Pflanzenphysiologie Assimilatetransport 6. Der Assimilatetransport 6.1 Bau der Sieb- und Geleitzellen Der Transport von Assimilaten findet in den Siebzellen des Phloems statt. Die Siebzellen sind zu langen Reihen angeordnet, an ihren Enden sind die Zellwände siebartig durchbrochen. Die Plasmaleiber der übereinander liegenden Zellen sind durch Plasmodesmen, die durch diese Poren ziehen, miteinander verbunden. Siebzellen mit den Geleitzellen bilden eine physiologische Einheit. Der Zellkern und der Tonoplast der Siebzellen ist degeneriert Verschmelzung von cytoplasmatischem und vakuolärem Material. Vermutlich sorgen die Geleitzellen oder die analogen Parenchymzellen für die Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen in den Siebzellen. Die Leitgewebe enden in feinen Verzweigungen, die völlig im Mesophyll eingebettet sind. Dort findet die Beladung des Phloems statt: Phloemsaft: Kohlenhydrate, Aminosäuren, Proteine, organische Säuren, Lipide, RNA, DNA, cAMP, AMP, ATP, pflanzliche Hormone, Vitamine u.a. Verbindungen. Der osmotische Wert des Phloemsaftes ist etwa doppelt so groß (Ursache: Anteil an K-Ionen und Saccharose) wie der der Mesophyllzellen, z.B. Mais-Blattstiel 19 bzw. 11 bar. 6.2 Saccharose-Aufnahme in das Phloem Phloem: Transport von Zucker (insbesondere Saccharose) von den Orten der Synthese (Blätter) zu den Orten des Verbrauchs (alle nicht-grünen Pflanzenteile, z.B. Wurzeln, Früchte, sich entwickelnde Blätter). Saccharose wird im Siebröhren-Geleitzellen-Komplex (S-G-Komplex) vom Apoplasten aus aufgenommen. In diesem Komplex wird die Saccharose über einen speziellen Carrier im Cotransport mit Protonen aufgenommen (treibende Kraft: membrangebundenen Protonenpumpe, ATPase Gradient zwischen Siebröhre und Apoplast). Dem Protonenausstrom steht ein K+-Einstrom entgegen. Diese Theorie wird durch folgende experimentelle Befunde gestützt: - Assimilate werden im S-G-Komplex akkumuliert (osmotischer Wert in Siebröhre oft 30 bar, in Mesophyllzellen 13 bar) - Assimilate durchqueren vor der Beladung den Apoplasten (Saccharosegehalt im S-GKomplex ist licht- und energieabhängig) - Zwischen S-G-Komplex und Apoplast besteht ein Protonengefälle, das durch Protonenpumpen im Plasmalemma des S-G-Komplexes erzeugt wird (Siebröhrensaft hat auffällig hohen ATP-Spiegel, der wahrscheinlich in den Geleitzellen entsteht. Die ATP-Menge unterliegt einem schnellen Umsatz). Am Plasmalemma des S-G-Komplexes existiert ein durch Protonen-Cotransport angetriebener Saccharose-Carrier - Die Saccharoseaufnahme ist K+-abhängig Disk: File: Pflanzenphysiologische Vorlesung Kurzfassung PFLA-6K 1 Pflanzenphysiologie Assimilatetransport 6.3 Beladung des Phloems mit anderen Substanzen Leucin wird wahrscheinlich nach dem gleichen Mechanismus (jedoch spezieller Carrier) wie Saccharose aufgenommen. Auch Alanin wird im Phloem akkumuliert. Ein pH-Wert von 5 ist günstig, K+ wirkt fördernd, der pH-Wert sinkt bei Fütterung mit Alanin von 7,4 auf 6,8 ab. ATP ist mehr ein Metabolit des S-G-Stoffwechsels als Transportgut. Ein Absinken des Turgors in den Siebzellen scheint zu einer Stimulierung der Beladung zu führen. 6.4 Zusammensetzung des Siebröhrensaftes Gewinnung des Saftes: Aphiden-Technik: Hierbei läßt man Blattläuse (Aphiden) eine einzelne Siebröhre anstechen Insekt betäubt durch einen Schnitt wird der Rüssel vom Tier getrennt aus dem Restrüssel tritt der Siebröhrensaft aus zur Analyse. Der Siebröhrensaft besteht aus einer 0,3 – 30 %-igen Lösung, tagsüber ist die Konzentration größer als nachts. Im Allgemeinen sind 90 % der gelösten Stoffe Kohlenhydrate, vor allem Saccharose (wenig Raffinose, Stachyose, Verbascose, Mannit, Sorbit) und s.o. Kap. 6.1. 6.5 Ferntransport im Phloem (Druckstrom-Theorie) - nach Ernst Münch, 1930 Die Theorie vergleicht den Saftstrom in den Siebröhren mit einer zwischen zwei gekoppelten Pfeffer´schen Zellen unterschiedlichen osmotischen Druckes zustandekommenden Lösungsströmung = Druckstromtheorie: Am Ort der Assimilatproduktion herrscht in den Siebzellen eine hohe osmotische Konzentration, am Ort der Assimilatentnahme eine niedrige Ort der Assimilatproduktion: starke osmotische Wasseraufnahme und hohes Druckpotential; Ort der Assimilatentnahme: niedrige osmotische Konzentration und geringes osmotisches Druckpotential. Zwischen dem hohen und dem niederen Druckpotential erfolgt ein Druckausgleich durch Lösungsströmung entlang dem Druckpotentialgefälle. Für einen Druckstrom der Assimilate in der Pflanze müssen drei Vorausstzungen gegeben sein: - Ein Konzentrationsgefälle in den Siebröhren, - eine semipermeable Membran zwischen Siebröhren und den sie umgebenden Zellen, - Wegsamkeit der Siebröhren Voraussetzungen 1 + 2 sind experimentell belegt. Zweifelhaft ist, ob plasmagefüllte Siebporen wegsam sind. Pro cm müssen 100 Siebplatten passiert werden evtl. wirkt der prämortale Plasmazustand sowie die längsorientierten Röhrenstrukturen aus Mikrotubuli-Proteinen transporterleichternd. Disk: File: Pflanzenphysiologische Vorlesung Kurzfassung PFLA-6K 2 Pflanzenphysiologie Assimilatetransport 6.6 Richtung des Assimilatestroms - nicht nur basipedal. Der entgegengerichtete Transport zweier verschiedener Substanzen unter experimentellen Bedingungen kann durch entgegengesetzte Richtungen von Lösungsströmen in verschiedenen Siebröhren eines Leitbündels erklärt werden Die in den assimilierenden Zellen gebildeten Zucker werden erst in Saccharose umgewandelt aktiver Transport in Siebröhren. Besonders intensive Pumpstellen: Leitbündelscheidezellen der Siebröhrenenden = Transferzellen. Am Verbrauchs- oder Speicherort wird das Assimilat wieder durch Vermittlung der Geleitzellen herausgepumpt (aktive Trägermechanismen). Das Assimilat gelangt durch symplastischen oder apoplastischen Transport zu den Empfängerzellen. Die Saccharose wird beim Eintritt in den Symplasten (Protoplast der Empfängerzelle) in Glucose und Fructose zerlegt. In Siebröhren, die im Bereich assimilatbildender Gewebe liegen, herrscht eine hohe osmotische Konzentration, am Entnahmeort der Assimilate dagegen eine niedrige. Zwischen dem Bildungs- und Entnahmeort bewegen sich die Assimilate mit 50-100 cm/h, das ist ein vieltausendfaches der Diffusionsgeschwindigkeit. Der Assimilattransport erfolgt unter Energieverbrauch (Hemmung durch O2-Entzug, Temperaturerniedrigung, Entkoppler, Atmungsinhibitoren). Entgegengesetzter Transport zweier Substanzen im gleichen Siebröhrenglied wurde nie zweifelsfrei nachgewiesen. Ein solcher Transport scheint dadurch vorgetäuscht zu werden, daß Querverbindungen zwischen benachbarten Siebröhrengliedern bestehen. Sowohl Fern- als auch Kurzstreckentransport folgen dem Konzentrationsgradienten: vom Überschuß zum Mangel. Speicherorgane, sich entwickelnde Früchte und Samen sind Attraktionszentren für Kohlenhydrate und N-haltige Substanzen aus den Blättern. Attraktiv wirkt oft ein bestimmtes Hormon: Kinetin. Auch wachsende Meristeme können attraktiv wirken. Sie bewirken z.B. das Wandern von Zuckern aus Speicherorganen in Meristeme Laubtreiben der Bäume (große Mengen von Kohlenhydraten und organischem N werden aus Wurzel und Stamm in die austreibenen Blätter transportiert). Junge Blätter (25-50 % der vollen Größe) haben eine negative Kohlenhydrat- und Proteinbilanz. Sie importieren aus senkrecht unter ihnen stehenden Blättern. Sie sind so starke Attraktionszentren, daß sie nach Entfernen der unteren Blätter auch von Blättern der Gegenseite Assimilate erhalten. Ausgewachsene Blätter sind Lieferanten für Kohlenhydrate und organische N-Verbindungen. Die Bilanz beider Stoffgruppen ist tagsüber positiv, nachts negativ. Disk: File: Pflanzenphysiologische Vorlesung Kurzfassung PFLA-6K 3