§1 Komplexe Zahlen

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Mathematik für Ingenieure IV, SS 2016
Mittwoch 20.4
$Id: komplex.tex,v 1.4 2016/04/27 14:31:21 hk Exp hk $
§1
Komplexe Zahlen
1.2
Folgen und Reihen komplexer Zahlen
Wir beschäftigen uns gerade mit komplexen Potenzreihen, diese waren sozusagen die
Polynome von Grad ∞“. Tatsächlich übertragen sich viele Eigenschaften von Po”
lynomen auf allgemeine Potenzreihen und hierfür wollen wir jetzt ein im folgenden
nützliches Beispiel vorstellen. Haben wir ein Polynom p n-ten Grades zum Entwicklungspunkt z0 , so läßt sich dieses auf jeden anderen Entwicklungspunkt z1 umschreiben,
d.h. es gibt ein Polynom pe von Grad n mit p(z − z0 ) = pe(z − z1 ). Wir schauen uns dies
an einem konkreten Beispiel an, sei etwa
p(z − 1) = (z − 1)3 + 2(z − 1)2 − (z − 1) + 5
gegeben. Dann haben wir
z − 1 = (z − 2) + 1, (z − 1)2 = (z − 2)2 + 2(z − 2) + 1,
(z − 1)3 = (z − 2)3 + 3(z − 2)2 + 3(z − 2) + 1
und Einsetzen dieser Formel liefert
p(z−1) = (z−2)3 +3(z−2)2 +3(z−2)+1 +2· (z−2)2 +2(z−2)+1 − (z−2)+1 +5
= (z − 2)3 + 5(z − 2)2 + 6(z − 2) + 7.
Eine analoge Rechnung kann man
im allgemeinen Fall durchführen. Gegeben sei
Pauch
n
k
also das Polynom p(z − z0 ) =
a
k=0 k (z − z0 ) . Für jedes 0 ≤ k ≤ n ergibt die
binomische Formel
k
k
(z − z0 ) = ((z − z1 ) + (z1 − z0 )) =
k X
k
l=0
l
(z1 − z0 )k−l (z − z1 )l
und damit haben wir
!
n
n X k X
X
l
p(z − z0 ) =
ak (z1 − z0 )k−l (z − z1 )l =
al (z − z0 )l−l · (z − z1 )k .
l
k
0≤l≤k≤n
k=0
l=k
Bei Potenzreihen gelten dieselben Formeln, nur mit n = ∞“, allerdings muss man ein
”
wenig auf den Konvergenzradius der Potenzreihe achten. Hat die Potenzreihe f (z) den
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Entwicklungspunkt z0 und den Konvergenzradius r > 0, so muss der neue Entwicklungspunkt z1 innerhalb des Konvergenzkreises liegen, also |z1 − z0 | < r. Dann ist der
Kreis mit Radius s := r − |z1 − z0 | und Mittelpunkt z1 der größte ganz im Konvergenzkreis enthaltene Kreis mit Mittelpunkt z1 . Die obige Polynomformel gilt dann auch für
alle z ∈ C mit |z − z1 | < s, also
!
∞
∞ X
X
k
ak (z1 − z0 )k−n · (z − z1 )n
f (z) = g(z) :=
n
n=0
k=n
und insbesondere hat die rechts stehende Reihe einen Konvergenzradius r(g) ≥ s.
Da der vollständige Beweis dieser Formel etwas mühsam ist, wollen wir hier darauf
verzichten. Als ein Beispiel schauen wir uns einmal die Exponentialreihe
z
e = exp(z) :=
∞
X
zn
n=0
n!
an. Wie schon in einem früheren Beispiel gesehen hat diese den Konvergenzradius r =
+∞, die Potenzreihe konvergiert also auf ganz C. Sei nun z1 ∈ C gegeben und wechsel
zum Entwicklungspunkt z1 . Der n-te Koeffizient dieser umgeschriebenen Potenzreihe
ist
∞ ∞
∞
X
k 1 k−n
1 X z1k−n
1 X z1k
1
z1 =
=
= ez1 ,
n k!
n! k=n (k − n)!
n! k=0 k!
n!
k=n
und für jedes z ∈ C ergibt sich hiermit
∞
X
1 z1
e (z − z1 )n = ez1 ez−z1 .
e =
n!
n=0
z
Hieraus können wir dann die Funktionalgleichung der Exponentialfunktion ablesen,
sind u, v ∈ C so wenden wir die obige Formel mit z = u + v und z1 = u an und erhalten
eu+v = eu ev .
1.3
Komplexe Funktionsgrenzwerte und Stetigkeit
Genau wie im reellen Fall können wir nun Funktionsgrenzwerte einführen indem diese auf die Grenzwerte von Folgen zurückgeführt werden. Angenommen wir haben eine Menge D ⊆ C komplexer Zahlen und eine auf D definierte komplexe Funktion
f : D → C. Wir wollen dann den Grenzwert der Funktion f in einem Punkt z ∈ C definieren, sofern ein solcher überhaupt existiert. Zu diesem Zwecke betrachte eine gegen
z konvergente Folge (zn )n∈N in D\{z}. Dann liegen alle Folgenglieder im Definitionsbereich D der Funktion f , wir können also jeweils f auf zn anwenden und erhalten
eine neue komplexe Zahlenfolge (f (zn ))n∈N . Wir wollen sagen das die Funktion f in z0
den Grenzwert w ∈ C hat wenn die Folge (f (zn ))n∈N immer, also unabhängig von der
speziellen Folge (zn )n∈N , gegen w konvergiert.
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Hierbei tritt allerdings eine kleine Komplikation auf, das ganze macht nur dann
Sinn wenn es überhaupt eine gegen z konvergente Folge in D\{z} gibt, der Punkt z
darf sozusagen nicht von D isoliert“ sein. Solche Punkte wollen wir Häufungspunkte
”
nennen, definiere also:
Definition 1.1 (Häufungspunkte komplexer Mengen)
Sei D ⊆ C eine Menge komplexer Zahlen. Eine komplexe Zahl z ∈ C heißt ein
Häufungspunkt von D wenn es eine gegen z konvergente Folge in D\{z} gibt. Die
Menge aller Häufungspunkte von D werde mit D0 bezeichnet.
Wir wollen uns drei kleine Beispiele anschauen.
1. Sind z ∈ C und r > 0, so ist Br (z)0 = B r (z), d.h. die Menge der Häufungspunkte
eines offenen Kreises ist der abgeschlossene Kreis mit denselbem Mittelpunkt und
Radius. Dies ist leicht zu sehen. Ist (zn )n∈N eine gegen ein w ∈ C konvergente
Folge in Br (z) so haben wir auch
|w − z| = lim |zn − z| ≤ r,
n→∞
es ist also w ∈ B r (z). Sei nun umgekehrt w ∈ B r (z) gegeben. Ist w 6= z, so haben
wir für jede natürliche Zahl n ≥ 1 den Punkt
w−z
1
zn := w −
∈ C\{w} mit |zn − z| = 1 −
|w − z| < |w − z| ≤ r
n
n
und (zn )n≥1 ist eine gegen w konvergente Folge in C\{w} also w ∈ Br (z)0 . Dass
auch z ∈ Br (z)0 gilt kann man dann entsprechend mit der durch zn := z + r/n
für n > 1 definierten Folge einsehen.
2. Nun sei H := {z ∈ C| Re(z) > 0} eine offene rechte Halbebene. Dann ist
H 0 = {z ∈ C| Re(z) ≥ 0} die entsprechende abgeschlossene Halbebene. Ist
nämlich (zn )n∈N eine gegen ein z ∈ C konvergente Folge in H, so ist auch
Re(z) = limn→∞ Re(zn ) ≥ 0. Ist umgekehrt z ∈ C mit Re(z) ≥ 0, so ist
(z + 1/n)n≥1 eine gegen z konvergente Folge in H\{z}.
3. Schließlich sei C− := C\R≤0 die sogenannte geschlitzte komplexe Ebene. Dann ist
jede komplexe Zahl ein Häufungspunkt von C− , es gilt also (C− )0 = C. Sei nämlich
z ∈ C. Ist z ∈
/ R≤0 so setzen wir r := Re(z) im Fall z ∈ R>0 und r := | Im(z)| im
Fall Im(z) 6= 0. Dann ist r > 0 und Br (z) ⊆ C− , also auch z ∈ Br (z)0 ⊆ (C− )0
nach dem ersten Beispiel. Ist dagegen z ∈ R<0 , so ist B1 (z + i) ⊆ C− und wieder
nach dem ersten Beispiel gilt z ∈ B 1 (z + i) = B1 (z + i)0 ⊆ (C− )0 .
Damit kommen wir zu den Funktionsgrenzwerten.
Definition 1.2 (Funktionsgrenzwerte komplexer Funktionen)
Seien D ⊆ C eine Menge komplexer Zahlen, z0 ∈ D0 ein Häufungspunkt von D und
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f : D → C eine auf D definierte komplexe Funktion. Wir sagen das f in z0 den
Grenzwert w ∈ C hat, geschrieben als
w = lim f (z)
z→z0
wenn für jede gegen z0 konvergente Folge (zn )n∈N in D\{z0 } stets auch limn→∞ f (zn ) =
w gilt.
Schauen wir uns erst einmal zwei konkrete Beispiele an. Zunächst sei f (z) = z 2 + z + 1
definiert auf ganz D = C. Ist dann (zn )n∈N eine gegen ein z0 ∈ C konvergente Folge, so
gilt auch
lim f (zn ) = lim (zn2 + zn + 1) = z02 + z0 + 1 also lim f (z) = z02 + z0 + 1 = f (z0 ).
n→∞
n→∞
z→z0
Als zweites Beispiel untersuchen wir den Grenzwert der Funktion f (z) = Re(z)/z
definiert auf D = C\{0} für z gegen 0. Dieser Grenzwert existiert nicht, denn in C\{0}
haben wir die beiden gegen Null konvergenten Folgen (1/n)n≥1 und (i/n)n≥1 in C\{0}
mit
1
i
f
= 1 und f
=0
n
n
für alle n ≥ 1, d.h. (f (1/n))n≥1 konvergiert gegen 1 und f (i/n)n≥1 gegen Null. Gäbe
es jetzt einen Grenzwert w von f (z) für z → 0, so müsste dieser sowohl der Grenzwert
der ersten Folge sein, also w = 1, also auch der Grenzwert der zweiten Folge sein, also
w = 0. Da dies nicht möglich ist, gibt es also keinen Grenzwert von f für z → 0.
Das erste Beispiel läßt sich entsprechend auf beliebige Polynome verallgemeinern, ist
f also ein Polynom so stimmt der Grenzwert von f (z) für z gegen ein z0 ∈ C stets mit
dem Funktionswert f (z0 ) überein. Als Grenzfall“ überträgt sich diese Beobachtung
”
auch auf Potenzreihen, und da die hierzu verwendete Beweistechnik wichtig ist wollen
wir dies hier auch vollständig beweisen.
Satz 1.1 (Funktionsgrenzwerte
von Potenzreihen)
P
n
Sei f (z) = ∞
a
(z
−
z
)
eine
Potenzreihe mit Konvergenzradius r > 0 und sei
0
n=0 n
z1 ∈ Br (z0 ). Dann gilt stets
lim f (z) = f (z1 ).
z→z1
Beweis: Wir teilen den Beweis in drei Schritte auf.
(1) Im ersten Schritt behaupten wir das es für jede reelle Zahl 0 < q < r stets eine
Konstante C ≥ 0 mit |f (z)| ≤ C für alle z ∈ C mit |z − z0 | ≤ q gibt.
Um dies einzusehen wähle eine weitere reelle Zahl t ∈ R mit q < t < r. Wegen
|(z0 + t) − z0 | = t < r liegt z0 + t dann im Konvergenzkreis der Potenzreihe f (z), also
konvergiert die Reihe
f (z0 + t) =
∞
X
an ((z0 + t) − z0 )n =
n=0
∞
X
n=0
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an tn .
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Insbesondere bilden die Summanden (an tn )n∈N dieser Reihe eine Nullfolge und damit
erst recht eine beschränkte Folge, es gibt also eine Konstante A ≥ 0 mit
A
tn
für jedes n ∈ N. Ist jetzt z ∈ C mit |z − z0 | ≤ q < t gegeben, so ist aucg |z − z0 |/t < 1
und die Summenformel der geometrischen Reihe des ersten Abschnitts liefert
∞
∞
∞
X
X
X
A
n
n
|an | · |z − z0 | ≤
an (z − z0 ) ≤
|f (z)| = |z − z0 |n
n
n=0
n=0
t
n=0
∞
n
X |z − z0 |
A
At
At
=
=
≤
.
=A·
|z−z
|
0
t
t − |z − z0 |
t−q
1−
n=0
|an |tn = |an tn | ≤ A also auch |an | ≤
t
Setzen wir also C := At/(t − q) ≥ 0, so ist |f (z)| ≤ C für jedes z ∈ C mit |z − z0 | ≤ q.
(2) Im zweiten Schritt zeigen wir die Behauptung des Satzes im Entwicklungspunkt,
also
lim f (z) = f (z0 ) = a0 .
z→z0
Beachte zunächst das für jedes z ∈ C
∞
X
n
an (z − z0 ) = a0 + (z − z0 ) ·
∞
X
an (z − z0 )n−1
n=1
n=0
P∞
n
ist, die Reihe f (z) konvergiert also genau dann wenn g(z) :=
n=0 an+1 (z − z0 )
konvergiert, und somit hat auch die Potenzreihe g(z) den Konvergenzradius r. Wähle
eine reelle Zahl 0 < q < r. Nach dem ersten Schritt angewandt auf die Potenzreihe g(z)
gibt es dann eine Konstante C ≥ 0 mit |g(z)| ≤ C für jedes z ∈ C mit |z − z0 | ≤ q.
Ist also (zn )n∈N eine gegen z0 konvergente Folge in Br (z0 )\{z0 }, so gibt es zunächst ein
n0 ∈ N mit |zn − z0 | ≤ q für alle n ≥ n0 und für jedes n ≥ n0 ist damit auch
|f (zn ) − a0 | = |(zn − z0 )g(zn )| = |g(zn )| · |zn − z0 | ≤ C|zn − z0 |.
Wegen limn→∞ |zn − z0 | = 0 ist damit auch limn→∞ f (zn ) = a0 und auch der zweite ist
durchgeführt.
(3) Schließlich kommen wir zur allgemeinen Behauptung. Sei also z1 ∈ C mit |z1 −z0 | <
r gegeben und setze s := r − |z − z0 | > s. Wie im vorigen Abschnitt gesehen hat dann
die Potenzreihe
!
∞
∞ X
X
k
g(z) :=
ak (z1 − z0 )k−n · (z − z1 )n
n
n=0
k=n
einen Konvergenzradius r(g) ≥ s und für jedes z ∈ C mit |z − z1 | < s gilt f (z) = g(z).
Wenden wir also den zweiten Schritt auf die Potenzreihe g(z) an, so ergibt sich
∞ X
k
lim f (z) = lim g(z) = g(z1 ) =
ak (z1 − z0 )k = f (z1 ).
z→z1
z→z1
0
k=0
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Damit ist der Satz vollständig bewiesen.
Wir werden diesen Satz jetzt verwenden ein weiteres Beispiel eines Funktionsgrenzwerts zu behandeln, nämlich
ez − 1 − z
lim
.
z→0
z2
Eine komplexe Regel von Hospital“ gibt es nicht, wir brauchen also eine andere Me”
thode. Beachte zunächst das für jedes z ∈ C stets
z
e =
∞
X
zn
n!
n=0
2
=1+z+z ·
∞
X
z n−2
n=2
n!
gilt, also hat auch die Potenzreihe
g(z) :=
∞
X
n=0
zn
(n + 2)!
den Konvergenzradius r(g) = +∞ und für jedes z ∈ C ist ez = 1 + z + z 2 g(z). Damit
liefert der Satz
ez − 1 − z
1
lim
= lim g(z) = g(0) = .
2
z→0
z→0
z
2
Wir wollen noch eine letzte Anmerkung zu den komplexen Funktionsgrenzwerten machen und klären wie diese mit den entsprechenden reellen Funktionsgrenzwerten zusammenhängen. Sei D ⊆ C eine Menge komplexer Zahlen. Dass eine reelle Funktion
f : D → R in einem Häufungspunkt (x0 , y0 ) ∈ D0 den Grenzwert w ∈ R bedeutet das
für alle Folgen (xn , yn )n∈N in D\{(x0 , y0 )} mit limn→∞ xn = x0 und limn→∞ yn = y0
stets auch
lim f (xn , yn ) = w
n→∞
ist. Wegen R ⊆ C können wir f (x, y) = f (x+iy) auch als komplexe Funktion auffassen,
und dann stimmen reelle und komplexe Funktionsgrenzwerte überein, d.h.
w=
lim
f (x, y) ⇐⇒
(x,y)→(x0 ,y0 )
lim
z→x0 +iy0
f (z) = w.
Kommen wir nun zu einer komplexen Funktion f : D → C. Diese können wir Realund Imaginärteil zerlegen, schreiben also
f (x + iy) = u(x, y) + i · v(x, y)
für alle z = x + iy ∈ D. Hier sind u der Real- und v der Imaginärteil von f . Ist jetzt
(zn )n∈N eine Folge in D und w ∈ C eine komplexe Zahl, so hatten wir bereits im vorigen
Abschnitt
lim f (zn ) = w ⇐⇒
n→∞
⇐⇒
lim Re(f (zn )) = Re(w) und lim Im(f (zn )) = Im(w)
n→∞
n→∞
lim u(zn ) = Re(w) und lim v(zn ) = Im(w)
n→∞
n→∞
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festgehalten. Ist also z0 = x0 + iy0 ∈ D0 ein Häufungspunkt von D, so gilt
lim f (z) = w ⇐⇒
z→z0
lim
u(x, y) = Re(w) und
(x,y)→(x0 ,y0 )
lim
v(x, y) = Im(w).
(x,y)→(x0 ,y0 )
Nun kommen wir zur Stetigkeit komplexer Funktionen und definieren:
Definition 1.3 (Stetigkeit komplexer Funktionen)
Seien D ⊆ C eine Menge komplexer Zahlen und f : D → C eine Funktion.
(a) Die Funktion f heißt in einem Punkt z0 ∈ D stetig wenn entweder z0 ∈
/ D0
0
kein Häufungspunkt von D ist oder z0 ∈ D ein Häufungspunkt von D ist und
limz→z0 f (z) = f (z0 ) gilt.
(b) Die Funktion f heißt stetig wenn sie in jedem Punkt z0 ∈ D stetig ist.
In anderen Worten ist f stetig wenn Funktionsgrenzwerte und Funktionswerte von f
in jedem Punkt des Definitionsbereichs übereinstimmen. Zerlegen wir f wieder in Realund Imaginärteil
f (x + iy) = u(x, y) + i · v(x, y)
so ergibt die obige Aussage über Funktionsgrenzwerte dass f genau dann stetig ist
wenn die reellen Funktion u und v beide stetig ist. Außerdem läst sich unser Satz über
die Funktionsgrenzwerte von Potenzreihen nun als Stetigkeitsaussage formulieren.
Korollar 1.2P(Stetigkeit von Potenzreihen)
n
Sei f (z) = ∞
n=0 an (z − z0 ) eine Potenzreihe mit Konvergenzradius r > 0. Dann ist
die Funktion
∞
X
f : Br (z0 ) → C; z 7→
an (z − z0 )n
n=0
stetig.
Beweis: Dies ist eine Umformulierung von Satz 1.
1.4
Differenzierbarkeit komplexer Funktionen
Nun sind wir in der Lage komplexe Differenzierbarkeit genau wie die reelle Differenzierbarkeit über Grenzwerte von Differenzenquotienten einzuführen. Genau wie bei der
reellen Differenzierbarkeit von Funktionen in mehreren Variablen fordert man das der
Definitionsbereich U der betrachteten Funktion eine offene Teilmenge von C ist, d.h.
für jeden Punkt z ∈ U soll noch ein ganzer Kreis mit Mittelpunkt z in U enthalten
sein, es soll also einen positiven Radius > 0 mit B (z) ⊆ U geben.
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Definition 1.4 (Komplexe Differenzierbarkeit in einem Punkt)
Seien U ⊆ C eine offene Menge und f : U → C eine Funktion. Dann heißt die Funktion
f differenzierbar in einem Punkt z ∈ U wenn der Funktionsgrenzwert
f (w) − f (z)
f (z + h) − f (z)
= lim
w→z
h→0
w−z
h
f 0 (z) := lim
existiert. In diesem Fall heißt f 0 (z) die Ableitung von f im Punkt z.
Im Gegensatz zur Stetigkeit bedeutet die komplexe Differenzierbarkeit nicht nur das
Real- und Imaginärteil von f (x + iy) = u(x, y) + i · v(x, y) differenzierbar sind. Haben
wir beispielsweise die Funktion f (z) = Re(z), so sind u(x, y) = x und v(x, y) = 0 beide
überall reell differenzierbar. Die Funktion f ist aber im Nullpunkt nicht im komplexen
Sinn differenzierbar, denn wir hatten als ein Beispiel für Funktionsgrenzwerte bereits
gesehen das der Grenzwert
f (z) − f (0)
Re(z)
= lim
z→0
z→0
z
z
lim
nicht existiert.
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