Es gibt unterschiedliche Gründe dafür, warum Menschen zu Suchtmitteln greifen. Deren Wirkung hängt ab vom Typ der Droge, von der Art des Gebrauchs und der körperlichen Verfassung des Konsumenten. Präventive Maßnahmen gegen den Missbrauch von Drogen müssen deshalb die verschiedenen Ursachen, Verwendungsformen und Folgen berücksichtigen. Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnet als Droge jede Substanz, die in einem lebenden Organismus Funktionen verändern kann. Beim Menschen trifft dies auf die frei zugänglichen "Genussmittel" Kaffee und Tee, Alkohol und Tabak genauso zu wie auf rezeptpflichtige oder -freie Schlaf-, Beruhigungs- und Schmerzmittel, Stimulantien oder auf "weiche", "harte", "natürliche" oder "künstliche" Drogen wie Haschisch und Marihuana, Rauschpilze, Schnüffelstoffe, Opium, Kokain, Ecstacy oder LSD. Als legale Drogen bezeichnet man Stoffe, deren Erwerb und Gebrauch gesetzlich nicht verboten ist, aber eingeschränkt sein kann (z.B. Verbot des Verkaufs von Alkohol an Kinder, Rauchverbot in der U-Bahn) oder für die Beschränkungen nach dem Konsum festlegt wurden (z.B. Fahrverbot nach übermäßigem Alkoholverzehr) Illegale Drogen sind Substanzen, deren Erwerb und Gebrauch - außer für therapeutische Zwecke - verboten und mit Strafe bedroht ist, wobei Strafverfolgung und -ausmaß unterschiedlich geregelt sein können Die Unterscheidung zwischen legalen und nicht legalen Drogen erfolgt oft aufgrund einer kulturspezifischen Tradition, obwohl schädliche Auswirkungen jeder Droge unabhängig von ihrem rechtlichen Status nachzuweisen sind. Negative Folgen des Konsums entstehen durch Missbrauch, Abhängigkeit oder Sucht. Die Weltgesundheitsorganisation definiert Drogenmissbrauch ("abuse”) als die schädigende Verwendung von Substanzen wie Alkohol, chemischen oder psychoaktiven Stoffen, deren Gebrauch dauerhafte oder zeitweise soziale, berufliche, psychische oder physische Probleme hervorruft Abhängigkeit ("dependence") bedeutet ein Bedürfnis nach einer wiederholten Einnahme einer Droge, um sich gut zu fühlen oder um negative Empfindungen zu vermeiden. Als Charakteristikum einer Drogenabhängigkeit gilt der Zwang, Substanzen zu konsumieren, der oft erst dann bewusst wird, wenn versucht wird, den Konsum zu beenden oder zu kontrollieren. Sucht ("addiction") ist der krankhafte psychische oder physische Endzustand von Abhängigkeit. Der Süchtige hat den nicht mehr steuerbaren Wunsch, sich die benötigte Droge zu beschaffen und z.T. auch die Dosis zu erhöhen. Folgen einer Sucht können sowohl körperlicher (z.B. Organerkrankungen), psychischer (z.B. Orientierungsverlust) als auch sozialer (z.B. Isolierung, Kriminalisierung) Art sein. Missbrauch, Abhängigkeit oder Sucht können stoffabhängig (z.B. bei Alkohol, Nikotin) oder stoffunabhängig (z.B. bei Spielsucht, Magersucht) bestehen. Präventionsmaßnahmen sind erforderlich, um die negativen Auswirkungen eines Drogenkonsums zu verhindern, zu beschränken oder rückgängig zu machen für die Betroffenen selbst, z.B. bei durch die Sucht ausgelösten Erkrankungen für das soziale Umfeld, z.B. bei "Co-Abhängigkeit" innerhalb der Familie für Betriebe, z.B. wenn Kosten für den Arbeitgeber durch Arbeitsausfall entstehen für den Sozialstaat, z.B. durch Belastungen der Versicherungsträger Je nach Zielgruppe und Zeitpunkt der Maßnahme werden unterschiedliche Präventionsformen unterschieden: Unter Primärprävention versteht man alle Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, den gefährdenden Konsum von Drogen zu vermeiden Sekundärprävention bedeutet die Arbeit mit gefährdeten oder bereits abhängigen Drogenkonsumenten Tertiärprävention bezeichnet die Nachsorge, bzw. Maßnahmen, die einen möglichen Rückfall in den Drogenkonsum vermeiden sollen Die Vorstellungen von einer erfolgreichen Präventionsarbeit haben sich mit den wechselnden Theorien über die Ursachen von Abhängigkeit und Sucht im Laufe der Zeit verändert: Lange Zeit galt Sucht als abweichendes Verhalten einer einzelnen Person: als Folge eines unbeständigen Charakters, unmoralischen Verhaltens oder einer körperlichen Erkrankung. Daher wurde versucht, den Betroffenen durch Erziehung, moralische Unterweisung oder durch medizinische Behandlung zu helfen. Mit der Industrialisierung wurde der Alkoholkonsum von Arbeitern zum Problem, da sowohl die Arbeitsleistung als auch die kostspieligen Arbeitsmittel gefährdet waren; Jugendliche galten als besonders anfällig. Dem wurde durch Verbote, Disziplinierung und Unterbringung in Anstalten entgegen getreten. Da auch das Alkoholangebot als Ursache eines schädlichen Verhaltens galt, wurden die Ausschankzeiten beschränkt (z.B. in England) oder die Herstellung, der Verkauf und der Konsum von alkoholischen Getränken verboten (z.B. in den USA). Nachdem "leichte" Drogen wie Haschisch und Marihuana seit den 1960er Jahren verstärkt in Mode kamen, zusätzlich Designerdrogen wie LSD verfügbar wurden und "harte" Drogen wie Heroin und Kokain nicht mehr nur als "Gesellschaftsdrogen" Verwendung fanden, wurde die Präventionsarbeit auf illegale Drogen ausgedehnt. Durch Abschreckung und Sanktionierung sollte der Gebrauch verhindert und der Markt für illegale Drogen ausgeschaltet werden. In den 1970er Jahren wurden im Rahmen der allgemeinen Reformpolitik die Therapieeinrichtungen ausgebaut, da die Anzahl der Drogenabhängigen zugenommen hatte. Mit dem Anstieg psychologischer und pädagogischer Abschlüsse an den Hochschulen wurde die Präventionsarbeit außer durch Mediziner zunehmend auch zum Tätigkeitsfeld für Pädagogen, Psychologen und Psychotherapeuten. Seit den 1980er Jahren wurde verstärkt nach den unterschiedlichen Ursachen von Süchten geforscht und die legalen Drogen Alkohol und Nikotin wurden verstärkt in die Prävention einbezogen. Nicht nur die betroffene Person allein, sondern auch deren familiäres und soziales Umfeld wurden stärker berücksichtigt ("systemischer Ansatz"). Ende der 1980er Jahre korrespondierte die zunehmende Verbreitung synthetischer Drogen mit veränderten Lebensstilen der Freizeitgesellschaft (z.B. Ecstacy). Aufgrund einer umfassenden Gesundheitsförderung wurde das Ziel der primären Suchtprävention auf das allgemeine Wohlergehen ausgeweitet. Die Förderung von Lebenskompetenzen schon im Kindergarten und in der Schulzeit steht im Mittelpunkt der Präventionsarbeit seit den 1990er Jahren. In der zweiten Hälfe der 1990er Jahren finden Erfahrungen und Erkenntnisse aus der sekundären und tertiärpräventiven Drogenhilfe Eingang in die Primärprävention, deren vorrangiges Ziel nun nicht mehr in einer generellen Abstinenz, sondern in Risikominderung und Schadensbegrenzung gesehen wird Seit der Jahrtausendwende und aufgrund der Erfahrung, dass trotz umfangreicher Aufklärungskampagnen, umfassender Beratungs- und Therapieangebote und stärkerer Kontrollen der Konsum von legalen und illegalen Drogen nicht abgenommen hat, sondern auf hohem Niveau stagniert oder sogar zugenommen hat (z.B. Nikotin, Cannabis), wurden o gesetzliche Regelungen gegen den Konsum verstärkt (z.B. bei der Zigarettenwerbung, Steuererhöhung bei Alkopops) o der Versuch intensiviert, den Markt für illegale Drogen auszutrocknen (z.B. durch umfangreiche Drogenfahndung) o umfassende regionale, nationale und internationale Kampagnen gefördert (z.B. durch den Europäischen Aktionsplan Jugend und Alkohol) o die "kontextuelle" Präventionsarbeit forciert (z.B. durch gemeindeorientierte Konzepte) In den unterschiedlichen alten und neuen freiwilligen und professionellen Initiativen, Gruppen, Verbänden und staatlichen Einrichtungen, die sich der Prävention und Therapie widmen, werden einzelne dieser Konzepte, aber auch eine Mischung aus diesen ( multimodulare Prävention) berücksichtigt. Während manche Anti-Drogen-Kampagnen Maßnahmen favorisieren, die noch aus der Zeit der Industrialisierung stammen (und damit durchaus Erfolge erzielen), wenden andere neuere oder neueste Erkenntnisse aus den pädagogischen, medizinischen oder psychologischen Wissenschaften an (deren Wirksamkeit z.T. erst nachgewiesen werden muss). Die sechs wichtigsten Ziele der aktuellen Drogenprävention 1. Die Gesundheitsförderung ist das zentrale Leitbild; Präventionsmaßnahmen setzen sich substanzspezifische wie substanzunspezifische Ziele 2. Die persönlichen Ressourcen (z.B. persönliche Stärken, Fähigkeit "nein" zu sagen) werden gefördert 3. Das Risikoverhalten wird in den Mittelpunkt gestellt; wenn Drogenkonsum nicht verhindert werden kann, so soll wenigstens der Einstieg in einem möglichst späten Lebensabschnitt erfolgen, weil damit die Gefahr der dauernden Abhängigkeit sinkt 4. Nicht nur die einzelne gefährdete Person, sondern der ganze soziale Kontext - Familie, Kindergarten, Peer-Group, Schule, Vereine, Gemeinde - soll gegen einen Einstieg in den gefährdenden Drogenkonsum mobilisiert werden (" kontextuelle Prävention") 5. Nicht punktuelle oder einzellfallbezogene Maßnahmen, sondern Konzepte, die über einen längeren Zeitraum und nachhaltig angelegt sind, werden implementiert 6. Da noch immer zweifelhaft ist, welche Maßnahmen tatsächlich Erfolg haben, gilt die Evaluation von Projekten und Programmen als unabdingbar Bausteine erfolgreicher Präventionsprogramme Aufklärung: Seit der experimentellen Beschäftigung mit "rationalen Strategien der Verhaltensänderung" in den Vereinigten Staaten in den 1960er Jahren ist erwiesen, dass Information über gesundheitsschädigende Wirkungen des Gebrauchs von Drogen allein weder den Einstieg verhindert, noch den Ausstieg beschleunigt. Aufklärungskampagnen können bei der Zielgruppe der Jugendlichen sogar nachteilige Effekte zur Folge haben, wenn dadurch das Neugierverhalten stimuliert wird. Aufklärung über Drogen und deren problematische Wirkung ist erfolgreich, wenn: Eltern gefährdeter Jugendlicher erreicht und dafür sensibilisiert werden, den Konsum und dessen Auswirkungen zu erkennen und angemessen zu reagieren Erzieherinnen in Kindergärten, Lehrer unterschiedlicher Schulen, Trainer in Sportvereinen ein notwendiges Grundwissen für den Umgang mit der gefährdeten Altersgruppe erwerben Kinder und Jugendliche sich das medizinisch und psychologisch gesicherte Wissen über die negativen Folgen des Konsums selbst erarbeiten und verbreiten, weil das durch den "flow-effect" angeeignete Wissen stärker verhaltenssteuernd wirkt als von Fachleuten gehaltene Vorträge, Flyer (auch wenn sie jugendgemäß gemacht sind) und Plakate das Internet eingesetzt wird, weil dieses Medium eine hohe Akzeptanz unter Jugendlichen aufweist und eine virtuelle (auch anonyme) Interaktion möglich ist; eine abschließende Evaluation solcher Projekte liegt derzeit aber noch nicht vor Medienprojekte begründete Haltungen und Normen zum Thema legale und illegale Drogen verbreiten und Risikosituationen überzeugend darstellen Gesundheitsalphabetisierung ist eine wirksame Methode, um den Einstieg in den Konsum zu verhindern durch schulische Settings, die sowohl kognitive als auch affektiv-behaviorale Elemente enthalten oder "soziale Impfung", die Widerstandkräfte gegen sozialen Druck aufbaut Elternarbeit: Das Dilemma jeglicher bisherigen Elternarbeit in der Drogenprävention ist, dass Eltern gefährdeter Kinder und Jugendlicher die ihnen gebotenen Angebote häufig nicht nutzen. Erfolgreiche Elternarbeit berücksichtigt: Bereits künftige Eltern müssen über die negativen Folgen ihres Drogenkonsums für ihre Nachkommen aufgeklärt werden; während der Schwangerschaft ist die Sensibilität und damit die Bereitschaft zur Verhaltensänderung oftmals gesteigert Drogenkonsumierende Kinder und Jugendliche stammen überdurchschnittlich häufig aus Haushalten mit Alleinerziehenden oder Patch-Work-Familien. Oft werden bei der Trennung der Eltern die Interessen der Kinder nicht angemessen berücksichtigt, daher sind gezielte Beratungs- und Betreuungsangebote notwendig Elternschulen helfen verunsicherten Paaren bei der Erziehung ihrer Kinder. Angebote dürfen nicht auf abweichendes Verhalten zentriert sein, sondern müssen den Erziehungsalltag thematisieren ("Wie viel Taschengeld gebe ich meinem Kind?"); besonders erfolgreich sind Konzepte, die von regionalen Medien unterstützt werden (z.B. ein "Elternforum" in Tageszeitungen) Nachbarschaftsinitiativen, die sich am Vorbild kommerzieller Aktionen orientieren, können erfolgreich Treffen organisieren, die auch solche Familien erreichen, die sonst kaum ansprechbar sind Selbsthilfegruppen von Eltern, die ihre Erfahrungen im Umgang mit drogenabhängigen Kindern an andere Eltern weitergeben, wirken positiv Jugendliche und Kinder sollten angeregt werden, auf das Suchtverhalten ihrer Eltern erzieherisch einzuwirken (nicht durch Belehrung, aber z.B. durch Fotoausstellungen, Plakatwettbewerbe) Kindergarten: Der Kindergarten ist ein wichtiger Ort der Drogenprävention. Spielzeugfreie Wochen können Passivität abbauen und aktive Lebensgestaltung ermöglichen, gemeinsam zubereitete Mahlzeiten frühzeitig das Gesundheitsbewusstsein fördern und Spiele die Fähigkeit stärken, im späteren Leben unabhängige Entscheidungen auch gegen Gruppendruck zu fällen. Die Evaluation über langfristige Erfolge dieser Konzepte steht noch aus. Vereine und Verbände: Untersuchungen belegen, dass die Mitgliedschaft in Vereinen und Verbänden eine präventive Funktion hat. Dies überrascht, weil z.B. in manchen Sportvereinen Trinkrituale praktiziert werden und leistungssteigernde Mittel erst aufgrund des Erfolgsdrucks, den manche Trainer ausüben, probiert werden. Die präventiven Auswirkungen des Vereinslebens liegen aber in einer starken Sozialkontrolle, den dabei überwachten Normen und der Ritualisierung, Chronologisierung und Habitualisierung des Verhaltens. Die präventive Funktion lässt sich steigern, wenn die Verantwortlichen in den Vereinen (z.B. Jugendtrainer) für die Drogenproblematik sensibilisiert werden. Schulen: Für die Schule als Ort präventiver Maßnahmen spricht, dass Kinder über einen langen Zeitraum hinweg für präventive Maßnahmen erreichbar sind. Die Schulzeit stellt die sensible Phase für die Aneignung und Stabilisierung von Verhaltensgewohnheiten dar, auch die Durchführung und die Evaluation präventiver Maßnahmen werden durch die organisatorische Struktur der Schule erleichtert. Neben einzelfallorientierten Maßnahmen ( Verhaltensprävention) können auch strukturelle Maßnahmen durchgeführt werden ( Verhältnisprävention). Eine wichtige Rolle in Life-Skills-Programmen spielt das Klassenklima von Vertrauen, gegenseitiger Akzeptanz und Unterstützung Aktive Lernformen (z.B. "Lernen durch Lehren") verbessern den Erfolg von Präventionsprogrammen Es müssen Ressourcen geschaffen werden, die es ermöglichen, die im Rahmen der Unterrichtsinhalte erlernten neuen Fähigkeiten im normalen Schulalltag anzuwenden.