Wir
berechnen dazu die Determinante der Gram-Matrix
T = (hι(ωi ), ι(ωj )i) = At A.
33
Sei TB := (BK (ι(ωi ), ι(ωj ))). Dann gilt
TB = At MB A,
wobei MB = diag(1, . . . , 1, 2 . . . , 2, −2, . . . , −2) die Darstellungsmatrix von BK
bezüglich der Standardbasis ist. Offensichtlich ist dann
det TB = det(At A) det MB = (−1)s 22s det T
(3.2.2)
Aus Lemma 3.2.1 und Lemma 2.1.2 wissen wir aber, dass det TB = d(ω1 , . . . , ωn ),
und nach Lemma 2.2.8 ist
2
d(ω1 , . . . , ωn ) = (OK : a) dK = N (a)2 dK
(3.2.3)
Die Gleichungen (3.2.2) und (3.2.3) ergeben dann zusammen
| det T | =
1
N (a)2 |dK |.
22s
Daraus folgt schon, dass det T 6= 0 und damit auch det A 6= 0, womit ι(a) ein
Gitter ist. Aber wir lesen auch gleichzeitig das Volumen von ι(a) ab:
p
p
vol(ι(a)) = | det(T )| = 2−s N (a) |dK |.
Damit ist die Behauptung bewiesen.
3.3
Klassenzahl
Die Ergebnisse der Geometrie der Zahlen können auch dazu benutzt werden,
Aussagen über die Größe der Idealklassengruppe ClK eines Zahlkörpers zu
treffen.
Wir definieren die Klassenzahl eines Zahlkörpers K als die Ordnung der Idealklassengruppe hK = |ClK |. Nach Satz 2.4.2 wissen wir, dass OK genau dann
ein Hauptidealring ist, wenn hK = 1 gilt. Eine große Herausforderung der algebraischen Zahlentheorie besteht darin, alle Zahlkörper mit der Klassenzahl
1 zu bestimmen. Dieses stellt sich als ein sehr schwieriges Problem heraus. Es
ist immer noch ein offenes Problem der Zahltheorie zu entscheiden, ob es überhaupt unendlich viele Zahlkörper mit der Klassenzahl 1 gibt. Mit der Geometrie der Zahlen können wir zumindest einen ersten groben Überblick über die
Größe der Klassenzahl bekommen. Zur Erinnerung: bis jetzt wissen wir noch
nicht einmal, ob die Klassenzahl stets endlich ist!
Wir beginnen unsere Betrachtungen mit einer einfachen Beobachtung.
Lemma 3.3.1. Sei K ein Zahlkörper vom Grad n = r + 2s. Für jedes α ∈ K gilt
|NK/Q (α)| = N orm(ι(α)).
Wobei N orm : Rr+2s −→ R definiert ist durch
N orm(x) =
r
Y
i=1
n−1
Y
|xi |
j=r+1
34
(x2j + x2j+1 ).
Der Beweis ist unmittelbar einzusehen (der Leser darf es kurz überprüfen.).
Die Funktion N orm auf Rr+2s wollen wir im Folgenden auch Norm nennen.
Das folgende Lemma zeigt, wie Minkowskis Gitterpunktsatz dazu benutzt werden kann, Vektoren kleiner Norm in Gittern zu finden.
Lemma 3.3.2. Sei S eine zentralsymmetrische und konvexe Menge in Rn mit vol(S) >
0. Angenommen, S hat die Eigenschaft, dass jeder Punkt x ∈ S die Bedingung N orm(x) ≤
1 erfüllt. Dann enthält jedes Gitter Λ ⊂ Rn einen Punkt λ 6= 0 mit
N orm(λ) ≤ 2n
vol(Λ)
.
vol(S)
Beweis. Sei t ∈ R positiv und so gewählt, dass gilt tn ≥ 2n vol(Λ)
vol(S) + mit einem
beliebigen > 0. Sei T = tS = {tx | x ∈ S}. Dann gilt aufgrund der Voraus0
0
setzung an t vol(T ) = tn vol(S) > 2n vol(Λ) + mit = vol(S). Mit S ist auch
T zentralsymmetrisch und konvex und T erfüllt außerdem die Voraussetzungen des Gitterpunktsatzes 3.1.4. Nach dem Gitterpunktsatz existiert ein Punkt
0 6= λ ∈ T ∩ Λ. So ein λ ist nach Definition von der Form λ = tx mit x ∈ S.
Dann gilt
N orm(λ) = N orm(tx) = tn N orm(x) ≤ tn = 2n
vol(Λ)
+ , weil N orm(x) ≤ 1.
vol(S)
Weil > 0 beliebig klein gewählt werden konnte, folgt aus N orm(λ) ≤ 2n vol(Λ)
vol(S) +
sogar N orm(λ) ≤ 2n vol(Λ)
vol(S) , .
Theorem 3.3.3. Sei K ein Zahlkörper vom Grad n = r + 2s. Bezeichne dK die
Diskriminante von K und a ⊂ OK sei ein ganzes Ideal in K. Dann existiert ein
α 6= 0, α ∈ a, mit der Eigenschaft
|NK/Q (α)| ≤
p
n! 4 s
( ) N (a) |dK |.
n
n π
Beweis. Wir wissen bereits (Satz 3.2.2), dass das Bild ι(a) eines
p Ideals a ⊆ OK
ein Gitter in Rn ist mit dem Volumen vol(ι(a)) = 2−s N (a) |dK |. Angenomn
men, wir finden eine zentralsymmetrische Menge A mit vol(A) = nn! 2r−s π s
und mit der Eigenschaft, dass gilt x ∈ A ⇒ N orm(x) ≤ 1, dann folgt die
Behauptung aus dem Lemma 3.3.2 und Lemma 3.3.1, denn dann ist
2n vol(ι(a))/vol(A) =
p
n! 4 s
(
)
N
(a)
|dK |,
nn π
und nach Lemma 3.3.2 gibt es ein ι(α), α ∈ a, mit
L3.3.1
N orm(ι(α)) = |NK/Q (α)| ≤ 2n vol(ι(a))/ι(A).
Wir zeigen nun:
Die Menge
n
A = Ar,s (n) = {x ∈ R |
r
X
|xi | + 2
i=1
n−1
X
j=r+1
35
q
x2j + x2j+1 ≤ n}
erfüllt die geforderten Eigenschaften.
Dass A zentralsymmetrisch und konvex ist, folgt unmittelbar (Übungsaufgabe
für den Leser). Wir zeigen, dass jeder Punkt x ∈ A erfüllt N orm(x) ≤ 1.
Die definierende Bedingung
r
X
n−1
X
|xi | + 2
i=1
q
x2j + x2j+1 ≤ n
j=r+1
ist äquivalent zu der Aussage, dass das arithmetische Mittel der Zahlen
q
q
q
q
|x1 |, . . . , |xr |, x2r+1 + x2r+2 , x2r+1 + x2r+2 , . . . , x2n−1 + x2n , x2n−1 + x2n
p
kleiner oder gleich 1 ist. Das geometrische Mittel dieser Zahlen ist genau n N orm(x),
und nach der bekannten Ungleichung ist das geometrische
Mittel stets kleip
n
ner oder gleich dem arithmetischen Mittel. Damit ist N orm(x) ≤ 1 für alle
x ∈ Ar,s (n). Dann ist aber auch N orm(x) ≤ 1 für alle x ∈ Ar,s (n).
Wir wollen das Volumen vol(Ar,s (n)) berechnen.
Zunächst ist klar, dass gilt
vol(Ar,s (n)) = nn vol(Ar,s (1)),
(3.3.1)
wobei Ar,s (1) in naheliegenderweise als die Menge der Punkte x ∈ Rn für die
gilt
r
n−1
X
X q
|xi | + 2
x2j + x2j+1 ≤ 1
i=1
j=r+1
definiert ist. Für r > 0 gilt dann
Z
Z
vol(Ar,s (1)) = . . .
1dx1 · · · dxn
Ar,s (1)
Z
1
vol(Ar−1,s (1 − x1 ))dx1
=2
0
Z
=2vol(Ar−1,s (1))
1
(1 − x1 )n−1 dx1
0
2
= vol(Ar−1,s (1))
n
Wir können jetzt rekursiv vorgehen und die gleiche Rechnung mit vol(Ar−1,s (1))
anstelle von vol(Ar,s (1)) durchführen. Insgesamt erhalten wir
vol(Ar,s (1)) =
2r
vol(A0,s (1))
n(n − 1) · · · (n − (r − 1))
(3.3.2)
Es bleibt uns noch vol(A0,s (1)) zu berechnen. Für s = 0 ist vol(A0,0 (1)) = 1 zu
setzen die vernünftigste Wahl, obwohl A0,0 (1) leer ist, denn genau mit dieser
Festlegung liefert (3.3.2) den richtigen Wert für das Volumen im Fall, in dem es
36
keine komplexen Einbettungen gibt. Für s > 0 haben wir
Z
Z
vol(A0,s (1)) = . . .
1dx1 · · · dx2s−1 dx2s
A0,s (1)
Z Z
=2
√
vol(A0,s−2 1 − 2
q
x21
x21 +x22 ≤1/2
Z Z
=2vol(A0,s−2 (1))
√
+
q
1−2
x21 +x22 ≤1/2
x22
x21
+
)dx1 dx2
x22
2s−2
dx1 dx2
Das Doppelintegral berechnen wir am besten, indem wir in Polarkoordinaten
rechnen. Die Transformationsformeln liefern
2s−2
Z 2π Z 1/2
Z Z
q
2s−2
2
2
dx
dx
=
1
−
2
x
+
x
(1 − 2R)
· R dRdθ
1
2
√
1
2
x21 +x22 ≤1/2
0
0
Z
1/2
2s−2
(1 − 2R)
= 2π
· R dR =
0
..
.
=
π
1
2 2s(2s − 1)
Wir haben damit eine Rekursionsformel für das Volumen
vol(A0,s (1)) =
π
1
vol(A0,s−1 (1)).
2 2s(2s − 1)
Insgesamt ergibt sich damit
vol(A0,s (1)) =
π s 1
π s 1
vol(A0,0 (1)) =
.
2 2s!
2 2s!
Zausammen mit den Gleichungen (3.3.1) und (3.3.2) ergibt dieses die endgültige Formel
nn r−s s
2 π .
vol(Ar,s (n)) =
n!
Damit ist der Satz bewiesen.
Die Zahl nn!n ( π4 )s wird in der Literatur oft als Minkowski-Konstante bezeichnet. Sie ist natürlich keine absolute Konstante, sondern hängt vom Grad und
der Anzahl der komplexen Einbettungen ab. Wir wollen die Minkowski-Konstante
im Folgenden, insbesondere dann, wenn die Abhängigkeit von n und s irrelevant ist, mit cM abkürzen.
Eine nahezu direkte und sehr wichtige Konsequenz des Satzes 3.3.3 ist
Folgerung 3.3.4. In jeder Idealklasse [a] ∈ ClK gibt es ein ganzes Ideal b ∈ [a] mit
der Eigenschaft
s
p
nn 4
N (b) ≤
|dK |.
n! π
37
Beweis. Zu einem beliebigen Vertreter a einer Idealklasse wählen wir ein γ ∈
OK mit der Eigenschaft, dass b1 = γa−1 ein ganzes Ideal ist. Nach dem Satz
3.3.3 wissen wir, dass in b1 ein Element b 6= 0 existiert mit der Norm
|NK/Q (b)| ≤
p
n! 4 s
( ) N (b1 ) |dK |
n
n π
Unter der Beachtung von |NK/Q (b)| = N (bOK ) und der Multiplikativität der
Idealnorm ist damit
−1
N (bOK )N (b1 )−1 = N (bb−1
a) ≤
1 ) = N (bγ
n! 4 s p
( ) |dK |
nn π
Wir setzen b = bγ −1 a. Offensichtlich ist b ∈ [a]. Ebenfalls ist b ganz, weil
γ −1 a = b−1
1 und b1 | bOK . Dieses Ideal b hat die gewünschte Eigenschaft.
Theorem 3.3.5. Die Klassenzahl hK eines Zahlkörpers K ist endlich.
Beweis. Es genügt zu zeigen, dass es nur endlich viele ganze Ideale von K
mit beschränkter Norm gibt. Nach der Folgerung 3.3.4 enthält jede Idealklasse nämlich ein solches Ideal. Damit muß die Anzahl der Idealklassen endlich
sein.
Um die erste Behauptung zu zeigen, argumentieren wir folgendermaßen:
Es gibt nur endlich viele Primideale mit beschränkter Norm, denn für ein Primideal p bedeutet N (p) = M (M eine natürliche Zahl, notwendigerweise eine
Primzahlpotenz), dass p das Ideal M OK teilt. Ein Ideal hat aber nur endlich
viele Teiler.
Sei a ein beliebiges ganzes Ideal, dessen Norm durch M ∈ N beschränkt ist.
Dann ist die Norm aller Primteiler von a, die eindeutig bestimt sind und von
denen es nur endlich viele gibt, ebenfalls durch M beschränkt. Es ist dann klar,
dass es nur endlich viele solche Ideale a geben kann.
Wenn wir uns den Beweis des Satzes 3.3.5 genauer anschauen, dann stellen wir
fest, dass der wesentliche Punkt war, zu wissen, dass jede Idealklasse ein ganzes Ideal mit beschränkter Norm enthält. Die explizite Schranke spielte keine
Rolle.
Warum machten wir uns dann solche Mühe die Minkowski-Schranke cM auszuarbeiten? Wir hätten anstelle des konvexen Körpers Ar,s (n) im Beweis von
Satz 3.3.3 mit einem nahezu beliebigen konvexen Körper arbeiten können. Die
Kenntnis einer möglichst kleinen Konstante, wie cM etwa, erweist sich als sehr
nützlich, wenn es darum geht, Klassenzahlen tatsächlich zu bestimmen. Der
Beweis des Satzes 3.3.5 legt folgende Vorgehensweise zur Klassenzahlbestimmung nahe:
p
1. Bestimme alle Ideale a mit N (a) ≤ nn!n ( π4 )s |dK |. Vernünftigerweise bestimmt man zunächst alle Primideale mit dieser Eigenschaft und das
geht
im Wesentlichen
n auf die Primidealzerlegung rationaler Primzahlen
p
n! 4 s
≤ nn ( π ) |dK | zurück.
2. Sortiere alle Hauptideale unter diesen aus.
3. Überprüfe die verbleibenden auf Äquivalenz modulo Hauptideale.
38
Nun sehen wir, warum es nützlich ist, eine möglichst kleine Schranke für die
Idealnorm in einer Idealklasse zu kennen. Je kleiner diese ist, umso weniger
Ideale müssen wir tatsächlich auf Äquivalenz prüfen. Wir können zum Beispiel
folgendes Kriterium angeben
Lemmap3.3.6. Sei K (wie immer) ein Zahlkörper mit [K : Q] = n = r + 2s. Ist
n! 4 s
|dK | < 2, dann ist hK = 1
nn ( π )
Beweis. Unter der gegebenen Voraussetzung enthält jede Idealklasse ein ganzes Ideal a mit N (a) < 2. Dann ist also N (a) = 1 und damit a = OK = h1i.
Damit gilt für jede Idealklasse [a] = [h1i]. Die Klassengruppe besteht also nur
aus dem Einselement.
Folgerung 3.3.7. Für d = 1, 2, 3, 7 ist hQ(√−d) = 1
Beweis. Für alle imaginär quadratische Zahlkörper ist n = 2, s = 1 und damit
cM = π2 . Die Voraussetzung des Lemmas 3.3.6 ist genau dann erfüllt, wenn
|dK | < π 2 .
Wir wollen bei den imaginär quadratischen Zahlkörpern bleiben.
Theorem 3.3.8. hQ(√−11) = 1, hQ(√−15) = 2, hQ(√−19) = 1.
Beweis. Die oben angegeben Zahlkörper
p sind genau die imaginär quadratin! 4 s
schen Zahlkörper für die gilt nn ( π ) |dK | < 3. Jede Idealklasse enthält also
ein ganzes Ideal a mit N (a) ≤ 2. Das einzige Ideal mit der Norm 1 ist natürlich
OK . Die Frage ist also, alle Ideale a mit Norm N (a) = 2 zu bestimmen. Ein
Ideal, dessen Norm eine Primzahl ist, ist notwendigerweise ein Primideal und
zwar ein Primteiler (im Sinne der Primidealzerlegung) des von dieser Primzahl erzeugten Ideals. Der Satz 2.5.7 gibt uns die präzise Auskunft über die
Zerlegung
von Primzahlen
in quadratischen Zahlkörpern. Danach ist 2 träge
√
√
in Q( −11) und Q( −19). In diesen Fällen ist also 2OK der einzige Primteiler
von 2OK und dessen√Norm ist N (2O
√K ) = 4. Es gibt also keine ganzen Ideale
mit der Norm 2 in Q( −11) und Q( −19). Damit ist in diesen Fällen die Klassenzahl 1.
√
Weil −15 ≡ 1 mod 8, ist nach Satz 2.5.7 die Primzahl 2 zerlegt in Q( −15). Damit gibt es zwei ganze Ideale p1 und p2 mit Norm 2, nämlich die zwei Primteiler von 2OK . Wir müssen überprüfen, ob diese Hauptideale sind. Dazu beachten wir, dass die Norm eines Hauptideals gleichzeitig der Normbetrag einer
Zahl a ∈ OK ist (nämlich der eines erzeugenden√Elements). Nach dem Satz
2.2.10 hat jedes α ∈ OQ(√−15) die Form α = a+b 2 −15 mit a, b ∈ Z. Dann ist
2
2
2
2
NQ(√−15)/Q = a +15b
. Wir sehen sofort, dass die Gleichung a +15b
= 2 keine
4
4
Lösung in den ganzen Zahlen hat. Damit können p1 und p2 keine Hauptideale sein. Somit ist sicher [p1 ], [p2 ] 6= [h1i]. Wir müssen noch die beiden
Ideale
√
p1 und p2 auf Äquivalenz modulo Hauptideale prüfen. Sei τ = 1+ 2−15 und
√
0
0
τ = 1− 2−15 . Dann gilt τ τ = 22 . Wegen der Eindeutigkeit der Primidealzer0
legung muss damit p21 = τ OK und p22 = τ OK gelten. Das bedeutet, dass die
Idealklassen [p1 ] und [p2 ] beide Ordnung zwei in ClK haben, denn p2i sind beides Hauptideale. Aus der Gleichung p1 p2 = 2OK folgern wir, dass [p1 ] = [p2 ],
√
denn [p1 ] = [p−1
1 ]. Damit besteht ClQ( −15) aus zwei Klassen.
39
Im Allgemeinen ist der schwierigste Teil bei der Bestimmung der Klassenzahl
mit der oben vorgestellten Methode das Überprüfen der Äquivalenz. Trotzdem
könnten wir mit dieser Methode (wenn auch mit viel mehr Aufwand) auch
nachweisen, dass hQ(√−43) = 1, hQ(√−67) = 1 und hQ(√−163) = 1. Die Frage
ist, ob es weitere imaginär quadratische Zahlkörper mit der Klassenzahl 1 gibt.
Die Antwort auf diese, schon von Gauß gestellte Frage, wurde zum ersten Mal
vollständig von H. Stark gegeben. In der Tat gilt
√
Theorem 3.3.9. Sei K = Q( −d). Es gilt
hK = 1 ⇐⇒ d = 1, 2, 3, 7, 11, 19, 43, 67, 163.
In Allgemeinen sind die Klassenzahlen von Zahlkörpern sehr schwer zu bestimmen. So ist zum Beispiel immer√
noch die Frage offen, ob es unendlich viele reell quadratische Zahlkörper Q( d), d > 0 mit der Klassenzahl 1 gibt. Es
sei noch einmal bemerkt, dass es nicht einmal bekannt ist, ob es überhaupt
unendlich viele Zahlkörper mit der Klassenzahl 1 gibt.
3.4
Einheiten
Für die Arithmetik ist neben der Frage nach der Eindeutigkeit der Primfaktor∗
= {α ∈ OK | α−1 ∈ OK }
zerlegung auch die Struktur der Einheitengruppe OK
∗
von großer Bedeutung. Ist α ∈ OK , dann ist |NK/Q (α)| = 1. Der Grund ist der
∗
ist die Norm NK/Q (α) einerseits eine ganze
folgende: Für jede Einheit α ∈ OK
Zahl ⊂ Z und wegen der Beziehung NK/Q (αα−1 ) = NK/Q (α)NK/Q (α)−1 = 1
ist NK/Q (α) eine Einheit in Z. Damit ist
∗
OK
= {α ∈ OK | |NK/Q (α)| = 1}.
Neben den Einheiten {±1} in Z kennen wir auch die Einheiten in dem Ring der
ganzen Gaußschen Zahlen Z[i], nämlich die vierten Einheitswurzeln {±1, ±i}.
Im Allgemeinen sind die Einheitswurzeln, die in einem Zahlkörper K liegen,
immer Einheiten in OK . Wir bezeichnen die Menge der Einheitswurzeln in K
mit µK . Wir benutzen wieder geometrische Methoden, um alle Einheiten von
OK zu bestimmen.
Sei K ein Zahlkörper vom Grad n = r + 2s, wobei wieder r und s die Anzahl der reellen bzw. halbe Anzahl der komplexen Einbettungen bezeichnet.
Sei {ρ1 , . . . , ρr } die Menge aller reellen Einbettungen und {τ1 , . . . , τs } ein Repräsentantensystem komplexer Einbettungen modulo der Operation der komplexen Konjugation. In dem Abschnitt 3.2 haben wir die kanonische Einbettung ι : K −→ Rn definiert und wir haben gesehen, dass das Bild eines jeden
ganzen Ideals unter ι ein Gitter in Rn ist. In diesem Abschnitt wollen wir eine
Abbildung von K in einen reellen Vektorraum konstruieren, so dass wir die
Einheiten als Gitter realisieren können. Die richtige Abbildung ist die folgende
L :K ∗ −→ Rr+s
L : α 7→ L(α) =
= (log |αρ1 |, . . . , log |αρr |, log |Re(ατ1 )2 + Im(ατ1 )2 |, . . . , log |Re(ατs )2 + Im(ατs )2 |)
40
Wir wollen L im Folenden die log-kanonische Abbildung nennen. Sie steht
mit der kanonischen Abbildug ι im Zusammenhang. Um präziser zu sein, sei
l : Rr+2s \ 0 −→ Rr+s definiert durch
l : (x1 , . . . , xr+2s ) 7→ (log |x1 |, . . . , log |xr |, log |x2r+1 +x2r+2 |, . . . , log |x2r+2s−1 +x2r+2s |).
Dann gilt offensichtlich L = l ◦ ι : K ∗ −→ Rr+s . Wir interessieren uns für
∗
das Bild der Einheitengruppe OK
unter der log-kanonischen Einbettung. Wir
halten folgende einfache Beobachtung fest
Lemma 3.4.1. Es gilt
∗
1. ι(OK
) ⊂ S = {x ∈ Rr+2s | N orm(x) = 1},
∗
2. L(OK
) ⊂ l(S) = H = {x ∈ Rr+s | T (x) = 0}.
Dabei ist T : Rr+s −→ R definiert als T (x) = x1 + . . . + xr+s .
Es ist wichtig festzuhalten, dass S die Struktur einer abelschen Gruppe bezüglich komponentenweise Multiplikation besitzt, mit dem offensichtlichen Einselement (1, . . . , 1). Desweiteren ist H als durch eine lineare Gleichung definierte Menge, eine Hyperebene in Rr+s . Wir haben
Lemma 3.4.2. l : Rr+2s −→ Rr+s induziert einen surjektiven Gruppenhomomorphismus l : S −→ H.
Im Gegensatz zu ι ist L nicht injektiv.
∗ ) = µK .
Lemma 3.4.3. ker(L|OK
Beweis. Ist ζ ∈ µK , dann gibt es ein n ∈ N mit ζ n = 1. Dann gilt für jede
n
Einbettung σ : K ,→ C wegen | (ζ σ ) | = |ζ σ |n = 1 auch |ζ σ | = 1. Dann gilt
∗ ).
log |ζ σ | = 0. Das bedeutet, dass L(ζ) = (0, . . . , 0), also µK ⊆ ker(L|OK
−1
∗ ). Dann ist l
Sei umgekehert α ∈ ker(L|OK
(α) = ι(α) ∈ B ∩ ι(OK ), wobei
B = {x ∈ S | |x1 | ≤ 1, . . . , |xr | ≤ 1, |x2r+1 + x2r+2 | ≤ 1, . . . |x2r+2s−1 + x2r+2s | ≤ 1}
(eigentlich liegt ι(α) auf dem Rand von B). Wir wissen bereits, dass ι(OK ) ein
Gitter ist. Daneben ist B beschränkt. Es können nur endlich viele Gitterpunkte
∗ )
in einem beschränkten Bereich liegen (Lemma 3.1.3). Das heißt, dass ker(L|OK
∗
∗ ) eine endliche Untergruppe von O
,
und
damit
endlich ist. Damit ist ker(L|OK
K
auch eine endliche Untergruppe von K ∗ , also zyklisch. Sie enthält die zyklische
∗ ) = µK gelten.
Gruppe aller Einheitswurzeln in K. Dann muß ker(L|OK
∗
)⊂H∼
Theorem 3.4.4. Sei Γ = L(OK
= Rr+s−1 . Dann ist Γ ein Gitter in H, d. h. es
gibt eine Basis v1 , . . . , vr+s−1 von H mit der Eigenschaft
Γ = Zv1 + . . . + Zvr+s−1 .
Beweis. Nach der Proposition 3.1.2 genügt es, um die Behauptung zu zeigen,
folgendes nachzuweisen:
1. Γ ist diskret in H
2. Es existiert eine beschränkte Menge M ⊂ H mit der Eigenschaft
[
H=
(M + γ) .
γ∈Γ
41
Für den Nachweis der Eigenschaft 1., zeigen wir, dass jedes Kompaktum in
H nur endlich viele Punkte aus Γ enthält. Es genügt in der Tat Kompakta der
Form Kc = {x ∈ H | |xi | ≤ c} zu betrachten. Das Urbild l−1 (Kc ) ist gegeben
durch
l−1 (Kc ) = {y ∈ S | e−c ≤ |yi | ≤ ec }.
Diese Menge ist kompakt, und weil ι(OK ) ein Gitter ist, kann l−1 (Kc ) ∩ ι(OK )
∗
nur endlich sein. Dann ist auch l−1 (Γ) ∩ l−1 (Kc ) = ι(OK
) ∩ l−1 (Kc ) ⊂ l−1 (Kc ) ∩
ι(OK ) endlich, und daher Γ ∩ Kc endlich.
Anstelle der expliziten Konstruktion der beschränkte Menge M mit den geforderten Eigenschaften, finden wir eine beschränkte Menge N ⊂ S mit der
Eigenschaft
[
N δ.
(3.4.1)
S=
∗ )
δ∈ι(OK
Das genügt auch, denn M := l(N ) hat die geforderten Eigenschaften, wie der
Leser schnell überprüfen kann.
Sei
K = {x ∈ Rn :
|x1 | ≤ c1 , . . . , |xr | ≤ cr , |x2r+1 + x2r+2 | ≤ cr+1 , . . . , |x2r+2s−1 + x2r+2s | ≤ cr+s }.
Seien die
p Konstanten c1 , . . . , cr+s so gewählt, dass gilt C := c1 · . . . · cr+s >
(2/π)s |dK |. Sei s ∈ S. Dann ist die Menge Ks = {xs | x ∈ K} eine zentralsymmetrische und konvexe Menge mit dem Volumen vol(Ks) = C2r π s >
2n vol(ι(OK )). Nach dem Gitterpunktsatz gibt es ein α ∈ OK , α 6= 0, mit ι(α) ∈
Ks. Als ein Element von Ks muss für α gelten |NK/Q (β)| = N orm(ι(α)) ≤ C.
Wir betrachten die Menge
NC = {β ∈ OK | |NK/Q (β)| ≤ C}.
Offensichtlich operiert die Einheitengruppe durch Multiplikation auf NC . Dem
Leser sei es überlasen, die folgende Behauptung zu beweisen:
∗
Die Menge NC /OK
ist endlich.3
∗
Sei {β1 , . . . , βm } ein Vertretersystem von NC /OK
. Wir setzen
!
m
[
N =
Kι(βi )−1 ∩ S.
i=1
Unsere Behauptung ist nun, dass N beschränkt ist und die Bedingung (3.4.1)
erfüllt. Die Beschränktheit von N folgt aus der Beschränktheit von K. Um die
Bedingung (3.4.1) nachzuweisen, zeigen wir, dass jedes y ∈ S in einem Translat
∗
N ι(), ∈ OK
, liegt.
Sei dazu s ∈ S beliebig. Wir haben schon nachgewiesen, dass dann ein α ∈
OK existiert mit der Eigenschaft α 6= 0 und ι(α) ∈ Ks−1 , d. h. ι(α) = xs−1
mit einem x ∈ K. Weil N orm(ι(α)) = |NK/Q (α)| ≤ C, gibt es einen Vertreter
3 Es genügt natürlich zu zeigen, dass zu gegebenen c > 0 die Menge {β ∈ O
K | |NK/Q (β)| =
∗ endlich ist. Um diese Behauptung zu zeigen, sollte man sich überzeugen, dass es bis auf
c}/OK
die Multiplikation mit Einheiten in jeder Restklasse aus OK /cOK höchstens ein Element β geben
kann, mit |NK/Q (β)| = c.
42
∗
∗
βi von NC /OK
mit der Eigenschaft α = βi δ mit einem δ ∈ OK
. Dann gilt
s = xι(βi−1 δ −1 ) = xι(βi−1 )ι(δ −1 ). Weil s ∈ S und ι(δ −1 ) ∈ S, muss xι(βi−1 ) ∈
S ∩ Kι(βi−1 ) gelten. Dann ist s ∈ N ι(δ −1 ).
Folgerung 3.4.5 (Dirichletscher Einheitensatz). Sei K ein Zahlkörper vom Grad
[K : Q] = r + 2s und sei t = r + s − 1. Es existieren Einheiten 1 , . . . , t mit der
∗
Eigenschaft, dass jedes α ∈ OK
in eindeutiger Weise geschrieben werden kann als
α = ζe11 · . . . · et t
wobei ζ ∈ µK Einheitswurzel ist und e1 , . . . , et ∈ Z.
Beweis. Man wähle 1 , . . . , t so, dass L(1 ), . . . , L(t ) eine Gitterbasis von Γ =
∗
L(OK
) bilden. Die Behauptung folgt direkt aus dem Satz 3.4.4 und Lemma
3.4.3.
Die Einheiten 1 , . . . , t aus dem obigen Satz heißen Fundamentaleinheiten.
Sei R(1 , . . . , t ) die Matrix, deren Spalten die Vektoren L(i ) sind. Wir definieren den Regulator RK von K als den Absolutbetrag der Determinante eines
(beliebigen) Rang-t-Minors von R(1 , . . . , t ) (Matrix, die aus R(1 , . . . , t ) dadurch entsteht, dass man eine Zeile von R(1 , . . . , t ) streicht). Den Regulator
1
∗
kann man in einer geometrischen Weise, als die Invariante RK = √r+s
))
vol(L(OK
definieren. Dass die beiden Definitionen äquivalent sind, sei als Übungsaufgabe dem Leser überlassen. Wir wollen zum Abschluß ein Beispiel betrachten
√
Folgerung 3.4.6. Sei K = Q( −d) ein imaginär quadratischer Zahlkörper. Dann
∗
ist die Einheitengruppe OK
endlich. Genauer gilt (mit ω = exp(2πi/3))

 {±1, ±i}, wenn d = 1
∗
{1, ω, ω 2 }, wenn d = 3
OK =

{±1},
wenn d > 3
Beweis. Bei einem imaginär quadratischen Zahlkörper ist r = 0, s = 1 und
∗
daher t = 0. Aus dem Dirichletschen Einheitensatz folgt, dass OK
= µK . Wir
müssen noch alle Einheitswurzeln in K bestimmen. Sei ζ ∈ µK eine n − te
Einheitswurzel in K. Dann gilt Q(ζ) ⊆ K und damit [Q(ζ) : Q] | [K : Q] = 2.
Der Grad [Q(ζ) : Q] ist durch die Eulersche ϕ-Funktion gegeben: [Q(ζ) : Q] =
ϕ(n). Aus den elementaren Eigenschaften der ϕ-Funktion folgert man, dass aus
ϕ(n) | 2 folgt n = 3, 4.
Aus dem Dirichletschen Einheitensatz folgt auch
√ unmittelbar, dass die Einheiten in einem reell quadratischen Zahlkörper Q( d), d > 0, alle bis auf Vorzeichen Potenzen einer Grundeinheit sind. Die explizite Bestimmung von wird mit Hilfe der Theorie der Kettenbrüche durchgeführt. Dieser Zugang hat
seinen Ursprung in der Untersuchung eines klassischen Objekts der Zahlentheorie, nämlich in der Suche nach den ganzzahligen Lösungen der sog. Pellschen Gleichung
x2 − dy 2 = ±1.
43
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