Mikrobiologie der Knocheninfektion mit Problematik der multiresistenten Erreger Dr. med. Béatrice Grabein Max von Pettenkofer-Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie Außenstelle Großhadern ©Béatrice Grabein Knocheninfektionen Osteitis/Osteomyelitis Hämatogen Fortgeleitet aus benachbarter infizierter Struktur, z.B. –Nosokomial nach chirurgischer Intervention –Implantat-assoziiert –Trauma-bedingt Osteomyelitis bei vaskulärer Insufffizienz –Diabetes mellitus oder andere Gefäßerkrankungen © B. Grabein Indikation zur mikrobiologischen Diagnostik Grundsätzlich gegeben Geeignetes Untersuchungsmaterial: –Hämatogene Infektion •Blutkulturen –Fortgeleitete Infektion •Intraoperativ oder durch aseptische Punktion entnommenes Gewebe oder Flüssigkeiten •Ggf. zusätzlich Implantatmaterial oder Material aus der Implantatumgebung •Gelenkpunktat •Blutkultur •Material aus Fistelgängen oder von Weichgewebe nur eingeschränkt geeignet! MIQ 18/2004 Infektionen der Knochen und des Knorpels © B. Grabein Unterscheidung Kontamination - Infektion Strikte Hygiene bei Entnahme Keine Oberflächen-Abstriche Multiple Proben gewinnen (5-6) Große Probenmengen gewinnen Kurze Lagerungs- und Transportzeiten Erste Entnahme vor Beginn der AntibiotikaTherapie oder nach Antibiotika-Pause Wiederholung der Diagnostik, wenn erforderlich MIQ 18/2004 Infektionen der Knochen und des Knorpels © B. Grabein Mikroskopie und Kultur Gramfärbung („Schnelldiagnostik“) –Problem der Sensitivität (maximal 26%) Kultur auf geeigneten festen und flüssigen Nährmedien –Bebrütungsdauer mindestens 14 Tage –Erregeridentifizierung –Empfindlichkeitsprüfung MIQ 18/2004 Infektionen der Knochen und des Knorpels © B. Grabein Molekularbiologische Verfahren eubakterielle PCR: Amplifikation des 16s-rRNA-Gens, das bei allen Bakterien vorkommt Sequenzierung des Amplifikats zur Erregeridentifizierung © B. Grabein Zimmerli et al.:Infection 2002; 30:99-108 Molekularbiologische Verfahreneubakterielle PCR Vorteile: –Nachweis von schwierig zu kultivierenden oder langsam wachsenden Bakterien –Nachweis von Bakterien im Biofilm –Nachweis auch nach Beginn einer Antibiotikatherapie möglich Probleme: –Standardisierung und Validierung bisher nicht ausreichend –Kontamination führt zu falsch positiven Reaktionen –Falsch negative Ausfälle wegen mangelnder Sensitivität –Mischinfektionen werden nicht erkannt –Keine Empfindlichkeitsprüfung möglich –Nur Nachweis von Genombestandteilen, nicht von vermehrungsfähigen Bakterien! nach Zimmerli et al.:Infection 2002; 30:99-108 © B. Grabein Stellenwert präoperativer mikrobiologischer Diagnostik Studie an 100 Patienten Gewinnung von 109 Gelenkaspiraten vor Revisionseingriff bei Hüftprothesen Sensitivität 83%, Spezifität 100%, PPV 100%, NPV 85,7% Somme et al.: Joint Bone Spine 2003;70:489-95 © B. Grabein Stellenwert präoperativer mikrobiologischer Diagnostik © B. Grabein Somme et al.: Joint Bone Spine 2003;70:489-95 Einfluss der Anzahl der positiven Proben © B. Grabein Atkins et al.: JCM 1998;2932-39 Verhältnis entnommener Proben zu positiven Proben 5-6 Proben entnehmen Ab ≥2 positive Proben: Infektion © B. Grabein Atkins et al.: JCM 1998;2932-39 Erregerspektrum bei Knocheninfektionen Häufig (>50% der Fälle): –Staphylococcus aureus –Koagulase-negative Staphylokokken Gelegentlich (>25% der Fälle) –Streptokokken und Enterokokken –Enterobacteriaceae –Pseudomonas aeruginosa –Anaerobier Selten (<5% der Fälle) –Candida spp. und andere Pilze –Mykobakterien –Aktinomyzeten –... Berbari et al. in Mandell; Principles and Practice of Infectious Diseases, © B. Grabein 6. Auflage 2005; 1322-32 Erregerspektrum bei hämatogener Osteomyelitis S. aureus insgesamt mit Abstand am häufigsten Weitere „Rangfolge“: –Koagulase-negative Staphylokokken –Streptokokken, einschließlich Pneumokokken –E. coli –P. aeruginosa –C. albicans –Anaerobier –Teilweise polymikrobielle Infektionen –Seltene Erreger, wie T. whipplei, Bartonella spp Teilweise Abhängig von der geografischen Region und vom Grundleiden –z.B. Brucellen im Mittelmeerraum –z.B. Salmonellen bei Sichelzellanämie. © B. Grabein Zimmerli et al.: Orthopäde 2004;33:267-72 Erregerspektrum bei Implantatassoziierten Infektionen Erreger Häufigkeit in % Koagulase-negative Staphylokokken 30-43 Staphylococcus aureus 12-23 Streptokokken 9-10 Enterokokken 3-7 Enterobacteriaceae und Pseudomonas aeruginosa 3-6 Anaerobier 2-4 Polymikrobielle Infektionen Kein Erregernachweis 10-11 11 Zimmerli et al.: NEJM 2004;351:1645-54 © B. Grabein Implantat-assoziierte Staphylokokken-Infektionen 33% MRSA-Anteil © B. Grabein Barberan et al.: Am J Med 2006;119:993e7-10 Erregerspektrum bei Implantatassoziierten Infektionen © B. Grabein Moran et al.: J Infection 2007;55:1-7 Resistenz von Erregern Implantat-assoziierter Infektionen Methicillin-Resistenz bei S.aureus: Methicillin-Resistenz bei KNST: 14,3% 61,6% Moran et al.: J Infection 2007;55:1-7 © B. Grabein Biofilm Einschluss der Mikroorganismen in eine PolymerMatrix Struktur ähnelt einem vielzelligen Organismus Bietet Schutz vor körpereigener Abwehr Bietet Schutz vor Antibiotika Erreger in Biofilmen sind häufig in der stationären Phase der Vermehrung Zimmerli et al.: NEJM 2004;351:1645-54 © B. Grabein Staphylococcus aureus Small Colony Variants Natürlicherweise vorkommende Subpopulationen Assoziation mit persistierenden oder rekurrierenden Infektionen Langsames Wachstum, winzige Kolonien, kein Pigment, schwache Hämolyse Defizite im Elektronentransport Resistenz gegenüber Aminoglykosiden und Zellwand-aktiven Antibiotika Sendi et al.: CID 2006; 43:961-67 © B. Grabein Problem Multiresistenz Methicillin-Resistenz bei Staphylokokken –S. aureus –Koagulase-negative Staphylokokken Glykopeptid-Resistenz bei Enterokokken Multiresistenz bei P.aeruginosa ESBL-Bildung bei Enterobacteriaceae © B. Grabein MRSA-Entwicklung in Deutschland MRSA-Prävalenz in Deutschland - Klinikisolate 25 22,6 MRSA-Anteil in % 20,7 20 15,2 15 12,9 10 5 0 1,6 1976 © B. Grabein 2,5 1984 1,8 1990 1995 1998 2001 2004 M. Kresken, D. Hafner: Chemother J.9, 51-86 (2000) M. Kresken et al.: PEG-Resistenzstudie 2001 Häufigkeit der Resistenz gegen weitere Antibiotika bei MRSA Resistenzraten in % 2000 n=3091 2002 n=2238 2004 n=3071 2006 n=2196 Ciprofloxacin 95,3 97,2 93,8 93,8 Erythromycin 72,8 72,3 71,7 72,5 Clindamycin 64,3 67,7 66,4 65,4 Gentamicin 41,3 24,0 16,9 13,3 Rifampicin 4,1 1,9 2,0 2,5 Fosfomycin 2,8 2,7 4,1 3,3 Fusidinsäure 3,4 2,4 4,6 6,4 © B. Grabein Daten des NRZ für Staphylokokken, Epi Bulletin 6/2007 MRKNST – multiresistente Koagulase-negative Staphylokokken MRSE-Prävalenz in Deutschland - Klinikisolate 80 MRSE-Anteil in % 74,5 68,9 60 60,2 58,7 1995 1998 40 20 15,8 0 1990 2001 2004 Paul- Ehrlich-Gesellschaft. AG Empfindlichkeitsprüfung und Resistenz; 2004 © B. Grabein Zusammenfassung Die mikrobiologische Diagnostik von Knocheninfektionen ist essentiell zur Therapieoptimierung Das Erregerspektrum ist breit mit einem hohen Anteil an Staphylokokken Das Problem Resistenz beinhaltet neben den klassischen Resistenzmechanismen auch Biofilmbildung und Small Colony Variants © B. Grabein Danke für Ihre Aufmerksamkeit! © B. Grabein © B. Grabein