Zur Qualität der britischen und österreichischen Demokratie Empirische Befunde und Anregungen für Demokratiereform von E. Robert A. Beck und Christian Schaller Lisa Trappl, 14. Dezember 2011 Übersicht • • • • „Democratic Audit“ nach David Beetham Studie von Beck und Schaller Untersuchungsergebnisse Fazit der Studie „The Democratic Audit of the United Kingdom“ nach David Beetham Ziel: Entwicklung 1993 Maßstäbe für den Entwicklungsstand einer Demokratie zu generieren Rückschlüsse auf die Qualität 2 Grundprinzipien: „Kontrolle durch das Volk“ „politische Gleichheit“ Umsetzung: Fragenkatalog hinsichtlich Definition, Operationalisierung und Messung von Demokratiequalität Anwendung auf das poltische System in UK Vergleich mit anderen politischen Systemen zulässig Studie von Beck und Schaller I • Orientierung an den Grundprinzipien nach Beetham • Adaption des Kriterien- und Fragenkatalog an Spezifika des österreichischen poltischen System • Messung und Vergleich der britischen und österreichischen Demokratiequalität Studie von Beck und Schaller II Untersuchungsbereiche: • Verhältnis von Parlament und Regierung auf Bundesebene • Parteiensystem (Bundesebene; die im Nationalrat vertretenen Parteien) • Zivilgesellschaftliche Organisation (Bundesbene) • Wahlsystem (v.a. Bundesebne) • Direkte Demokratie (v.a. Bundesebene) • Ein- und Ausschluss nicht-österreichischer StaatsbürgerInnen hinsichtlich bürgerlicher und politischer Rechte, v.a. Wahlrecht (Bundesebene) Studie von Beck und Schaller III Untersuchungszeitraum: • 1990-2001 (fallweise Aktualisierungen bis September 2002) Nicht berücksichtigt: • Justiz • Staatliche Verwaltung • Mediensystems (Unabhängigkeit, Parteieinfluss) Studie von Beck und Schaller IV Problematik der Messung: • Was ist „Demokratie“? Was ist „politische Demokratie“? Welche Normen? • konkurrierende theoretische Ansätze Folge: unterschiedliche Indikatoren und Maßstäbe um Demokratie(gehalt) eines politischen Systems zu definieren Folge: Sozialwissenschaftler konzeptualisieren Demokratie unterschiedlich • Interpretative Bewertung: wie sehr demokratisch? Demokratiequalität eines Systems höher oder niedriger ist als ein anderes? • unterschiedliche Indexwerte und Skalierungen • Überprüfung der Validität des eigenen Konzepts problematisch Vergleich der Untersuchungsergebnisse Wahlsystem Österreich UK Wahlen alle 5 Jahre Wahlen alle 5 Jahre Wahlrecht in Verfassung verankert Wahlrecht mangels schriftlicher Verfassung nicht abgesichert stärkeres Bestreben die Oppositionsparteien bei Reformüberlegungen mit einfließen zu lassen WählerInnenregistrierung 8 Wochen vor der Wahl Ausschlussgründe vom Wahlrecht ohne sozial-, ethisch-nationale Diskriminierungen Ausschluss ab 1. Jahr Freiheitsstrafe WählerInnenregistrierung 15 Monate vor der Wahl z.B.: Ausschluss von nicht-weißen britischen (!) BürgerInnen aus den Commonwealth Staaten generell höhere Wahlbeteiligung niedrigere Wahlbeteiligung entspricht eher den internationalen Standards Vergleich der Untersuchungsergebnisse Politisches System / Parteien Österreich Nationalrat (183 Abgeordneten) Bundesrat (demokratisch durch Landtagswahlen) (62 Mitglieder) geringer Politiker-Personalisierung UK House of Commons (650 Abgeordneten) House of Lords (erblich) (731 Mitgliedern) weibliche NR-Abgeordnete 2000: 26% politische Parteien als konstitutive Voraussetzung für das Einbringen von KandidatInnenliste (Parteiengesetz 1975) Parteien haben explizite Aufgabe an der Willensbildung mit zu wirken weibliche HoC-Abgeordnete 1998: 18% keine politische Parteien im rechtlichen Sinn, keine Registrierung notwendig stärkerer Politiker-Personalisierung Vergleich der Untersuchungsergebnisse Politisches System / Parteien Österreich mehr konkurrierende Alternativen Mehrparteiensystem Verhältniswahlrechts Aufgrund Verhältniswahlrecht geringer Bias zugunsten der großen Parteien niedrige Abweichung vom Proportionalitätsmaß (5%) UK Auswahl eher geringer quasi „Zweiparteiensystem“ (Conservative Party vs. Labour Party tragen Regierungsverantwortung) Mehrheitswahlsystem - „first-past-the-post“-System starke KandidatInnenorientierung – Ausrichtung der Abgeordnete fördert WählerInneninteressen kleinere Parteien werden eher selten gewählt (Auswahldilemma) hohe Abweichung vom Proportionalitätsmaß (21%) Vergleich der Untersuchungsergebnisse Politisches System / Parteien Proportionalitätsverhältnis bei österr. Nationalratswahlen 1999: Stimmenanteil Mandatsanteil SPÖ 33,2 % 35,5 % FPÖ + ÖVP 26,9 % 28,4 % Grüne 7,4 % 7,6 % Vergleich der Untersuchungsergebnisse Politisches System / Parteien Österreich mehr konkurrierende Alternativen Mehrparteiensystem Verhältniswahlrechts Aufgrund Verhältniswahlrecht geringer Bias zugunsten der großen Parteien niedrige Abweichung vom Proportionalitätsmaß (5%) UK Auswahl eher geringer quasi „Zweiparteiensystem“ (Conservative Party vs. Labour Party tragen Regierungsverantwortung) Mehrheitswahlsystem - „first-past-the-post“-System starke KandidatInnenorientierung – Ausrichtung der Abgeordnete fördert WählerInneninteressen kleinere Parteien werden eher selten gewählt (Auswahldilemma) hohe Abweichung vom Proportionalitätsmaß (21%) Vergleich der Untersuchungsergebnisse Direkte Demokratie Österreich Instrumente wie Volksabstimmung, Volksbegehren, Volksbefragung Volksbegehren unabhängig von Zustimmung der Regierung Direkte Demokratie als Mittel einer staatsbürgerlicher Kontrollmacht wesentlich weiter entwickelt UK verfassungsrechtlich nicht geregelt / vorgesehen gibt es nicht (seit den 70er Jahren 3 mal Referenden jeweils auf Wunsch der Regierung) Vergleich der Untersuchungsergebnisse Verhältnis Parlament / Regierung Österreich Dominanz der Exekutive gegenüber Legislative Regierungsvorlagen deutlich öfter als Gesetzesinitiativen (allerdings langsame Aufwertung von parlamentarischen Ausschüssen zu beobachten) rechtlich klar geregelte Ministerverantwortlichkeit parlamentarische Kontrolle zumeist nur im Nachhinein Parlamentssouveränität? Parlament ist der Exekutive untergeordnet UK Dominanz der Exekutive gegenüber Legislative Regierungsvorlagen deutlich öfter als Gesetzesinitiativen parlamentarische Kontrolle zumeist nur im Nachhinein Parlamentssouveränität? Parlament ist der Exekutive untergeordnet Vergleich der Untersuchungsergebnisse Zivilgesellschaftliche Organisationen Österreich verfassungsrechtlicher Schutz der Gleichheit aller StaatsbürgerInnen vor dem Gesetz fehlende umfassende Antidiskriminierungsgesetze von Staatsbürgerschaft unabhängiger verfassungsrechtlicher Diskriminierungsschutz gegenüber rassischer Diskriminierung sowie ein Gleichbehandlungsgesetz Frauen und Männern UK kein verfassungsrechtlicher Schutz der Gleichheit aller StaatsbürgerInnen vor dem Gesetz fehlende umfassende Antidiskriminierungsgesetze nicht vorhanden Vergleich der Untersuchungsergebnisse Politische Rechte „fremder“ StaatsbürgerInnen Österreich Staatsbürgerschaft nach 10 Jahren (Ausnahmen bei besonderen Verdiensten) erst nach 30 Jahren muss die Staatsbürgerschaft verliehen werden stärkerer Ausschluss beim Wahlrecht für ausländische StaatsbürgerInnen (Ausnahme bei Europaparlamentswahlen, etc.) BürgerInnen aus Drittstaaten außerhalb der EU generell kein Wahlrecht UK EinwanderInnen aus CommonwealthLändern + Irland haben staatsbürgerliche Rechte (z.B. Wahlrecht) ohne Kriterien wie Beschäftigungserlaubnis, Arbeitsplatz, verfestigten Aufenthalt, etc. BürgerInnen aus Drittstaaten außerhalb der EU generell kein Wahlrecht Vergleich der Untersuchungsergebnisse Fazit Österreich UK Wahlsystem + - Politisches System/Parteien + - Direkte Demokratie + - Verhältnis Parlament – Regierung / / Zivilgesellschaftliche Organisationen + - Politische Rechte „fremder“ StaatsbürgerInnen - + Danke für Ihre Aufmerksamkeit !