4. Einteilung der Antibiotika

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Aminoglykoside
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4. Einteilung der Antibiotika
4.1. Aminoglykoside
Aminoglykoside haben eine bakterizide Wirkung, d. h. sie wirken auf Bakterien, vor allem in ihrer Teilungsphase, abtötend. Aminoglykoside wirken aber auch auf Bakterien,
die sich in der Ruhephase befinden, bakterizid. Nach Anbindung an die bakteriellen Ribosomen greifen die Aminoglykoside in die Proteinsynthese der Bakterien ein. Sie bewirken dadurch die Bildung von falschen Proteinen (Nonsens-Proteine). Die
Nonsens-Proteine verursachen Schäden an den Bakterienmembranen, wodurch es
zum Absterben der Bakterien kommt.
Die Substanzgruppe der Aminoglykoside hat ein breites Wirkungsspektrum, vor allem
im gramnegativen Bereich. Bedeutend vor allem für die Praxis ist die Wirkung auf Staphylokokken, Enterobakterien und bei einigen Aminoglykosiden auf Pseudomonas aeruginosa. Intrazelluläre Erreger werden jedoch durch Aminoglykoside nicht erreicht,
weil diese Gruppe gut wasserlöslich ist und daher nicht in menschliche Körperzellen
einzudringen vermag. Folglich wirken Aminoglykoside nur im extrazellulären Raum,
also außerhalb von Körperzellen.
Gegen gramnegative Kokken sind Aminoglykoside fast wirkungslos. Auch werden
Anaerobier, also Bakterien, die nur ohne Luftsauerstoff leben können, von der antibiotischen Wirkung der Aminoglykoside nicht erfasst.
Aufgrund der massiven Nebenwirkungen, wie Ototoxizität und Nephrotoxizität, werden
einige Aminoglykoside nur selten systemisch verwendet.
Eine systemische Anwendung beinhaltet eine Medikamentengabe, bei der sich der
Wirkstoff im gesamten Organismus verbreiten kann. So ist zum Beispiel die Verabreichung von Aminoglykosiden in Form von Injektionen und Infusionen eine systemische
Anwendung.
Hingegen handelt es sich bei einer lokalen Anwendung um - wie der Name schon sagt um eine lokal beschränkte Wirkung.
Aminoglykoside
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4.1.1. Kanamycin-Gentamycin-Gruppe
6´
Kanamycin A
NH2
CH2
Kanamycin setzt sich aus
Deoxystreptamin, 6-Amino-6-deoxy-D-glucose und 3-Amino-3-deoxy-D-glucose
zusammen.
O
HO
2´
HO
1´
OH
O
HO
NH2
4
6
5
1
O
HO
CH2
NH2
O
1´´
6´
2
3´´
6´´
CH2OH
OH
NH2
2´´
Gentamycin C 1a
(auch Gentamicin)
NH2
O
4-(3-Desoxy-3-amino-Ó-D-glucopyranosyl- oxy)-6-(6-desoxy6-amino- Ó-D-glucopyranosyloxy)-2-desoxy-D-streptamin
2´
1´
NH2
HO
O
NH2
4
6
5
1
O
1´´
HO
O
2´´
2
NH2
3´´
NH
4´´
CH3
OH
CH3
Gentamicin wird von Micromonospora-Arten gebildet. Die Micromonospora-Arten produzieren ein Gemisch von drei Antibiotika, die zusammen als Gentamicin bezeichnet
werden.
Kanamycin wird hingegen von Streptomyces kanamyceticus gebildet.
Gentamicin wie auch Kanamycin haben eine rasche bakterizide Wirkung. Das Wirkungsspektrum von Gentamicin und Kanamycin umfasst vor allem gramnegative Stäbchen, wobei auch der Problemkeim Pseudomonas aeruginosa dazugehört.
Aminoglykoside
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Im Bereich der grampositiven Kokken ist besonders die Wirkung gegen Staphylokokken, mit dem Vertreter Staphylokokkus aureus, von Bedeutung. Diese Gruppe von Antibiotika kann die Wirkung von Penicillinen und Cephalosporinen verstärken.
Zu beachten ist aber, dass Kanamycin auf Grund der Gefahr möglicher Gehör- und
Nierenschädigung nicht mehr systemisch verwendet wird. Sehr wohl wird Kanamycin
aber in der Augenheilkunde in Form von Augensalben und Augentropfen eingesetzt.
• Refobacin®
z. B. REFOBACIN-Augensalbe
Eigenschaften und
Wirksamkeit
Gentamicin ist ein Breitbandantibiotikum aus der Gruppe der Aminoglykoside
und wirkt bakterizid.
Der Wirkungsmechanismus beruht auf einer Hemmung der Proteinsynthese,
dem Einbau falscher Aminosäuren (misreading) und einer Verlangsamung
der DNS-Synthese.
Das antibakterielle Wirkungsspektrum von Gentamicin umfasst eine große
Anzahl grampositiver und gramnegativer Keime und schließt die relevanten
augenpathogenen Erreger ein, wie Staphylokokken, Pneumokokken, Bakterien der Haemophilus-Gruppe, Pseudomonas aeruginosa, Aerobacter aerogenes und Neisserien.
Anwendungsgebiete
Bakterielle Infektionen des vorderen Augenabschnittes, z. B. Konjunktivitis,
Blepharitis, Hordeolum, Blepharokonjunktivitis, Dakryozystitis, Ulcus serpens, sekundär infiziertes Ulcus corneae, Sekundärinfektionen bei Herpes
corneae. Infektionsprophylaxe bei Verletzungen des vorderen Augenabschnittes, z. B. durch Fremdkörper.
Prä- und postoperativ bei intraokularen Eingriffen, insbesondere bei Linsenextraktionen.
Nebenwirkungen
Refobacin-Augensalbe wird im Allgemeinen gut vertragen. Gelegentlich kann
nach der Anwendung vorübergehend ein leichtes Brennen auftreten.
Die Anwendung von Refobacin-Augensalbe empfiehlt sich besonders für die
Besondere Warnhinweise zur sicheren An- Nacht, da sie das Sehvermögen und damit die Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigen kann.
wendung
Bei Auftreten von Überempfindlichkeitsreaktionen sowie bei Auftreten von
Pilzen — bei längerdauernder Anwendung — ist die Therapie abzubrechen.
Schwangerschaft und Stillzeit:
Aufgrund der geringen Resorption von Gentamicin existieren keine Einschränkungen während der Schwangerschaft und Stillperiode.
Haltbarkeit und
Abgabe
60 Monate
Rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten
Aminoglykoside
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4.1.2. Neomycin-Gruppe
6´
HO
4´
Neomycin
NH2
CH2
O
2´
HO
1´
3´
NH2
HOCH2 O
O
O
NH2
4
6
5
1
OH
OH
CH2
2
NH2
NH2
5´´´
1´´´
H2N
O
2´´´
OH
OH
Neomycin unterscheidet sich in der Wirkungsweise kaum von Kanamycin und Gentamycin.
Da bei Neomycin die Gefahr der Nieren- oder Gehörschädigung sehr groß ist, wird die
Substanz fast ausschließlich lokal angewendet. Die häufigste lokale Anwendung ist die
Darmsterilisierung vor Operationen.
Ein weiterer Einsatz von Neomycin in Tablettenform erfolgt als Zusatzbehandlung beim
Leberkoma.
Neomycin wird auch häufig in Form von Salben und Sprühverbänden zur Behandlung
von bakteriell infizierten Wunden eingesetzt.
Baneocin-Präparate enthalten Neomycin
Aminoglykoside
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• Baneocin®
z. B. BANEOCIN-Salbe
Eigenschaften und
Wirksamkeit
Baneocin ist eine Lokal-Antibiotikakombination. Es enthält zwei antibakterielle, hochwirksame Substanzen, Neomycin und Bacitracin, die sich in ihrer
Wirkung ergänzen. Bacitracin wirkt vor allem auf grampositive Keime wie z. B.
hämolysierende Streptokokken, Staphylokokken, Corynebacterium diphtheriae und einige gramnegative Erreger wie Neisserien und Haemophilus influenzae. Neomycin wirkt sowohl gegen grampositive wie auch gegen
gramnegative Erreger (Staphylokokken, Proteus, Klebsiella pneumoniae,
Salmonella, Neisseria meningitidis, Vibrio cholerae, Corynebacterium diphtheriae, Streptococcus faecalis, Escherichia coli und Mycobacterium tuberculosis. Borrelia wird ebenfalls unterdrückt. Durch den Kombinationseffekt wird
eine Breitspektrumwirkung erzielt.
Anwendungsgebiete
Baneocin-Salbe ist ein Lokalantibiotikum zur Behandlung von Infektionen der
Haut und Schleimhaut.
Bakterielle Hautinfektionen wie z.B.: Furunkel, Karbunkel (nach chirurgischer
Behandlung), Folliculitis, Periporitis, Impetigo contagiosa, infizierte Ulcera
cruris, sekundär infizierte Ekzeme, sekundär infizierte Rissquetsch- bzw.
Schnittwunden. Nach chirurgischen Eingriffen kann Baneocin-Salbe als Zusatztherapie in der Nachbehandlung verwendet werden.
Nebenwirkungen
Baneocin-Salbe wird bei äußerlicher Anwendung meist gut vertragen. Bei
langdauernder Anwendung kann es zu allergischen Reaktionen, wie Rötung,
Austrocknen und Schuppung der Haut, Hautausschlag und Juckreiz, kommen. Bei der eher selten vorkommenden Neomycin-Allergie besteht auch
eine Kreuzallergie gegen andere Aminoglykosid-Antibiotika. Bei Sonnenbzw. UV-Bestrahlung kann eine Photosensibilisierung bzw. phototoxische
Reaktion auch nicht ausgeschlossen werden.
Bei Anwendung einer höheren Dosis muss wegen möglicher Resorption der
Besondere Warnhinweise zur sicheren An- Wirkstoffe auf nephrotoxische und/oder ototoxische Veränderungen vor allem bei Patienten mit gestörter Leber- und/oder Nierenfunktion geachtet werwendung
den. Bei länger bestehender Otitis media chronica ist wegen möglicher
Ototoxizität Vorsicht geboten. Bei unkontrollierter Resorption von Baneocin
sollte auf die Möglichkeit neuromuskulären Erkrankungen geachtet werden.
Bei auftretenden Allergien muss das Medikament abgesetzt werden.
Schwangerschaft und Stillzeit:
Soweit die Möglichkeit einer Resorption von Baneocin-Salbe gegeben ist, ist
bei Schwangerschaft und in der Stillperiode folgendes zu berücksichtigen:
Neomycin ist, wie alle Aminoglykosid-Antibiotika, plazentagängig. Bei hohen
systemischen Dosen von Aminoglykosiden ist eine fetale Gehörschädigung
aufgetreten. Daher soll das Medikament nur verabreicht werden, wenn der
Nutzen das fetale Risiko übersteigt.
Haltbarkeit und
Abgabe
36 Monate
Rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten
Aminoglykoside
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• Neobacetin®
z. B. NEBACETIN-Tabletten
Eigenschaften und
Wirksamkeit
Nebacetin-Tabletten enthalten die beiden bakteriziden Lokalantibiotika Neomycin und Bacitracin, die gegen die meisten grampositiven und gramnegativen Bakterien wirken, u.a. auch gegen Penicillinresistente Staphylokokken.
Durch den Kombinationseffekt wird eine Breitspektrumwirkung erzielt. Das
Wirkungsspektrum von Nebacetin umfasst beinahe alle im Darm vorkommenden Keime außer Pseudomonas, Nocardien, Pilze und Viren. Im Allgemeinen wird Nebacetin praktisch nicht resorbiert, daher können hohe
Wirkstoffkonzentrationen am Ort der Einwirkung erzielt werden. Es handelt
sich daher nicht um eine systemische, sondern um eine lokale Therapie zur
Darmentkeimung.
Anwendungsgebiete
Nebacetin-Tabletten sind bei bakteriellen Infektionen, die durch Neomycinund/oder Bacitracin-empfindliche Keime hervorgerufen werden, lokal wirksam. Daher werden Nebacetin-Tabletten bei infektiösen Darmerkrankungen
angewendet, insbesondere Kolidyspepsie bei Säuglingen und Kleinkindern.
Weitere Anwendungsgebiete sind Enteritiden, die gegen andere Antibiotika
resistent sind bes. Staphylokokken-Enteritiden, Salmonellen- oder Shigellen-Infektionen und schwere Sommerdiarrhoe (Reiseenteritis).
Nebenwirkungen
Allergische Reaktionen sind selten, aber nicht auszuschließen. Ototoxische
Nebenwirkungen bis zu Gehörverlust sind bei Vorschäden, länger dauernder
Behandlung und großflächigen Schleimhautdefekten möglich. Als Zeichen
von Nierenschäden sind nephrotoxische Reaktionen mit Zylindrurie, Albuminurie, Leukozyturie, Hämaturie etc. möglich. Nach sehr hohen oralen Dosen
sind bedrohliche Reaktionen mit Apnoe, teilweise Ileus beobachtet worden.
Nach längerer oraler Therapie kann es auch zu einer Beeinflussung des
Stoffwechsels, Malabsorption, Absinken des Serumcholesterinspiegels,
Steatorrhoe und Störungen des Vitaminhaushaltes kommen.
Bei längerer Gabe von hohen Dosen wegen möglicher Resorption der WirkBesondere Warnhinweise zur sicheren An- stoffe muss auf nephro- und ototoxische Veränderungen geachtet werden.
Dieses Risiko ist bei gestörter Leber- und/oder Nierenfunktion erhöht, weswendung
halb Harn- und Blutkontrollen bzw. audiometrische Tests empfohlen werden.
Auf das Überwuchern resistenter Keime, besonders von Pilzen, ist zu achten. In solchen Fällen ist Nebacetin abzusetzen und durch geeignete therapeutische Maßnahmen zu ersetzen.
Schwangerschaft und Stillzeit:
Soweit die Möglichkeit einer Resorption besteht (z. B. bei großflächigen
Darmschleimhaut-Defekten), ist in der Stillzeit Vorsicht geboten.
Haltbarkeit und
Abgabe
24 Monate
Rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten
Streptomycin
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4.1.3. Streptomycin
Streptomycin A;
C21H39N7O12
NH
H2N
C
NH
1
H3C
5
O
O
6
3
2
4
OH
CHO
CH2
OH
H3C
OH
5´´
1´´
NH
• Streptowerfft®
OH
O
2´´
NH
OH
OH
OH
NH
C
NH2
Streptomycin wird
heutzutage nur noch
in einzelnen Fällen
zur Behandlung von
Tuberkulose und in
der Veterinärmedizin
verwendet.
z. B. Streptowerfft 500 mg Tabletten für Tiere
Eigenschaften und
Wirksamkeit
Das Wirkungsspektrum umfasst vorwiegend gramnegative und auch einige
grampositive Bakterien sowie säurefeste Stäbchen. Da Streptomycin durch
die Magensäure nicht zerstört wird, werden nach oraler Gabe hohe Konzentrationen im Darmlumen erreicht.
Anwendungsgebiete
Enteritis bei Fohlen, Kälbern, Ferkeln, Hunden, Katzen und Pelztieren.
Nebenwirkungen
Nach oraler Verabreichung kommt es zu einem Absterben von Enterobakterien, Bifidus und Bacteroides in der Darmflora. Die längere orale Einnahme
führt zu Durchfall, partieller Atrophie der Dünndarmzotten und nachfolgendem Maladsorptionssyndrom. Eine nephro-, neuro- und ototoxische Wirkung
ist nur bei Langzeitbehandlung mit hohen Dosen möglich. Bei Hunden und
Katzen kann bei wiederholter Verabreichung Erbrechen und Ataxie auftreten.
Bei gleichzeitiger oder aufeinander folgender Verabreichung von stark wirBesondere Warnhinweise zur sicheren An- kenden Diuretika und nephrotoxischen Arzneimitteln können sich nephrotoxischen Wirkungen von Streptomycin verstärken. Narkotika und
wendung
Muskelrelaxantien verstärken neuromuskuläre Blockaden (z. B. Atemlähmung). Die muskelrelaxierende Wirkung von Magnesium (Ca-Mg-Lösungen)
kann ebenfalls verstärkt werden. Das bakterizid wirkende Streptomycin darf
nicht mit bakteriostatisch wirkenden Verbindungen (Tetrazykline, Sulfonamide, Chloramphenicol) kombiniert werden, dadurch wird nämlich die antibakterielle Wirksamkeit herabgesetzt.
Haltbarkeit und
Abgabe
36 Monate
Rezept-und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten
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