und Jugendpsychiatrie Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz

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Depression, Trauer und Suizidalität im
Kindes- und Jugendalter
Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz
Depression in den
Lebensphasen
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Im Säuglingsalter: Anaklitische Depression bei mangelnder Zuwendung nach Protest.
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Kindheitsalter: Gehemmtheit und Rückzug, Trennungsängstlichkeit und
Antriebsminderung.
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Im mittleren Kindheitsalter: Traurigkeit und Weinen
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Anhedonie wird an Spielunlust, Rückgang der Phantasiefähigkeit, an sozialem
Rückzug und Schlafstörungen bemerkt. Weiters auftreten können Appetitstörung,
Körpergewichtsverlust, Abnahme der Schulleistungen und Klagen über Müdigkeit und
Passivität
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Späteres Kindheitsalter: Aus Todeswünschen und Vorstellungen können sich
Suizidhandlungen ergeben. Jedoch auch psychomotorische Agitation, Unruhe,
Ziellosigkeit.
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Beginnende Adoleszenz: Schon von niedrigem Selbstwert begleitet, übersteigertes
Gefühl der Sinnlosigkeit, Leere, Versagen oder Schuldgefühle.
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Symptome: Stimmung
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Anhedonie
Traurig
Reizbar, dysphorisch
Erniedrigtes Selbstwertgefühl
Hoffnungslos, verzweifelt
Schuldgefühle
Affektarm
Interesselosigkeit, Apathie
Affektlabil
Innere Unruhe, getrieben
manisch
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Psychotische Symptome bei
Depression: formale
Denkstörungen
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Gedankenabreissen
Gedankeneinschiebungen
Gedankendrängen
Grübeln
Gehemmt, verlangsamt
Eingeengt
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Psychotische Symptome bei
Depression: inhaltliche
Denkstörungen
• Halluzinationen: einzelne Sinne bishin zu
szenischen Halluzinationen
• Geräusche- und Stimmenhören
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ICD-10: Einteilung der
depressiven Syndrome
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F 30: Manische Störungen
F 31: Bipolare Störungen
F32.0 Leichte depressive Episode
F 32.1 Mittelgradige depressive Episode
F 32.2 Schwere depressive Episode ohne
psychotische Symptome
F32.3 Schwere depressive Episode mit
psychotischen Symptomen
F33 Rezidivierende depressive Störung
F34.0 Zyklothymie
F34.1 Dysthymie
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Depressive (Ver)stimmung
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Umfasst immer Traurigkeit, manchmal zusammen mit
Gefühlen wie Ärger, Angst, Schuld etc.
Unspezifische Zeitperiode, meist eine Reaktion auf überfordernde
Belastungen des Lebens (Verlust, Misserfolg, ...)
Verschwindet zumeist, wenn etwas Positives geschieht
Häufige Stimmung im Jugendalter
Eltern-Reports: 10 – 20%
Self-Reports: 20 – 40%
Mädchen erfahren häufiger depressive Verstimmung als Jungen
Im Alter zwischen 13 – 15 Jahren steigt depressive Stimmung an,
erreicht ihren Höhepunkt bei 17 – 18 Jahren,
danach Abfall bis auf Erwachsenenlevel
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Depressive Episode
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Klinische Depressionen unterscheiden sich von erstgenannten
durch Einbeziehung körperlicher Beschwerden
Diagnose von Depression erfolgt nach Schweregrad und Dauer
der Symptome
Kriterien für eine klinische Depression
Mindestens 5 Kriterien innerhalb der letzten 2 Wochen
(in einem Ausmaß, das früher nicht gegeben war)
• Depressive Stimmung (über ganzen Tag)
• Desinteresse an „gewöhnlichen“ Aktivitäten
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Gewichtsverlust
• Schlafprobleme
• Müdigkeit / Energieschwund
• Konzentrationsprobleme / Entscheidungsprobleme
• Gefühl von Wertlosigkeit
• Gedanken an Tod (Suizidale Tendenzen)
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Dysthymie
min. 2 Symptome müssen bei Kindern & Jugendlichen seit 1
Jahr,bei Erwachsenen seit min. 2 Jahren auftreten
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Niedergeschlagenheit/Hoffnungslosigkeit
mangelndes Selbstwertgefühl
reduzierte Konzentrations- und Entscheidungsfähigkeit
Müdigkeit, Energiemangel
Ess- und Schlafstörungen
eher geringfügigere depressive Symptome, die aber dennoch
eine
wünschenswerte Lebensführung im Alltag verhindern, dafür
kontinuierlicher und längerer Verlauf
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Komorbidität
75% - 90% komorbide Störungen
• Depression und Angststörung:
30 – 70 %
• Depression und Verhaltensstörung:
10 – 35 %
• Depression und Essstörung, vor allem bei Mädchen
(negatives Körperbild)
• Persönlichkeitsstörungen
• Substanzgebrauch
• Suizidale Tendenzen
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Suizidalität
Suizidalität meint die Summe aller Denk- und
Verhaltensweisen eines Menschen, die in Gedanken,
durch aktives Handeln oder passives Unterlassen oder
durch Handelnlassen den eigenen Tod anstreben bzw.
als mögliches Ergebnis eines Handlung in Kauf nehmen.
Wolfersdorf 1999
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Erfolgreicher Suizid
Psychiatrische Diagnose 80 -90%
Depressive Episode 50 -70%
Persönlichkeitsstörungen (Impulsivität) 30%
Störungen des Sozialverhaltens (Aggression)
30%
Alkohol und Drogen (7 x Risiko) 30%
Schizophrenie und andere Psychosen 5%
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Suizidalität im KJ-Alter
• Bei Jugendlichen: 2.häufigste
Todesursache nach Unfällen
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Suizidversuch:Suizid=40:1
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Suizide pro Alter
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Häufigkeit und Risiko
1% der Todesfälle (1 von 100 stirbt an Suizid)
• auf 10-20 Suizidversuche kommt ein erfolgreicher Suizid
• 8-9% der Jugendlichen verüben einen Suizidversuch (23% ärztlich versorgt)
• 1% der Kinder verüben einen Suizidversuch
• häufigste Todesursache bei 15 –25-jährigen Männern,
zweithäufigste bei Frauen
• 1 von 1,500 Jugendlichen stirbt an Suizid
• Ein Suizidversuch bei Jugendlichen erhöht die Gefahr
eines Suizids im Erwachsenenalter um das 100-fache.
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Präsuizidales Syndrom
nach RINGEL, E. (1984) SCHÜTZ, J. (1994)
Suizidfantasien
Jedem Suizid geht eine intensive gedankliche Beschäftigung mit negativen,
düsteren und pessimistischen Gedanken voraus. Suizidfantasien können zu
Zwangsgedanken werden, einhergehend mit einer Flucht aus der Wirklichkeit.
SCHÜTZ (1994) legt drei Phasen dar, wie Suizidfantasien ablaufen:
• 1. Phase: Der Gedanke, ich möchte tot sein. Alles ist grau und sinnlos. Dieser
Gedanke kann aber wieder verschwinden, wenn ein kleiner Lichtblick am
Horizont auftaucht.
• 2. Phase: Ich könnte mich selber töten. Der Gedanke, der anfänglich noch
dem Willen unterliegt, kann später gegen den eigenen Willen zu einem
zwanghaften Gedanken werden und das ganze Denken beherrschen.
• 3. Phase: Wie werde ich es tun und wann? Die Flucht aus der Wirklichkeit hat
eingesetzt, die Rückkehr fällt sehr schwer. In diesem Stadium ist höchste
Gefahr geboten. Oft wird zu diesem Zeitpunkt der Suizid bereits bis in die
kleinste Einzelheit geplant.
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Psychodynamischer Ansatz (Selbstwertkrise)
nach RINGEL, E. (1984) nach HENSLER, H. (1974) nach SCHÜTZ, J. (1994)
1. Stark verunsichertes Selbstgefühls: Kränkungen und Enttäuschungen
(Verlusterlebnis) lösen ein Gefühl der Angst, der Bedrohung, der
Verlassenheit und der Ohnmächtigkeit aus.
2. Einsetzen von Bewältigungsmechanismen: Zum Schutz des Selbstgefühls
bedient sich der angstbesetzte und innerlich bedrohte Mensch in hohem
Mass der Realitätsverleugnung und der Idealisierung der eigenen Person
wie der anderen Menschen.
3. Beim Scheitern der Bewältigungsmuster greift er zu Fantasien vom
Rückzug in einen harmonischen Primärzustand.
4. Umsetzung der Fantasien in eine Suizidhandlung: Um sein Selbstgefühl
zu wahren und zu retten, setzt er seine Fantasie in Handlung um und will
Sicherheit, Ruhe und Geborgenheit gewinnen.
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Psychodynamischer Ansatz (Selbstwertkrise)
nach RINGEL, E. (1984) nach HENSLER, H. (1974) nach SCHÜTZ, J. (1994)
Der Suizid ist eine Konfliktlösung, in der ein Zustand von
Harmonie und Sicherheit gesucht wird. Die massive Krise
im Selbstwertgefühl betrifft im Besonderen drei Bereiche:
- Zweifel bezüglich der eigenen Männlichkeit oder
Weiblichkeit (Sexualität)
- Zweifel bezüglich Macht und Können (Schule, Beruf)
- Zweifel bezüglich der eigenen Akzeptanz in der
Gesellschaft schlechthin.
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Lerntheoretischer Ansatz
• Suizidales Verhalten ist in Familien, in Jugendkreisen und in den
Massenmedien erlerntes Verhalten. Der Suizid wird als mögliches
Problemlösungsverhalten erfahren. Man erhofft sich dadurch mehr
Aufmerksamkeit und Zuwendung. Es ist eine Tatsache, dass
Suizidhandlungen gehäuft auftreten, wenn solche aus der Umgebung
bekannt sind.
• Der lerntheoretische Ansatz dient auch bei HOLDEREGGER (1990) in
seiner Erforschung der hohen Suizidrate in Appenzell Innerrhoden als
einer der möglichen Faktoren für die mit Abstand höchste Suizidrate
der Schweiz.
• In SCHÜTZ (1994) wird dieser Ansatz als «Werther-Effekt»
bezeichnet. Nach dem Erscheinen von Goethes «Die Leiden des
jungen Werthers» stieg die Suizidrate an.
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Stadienhafter Ablauf der suizidalen
Krisen
(nach Pöldinger, 1988)
I.
II. Ambivalenz
Erwägung
Psychodynamische Faktoren:
Aggressionshemmung
Soziale Isolierung
Suggestive Momente
Suizide in der Umgebung
Pressemeldungen
Literatur, Film etc.
Direkte Suizidankündigungen
Hilferuf als Ventilfunktion
Kontaktsuche
III. Entschluss
Indirekte Suizidankündigung
Vorbereitung
Ruhe vor dem Sturm
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Biologisches Erklärungsmodell
Serotonin-Hypothese
Asberg 1976; Mann & Malone 1997
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Lebensbelastungen bei Patienten
mit Suizidversuchen
20% Abwesenheit eines oder beider Elternteile
durch Trennung, Scheidung oder Tod
19% Kinder psychiatrisch erkrankter Eltern
9% Disharmonie in der intrafamiliären
Kommunikation
8% Mangel an intrafamiliärer emotionaler
Wärme
6% unzureichende oder inkonsistente elterliche
Kontrolle
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Modell für suizidales Verhalten
(nach Blumenthal und Kupfer, 1986)
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Frühe Hinweise …
•
„direkte Drohung mit Selbstmord oder Formulierungen wie ‚Ich wünschte,
ich wäre tot.‘ oder ‚Meiner Familie würde es besser gehen, wenn ich nicht
da wäre.‘ (…),
• Häufige Beschäftigung mit dem Tod (z.B. in Musik, Kunst oder
persönliche Aufzeichnungen),
• Verlust eines Familienmitgliedes, Haustieres oder Partners durch Tod
oder Trennung,
• Gravierende Veränderung des familiären Umfeldes (z.B. Arbeitslosigkeit,
schwer Krankheit, Umzug oder Scheidung),
• Schlaf- oder Essstörungen,
• Drastisch sinkende Schulnoten und nachlassendes schulisches
Interesse,
• Deutliche Verhaltensänderungen,
• Starker Ausdruck von Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit,
• Rückzug von der Familie und Freunden,
• Persönlich wertvolle Gegenstände werden abgegeben und
• Serie von Unfällen und Risikoverhalten.“
(Steinberg 1996, zitiert nach Grob/Jaschinski 2003: 179)
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Reaktionen …
• „direkte, aber ruhige Frage, ob der Jugendliche darüber
nachdenkt, sich selbst zu verletzen.
• Ernsthaftigkeit des Vorhabens durch Fragen über Gefühle
und das Ausmaß der Selbstmordgedanken klären. Wenn die
Pläne sehr konkret sind (…), sollte er (der Jugendliche) nicht
mehr allein gelassen werden. Professionelle Hilfe ist hier
notwendig.
• Zuhören und Unterstützen ohne falsche Versicherungen (‚Es
wird doch alles wieder gut.‘)
• Den Jugendlichen ermutigen, professionelle Hilfe zu suchen
und ihn dabei unterstützen.“
(Grob/Jaschinski 2003: 179)
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