Anforderungen zum Verfassen wissenschaflicher Texte

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Prof. Dr. Raphael Beer
Theorie der Sozialisation und Erziehung
Fakultät für Pädagogik
Anforderungen an wissenschaftliche Texte
Grundsätzlich sollte ein wissenschaftlicher Text eine klare Fragestellung bearbeiten, die in der
Einleitung formuliert wird. Dies bedeutet, dass ein wissenschaftlicher Text über die bloße
Reproduktion, d.h. Wiedergabe, eines Textes (Monographie, Aufsatz,…), einer Theorie oder
einer empirischen Studie hinausgeht. Darstellungen von Theorien oder empirischen Studien
müssen mit entsprechenden Literaturhinweisen versehen sein.
Eine klare Fragestellung kann folgende mögliche Formen haben:
A: Sie kann immanente Probleme einer Theorie oder einer empirischen Studie thematisieren.
B: Sie kann einen Zusammenhang zwischen einer ausgewählten Theorie und empirischen
Befunden thematisieren.
C: Sie kann einen Theorievergleich beinhalten.
D: Sie kann eine aktuelle politische oder soziale Frage aufwerfen, die mit Hilfe der
behandelten Theorie oder empirischen Studie aufgearbeitet wird.
Entsprechend dieser Strukturierung der Einleitung, zeichnet sich diese dadurch aus, dass die
aufgeworfene Fragestellung in ihrer Bedeutung für die pädagogische (oder andere
wissenschaftliche Disziplinen) Erkenntnis oder die Thematisierung gesellschaftlicher
Problemfelder (Bildung, Ungleichheit,…) begründet wird. Sinnvoll ist zudem, dass in der
Einleitung bereits eine kurze Gliederung bzw. der Argumentationsgang vorgestellt wird.
Der Hauptteil des Textes sollte zweierlei leisten: Zum einen müssen die ausgewählten
Theorien oder Studien vorgestellt werden und zum anderen müssen die Argumente für eine
abschließende Bewertung angedeutet werden. Dies bedeutet, dass sich der Hauptteil durch
einen
diskursiven
Charakter
auszeichnet.
Entsprechend
der
Prämisse,
dass
ein
wissenschaftlicher Text über die bloße Reproduktion einer Theorie oder einer empirischen
Studie hinausgeht, folgt daraus, dass mehrere Literaturangaben verwendet werden müssen, die
aufeinander bezogen werden. Dies kann je nach Fragestellung folgende mögliche Formen
annehmen:
A: Eine Theorie wird mit Hilfe einer anderen Theorie bezüglich ihrer Aussagekraft oder
bezüglich immanenter Probleme kritisiert.
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B: Eine empirische Studie wird mit Hilfe einer Theorie interpretiert oder kritisiert.
C: Eine empirische Studie wird bezüglich ihrer zugrunde gelegten Methode kritisiert.
D: Die wissenschaftliche Diskussion um ein politisches oder soziales Problem wird
aufgearbeitet.
Im Schlussteil schließlich müssen die für die Fragestellung wesentlichen Diskussionspunkte,
die im Hauptteil erarbeitet worden sind, zusammengefasst und einer Bewertung unterzogen
werden. Diese kann entweder eine begründete Positionierung beinhalten, die begründete
Formulierung von Hypothesen oder die begründete Darlegung noch offener Probleme, die
durch die wissenschaftliche Forschung bearbeitet werden müssten. Die „hohe Kunst“ besteht
darin, das zuvor Geschriebene nicht einfach bloß „zusammenzufassen“, sondern den Text
„abzurunden“. Auf keinen Fall sollten noch neue Aspekte des Themas aufgegriffen werden.
Dagegen ist es günstig, die Ergebnisse mit denen anderer Wissenschaftler zu vergleichen,
kurz: eine kritische Diskussion und Einschätzung der eigenen Ergebnisse durchzuführen.
Begründet meint, dass es in einer wissenschaftlichen Abhandlung nicht darum geht,
persönliche Statements abzugeben. Die abschließende Bewertung muss aus der Diskussion im
Hauptteil abgeleitet sein. Sie kann dabei spekulativen Charakter annehmen, wenn etwa
Hypothesen formuliert werden. Spekulationen müssen jedoch als solche ausgewiesen werden.
Grundsätzlich gilt: Persönliche Äußerungen (Ich gehe davon aus, …) haben nicht umstandslos
den Charakter wissenschaftlicher Aussagen. Daraus folgt nicht, dass persönliche Äußerungen
nicht zulässig wären. Sie müssen sich jedoch aus dem Kontext der Arbeit begründen lassen.
Im Fall empirischer Aussagen bedeutet das, dass Aussagen, die den Zustand unserer
Gesellschaft betreffen, durch empirische Daten abgedeckt sein müssen, oder aber explizit als
spekulative Forschungshypothese kenntlich gemacht werden. Im letzteren Fall sind sie dann
allerdings keine Aussagen über die gegenwärtige Gesellschaft. Im Fall theoretischer Aussagen
bedeutet das, dass Aussagen durch theoretische Argumente abgedeckt sein müssen, die den
Kriterien theoretischen Arbeitens (Widerspruchsfreiheit, Konsistenz, Logik,…) entsprechen.
Mögliche Formen, in denen persönliche Aussagen formuliert werden können sind daher:
A: Mit Habermas gehe ich davon aus, dass …., weil, …
B: Wie in der Studie X gezeigt werden konnte, gilt Z, so dass ich davon ausgehe, dass …
C: Angesichts der Ergebnisse der Studie X, vertrete ich die These, dass das politische
Problem Z folgendermaßen zu bewerten ist: …
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Allgemein gilt für wissenschaftliche Argumentationen, dass sie drei mögliche Formen
annehmen können, die in einer wissenschaftlichen Abhandlung aufeinander bezogen werden
können, wobei ihre Differenz beachtet werden sollte:
A. Empirische Argumente ->
Sie beziehen ihre Plausibilität aus empirischem Datenmaterial, dass bezüglich der
Erhebungsmethode kritisiert werden.
Sie referieren auf die Wirklichkeit, so dass mit ihnen Aussagen über diese begründet werden
können. Andersherum: Aussagen über die Wirklichkeit müssen mit empirischen Argumenten
begründet werden.
B: Theoretische Argumente ->
Sie beziehen ihre Plausibilität aus logischen Kriterien wie Widerspruchsfreiheit oder innere
Konsistenz.
Sie referieren auf wissenschaftliche und kulturelle Deutungsmuster, mit denen empirische
Daten interpretiert werden können, oder mit denen empirische Forschungen angeleitet werden
können. Als genuine Wissenschaftstheorie referieren sie auf die Wissenschaft selbst.
C: Normative Argumente ->
Sie beziehen sich auf die Frage, welche Normen gelten sollen.
Sie referieren ähnlich wie theoretische Argumente auf kulturelle oder wissenschaftliche
Deutungsmuster, unterscheiden sich von diesen jedoch dadurch, dass ihr Anspruch explizit
auf Fragen der Moral oder der politischen Legitimation ausgerichtet ist. Ihre Plausibilität
erhalten sie ebenfalls durch logische Kriterien oder durch den Verweis auf empirische Daten.
Auch sie können zur Interpretation oder Anleitung von empirischen Forschungen verwendet
werden.
Bei dieser Aufzählung ist zu beachten, dass sich sowohl die Kriterien der Plausibilität als auch
die Referenz der Argumente anders begründen lassen. Dies ist abhängig von dem allgemeinen
theoretischen
Verständnis
(Rationalismus,
Empirismus,
Analytische
Philosophie,
Relativismus, Universalismus,…) des Wissenschaftlers.
Ein wissenschaftlicher Text gilt als nicht ausreichend, wenn sie keine Gliederung enthält,
keine klar erkennbare Themen- bzw. Problemstellung aufweist, bei Behandlung einer
Theorierichtung oder eines Theoretikers keine Originalliteratur (hierunter fallen natürlich
auch die Übersetzungen ins Deutsche), sondern lediglich Sekundärliteratur verwendet wurde.
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In die Bewertung eines wissenschaftlichen Textes gehen insbesondere folgende Kriterien
ein: Aufbau des Textes, Umsetzung der Fragestellung, Selbständigkeit der Analyse und der
kritischen Auseinandersetzung, Originalität der Bearbeitung der Fragestellung, Qualität der
Argumentation (richtige Darstellung der Theorien und Modelle, Verwendung von
Fachbegriffen, Stringenz, Klarheit, korrektes methodisches Vorgehen); Qualität des
Ergebnisses (Plausibilität, Originalität, Bezug zum Forschungs- bzw. Literaturstand);
Textqualität (sprachlicher Ausdruck, Logik und Klarheit der Gedankenführung); Formalien
(Zitierweise, Literaturbasis).
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