Lösungen zum Übungsblatt 7 Mirko Getzin Universität Bielefeld Fakultät für Mathematik 15. Dezember 2013 Ich gebe keine Gewähr auf eine vollständige Richtigkeit der Lösungen zu den Übungsaufgaben. Das Dokument hat jedoch den Anspruch, eine möglichst vollständige Lösung des siebten Übungsblattes der aktuellen Analysis I Vorlesung zu sein. Eine Veröffentlichung oder Vervielfältigung ist nur nach Rücksprache mit dem Urheber dieses Dokuments erlaubt. Die Lösungen sind zum Teil an den Musterlösungen von Simon Michel angelehnt, die wir Tutoren wöchentlich erhalten. E-Mail: [email protected] Tutor der Analysis I im WiSe 13/14 Mirko Getzin 2 Lösungen zum Übungsblatt 7 Die Aufgaben dieses Übungsblattes befassen sich hauptsächlich mit Inhalten der Vorlesung, welche nochmal präzisiert und genauer ausgeführt werden sollten, sowie mit der Stetigkeit von Funktionen. Durch die Bearbeitung des Übungsblattes solltet ihr folgende Fertigkeiten erlernt haben: i) Korrekte Anwendung des Leibnizkriteriums, indem dessen Voraussetzungen allesamt gezeigt werden ii) Verwendung der Formel des Cauchy-Produkts iii) Führen eines exemplarischen Beweises per Konstruktion iv) Berechnung und Anwendung der Eigenschaften des Limes Superior und Inferior v) Überprüfung von Stetigkeit von Funktionen in einem Punkt und über ganze Definitionsbereiche, sowie Überprüfung gleichmäßiger Stetigkeit vi) Anwenden des Zwischenwertsatzes auf stetige Funktionen (ggf. selbstbestimmte Hilfsfunktionen), um Nullstellenprobleme zu lösen Aufgabe 1 (Cauchy-Produkt) Zeige, dass die Reihe ∞ P n=0 (−1)n √ n+1 konvergiert. Zum Beweis der Reihenkonvergenz nutzen wir das Leib- nizkriterium und definieren hierzu an = Leibnizkriteriums erfüllt sind: i) an ≥ 0 ∀ n ∈ N, denn an = √1 n+1 √1 n+1 ∀ n ∈ N. Zeige, dass die Voraussetzungen des √ ( n + 1)−1 | {z } = |{z} 1 · ∈P ∈P ∈P Wurzel > 0, Bem. (i) S. 48 ii) (an )n∈N antiton, denn √ an − an+1 = √n+2− √ n+1 (n+1)(n+2) > 0 ⇔ an > an+1 Dass der obige Ausdruck positiv ist, lässt sich aufgrund der Isotonie der Wurzelfunktion schnell einsehen (vgl. Satz 12.3, k := 2). iii) (an )n∈N ist Nullfolge. Dies beweisen wir per Widerspruchsbeweis. Angenommen, (an ) sei keine Nullfolge, dann liefert uns die Negation der Konvergenz: √ 1 > ε ∃ε > 0 ∀ N ∈ N ∃ n > N : |an − 0| = an = √n+1 1 ⇒ ∃ε > 0 ∀ N ∈ N ∃ n > N : n+1 >ε Die durch Quadrieren erhaltene Folgeaussage steht im Widerspruch dazu, dass für n −→ ∞. Daraus folgt, dass (an ) eine Nullfolge ist. 1 n+1 −→ 0 Wir haben nun alle drei Voraussetzungen für das Leibnizkriterium bewiesen, so dass wir folgern, ∞ P (−1)n √ dass konvergiert. n+1 n=0 3 Wir zeigen nun noch, dass das Cauchy-Produkt von ∞ P n=0 ( ∞ X ∞ X (−1)n (−1)n √ √ )( ) n+1 n+1 n=0 n=0 = = ∞ X n X n=0 k=0 ∞ X mit sich selbst nicht konvergiert. Es gilt: (−1)n−k √ n−k+1 n (−1) ( n=0 = (−1)n √ n+1 ∞ X n X · √ |k=0 (−1)k √ k+1 1 ) (n−k+1)(k+1) {z =:cn } (−1)n cn n=0 Nach Satz 7.2 muss notwendiger Weise (cn ) eine Nullfolge sein, damit das Cauchy-Produkt schließlich konvergieren kann. Es gilt jedoch (n − k + 1)(k + 1) ≤ (n + 1)2 ∀0 ≤ k ≤ n, n ∈ N (man vergleiche hierzu beide Faktoren mit (n + 1)). Damit folgt: cn = n X 1 1 √ ≥ n+1 = (n−k+1)(k+1) k=0 | {z } k=0 n X n+1 n+1 =1 1 ≥ n+1 Da somit cn ≥ 1 ∀n ∈ N gilt, kann cn keine Nullfolge sein. Satz 7.2 liefert uns die Divergenz des obigen Cauchy-Produkts. q.e.d. 4 Aufgabe 2 (Abzählbarkeit) Es sei A ⊂ N unendlich und fest gewählt. Wir definieren uns eine Abbildung f : N −→ A, n 7→ xn . Nach dem Wohlordnungsprinzip hat A ein kleinstes Element, sowie jede Teilmenge von A hat ein kleinstes Element. Dies ermöglicht uns folgende rekursive Konstruktion von f: f (0) = min(A) = x0 f (1) = min(A\{x0 }) = x1 f (2) = min(A\{x0 , x1 }) = x2 ... f (n) = min(A\{x0 , x1 , ..., xn−1 }) = xn Aufgrund dieser Konstruktion folgt unmittelbar, dass f surjektiv ist, da f (N) = A bzw. da A ⊂ N. Nun ist noch die Eigenschaft zu zeigen, dass aus n1 < n2 folgt, dass auch xn1 < xn2 . Sei also n1 < n2 , dann gilt auch xn1 ≤ xn2 , da nach Konstruktion Bn1 ⊃ Bn2 . Weiterhin können wir die Gleichheit jedoch ausschließen, da sonst Bn1 bereits zwei kleinste Elemente besäße. Dies steht jedoch im Widerspruch zur Wohlordnung, so dass n1 < n2 ⇒ xn1 < xn2 gilt. Aus dieser Eigenschaft folgt im Übrigen sofort die Injektivität (vgl. Definition Injektivität), so dass f sogar bijektiv ist. Da f insbesondere surjektiv ist, ist A nach Definition 9.1 abzählbar. q.e.d. 5 Aufgabe 3 (Grenzwerte und Stetigkeit von Funktionen) a) Es sei D ⊂ R ein Intervall und a ∈ D. Setze an := a ∀n ∈ N. Da a ∈ D, ist offenbar auch (an )n∈N ⊂ D und es gilt lim an = a, da (an ) konstante Folge ist. Per Konstruktion von (an ) n→∞ erhalten wir also für beliebige a ∈ D eine Folge, die gegen a konvergiert. q.e.d. 1 Alternativ: Man kann auch an := a + n+1 ∀n ∈ N setzen und muss nun noch zeigen, dass kein Folgeglied außerhalb von D liegt. Dass (an ) gegen a konvergiert, folgt aufgrund der Grenzwert1 sätze und daraus, dass ( n+1 ) eine Nullfolge ist. b) Es ist offenbar a2n ∈ [2, 3) (insbesondere sogar in (2, 3)) und a2n+1 ∈ (1, 2) ∀n ∈ N. Nach Definition von f gilt dann f (a2n ) = 1 und f (a2n+1 ) = −1. Heuristisch erklärt springen wir also immer zwischen -1 und 1, wenn wir die Folge (an ) in f einsetzen. Es gilt demnach: sup f (am ) = 1 ∧ inf f (am ) = −1 ∀n ∈ N (vgl. limsup und liminf von (−1)n im Skript). m≥n m≥n ⇒ inf sup f (am ) = 1 ∧ sup inf f (am ) = −1 (da wir bei der Infimabildung nur 1 finden und n m≥n n m≥n bei der Supremabildung nur −1). Nun wenden wir die Definition des Limes Inferior bzw. Limes Superior an und erhalten: ⇒ lim sup f (an ) = 1 ∧ lim inf f (an ) = −1. n→∞ n→∞ c) Behauptung: Sf = (1, 2) ∪ (2, 3). Beweis: Wir zeigen Stetigkeit auf dem Intervall (1,2), sowie auf dem Intervall (2,3) und im Anschluss zeigen wir, dass f nicht stetig in 2 ist. i) Sei a ∈ (1, 2) beliebig. Wir können Œ annehmen, dass jede Folge (an )n∈N ⊂ D mit lim an = a im Intervall (1, 2) sogar liegt. Diese Annahme ist möglich, da a ∈ (1, 2) n→∞ gilt und nach Definition der Konvergenz höchstens endlich viele Folgenglieder außerhalb von (1, 2) liegen dürfen, folglich können wir also Œ jene endlich viele Folgenglieder streichen, die außerhalb von (1, 2) liegen. Die so erhaltenen Folgen haben alle weiterhin den Grenzwert a. Es gilt: f (an ) = −1 = f (a) ∀n ∈ N ⇒ lim f (an ) = f (a). Es folgt die Stetigkeit von f in n→∞ a ∈ (1, 2). Da a sonst beliebig gewählt wurde, ist f stetig im Intervall (1, 2) ⇒ (1, 2) ⊂ Sf . ii) Die Stetigkeit von f in (2, 3) folgt analog zum vorherigen Fall. iii) Nach Aufgabenteil b) gilt lim sup f (an ) = 1 6= −1 = lim inf f (an ). Darüber hinaus liefern n→∞ n→∞ die Grenzwertsätze 4.5 uns, dass lim an = 2. Mit Satz 10.3 folgt sofort, dass f nicht stetig n→∞ in 2 sein kann. Also gilt 2 ∈ / Sf . q.e.d. 6 Aufgabe 4 (Stetigkeit) 1 a) Nutze die ε − δ − Stetigkeit, um gleichmäßige Stetigkeit von f (x) = x + 1+x auf D = [0, ∞) ε zu zeigen. Sei also ε > 0 beliebig. Wähle δ := 2 . Dann gilt für alle x, y ∈ D = [0, ∞) mit |x − y| < δ: |f (x) − f (y)| = |x + 1 x+1 −y− 1 y+1 | ∆ y−x ≤ |x − y| + | (1+x)(1+y) | | {z } ≥1 ≥1 ≤ |x − y| + |y − x| |.| = |x − y| + |x − y| = 2|x − y| < 2δ = ε Da die Wahl von δ nur noch von ε abhängig ist, folgt unmittelbar die gleichmäßige Stetigkeit und insbesondere nach der Bemerkung auf S. 79 die Stetigkeit von f. q.e.d. b) Es sei f (x) = x2 mit x ∈ R. Nach Beispiel (i) auf S. 76 des Skripts ist die Identitätsfunktion auf R stetig. Nun ist f (x) = x2 = x · x. Nach Satz 10.5 ist also auch f stetig. Alternativ: Sei a ∈ R beliebig und (an )n∈N Folge reeller Zahlen mit a als Grenzwert. Dann gilt: lim f (an ) = lim an 2 = ( lim an ) · ( lim an ) = a · a = a2 = f (a) n→∞ n→∞ n→∞ n→∞ Da a beliebig aus dem Definitionsbereich gewählt wurde, ist f somit stetig auf dem ganzen Definitionsbereich. Es bleibt noch zu zeigen, dass f nicht gleichmäßig stetig auf R ist. Es gilt für alle x, y ∈ R mit |x − y| < δ: |f (x) − f (y)| = |x2 − y 2 | = |(x − y)(x + y)| = |x − y||x + y| < δ|x + y| Da Stetigkeit eine lokale Eigenschaft ist, können wir Œ annehmen, dass |x − y| < 1 gilt und folglich |y| < |x| + 1. So erhalten wir nach obiger Rechnung |f (x) − f (y)| < δ(2|x| + 1) = ε ε für δ := 2|x|+1 . Die Wahl von δ ist also neben ε auch abhängig von x, so dass die Funktion f nicht gleichmäßig stetig ist. q.e.d. 7 Aufgabe 5 (Anwendung zum Zwischenwertsatz) a) Es sei (an )n∈N isotone Folge paarweiser verschiedener reeller Zahlen. Folglich ist (an ) sogar streng isoton und es gilt für alle n ∈ N: an < an+1 . Insbesondere gilt also auch a2n < a2n+1 ∀n ∈ N. Die Funktion h ist nach Voraussetzung stetig auf ganz R. Insbesondere ist h dann auch stetig auf den Intervallen (reeller Zahlen) [a2n , a2n+1 ] ∀n ∈ N. Nach Voraussetzung ist für beliebige n ∈ N h(a2n ) = 1 > 0 und h(a2n+1 ) = −1 < 0. Der Zwischenwertsatz liefert uns dann, dass ein bn ∈ [a2n , a2n+1 ] existiert, so dass h(bn ) = 0 gilt. Da n zuvor beliebig gewählt wurde und die Folge der (an ) streng isoton ist, finden wir für jedes dieser Intervalle paarweise verschiedene Elemente, welche Nullstelle von h sind. Wir finden also formal eine Folge (bn )n∈N mit bn 6= bm für n 6= m, so dass h(bn ) = 0 ∀n ∈ N gilt. Weiterhin liefert uns der Zwischenwertsatz, dass h nicht nur 0 in den Intervallen [a2n , a2n+1 ] immer wieder annimmt, sondern auch jedes weitere b ∈ [−1, 1] ⊂ h(R). Es existieren also auch Folgen reeller Zahlen (cn ), so dass lim h(cn ) = b gilt. Da nach Korollar 9.5 [−1, 1] überabzähln→∞ bar ist, ist h(R) folglich überabzählbar. q.e.d. 1 b) Wir definieren uns eine Hilfsfunktion f (x) := sinh(x) − 1+x 2 . Diese ist stetig als Differenz stetiger Funktionen (sinh stetig wegen Definition über Exponentialfunktion und wegen Komposition ste1 tiger Funktionen; 1+x 2 stetig, da der Nenner nicht Null werden kann, da Quadrate reeller Zahlen stets nichtnegativ). Wir wollen nun eine Nullstelle für f(x) suchen, da diese gleich ist zur Lösung der in der Aufgabenstellung gegebenen Gleichung. Nun stellen wir fest, dass f (0) = −1 < 0 gilt und f (1) = 21 (e − 1e − 1) > 0 (Begründung über Abschätzung der eulerschen Zahl möglich). Also gilt f (0) < 0 < f (1). Da wir nun gezeigt haben, dass f stetig ist, sowie das Intervall [0, 1] gefunden haben, in dem f sowohl negative Werte annimmt als auch positiv Werte, folgt mit dem Zwischenwertsatz, dass ein x ∈ [0, 1] existiert, so 1 dass f (x) = 0 gilt. Dasselbe x erfüllt die Gleichung sinh(x) = 1+x 2. q.e.d. Bemerkung: Es handelt sich hierbei um sehr typische Anwendungsaufgaben zum Zwischenwertsatz, welche höchst klausurverdächtig sind ;-)