ARBEITSGEMEINSCHAFT ÖFFENTLICHES RECHT I KURS ÖFFENTLICHES RECHT I Bruno Binder / Bettina Renner / Gudrun Trauner WS 2016/17 3. KAPITEL: POLITISCHE GRUNDSÄTZE UND STAATSZIELE NEIN ANTIMONARCHISMUS; LAIZISMUS JA 1. KREUZEN SIE AN ! 1) Das B-VG richtet Österreich als Republik, nicht als Monarchie ein. Das B-VG ist darüber hinaus „antimonarchistisch“, weil es besondere gegen die Monarchie und ihre Grundlagen gerichtete Verfassungsgesetze kennt. 2) Österreich ist seit 1945 nicht nur Republik, die Verfassung sieht darüber hinaus scharfe gegen den früheren Monarchen, seine Familien und den sie umgebenden Adel gerichtete Gesetze vor. 3) Die Verfassung der Republik Österreich beruft sich – anders als die untergegangene österreichische Monarchie – als Rechtfertigung für die Staatsgewalt auf das „Gottesgnadentum“. 4) Der „Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche“ besagt, dass Staat und Kirche zwei getrennte Bereiche sind, insbesondere die Kirche keinen Einfluss auf den Staat und seine Willensbildung hat. Die politische Forderung nach der Trennung von Staat und Kirche nennt man „Laizismus“. 5) JA NEIN NEIN ANTIFASCHISMUS JA Die gesetzlich anerkannten „Kirchen und Religionsgesellschaften“ verfügen über eine eigene Rechtsordnung. Sie sind dem Staatsrecht nicht unterworfen. 6) Das im Verfassungsrang stehende „Verbotsgesetz 1947“ untersagt jede politische Betätigung für die NSDAP oder ihre Ziele. Das Verbotsgesetz 1947 ist die verfassungsgesetzliche Grundlage der antifaschistischen Haltung der österreichischen Verfassungsordnung. 7) Jede extremistische politische Betätigung gilt als „faschistisch“ und ist nach dem Verbotsgesetz 1947 und nach dem Staatsvertrag Wien 1955 verfassungsgesetzlich verboten. 8) Totalitäre Regime, die mit der Ideologie des „Nationalsozialismus“ nicht in Zusammenhang stehen, sind vom Verbotsgesetz 1947 und vom Staatsvertrag von Wien 1955 nicht erfasst. 9) Kennzeichen des „Faschismus“ sind Militarismus, Chauvinismus, Rassismus und Imperialismus. 10) Der österreichische Ständestaat 1934 bis 1938/45 wird von manchen als „Austrofaschismus“ bezeichnet. NEUTRALITÄT 11) Österreich ist „immerwährend neutral“. Die Neutralität ist im Neutralitätsgesetz 1955, das ein Bundesverfassungsgesetz ist, und im Staatsvertrag von Wien 1955 verankert. 12) Österreich darf nach dem „Neutralitätsgesetz 1955“ keinem Militärbündnis beitreten. Ein Beitritt zur NATO wäre dennoch möglich, weil die Mitgliedschaft in der NATO ohnedies nur demokratischen Staaten vorbehalten ist. (Cyber)Arbeitsgemeinschaft Öffentliches Recht I (WS 2016/17) Seite 1 13) Die „Neutralität“ verpflichtet Österreich, sein Staatsgebiet und seine Souveränität mit allen zu Gebote stehenden Mitteln aufrecht zu erhalten und zu verteidigen. 14) NEIN SOZIALSTAAT JA Die Mitwirkung Österreichs an der Gemeinsamen Sicherheitspolitik der Europäischen Union ist unbeschadet der österreichischen „Neutralität“ durch die besondere Bestimmung des Art 23j B-VG verfassungsrechtlich gerechtfertigt. 15) Österreich ist ein „Sozialstaat“. Die Bundesverfassung richtet Österreich nicht ausdrücklich als Sozialstaat ein, doch lässt sich die Sozialstaatlichkeit mittelbar, insbesondere mit der Staatlichkeit und mit der egalitären Demokratie, begründen. 16) Der „Sozialstaat“ verpflichtet die Staatsorgane, insbesondere die Parlamente, nach einer sozial gerechten Ordnung der Gesellschaft zu streben. 17) NEIN GLEICHSTELLUNG VON FRAU UND MANN JA Statt „Sozialstaat“ kann man auch „Wohlfahrtsstaat“ sagen. Dem Sozialstaat geht es – ebenso wie dem Wohlfahrtsstaat – ausschließlich um die Sicherung der Versorgung der Menschen mit lebensnotwendigen Gütern und Leistungen. 18) Die „Gleichstellung von Frau und Mann“ ist durch den Gleichheitssatz (Art 7 Abs 1 B-VG) verfassungsgesetzlich bestimmt. Art 7 Abs 1 B-VG gewährleistet, dass Frau und Mann tatsächlich in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Familie die gleiche Stellung einnehmen. 19) Unter „positiver Diskriminierung“ verstehen wir (regelmäßig) Frauen bevorzugende Maßnahmen der staatlichen Organe zur Herstellung der tatsächlichen Gleichstellung von Frau und Mann. 20) JA NEIN NEIN ACHTUNG DER AUTOCHTHONEN VOLKSGRUPPEN JA Der Staat ist verpflichtet, insbesondere durch Förderungen, auf die tatsächliche Gleichstellung und auf die Beseitigung tatsächlicher Ungleichheiten in der Stellung von Frau und Mann hinzuwirken (Art 12 B-VG). 21) Volksgruppen sind in Österreich lebende Österreicher und Österreicherinnen mit einem eigenständigen kulturellen Hintergrund. 22) Insbesondere haben auch in Österreich lebende Türkinnen und Türken, die österreichische Staatsbürger geworden sind, einen eigenständigen kulturellen Hintergrund und stehen nach Art 8 Abs 2 B-VG unter dem Schutz der Verfassung. UMWELTSCHUTZSTAAT 23) Der Umweltschutzstaat im Sinne des BVG Staatsziele fordert erstens Maßnahmen zur Reinhaltung der „Luft“, zweitens Maßnahmen zur Reinhaltung des „Wassers“, drittens Maßnahmen zur Reinhaltung des „Bodens“ und viertens Maßnahmen zur Vermeidung von Störungen durch „Lärm“. 24) Der Grundsatz des umfassenden Umweltschutzes ist zwar in der Bundesverfassung geregelt, aber bloß ein Staatsziel. Niemand ist daher aus dem BVG Umweltschutz unmittelbar verpflichtet oder kann irgendwelche Rechte geltend machen. 25) Das Staatsziel umfassender Umweltschutz verpflichtet alle Staatsorgane, den Umweltschutz bei ihrem Handeln zu beachten. (Cyber)Arbeitsgemeinschaft Öffentliches Recht I (WS 2016/17) Seite 2 2. STREICHEN SIE FALSCHE TEXTPASSAGEN DURCH ! AUFGABE A [3 Fehler]: In Österreich gelten der Antimonarchismus, der Laizismus, der Antifaschismus, die Neutralität und die Achtung der autochthonen Volksgruppen als staatspolitische Grundsätze. Staatsziele gibt die Verfassung insbesondere im Zusammenhang mit dem Sozialstaat, der Gleichstellung von Frau und Mann, der Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen, der umfassenden Landesverteidigung und des umfassenden Umweltschutzes vor. Besondere Bedeutung hat der Sozialstaat. Der Staat sorgt nicht nur mit der Staatsgewalt für eine geordnete gewaltfreie Gesellschaft, er unterstützt sein Anliegen auch durch Einrichtung einer sozial gerechten Ordnung. Der Sozialstaat ist in Art 1 B-VG verankert. Er lässt sich auch insbesondere mit der egalitären Demokratie, der Menschenwürde und dem Konstitutionalismus begründen. 4. KAPITEL: PARLAMENT UND REPUBLIK NEIN PARLAMENTARISCHE; EGALITÄRE DEMOKRATIE JA 1. KREUZEN SIE AN ! 1) Demokratie bedeutet „Volksherrschaft“, das Volk hat die „Volkssouveränität“. Das Volk bestimmt die Ausübung der Staatsgewalt. 2) Es gibt verschiedene „Demokratiemodelle“, wie das Volk die Herrschaft in einem demokratischen Staat ausübt: Die plebiszitäre Demokratie und die parlamentarische Demokratie. 3) Statt „parlamentarische Demokratie“ sagen wir auch „repräsentative Demokratie“ oder „direkte Demokratie“. 4) In der parlamentarischen Demokratie schließt die Verfassung das Volk von den Sachentscheidungen aus. Das Volk wählt in regelmäßigen Abständen Vertreter in ein Parlament, die dann als „Volksvertreter“ die Sachentscheidungen für das Volk treffen. 5) Österreich ist eine „egalitäre“ Demokratie. Egalitäre Demokratie bedeutet, dass das demokratische Prinzip der Verfassung das wichtigste ist und alle anderen Rechtsnormen des Staats im Vergleich dazu egal sind. 6) Österreich ist eine „plebiszitäre Demokratie“, weil die Bundesverfassung die Möglichkeit von Volksabstimmungen vorsieht. 7) Die Bundesverfassung kennt „Volksabstimmungen“, „Volksbegehren“ und „Volksbefragungen“. 8) Es gibt ein „aktives“ und ein „passives“ Wahlrecht. Passives Wahlrecht ist das Recht, in einem demokratischen Staat durch Stimmabgabe an einer Wahl teilzunehmen. Aktives Wahlrecht ist das Recht, bei einer Wahl zu kandidieren und gewählt zu werden. (Cyber)Arbeitsgemeinschaft Öffentliches Recht I (WS 2016/17) Seite 3 NEIN JA WAHLRECHTSGRUNDSÄTZE; VERHÄLTNISWAHL (LISTENWAHL) 9) In der parlamentarischen Demokratie ist das Parlament die „Volksvertretung“. Es besteht aus Abgeordneten, die das Volk nach bestimmten Wahlrechtsgrundsätzen wählt. 10) Das B-VG schreibt ua die „Wahlrechtsgrundsätze“ für die Wahl der Parlamente fest. Wahlrechtsgrundsätze sind das allgemeine Wahlrecht, das gleiche Wahlrecht, das unmittelbare Wahlrecht, das geheime Wahlrecht, das persönliche Wahlrecht, das freie Wahlrecht und die Verhältniswahl. 11) „Allgemeines Wahlrecht“ bedeutet, dass jede/r StaatsbürgerIn (eventuell UnionsbürgerIn) ohne Unterschied des Geschlechts, der Religion, der Klasse, der Steuerleistung, etc an einer Wahl teilnehmen darf. 12) Im Sinne des „allgemeinen Wahlrechts“ erreichen alle österreichischen StaatsbürgerInnen, die spätestens am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben, das aktive und das passive Wahlrecht zum Nationalrat. 13) Jeder Wahlberechtigte ist verpflichtet, an den Wahlen zum Nationalrat teilzunehmen. 14) „Gleiches Wahlrecht“ bedeutet, dass jede/r StaatsbürgerIn – etwa bei der Wahl zum Nationalrat – eine Stimme abgeben darf. Niemand darf von der Wahl ausgeschlossen werden. 15) Das „gleiche Wahlrecht“ ist Ausdruck der plebiszitären Demokratie. 16) „Geheimes Wahlrecht“ bedeutet, dass jeder Wähler seine Stimme so abgeben darf und muss, dass sie für die Wahlbehörde und für die Öffentlichkeit nicht erkennbar ist. 17) Das geheime Wahlrecht richtet sich historisch gegen die „Zensuswahl“. 18) Das „unmittelbare Wahlrecht“ verlangt die physische Präsenz des Wählers vor der Wahlbehörde und schließt die Ausübung des Wahlrechts durch einen Stellvertreter aus. 19) „Persönliches Wahlrecht“ bedeutet, dass die Kandidaten einer Wahl unter ihrem eigenen Namen und nicht anonym für ihre Partei kandidieren müssen. 20) „Freies Wahlrecht“ bedeutet, dass der Staat keinen Zwang oder Druck auf die Wähler bei der Stimmabgabe ausüben darf. Es bedeutet auch, dass die Wahlparteien sich unbehindert zur Wahl stellen und insbesondere entsprechende Wahlwerbung betreiben dürfen. 21) „Briefwahl“ ist eine Stimmabgabe außerhalb eines Wahllokals und nicht vor einer Wahlbehörde, bei der der ausgefüllte Stimmzettel der Wahlbehörde postalisch übermittelt wird. 22) Im „Verhältniswahlrecht“ steht nicht die Persönlichkeit der einzelnen Kandidaten, sondern die Parteizugehörigkeit der Kandidaten im Vordergrund. 23) Wir bezeichnen die Verhältniswahl auch als „Persönlichkeitswahlrecht“, weil die einzelnen Abgeordneten gewählt werden. Wir bezeichnen die Verhältniswahl auch als „Mehrheitswahlrecht“, weil die Mehrheit bei der Wahl über die Zusammensetzung des Parlaments entscheidet. 24) Dass die Kandidaten für die Parlamente nicht allein unter ihrem Namen, sondern auf „Listen“ kandidieren, ist Folge des Verhältniswahlrechts. 25) Das B-VG ordnet die Geltung des „Verhältniswahlrechts“ für die Wahlen zum Europäischen Parlament, zum Nationalrat, zu den Landtagen, zu den Gemeinderäten und für die Wahl des Bundespräsidenten an. 26) Es gibt ein aktives und ein passives Wahlrecht. Das „aktive Wahlrecht“ ist das Recht zu wählen, bei einer Wahl seine Stimme abzugeben. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete aktive Wahlrecht zum Nationalrat ist in Art 26 Abs 1 iVm Abs 5 B-VG verankert. 27) Der Wähler wählt bei den Wahlen zum Nationalrat eine Liste, auf der mehrere Personen kandidieren. Einer – auf der Liste aufscheinenden – Person kann er zudem eine „Vorzugsstimme“ geben. Diese Vorzugsstimme wirkt sich allerdings bei der Verteilung der Mandate auf die Kandidaten der Liste keinesfalls aus. (Cyber)Arbeitsgemeinschaft Öffentliches Recht I (WS 2016/17) Seite 4 JA NEIN JA NEIN POLITISCHE PARTEIEN 28) Für die demokratische Willensbildung des Staats sind „politische Parteien“ wichtig. Dass es politische Parteien in Österreich gibt, folgt aus Art 1 B-VG. An anderen Stellen in den Verfassungsgesetzen sind die „politischen Parteien“ nicht erwähnt. 29) Unter einer „politischen Partei“ versteht man eine Gruppe von Personen, die auf einer gemeinsamen Liste unter einer bestimmten Bezeichnung bei einer (Parlaments)Wahl kandidiert. Die politische Partei besteht nicht auf Dauer, sondern nur für diesen einen Zweck. 30) Unter einer „Wahlpartei“ versteht man eine auf Dauer angelegte organisierte Verbindung von Menschen, die durch gemeinsame Tätigkeit auf eine umfassende Beeinflussung der staatlichen Willensbildung abzielt. 31) Eine „politische Partei“ bekommt keine Gelder aus öffentlichen (staatlichen) Mitteln. 32) Zu den Parlamentswahlen treten die „politischen Parteien“ an. Die politische Partei ist im Parteiengesetz 2012 (PartG) geregelt. Das Parteiengesetz 2012 bezeichnet die politische Partei auch als „Wahlpartei“ (wahlwerbende Partei). 33) Der Verfassungsgerichtshof kann eine „politische Partei“, deren politische Ziele mit der Verfassung nicht übereinstimmen, auf Antrag des Parlaments verbieten. Die Bundesverfassung selbst verbietet im Verbotsgesetz 1947 politische Parteien mit dem Ziel der NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei). REPUBLIK 34) Die „Staatsform“ beurteilt einen Staat nach der Frage, wer nach der Verfassung Staatsoberhaupt ist, insbesondere den Staat völkerrechtlich vertritt. 35) Die „Staatsform“ eines Staats kann etwa die Monarchie, die Republik oder die Demokratie sein. 36) Jeder Staat hat ein Staatsoberhaupt. Für die Republik ist typisch, dass das Staatsoberhaupt für seine Amtsführung verantwortlich ist. Das Staatsoberhaupt einer Republik bezeichnen wir in der Regel als „Präsident“. 37) Der Gegenentwurf zur „Monarchie“ ist die „Demokratie“. 38) Die Forderung des Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts war die Republik. Sie wurde in der „Dezemberverfassung 1867“ verwirklicht. 2. STREICHEN SIE FALSCHE TEXTPASSAGEN DURCH ! AUFGABE A [4 Fehler]: Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus. Wie die Schweiz ist Österreich eine plebiszitäre Demokratie. Wir sagen zur plebiszitären Demokratie auch direkte Demokratie. Das politische Leben wird von den politischen Parteien bestimmt. Jeder kann eine politische Partei frei gründen. Österreich ist weiters eine elitäre Demokratie, weil bestimmte politische Rechte privilegierten Gruppen vorbehalten sind. So kann nur Finanzminister werden, wer Wirtschaftswissenschaften studiert hat. Als Republik bezeichnen wir Österreich insbesondere weil Österreich keine Monarchie ist. (Cyber)Arbeitsgemeinschaft Öffentliches Recht I (WS 2016/17) Seite 5